24 | management So smart kann der Job sein Foto: glow images Avantgardisten der Arbeit managerSeminare | Heft 205 | April 2015 ms205-druck.indd 24 13.03.15 12:03 management | 25 Mitarbeiter, die kommen und gehen, wann sie wollen? Die machen, was sie wollen? Und bei allen Entscheidungen mitreden? Für viele Firmen eine Horrorvorstellung, für Unternehmen, die einen New Way of Work pflegen, der Alltag. Sie sind die Avantgardisten der Arbeit, die vormachen, wie sich Agilität und Innovation ins Business bringen lassen. Preview: AI Der Traum von Agilität: Warum das Interesse an alternativen Arbeitsmodellen steigt AI Empowerment als Strategie: Warum fortschrittliche Firmen ihre Mitarbeiter machen lassen, was sie wollen AI Partizipation bei Profis: Wie eine Klinik ihre Mitarbeiter in Strategie-Entscheidungen einbindet AI Geschäft ohne Geheimnis: Warum Vorreiter neuer Arbeitsweisen auf totale Transparenz gegenüber ihren Mitarbeitern setzen AI Die Firma als Forum: Wie New-Work-Firmen ihre Kultur per Architektur verstärken AI Die Haltung zählt: Warum neue Arbeitsformen nicht ohne Weiteres kopierbar sind C Über ein Dutzend junger Leute sitzt im Wohnzimmer einer alten Villa in Mecklenburg-Vorpommern locker verteilt um einen alten Esstisch herum. Manche auf Holz stühlen, einige am Boden hockend oder in bequeme Ohrensessel gefläzt. Auf dem Tisch: ein kleines Chaos aus Flaschen, Kaffeetassen, aufgeklappten Laptops. Alle tragen Casual – Jeanshosen, Pullis und Kapuzenshirts dominieren das Bild. Die Diskussion ist locker, ein Wort ergibt das andere. Einblicke in eine alternative Kommunardensitzung? Weit gefehlt. Die Szene stammt aus dem Film Augenhöhe. Der rund einstündige Doku-Streifen, der kostenlos im Internet abrufbar ist, nimmt den Zuschauer zwar tatsächlich mit in eine alternative Welt. Aber er dreht sich nicht um gesellschaftliche Aussteigergrüppchen, sondern um Unternehmen: um solche, die in gewisser Weise ebenfalls ausgestiegen sind. Nämlich aus der Art und Weise, wie Firmen gewöhnlich arbeiten. Die Wohnzimmerszene zeigt eine Sitzung von Premium Cola. Premium Cola ist eine der ungewöhnlichen Organisationen, die der Film porträtiert. Die GetränkeFirma macht fast alles anders als andere. Sie kennt keine Gewinn- und Wachstumsziele, und ihr Organisationsmodell fußt auf einem völlig gleichberechtigten Kollektiv aus Gründern, Händlern, Zwischenhändlern, Lieferanten und Kunden. Alle dürfen alles mitentscheiden, sind digital vernetzt, treffen sich ab und zu aber auch an Orten wie der Mecklenburger Villa. Blaupause für die Arbeitswelt der Zukunft Nicht alle im Film gezeigten Unternehmen fallen derart aus dem marktwirtschaftlichen Rahmen wie Premium Cola. Aber alle gehören zu einer Gruppe von Firmen, über die auf Management- und Personalkongressen, in Publikumsmedien und Fachmagazinen derzeit mit großer Begeisterung geredet und geschrieben wird. Ein Etikett, das sich für diese Firmen eingebürgert hat, ist „New Work“. Seit zwei Jahren gibt es sogar einen neuen Unternehmenswettbewerb unter dem Label. New Work ist ein Containerbegriff für recht unterschiedliche Arbeitsmodelle, die jedoch gemeinsam haben, dass sie partizipativer, offener und freier sind als das, was in den meisten Betrieben bis heute gelebt wird. Die Arbeitsweisen in den Firmen eines New Way of Work gelten als Blaupause für die Arbeitswelt der Zukunft. Experten und Praktiker glauben, dass sich hier wie in einem Experimental-Labor neue Formen Den Beitrag gibt es auch zum Hören. Er kann unter www.managerSeminare.de/podcast als Audiodatei heruntergeladen werden. managerSeminare | Heft 205 | April 2015 ms205vor.indd 25 12.03.15 17:50 26 | management der Zusammenarbeit beobachten lassen, von denen auch andere Unternehmen in Zukunft profitieren könnten. Denn die traditionellen Mittelständler und Konzerne mit ihren Befehlsketten und Abteilungssilos geraten zunehmend