Art.100 GG, Steuer/sonstige Abgabe, Art. 3 GG

Achim Bostedt
Richter am Verwaltungsgericht
Verwaltungsgerichtliche Praxis
Veranstaltungsreihe des Verwaltungsgerichts Freiburg
5. Besprechungsfall
17.03.2015
„Ein Fernsehmuffel will nicht zahlen"
(Art. 100 GG, Steuer/sonstige Abgabe, Art. 3 GG)
Sachverhalt
A ist Inhaber einer Wohnung in Freiburg. Er besitzt ein Radio, jedoch keinen Fernseher, sodass er bis zum 31.12.2012 Rundfunkgebühren stets nur in der Form der
Grundgebühr in Höhe von zuletzt monatlich 5,76 Euro schuldete und dem Südwestrundfunk als dem Gebührengläubiger auch bezahlte. Als er mit Inkrafttreten des
Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (GBl. 2011, S. 477 ff) ab dem 01.01.2013 einen geräteunabhängigen Wohnungsbeitrag in Höhe von monatlich 17,98 Euro zahlen sollte,
der in der Höhe der früheren Rundfunkgebühr für den Besitz eines Radios und eines
Fernsehers entsprach, stellte A seine Zahlungen an Südwestrundfunk im vollen Umfang ein.
Nach entsprechenden Zahlungserinnerungen setzte der SWR mit Bescheid vom
01.06.2013 gegenüber dem Kläger für den Zeitraum von Januar bis März 2013 eine
Rundfunkbeitragsschuld in Höhe von 53,94 Euro sowie einen Säumniszuschlag in
Höhe von 8,00 Euro fest. Der gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch wurde
mit Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 05.07.2013 zurückgewiesen.
Der Kläger hat am 02.08.2013 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, der Beitragsbescheid des Beklagten sei rechtswidrig, da die Festsetzung des Beitrags auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage basiere. Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag sei
formell verfassungswidrig, da es sich bei dem Rundfunkbeitrag abgabenrechtlich
nicht um einen Beitrag, sondern um eine Steuer handele. Den Abgabenpflichtigen
komme durch das bloße Zur-Verfügung-Stellen von Rundfunk kein unmittelbarer individualisierbarer wirtschaftlicher Nutzungsvorteil zu. Soweit ein solcher Vorteil über
die Anknüpfung der Beitragspflicht an das Innehaben einer Wohnung gesetzlich mit
der in jeder Wohnung vermuteten Rundfunknutzung begründet werde, sprenge dies
den Rahmen der zulässigen Typisierung. Es fehle dem einzelnen Wohnungsinhaber
die Möglichkeit, sich der Beitragslast zu entziehen, etwa indem er nachweise, dass er
keine Rundfunkgeräte besitze und deshalb das öffentlich-rechtliche Rundfunkprogramm auch nicht empfangen könne. Sei der Rundfunkbeitrag abgabenrechtlich als
Steuer zu qualifizieren, könne die Gesetzgebungskompetenz für seine Erhebung
nicht aus der allgemeinen Kompetenzverteilung abgeleitet werden, sondern müsse
sich aus dem Finanzverfassungsrecht der Art. 105 ff. GG ergeben. Nach diesen Regelungen lasse sich jedoch eine Steuerkompetenz für das Land nicht begründen.