in Bedrängnis. „Wir beobachten heute, wie diese Unternehmen an Märkten scheitern, die sie über Jahrzehnte angeführt haben“, sagt Lena Schiller Clausen, die mit „New Business Order“ ein Buch über Firmen mit alternativen Arbeitsweisen geschrieben hat. Das Problem vieler Betriebe: „Ihnen fehlt die nötige Agilität, um sich dicht ans Marktgeschehen andocken und auf Veränderungen der Nachfrage rasch reagieren zu können“, so Schiller Clausen. Schnell reagieren funktioniert nicht, wenn Vorlagen in einem hierarchischen System über zig Chefschreibtische wandern müssen, bevor eine Entscheidung fällt. Und innovativ sein klappt auch nicht, wenn Wissensarbeiter ständig die Erfahrung machen, dass ihre Ideen an Machtstrukturen und engen Prozessvorgaben abprallen. Lena Schiller Clausen nennt ein Beispiel: Als Yahoo das Start-up Flickr gekauft hatte, ging es mit dessen Innovationskraft steil bergab: „Denn die Flickr-Mitarbeiter waren nur noch damit beschäftigt, auf Anweisung von oben neue Schnittstellen zwischen ihrer und der Yahoo-Software zu bauen, statt wie bisher, dicht dran an ihren Nutzern, neue Community Features für die Fotoplattform zu entwickeln.“ New-Work-Strategie: Einfach machen lassen Foto: hhp Berlin Firmen, die einen New Way of Work beschreiten, machen es anders. Sie geben dem kreativen Potenzial ihrer Brainworker Raum. hhpberlin – eines der führenden Unternehmen in Sachen Brandschutz – ist so ein Betrieb. Zwar sind die 170 Angestellten des Unternehmens an sechs Standorten in festen Teams organisiert. Jedoch können sich die Mitarbeiter darüber hinaus jederzeit eigeninitiativ in immer neuen Konstel- „Wir beobachten heute, wie traditionelle Unternehmen an Märkten scheitern, die sie über Jahrzehnte angeführt haben, weil es ihnen an Agilität fehlt.“ Lena Schiller Clausen, Unternehmerin sowie Rednerin und Buchautorin zum Thema neue Arbeitswelt. Kontakt: [email protected] lationen zu Projektgruppen verbünden. Unterstützt wird das von einem IT-System, das Durchblick über die laufenden Projekte, Kompetenzen und Kapazitäten der Kollegen verschafft. Jeder darf ein neues Thema anstoßen, dafür Mitstreiter ins Boot holen oder sich an Themen von Kollegen andocken. Mal ist er Mitwirkender, mal Unterstützer, mal Projektleiter. „Die Führung übernimmt, wer vom Team die Legitimation dafür erhält“, erläutert Firmenchef Stefan Truthän. Folglich müssen alle bereit sein, ihre Führungsrolle beim nächsten Projekt auch wieder aus der Hand zu geben. Das gelingt, weil Karrieremodell und Talentmanagement entsprechend ausgerichtet sind. „Es geht nicht darum, einen mit Status verbundenen Posten zu erreichen, sondern darum, sich in bestimmten Themen weiterzuentwickeln“, so Truthän. Das macht die Firma zu einem Organismus, der sich in unterschiedliche Richtungen entwickelt, während jeder darin seine individuellen Interessen verfolgen kann. „Führung übernimmt, wer vom Team die Legitimation dafür erhält.“ Stefan Truthän, geschäftsführender Gesellschafter bei hhpberlin. Kontakt: [email protected] Der fluide Umgang mit persönlichen Stärken und Neigungen ist typisch für New-Work-Arbeitskulturen: Wer etwas spannend findet, macht es zu seinem Projekt. Dass das Prinzip nicht nur in Ingenieursfirmen funktioniert, zeigt das Beispiel des Systelios Gesundheitszentrums Siedelsbrunn in Wald-Michelbach. Geschäftsführer der Privatklinik für psychosomatische Gesundheitsentwicklung sind Gunther Schmidt und Mechthild Reinhard. Sie verstehen es als ihre Aufgabe, ein Team von ca. 130 Mitarbeitern so zu moderieren, dass in der täglichen Arbeit ein Maximum an Eigenverantwortung und Selbstorganisation möglich ist. Zum Beispiel können die Mitarbeiter der Klinik in projektbezogenen Arbeitsgruppen professionsübergreifend zusammenfinden. „Dafür lässt ihnen die Organisation den nötigen zeitlichen Spielraum“, erklärt Alexander Herr, Koordinator für externe Kooperationsanfragen bei Systelios. Die Praxis sei von Vorteil für beide Seiten: „Ein Therapeut, der in der Akquise-AG mit an der Außendarstellung der Klinik feilen darf, fühlt sich wertgeschätzt, weil seine Perspektive zählt. Und das Unternehmen profitiert, weil viele Sichtweisen meist zu besseren Ideen führen als nur eine“, so Herr. Mehrstimmigkeit braucht Wertschätzung In der Klinik ist es selbstverständlich, dass die meisten wichtigen Entscheidungen über den zukünftigen Weg des Unternehmens nicht von der Geschäftsführung allein, sondern in großer Runde getroffen werden. Die Mitarbeiter wählen Kollegen in eine Art parlamentarische Vertretung und dort kann jeder mit gleichem Stimmrecht Vorschläge einbringen oder sein Veto einlegen. Ist Letzteres der Fall, muss diskutiert werden, bis ein Konsens gefunden ist. Dass sich in der Klinik die meisten Mitarbeiter – vom Therapeuten bis zum Küchenpersonal – trauen, sich in diese Debatten einzubringen, führt Alexander Herr auf die Wertschätzung zurück, die bei Systelios der Wahrnehmung eines jeden Einzelnen entgegengebracht wird. Aus hypnotherapeutischer und systemischer Sicht haben alle unwillkürlichen, intuitiv ablaufenden Prozesse – und sei es das Bauchgrummeln bei einer Entscheidung – ihren Wert. Die Mitarbeiter spüren entsprechend: „Was sie zu sagen haben, ist wichtig, egal wie schräg es zunächst vielleicht erscheinen mag“, so Herr. Für das Unternehmen habe sich diese Haltung schon oft ausgezahlt: „Häufig sind uns in Debatten Neben- und Wechselwirkungen managerSeminare | Heft 205 | April 2015 ms205vor.indd 26 12.03.15 17:50 management | 27 einer Entscheidung aufgefallen, die die Geschäftsführer allein nicht hätten sehen können.“ Beobachter der New-Work-Szene ahnen: Wollen sie mehr Marktnähe in ihre Entscheidungen bringen und größere Umsetzungschancen für ihre Beschlüsse, dann werden auch sie diese in Zukunft nicht mehr allein einem elitären Managerkreis überlassen können. Sie werden Modelle finden müssen, die es erlauben, die Entscheidungsmacht des Managements um mehr Partizipation von unten zu erweitern. Fraglich nur, ob klassische Hierarchen dazu bereit sind, Macht abzugeben und die Meinungsvielfalt von unten wirklich zu schätzen wissen. Klassischer Achtstundentag ohne Nine-to-Five Eine Frage der Haltung ist es auch, ob Chefs ihre Mitarbeiter tatsächlich als Experten für das operative Geschäft anerkennen. Genau das tun viele New-WorkPionier-Firmen. Die Konsequenz: Sie übertragen ihren Mitarbeitern sämtliche Entscheidungsbefugnisse im täglichen Geschäft, etwa indem sie cross-funktional besetzte Teams bilden, in denen alle Skills zusammenlaufen, die für eine Aufgabe benötigt werden. Die digitale Marketingagentur Ministry aus Hamburg hat erst kürzlich ihre Bereichsgrenzen aufgegeben, um solche Teams zu etablieren. Diese wickeln nun alles komplett eigenständig ab: von Personalbesetzungen bis hin zu ihren Kundenprojekten. Die Hoffnung, die sich an das Prinzip knüpft: mehr Kreativität sowie schnellere Prozesse, weil Schnittstellenprobleme zwischen Abteilungen wegfallen. „Es verkürzt Prozesse ungemein, wenn der Designer mitbekommt, wie der Berater mit dem Kunden telefoniert“, so Marco Luschnat, einer der vier Geschäftsführer. Es braucht nach Luschnats Erfahrung allerdings große Dialogbereitschaft und Feedback-Kompetenz, wenn so unterschiedliche Mitarbeiter wie Designer, Entwickler und Kundenberater effektiv in einem Team zusammenarbeiten sollen. Auch die Arbeitsweisen müssen agiler werden, wenn cross-funktionale Teams die Dynamik entfalten sollen, die man sich von ihnen erhofft. Bei Ministry produzieren die Teams, wenn sie für einen Kunden einen Webauftritt basteln, zum Beispiel nicht eine Seite nach der anderen. Sie erstellen einzelne Software Features, die erst hinterher zusammengeführt werden. So sind nicht anfangs die Entwickler und später die Designer