-2Der SWR tritt der Klage entgegen. Er hält den mit dem neuen Rundfunkbeitragsstaatsvertrag für jede Wohnung erhobenen Rundfunkbeitrag für eine nichtsteuerliche
Abgabe, für deren Regelung der Landesgesetzgeber in Annex zur Rundfunkkompetenz ohne weiteres zuständig gewesen sei. Die folge schon aus der Bezeichnung der
Abgabe als „Beitrag“ und nicht als „Steuer“. Hinzu komme, dass der Beitrag - anders
als eine Steuer - nicht voraussetzungslos, sondern gerade für die Zugangsmöglichkeit des Zahlungspflichtigen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk erhoben werde. Eine andere Form der Finanzierung, etwa über Steuern, sei verfassungsrechtlich problematisch, weil aus Gründen der Sicherstellung der Programmautonomie und der
Staatsferne dafür gesorgt werden müsste, dass die Beiträge den Rundfunkanstalten
unmittelbar zuflössen und nicht erst - wie bei Steuern - zunächst in den allgemeinen
Staatshaushalt, um dann von dort unter Berücksichtigung der Budgethoheit des Parlamentes, aber mit der Gefahr einer zumindest mittelbaren Einflussnahme an den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugewiesen zu werden. Die für die Qualifizierung einer Abgabe als „nichtsteuerliche Vorzugslast“ erforderliche individualisierbare Gegenleistung der öffentlichen Hand sei in der Möglichkeit des Rundfunkempfangs zu
sehen, die typischerweise in jeder Wohnung gegeben sei. Zwar sei zuzugeben, dass
der Vorteil aus der Empfangsmöglichkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erst
dann realisiert werden könne, wenn der Abgabenpflichtige ein entsprechendes Empfangsgerät vorhalte, doch sei die gesetzliche Vermutung, dass in jeder beitragspflichtigen Raumeinheit die Möglichkeit zum Rundfunkempfang gegeben sei, dadurch gerechtfertigt, dass tatsächlich nahezu alle Haushalte über ein Rundfunkempfangsgerät
verfügten, die diesen Empfang auch technisch möglich machten. So seien in 96,4%
der Haushalte Fernsehgeräte verfügbar, bei Radiogeräten sei von einem Durchdringungsgrad von nahezu 100% auszugehen. Hinzu kämen in 83,5 % der Haushalte
internetfähige PC und in 90,3 % der Haushalte Handys oder Smartphones mit UKWRadioempfang und/oder Internetzugang sowie schließlich noch in 96 % der Haushalte privat genutzte PKW mit eingebautem Autoradio. Sofern gefordert werde, dass ein
einzelner Wohnungsinhaber trotz der bei ihm typisierend unterstellten Möglichkeit
des Rundfunkempfangs geltend machen können müsse, dass er aufgrund fehlender
Empfangsgeräte ausnahmsweise keine Empfangsmöglichkeit habe, stehe dem die
fehlende Überprüfbarkeit einer solchen Behauptung entgegen, die bereits nach dem
bisherigen Modell der gerätegebundenen Rundfunkgebühren zu einem erheblichen
Missbrauch und einer faktischen Ungleichbehandlung der einzelnen Rundfunkteilnehmer geführt habe. Sofern der Empfang unabhängig vom Vorhandensein eines
Empfangsgeräts objektiv unmöglich sei, trage dem der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag dadurch hinreichend Rechnung, dass bei technischer Unmöglichkeit des Empfangs ebenso wie bei körperlicher Unmöglichkeit der Aufnahme des Rundfunkprogramms Befreiungen von der Beitragspflicht erteilt werden könnten.
Aufgabe:
Prüfen Sie gutachterlich, wie das Gericht auf die - zulässige - Klage entscheiden wird. Beachten Sie hierbei, dass der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag über
das Zustimmungsgesetz zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag
und zur Änderung medienrechtlicher Vorschriften vom 18.10.2011 (GBl. 2011,
477) in den Rang eines formellen Landesgesetzes erhoben wurde. Die Problematik der Zuordnung des Rundfunkbeitrags zum Begriff der „Verbrauchssteuer“ ist nicht in den Blick zu nehmen.
-3-
Auszug
aus dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag v. 17.12.2010 (GBl. 2011, 477)
§ 1 Zweck des Rundfunkbeitrags
Der Rundfunkbeitrag dient der funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlichrechtlichen Rundfunks im Sinne von § 12 Abs. 1 des Rundfunkstaatsvertrages sowie
der Finanzierung der Aufgaben nach § 40 des Rundfunkstaatsvertrages.