arbeitslos. Und es fallen weniger zermürbende Retouren an. „In klassischen Agenturen fällt dem Kunden kurz vor Abschluss eines Projekts ein, dass alles doch ganz anders aussehen soll. Und der Chef ordnet an: Alles noch mal von vorn“, erzählt Luschnat. Es waren nicht zuletzt diese, in Überstunden mündenden Strukturen, die er und seine Geschäftsführerkollegen hinter sich lassen wollten, als sie ihre Firma 2012 aus der Fusion mit einer klassischen Werbeagentur zurückkauften. Die Taktik ging auf. Bei Ministry ist heute ein solider Achtstundentag die Regel, der aber kein klassischer Nine-to-Five-Tag ist. Denn die Mitarbeiter dürfen völlig frei über Arbeitszeit und -ort bestimmen. Sie kommen nur ins Büro, wenn es ihnen passt. Und jeder erhält ein iPad fürs Arbeiten abroad. A STAATLICH ANERKANNTE HOCHSCHULE WIR MACHEN KARRIEREN Eröffnen Sie sich hervorragende Karriereperspektiven durch ein berufsbegleitendes Fernstudium. 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Auch die Elbdudler-Mitarbeiter dürfen kommen und gehen, wie sie wollen, und dank digitaler Technik arbeiten, wo immer sie mögen. Niemand kontrolliert das. Sogar ihre Gehälter legen die Angestellte selbst fest. „Jeder entwickelt seinen Gehaltswunsch anhand von vier Fragen: Wie viel brauche ich? Wie viel bekommen meine Kollegen? Wie viel bekäme ich am freien Markt? Und was kann sich die Firma leisten? Dann wird der Wunsch zwei bis fünf Kollegen zur Freigabe vorgelegt“, erklärt Firmenchef Julian Vester. Auch Urlaub dürfen sich die 38 Mitarbeiter der Firma gönnen, so viel sie wollen – ab einer bestimmten Tageszahl freilich unbezahlt. Die einzige Rahmenbedingung, die Vester stellt: „Die Teams müssen sich intern abstimmen, damit die Arbeit getan wird und der Kunde einen Ansprechpartner hat.“ Der Firmenchef findet trotzdem: „So hipp, wie immer alle meinen, sind wir gar nicht.“ Für ihn sind die Freiheiten seiner Mitarbeiter nur logische Konsequenz seines Verständnisses von Zusammenarbeit: „Ich betrachte meine Mitarbeiter als vernünftige erwachsene Menschen – und deshalb verhalten sie sich auch so.“ Bis jetzt habe er nie Anlass gehabt, daran zu zweifeln. Selbst bei den Gehaltswünschen sei bisher niemand mit überzogenen Forderungen aufgefallen. Das liegt aber wohl auch daran, dass Firmen wie Ministry und Elbdudler etwas aus der Sicht anderer Betriebe Atmenberaubendes tun: Sie legen ihre Finanzdaten bis zum letzten Posten offen. New-Work-Credo: Durchblick für alle muss sein „Wer selbstbestimmt arbeitet, kann das nur dann vernünftig tun, wenn er alle Belange des Unternehmens durchblickt, auch die finanziellen“, lautet Julian Vesters Credo. Er ist überzeugt, dass die rückhaltlose Offenheit bei seinen Mitarbeitern dafür sorgt, dass sie wirtschaftlicher denken als Befehlsemp- Alternativ arbeiten, heißt ... ... Abschied vom Schubladen-Denken nehmen. Wer Mitarbeitern Raum lässt, sich mit ihren Neigungen und Stärken auch jenseits ihres engeren Einsatzbereiches einzubringen und weiterzuentwickeln, treibt zum einen deren persönliche Entwicklung voran und zum anderen, die Weiterentwicklung des Unternehmens. ... Abteilungsgrenzen auflösen oder aufweichen. Mehr Innovationskraft sowie Beweglichkeit kommt in Prozesse, wenn Abteilungen zugunsten crossfunktional besetzter Teams abgeschafft werden. Eine andere Möglichkeit sind Strukturen, die sich wie eine zweite Schicht über die Bereiche legen und Mitarbeitern Gelegenheit geben, in interdisziplinären Projekten zusammenzuarbeiten. ... strukturelle Hierarchien verflachen. Führung gibt es zwar noch, doch sie ändert ihren Charakter. Leadership wird temporärer, wenn in einem Projekt derjenige die Führung übernimmt, der vom Team die Legitimation dafür erhält. Leadership bedeutet im New-Work-Kontext aber auch, auf einer übergeordneten Ebene die täglichen Aufgaben in einen größeren Zusammenhang zu setzen, Prozesse anzuregen, in denen die Mitarbeiter die Strategie des Unternehmens weiterentwickeln, und Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sie erfolgreich arbeiten können. Auch als Moderator im Konfliktfall sind Führungskräfte gefragt. ... für Transparenz sorgen. Arbeiten Mitarbeiter orts- und zeitungebunden, suchen sie sich Projekte und Aufgaben selbst, sind Strukturen wichtig, über die nachvollziehbar ist, wer was gerade tut: seien es virtuelle Systeme, regelmäßige Projekt-Reviews oder räumliche Bedingungen, die Mitarbeiter in den Dialog bringen. Transparenz schreiben New-Work-Firmen auch noch in anderer Hinsicht groß: Sie legen ihre Finanzdaten offen, um den Entscheidungen der Mitarbeiter das nötige Fundament zu geben. ... Partizipation ermöglichen. Viele Augen sehen mehr, viele Köpfe sind ideenreicher als die eines isolierten Management Boards: Unternehmen, die diese Überzeugung teilen, setzen auch bei der Weiterentwicklung der Firmenstrategie auf die Beteiligung ihrer Mitarbeiter. Ein beliebter Weg besteht darin, solche Entscheidungen im Konsens zu treffen. ... Dialog- und Feedback-Kompetenzen stärken. Wo Mitarbeiter frei über Arbeitszeit und -ort bestimmen und den strategischen Kurs des Unternehmens mitbestimmen, sind Dialog-, Feedback- und Konfliktlösungskompetenzen unabdingbar. Diese müssen gezielt gefördert und – beispielsweise über gemeinsame Regeln – eingefordert werden. ... Entscheidungskompetenzen übertragen. Wer kennt sich im operativen Business am besten aus? Wer ist am dichtesten dran am Kunden? Für Firmen, die neue Arbeitsweisen verwirklichen, sind das ganz klar ihre Mitarbeiter. Deshalb übertragen sie ihnen weitreichende Entscheidungsbefugnisse, im täglichen Business, aber oft auch darüber hinaus – zum Beispiel bei der Einstellung neuer Kollegen. ... Individualität respektieren. New-Work-orientierte Firmen respektieren die Individualität ihrer Mitarbeiter: indem sie ihnen die Freiheit lassen, ihren Arbeitsalltag selbst zu gestalten und indem sie die Mitarbeiter als ganzheitliche Menschen anerkennen, bei denen das Arbeitsleben auch einmal zurückstehen muss, wenn der Impact in anderen Lebensbereichen größer ist. Im Sinne einer lebensphasenorientierten Führung wird dann z.B. gemeinsam überlegt, wie die Arbeit umorganisiert werden kann. ... selbstbestimmtes Arbeiten zulassen. New-Work-Firmen legen ihre Mitarbeiter nicht an die Kandare. Die Mitarbeiter dürfen meist über Arbeitszeit und -ort selbst bestimmen. Möglich machen es virtuelle Arbeitsweisen. Einzige Voraussetzung: Das Team muss sich intern abstimmen, damit Kunden einen Ansprechpartner haben. ... Vertrauen schenken, Macht abgeben. Freie partizipative Arbeitsbedingungen funktionieren nur dann, wenn eine entsprechende Haltung dahintersteckt. Auffällig ist, dass in sehr vielen Firmen mit alternativen Arbeitsweisen ein Inhaber dahinter steht, der genau so und nicht anders arbeiten will. Die Führung muss bereit sein, Mitarbeitern zu vertrauen und persönliche Macht aus der Hand zu geben. managerSeminare | Heft 205 | April 2015 ms205vor.indd 28 12.03.15 17:50 management | 29 new Work im Konzern: das beispiel deutsche bahn in bestimmten bereichen und nischen implementieren auch Konzerne neue Arbeitsmodelle. ein gelungenes beispiel ist das projekt myplan, das die deutsche bahn im geschäftsbereich fernverkehr umgesetzt hat: AWie alle im Schichtdienst beschäftigten, wünschen sich auch die zugbegleiter und bordgastronomen der bahn mehr einfluss auf die gestaltung ihres einsatzplanes. ihr ruf nach Schichten, die individuelle Wünsche besser berücksichtigen, wurde in den vergangenen Jahren zunehmend lauter. Aende 2013 startete der Konzern daher ein Pilotprojekt: mitarbeiter an den Standorten Köln und Karlsruhe durften erstmals mittels eines it-Systems selbst über die lage ihrer Schichten und ruhetage bestimmen. Adie neueEigenverantwortung ermöglicht den