§ 2 Rundfunkbeitrag im privaten Bereich
(1) Im privaten Bereich ist für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner)
ein Rundfunkbeitrag zu entrichten.
§ 4 Befreiungen von der Beitragspflicht, Ermäßigung
(1) Von der Beitragspflicht nach § 2 Abs. 1 werden auf Antrag folgende natürliche
Personen befreit: …
9.
Volljährige, die im Rahmen einer Leistungsgewährung nach dem Achten Buch
des Sozialgesetzbuches in einer stationären Einrichtung nach § 45 des Achten
Buches des Sozialgesetzbuches leben, und
10.
taubblinde Menschen und Empfänger von Blindenhilfe nach § 72 des Zwölften
Buches des Sozialgesetzbuches.
(2) Der Rundfunkbeitrag nach § 2 Abs. 1 wird auf Antrag für folgende natürliche Personen auf ein Drittel ermäßigt:
1.
blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte Menschen mit
einem Grad der Behinderung von wenigstens 60 vom Hundert allein wegen
der Sehbehinderung,
2.
hörgeschädigte Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende
Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist, und
3.
behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend
wenigstens 80 vom Hundert beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können.
….
-4(6) Unbeschadet der Beitragsbefreiung nach Absatz 1 hat die Landesrundfunkanstalt
in besonderen Härtefällen auf gesonderten Antrag von der Beitragspflicht zu befreien. …
§ 7 Beginn und Ende der Beitragspflicht, Zahlungsweise, Verjährung
(1) Die Pflicht zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags beginnt mit dem Ersten des Monats, in dem der Beitragsschuldner erstmals die Wohnung, die Betriebsstätte oder
das Kraftfahrzeug innehat. …
(2) …
(3) Der Rundfunkbeitrag ist monatlich geschuldet. Er ist in der Mitte eines Dreimonatszeitraums für jeweils drei Monate zu leisten.
(4) …
§ 10 Beitragsgläubiger, Schickschuld, Erstattung, Vollstreckung
(1) Das Aufkommen aus dem Rundfunkbeitrag steht der Landesrundfunkanstalt und
in dem im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag bestimmten Umfang dem zweiten
Deutschen Fernsehen (ZDF), dem Deutschlandradio sowie der Landesmedienanstalt
zu, in deren Bereich sich die Wohnung oder die Betriebsstätte des Beitragsschuldners befindet oder das Kraftfahrzeug zugelassen ist.
(2) Der Rundfunkbeitrag ist an die zuständige Landesrundfunkanstalt als Schickschuld zu entrichten. Die Landesrundfunkanstalt führt die Anteile, die dem ZDF, dem
Deutschlandradio und der Landesmedienanstalt zustehen, an diese ab.
…
(5) Rückständige Rundfunkbeiträge werden durch die zuständige Landesrundfunkanstalt festgesetzt. Festsetzungsbescheide können stattdessen auch von der Landesrundfunkanstalt im eigenen Namen erlassen werden, in deren Anstaltsbereich
sich zur Zeit des Erlasses des Bescheides die Wohnung, die Betriebsstätte oder der
Sitz (§ 17 der Zivilprozessordnung) des Beitragsschuldners befindet.
…
-5-
Lösungsskizze
Der Fall ist dem Urteil des VG Freiburg vom 02.04.2014 - 2 K 1446/13 - nachgebildet,
welches in voller Länge in juris veröffentlicht ist.