mitarbeitern nicht zuletzt eine stärkere teilhabe am gesellschaftlichen leben. zum beispiel eröffnet ihnen die Wahl von Schichttagen und ruhetagen die chance, Kurse oder regelmäßige trainings zu besuchen – etwas, was bei beschäftigten im Schichtdienst nicht die regel ist. Ain einer EvaluationdesJahres2014 kam der pilotversuch bei 72 prozent der teilnehmer gut an. AHeute nehmen 3.600Mitarbeiteraninsgesamt17Standorten an dem projekt teil. Wie es mit myplan weitergeht, ob das projekt noch erweitert wird, hängt maßgeblich von einer mitarbeiterbefragung ab, die mitte 2015 durchgeführt werden soll. fänger, die im Dunkeln tappen. Und dass sie mehr Verantwortungsbewusstsein für das Unternehmen als Ganzes entwickeln. Für seine Mitarbeiter ist es beispielsweise selbstverständlich, über den Tellerrand der eigenen Arbeit hinauszuschauen: „Tut sich eine Schwierigkeit auf, bildet sich immer sofort eine schnelle Einsatzgruppe, die sich der Sache annimmt.“ Ministry-CEO Luschnat glaubt zudem, dass der finanzielle Durchblick das Integrationsgefühl der Mitarbeiter stärkt: „Wenn die Teams sehen, dass mal das eine, mal das andere von ihnen einen höheren Deckungsbeitrag zum Gesamtergebnis erwirtschaftet, und dass sich das Ganze auf längere Sicht ausgleicht, dann merken sie, dass alle aufeinander angewiesen sind.“ newWorkisteineherausforderung Doch bei aller Transparenz kann die NewWork-Welt anstrengend sein: Ständig partizipieren, Projekte anstoßen, Mitstreiter dafür gewinnen, alles selbst entscheiden, sich mit seinen Kollegen abstimmen und obendrein die eigene Arbeitsorganisation managen, ist für die Mitarbeiter eine große Herausforderung. Firmenchef Vester macht keinen Hehl daraus: „Nicht alle wollen und können so arbeiten.“ Und selbst diejenigen, die sich grundsätzlich mit der vielen Selbstund Mitverantwortung wohlfühlen, brau- chen Unterstützung. Bei Ministry gibt es die zum Beispiel in Form von Schulungen und Workshops – etwa in Konfliktbewältigung und Feedback-Kultur. Auch gemeinsame Kommunikationsregeln sollen helfen. Instant Feedback hat Elbdudler das wichtigste Kommunikationsprinzip genannt, an das sich alle halten sollen: Probleme sollen demnach stets sofort sachlich angesprochen werden – ob persönlich oder auf digitalem Weg. Mit solchen Maßnahmen wollen die Firmen unter anderem dem Konfliktpotenzial begegnen, das zuweilen in den freien Arbeitsmodellen schlummert; etwa, wenn Mitarbeiter den Verdacht hegen, ein Kollege lege die freie Arbeitszeitgestaltung etwas zu sehr zu seinen Gunsten aus. Regelmäßige Projekt-Reviews und Belegschaftsmeetings dienen ebenfalls nicht nur dazu, inhaltliche Manöverkritik zu leisten und gemeinsam neue Strategien zu entwickeln. Auch sie helfen, besser zu durchblicken, was die Kollegen gerade machen. Transparenz in dieser arbeitswelt xy ungelöst TaToRT aRbEiTSplaTz • GenXstelltGenYein • amArbeitsplatztreffen beide aufeinander • unterschiedlicheWerte und Kommunikationsstile begegnensich • GenXfühltsichunver- standen • GenYfühltsichunver- standen • Wastun? SachdiEnlichE hinwEiSE füreinefunktionierende ZusammenarbeitderGenerationenerhaltenSievon JuttaMürköster(GenX)und MoanaJaschke(GenY) Vortrag am 17.04.2015 auf den petersberger Trainertagen KontaKt Selbstmanagement MÜRKÖSTER Käthe-Kollwitz-Straße 15A 34134 Kassel T +49 561 47 57 88 28 [email protected] www.muerkoester.de ©Rido-Fotolia.com managerSeminare | Heft 205 | April 2015 ms205vor.indd 29 12.03.15 17:50 30 | management Hinsicht bringen zudem die neuen Technologien ins Spiel. Nach Einschätzung von Andreas Boes, Arbeitswissenschaftler am Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung München, macht es gerade die zunehmende Digitalisierung von Büroarbeitsprozessen Unternehmen heute leicht, ihre Mitarbeiter von der Leine zu lassen. „Durch die Digitalisierung der Prozesse wissen die Firmen sehr genau, was ihre Mit arbeiter tun“, so Boes. Und die Kollegen wissen es auch. Vor allem, wenn sie zusätzlich Social Media Tools nutzen, um zu interagieren. Architektur macht Kultur Total digital sind viele Pioniere neuer Arbeitsformen dennoch nicht. Ob es die ehemalige Kirche ist, in der Elbdudler residiert, oder das 300 Jahre alte Hamburger Handelshaus, das Firmensitz von Ministry ist – überall sieht es chic und einladend aus. Es scheint die Regel zu sein, dass sich Firmen, die ihren Mitarbeitern freistellen, ob sie überhaupt zur Arbeit kommen wollen, besonders darum bemühen, ihnen ein hoch attraktives Arbeitsumfeld zu bieten. Das ist nur scheinbar paradox. Denn die Firmen wissen, dass der Direktkontakt bei allen digitalen Vernetzungsoptionen seinen Wert hat: um kreative Ideen zu entwickeln, Konflikte zu bereinigen, das Ganze zusammenzuhalten. Deshalb „Ich behandele meine Mitarbeiter wie erwachsene, vernünftige Menschen. Deshalb verhalten sie sich auch so.“ Julian Vester, Geschäftsführer der Social-Media-Agentur Elbdudler in Hamburg. Kontakt: [email protected] machen sie das Büro zum Attraktor, der die Mitarbeiter anziehen und in den Dialog bringen soll – nicht zuletzt mittels geschickter Raumarchitektur. „Man kann keine Dialogkultur erwarten, wenn alle in ihren Einzelbüros hocken und sich aus dem Weg gehen können“, ist Heiner Scholz überzeugt. Sein Böblinger Beratungsunternehmen für IT, Projektmanagement und Arbeitsweltgestaltung Dexina, das 2015 den dritten Platz der KMU beim New Work Award errungen hat, hat sich die parallele Weiterentwicklung von Kultur und Raum auf die Fahne geschrieben. Nach ihrem Ansatz Live@Work hat die Firma nicht nur die eigene Arbeitswelt gestaltet, sie unterstützt auch andere Betriebe darin, Kultur und Raum in Einklang zu bringen. Service Bei Dexina spiegelt der Raum ebenso den Willen zum Dialog wie den Respekt vor den individuellen Ansprüchen der Mitarbeiter: Es gibt viele offene Flächen und lounge- und caféartige Kontaktpunkte. Es gibt aber auch Strandkörbe auf dem Dach, die zum Rückzug einladen, und ein Kinderbüro für Mitarbeiter, die ihren Nachwuchs mitbringen wollen. Der Grundsatz: Das Privatleben der Mitarbeiter darf ruhig in die Firma schwappen. Aber die Firma soll nicht zum Ersatz für deren Privatleben werden. Im Gegenteil, Heiner Scholz verpflichtet seine Führungskräfte explizit dazu, zu berücksichtigen, dass die Arbeit manchmal hinter anderen Lebensbereichen zurückstehen muss. Er weiß, dass das zusätzlichen Aufwand bedeutet: „Es macht mehr Arbeit, mit einem Mitarbeiter und dessen Kollegen zu überlegen, wie die Arbeit umorganisiert werden kann, als einfach eine Order auszusprechen“, so Scholz. Dennoch: Ihm ist diese Haltung gegenüber den Mitarbeitern wichtig. Die Haltung hinter den neuen Arbeitsweisen ist entscheidend Literaturtipps AChristoph Giesa und Lena Schiller Clausen: New Business Order: Wie Start-ups Wirtschaft und Gesellschaft verändern. Carl Hanser, München 2014. 19,90 Euro. Das Buch ist eine spannende Reise in die Welt von Start-up-Firmen, die mit ebenso unkonventionellen Geschäftsideen wie Organisationsformen die Businesswelt umkrempeln. AAndrea Bittelmeyer: Tschüss, Chef! Führung ohne Führungskräfte. managerSeminare 196, Juli 2014, www.managerseminare.de/MS196AR01 Die hierarchiefreie Firma ist mancherorts schon Realität: Einige Pionier-Unternehmen setzen konsequent auf Selbstorganisation und Eigenverantwortung ihrer Mitarbeiter. Die mutigsten Firmenchefs haben sich gleich selbst entmachtet. Einblicke in eine Businesswelt, die führungslos funktioniert, wenn auch nicht immer reibungslos. Film- und Veranstaltungstipp AUnter http://augenhoehe.jimdo.com/dabei-sein/ steht zum kostenlosen Anschauen der Dokumentarfilm Augenhöhe bereit, den ein Team um den Unternehmensberater Sven Franke per Crowdfunding produziert hat. Im Film werden Pioniere neuer Arbeitsweisen porträtiert, die vor allem