0. Vorüberlegung
Das Verwaltungsgericht wird zunächst auf der Grundlage des einfachen Rechts prüfen, ob der angefochtene Beitragsbescheid des Beklagten vom 01.06.2013 rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Ist dies nicht der Fall, wird das
Verwaltungsgericht prüfen, ob das einfache Gesetzesrecht mit höherrangigem Verfassungsrecht vereinbar und deshalb anwendbar ist. Hält es die entscheidungserheblichen Regelungen des Gesetzes für verfassungsgemäß, wird es die Klage abweisen. Hält es sie hingegen für verfassungswidrig, so wird es das Verfahren gemäß
Art. 100 Abs. 1 GG aussetzen und eine Entscheidung hierzu nach Art. 100 Abs. 1
Satz 1 GG; §§ 13 Nr. 11; 80 ff BVerfGG beim Bundesverfassungsgericht einholen. Je
nachdem, ob dort die Gültigkeit oder Nichtigkeit einer entscheidungserheblichen
Norm mit Gesetzeskraft festgestellt wird (hierzu § 31 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG), wird
das Gericht dann die Klage abweisen oder den - dann ohne wirksame Rechtsgrundlage erlassenen - Bescheid des Beklagten aufheben (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO).
1. Anwendung des einfachen Rechts
Die - nach Bearbeitervermerk zulässige - Anfechtungsklage gegen den Rundfunkbeitragsbescheid des Beklagten vom 01.06.2013 wäre begründet, wenn dieser Bescheid (und dementsprechend auch der zurückweisende Widerspruchsbescheid des
Beklagten vom 05.07.2013) auf der Grundlage des einfachen Rechts rechtswidrig
wäre und den Kläger deshalb in seinen Rechten verletzte (§ 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO). Dies ist jedoch nicht der Fall.
Der angefochtene Beitragsbescheid des Beklagten findet seine Rechtsgrundlage in
§ 10 Abs. 5 Satz 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV), der über das Zustimmungsgesetz zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung medienrechtlicher Vorschriften vom 18.10.2011 (GBl. 2011, 477) in den Rang
eines formellen Landesgesetzes erhoben wurde. Hiernach setzt der Beklagte als für
den Wohnort des Klägers zuständige Landesrundfunkanstalt rückständige Rundfunkbeiträge fest. Ein solcher Rückstand an Rundfunkbeiträgen war hier zum - insoweit maßgeblichen - Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides am 01.06.2013
in Höhe von 53,94 Euro gegeben. Denn der Kläger war als volljähriger Inhaber einer
Wohnung im melderechtlichen Sinne nach § 2 Abs. 1 und 2 RBStV mit Inkrafttreten
dieser Regelungen ab dem 01.01.2013 verpflichtet, den mit 17,28 Euro bezifferten
monatlichen Rundfunkbeitrag zu entrichten, sodass ihm gegenüber nach § 7 Abs. 3
Satz 2 RBStV zum 15.02.2013 für die Monate Januar, Februar und März 2013 zunächst eine fällige Rundfunkbeitragsforderung in Höhe von 53,94 Euro entstanden
war. Die Festsetzung des Säumniszuschlags in Höhe von 8,00 Euro beruht nach §
11 Abs. 1 der auf der Grundlage des § 9 Abs. 2 RBStV erlassenen Rundfunkbeitragssatzung des Beklagten darauf, dass der Kläger die seit dem 15.02.2013 fällige
Beitragsforderung des Beklagten nicht innerhalb einer Frist von vier Wochen in voller
Höhe entrichtet hatte.
-62. Notwendigkeit einer Einholung einer Entscheidung des BVerfG
Fraglich ist, ob das Gericht der - nach dem Vorstehenden klageabweisenden - Entscheidung die genannten Normen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags zugrunde legen kann und muss, ohne zuvor über Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 80 BVerfGG die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vereinbarkeit der Regelung des
§ 2 Abs. 1 RBStV mit den Regelungen des Grundgesetzes einzuholen.
2.1. Vorlageberechtigung
Das Verwaltungsgericht ist als staatliches Gericht nach Art. 100 Abs. 1 GG vorlageberechtigt und - bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen - auch vorlageverpflichtet.