auf weitreichende Mit- und Selbstbestimmungsrechte der Mitarbeiter setzen. Auf der Website findet sich auch eine Übersicht über alle Termine, zu denen der Film in verschiedenen Städten einschließlich anschließender Diskussionsrunde gezeigt wird. Es fällt auf, dass in den New-Work-Pionierfirmen Chefs am Ruder sind, die die Arbeitswelt genauso und nicht anders haben wollen. Die tief überzeugt sind vom Wert einer offenen, partizipativen Zusammenarbeit und die an die Kompetenz und Motivation ihrer Mitarbeiter glauben. Daher der Wille, Macht und Kontrolle abzugeben. Und eben nicht nur, weil die Digitalisierung es zulässt, die Gen Y es einfordert oder der Marktdruck es erzwingt. „Die Art und Weise, wie wir arbeiten, kann man nicht einfach übertragen. Es kommt auf die Werte dahinter an“, betont Elbdudler-Chef Julian Vester. Und diese Werte haben überhaupt nichts Hippes, Avantgardistisches an sich. „Die sind total traditionell: Unser Fundament ist gegenseitiger Respekt.“ Sylvia Jumpertz C managerSeminare | Heft 205 | April 2015 ms205vor.indd 30 12.03.15 17:50 wir können. sympathisch anders. eigen (Sie) was Sie können ibo-Zertifikate Beratung Training Training und Training Thema Change Management - Integriert statt isoliert ibo Trendforum Change Management-Berater mit ibo-Zertifikat Lernen Sie von und diskutieren Sie mit Experten und Praktikern. Termine Reihe 1: 15.04. - 05.11.2013 in Marburg Hessen Reihe 2: 28.10. - 29.042013 in Bad Nauheim Hessen Ihre Gastgeberin: Dr. Jutta Chalupsky, Produktmanagerin ibo Beratung und Training GmbH Vorträge • Erfolgreiches Change Management: Lektionen aus heutiger Sicht Karl-Heinz Große Peclum, BHF-Bank AG • Den Wandel umsetzen: Strukturelle und personelle Veränderungen Sven Albert und Ralf Baumann, BBBank Karlsruhe Info und Anmeldung www.ibo.de/training/change-management Inhouse-Kompaktseminar individuell für Ihr Haus (3 Tage) Stärken Sie die Rolle(n) der HR-Mitarbeiter in Veränderungsprozessen und -projekten durch Change Management Kompetenz. • Länger leben. Länger arbeiten. Länger lernen. Uwe Ross, B. Braun Melsungen AG Info und Anmeldung unter www.ibo.de/ibo-trendforum 03 DAS WEITERBILDUNGSMAGAZIN Lernprojekt Selbsterkenntnis: Wer bin ich? Wie bin ich? Was will ich? Change Management Kompetenz für HR Helmuth Braun, ibo Beratung und Training GmbH Dr. rer. soc. Josephine Hofmann, Fraunhofer Institut für Arbeitswissenschaften und Organisation IAO managerSeminare 4191150312801 Kostenfreie Infoveranstaltung am 19.03. und 01.10.2013 • Change Marketing: Veränderungen gut vermarkten • Change: Keine Frage des Alters G 11503 | Heft 180 | März 2013 | € 12,80 | sfr 22,50 | www.managerSeminare.de Offene Ausbildungsreihe mit 5 Modulen (13 Tage) Christian Eichhorn Key Account Manager Banken [email protected] T: +49 641 98210-347 Claudia Weiß Key Account Manager Chemie/Pharma [email protected] T: +49 641 98210-385 Wir beraten Sie. Nehmen Sie Kontakt auf! ibo Beratung und Training GmbH | Im Westpark 8 | D-35435 Wettenberg | T: +49 641 98210-300 | [email protected] | www.ibo.de managerSeminare | Heft 180 | März 2013 09. April 2013, Frankfurt Selbsterkenntnis | Aggressivität im Management | Online-Einfluss | Gehirnjogging | Kollegencoaching | Innovative Personalberatung | Innovationsmanager | Solution Tools 30 Jahre A Warum das Selbstbild fast immer verzerrt ist A Wie Selbstkenntnis die Führungskompetenz steigert A Erkenntnispfad: Fünf Schritte zum Selbst Wertvolle Wut: Warum Aggressivität eine Managementkompetenz ist Kollegencoaching: Wie die Beratung von Führungskraft zu Führungskraft funktioniert Gehirnjogging: Welche Methoden tatsächlich Nutzen bringen Seminarmarkt: Aktuelle Weiterbildungen für Mitarbeiter und Führungskräfte ms180-titel.indd 1 Abonnent zu sein lohnt sich: A vollständiger Zugriff auf 20 Jahre Artikelarchiv und ... 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