2.2. Zulässiger Vorlagegegenstand
Vorlagegegenstand kann nach Art 100 Abs. 1 GG nur ein - zu ergänzen ist - formelles und nachkonstitutionelles Gesetz sein. Ein solches Gesetz ist hier gegeben,
nachdem die eigentlich in einem Staatsvertrag der einzelnen Bundesländer enthaltene Regelung des § 2 Abs. 1 RBStV aufgrund der in Artikel 1 des Gesetzes des Landtags von Baden-Württemberg vom 18.10.2011 zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung medienrechtlicher Vorschriften (GBl. 2011,
477) erklärten Zustimmung zu diesem Staatsvertrag in den Rang eines formellen
nachkonstitutionellen Landesgesetzes erhoben wurde (vgl. BVerfG, Urt. v.
28.02.1961 - 2 BvG 1/60, 2 BvG 2/60 -, BVerfGE 12, 205, 220).
2.3. Entscheidungserheblichkeit der Norm
Auf die Frage der Vereinbarkeit der Rundfunkbeitragspflicht eines Wohnungsinhabers nach § 2 Abs. 1 RBStV mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
kommt es entscheidungserheblich an, da diese Regelung - wie dargelegt - die Ermächtigungsgrundlage für eine im Übrigen gesetzeskonforme Beitragsfestsetzung
zulasten des Klägers bildet.
2.4. Überzeugung des Gerichts von der Grundgesetzwidrigkeit
Die Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vereinbarkeit
einer gesetzlichen Norm mit dem Grundgesetz nach Art. 100 Abs. 1 GG ist nur dann
zulässig, wenn das Gericht von der Grundgesetzwidrigkeit der Regelung überzeugt
ist; bloße Zweifel insoweit reichen nicht aus. Die Darlegung der Überzeugung erfordert eine Auseinandersetzung mit den jeweils einschlägigen Rechtsauffassungen in
Literatur und Rechtsprechung (BVerfG, Beschl. v. 02.05.2012 - 1 BvL 20/09 -, BVerfGE 131, 1, 15).
3. Fehlende Gesetzgebungskompetenz des Landes
Zunächst ist - in Anknüpfung an den Vortrag des Klägers - zu prüfen, ob dem Land
für die Regelung der - wohnungsbezogenen - Rundfunkbeitragspflicht nach § 2 Abs.
1 RBStV die Gesetzgebungskompetenz eingeräumt war.
3.1 Finanzverfassungsrechtliche Kompetenzverteilung
Grundsätzlich liegen die Gesetzgebungskompetenzen nach den Art. 30 und 70 GG
beim Land, sofern eine solche nicht nach dem Grundgesetz dem Bund zugewiesen
ist. Damit liegen - mangels entsprechender Zuweisungsregelungen in den Art. 70 ff
GG - die Gesetzgebungskompetenzen für den Bereich des Rundfunks und damit
auch für die Finanzierung dieses Sachbereichs durch nichtsteuerliche Abgaben wie
durch Gebühren oder Beiträge beim Land. Allerdings finden sich im X. Abschnitt des
-7Grundgesetzes spezielle Regelungen zum Verhältnis von Bund und Ländern auf
dem Gebiet des Finanzwesens, zu denen auch die grundsätzlich abschließende Verteilung der Kompetenzen zur Erhebung von Steuern in Art. 105 GG gehört. Nach
dieser Regelung ist die Gesetzgebungskompetenz für die Erhebung von steuerlichen
Abgaben - mit Ausnahme der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern - der ausschließlichen oder konkurrierenden Regelungsmacht des Bundes zugewiesen, wobei
aus der abschließenden Steuerverteilungsregelung des Art. 106 GG zusätzlich ein
Verbot abgeleitet wird, eine über die dort ausdrücklich genannten Steuerarten hinausgehende Steuer zu erfinden („Kein Steuerfindungsrecht des Gesetzgebers“; hierzu Waldhoff, AfP 2011, S. 1, 4; Degenhart, K&R 2013 Beihefter zu Heft 3, S. 13; Korioth/Koemm, DStR 2013, 833, 836). Damit wäre die Gesetzgebungskompetenz des
Landesgesetzgebers für die Regelung des Rundfunkbeitrags ohne weiteres zu bejahen, wenn der in § 2 Abs. 1 RBStV erhobene Rundfunkbeitrag für jede Wohnung
keine Steuer, sondern eine nichtsteuerliche Abgabe darstellte, während für den anderen Fall geprüft werden müsste, ob diese Steuer als örtliche Verbrauchs- und Aufwandsteuer angesehen oder einem der weiteren in Art. 106 GG genannten Steuerarten zugeordnet werden könnte, wobei dann zusätzlich untersucht werden müsste, ob
die bestehenden bundesgesetzlichen Regelungen zu den steuerlichen Abgaben die
Erhebung einer - weiteren - landesrechtlichen Steuer ausschließen (so zur alten
Rundfunkgebühr Siekmann, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, vor Art. 104a GG Rn. 115).
In diesem letzten Zusammenhang wäre auch zu prüfen, ob nicht aus den besonderen Anforderungen an die Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wie
sie sich aus Art. 5 GG ergeben, eine umfassende Regelungskompetenz des Landes
abgeleitet werden kann, die - entgegen der Regelung des Art. 105 GG - auch eine
Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch Steuern ermöglicht (gegen
eine solche Ausweitung der Kompetenzordnung explizit BVerfG, Entsch. v.
28.02.1961 - 2 BvG 1/60; 2/60 -, BVerfGE 12, 205, 242; unklar jedoch BVerfG, Urt. v.
22.02.1994 - 1 BvL 30/88 -, BVerfGE 90, 60, 105).
3.2 Einordnung des Rundfunkbeitrags als nichtsteuerliche Abgabe
Für die Zuordnung einer Abgabe als Steuer oder als nichtsteuerliche Abgabe kommt
es nicht auf die Bezeichnung derselben durch den Gesetzgeber an (BVerfG, Beschl.
v. 18.05.2004 - 2 BvR 2374/99 -, BVerfGE 110, 370, 384); insofern ist es unerheblich
dass die Rundfunkabgabe für jede Wohnung in § 2 Abs. 1 RBStV als „Beitrag“ bezeichnet ist. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt der Zuordnung einer Abgabe zum Begriff der Steuer oder der nichtsteuerlichen Abgabe ist vielmehr allein der tatbestandlich bestimmte materielle Gehalt der Abgabe. Dabei kommt es für die Qualifizierung
einer Abgabe als Steuer im Sinne der finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzregelung der Art. 105 f GG entscheidend darauf an, ob die Abgabe „voraussetzungslos“,
d.h. ohne rechtliche Verknüpfung mit einer Gegenleistung für eine besondere staatliche Leistung, zur Erzielung von Einkünften zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs erhoben wird (BVerfG, Urt. v. 06.07.2005 - 2 BvR 2335/95 -, BVerfGE 113, 128,
145f m.w.N.).
3.2.1. Verknüpfung von Leistungspflicht und Gegenleistung
Im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag findet sich in § 1 die Festlegung des Verwendungszwecks der Rundfunkbeiträge zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks und in § 2 Abs. 1 die tatbestandliche Anknüpfung der Beitragspflicht an
das Innehaben einer Wohnung. Eine ausdrückliche Bestimmung für welche Gegenleistung der Rundfunkbeitrag zu entrichten ist, findet sich jedoch nicht. Dennoch dürfte der Rundfunkbeitrag nicht deshalb - in der Form einer Zwecksteuer - „vorausset-
-8zungslos“ erhoben werden (a.A. Bölck, NVwZ 2014, 266, 268). Vielmehr könnte sich
die notwendige rechtliche Verknüpfung der Leistungspflicht des Abgabenschuldners
mit einer Gegenleistung mit hinreichender Bestimmtheit im Wege der Auslegung aus
dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelung ableiten lassen (hierzu etwa
BVerfG, Beschl. v. 06.11.2012 - 2 BvL 51/06 -, BVerfGE 132, 334, 350). Immerhin ist
in der Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung ausdrücklich dargelegt,
dass über die Beitragserhebung für jede Wohnung „zur Finanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks (…) beizutragen (hat), wer die allgemein zugänglichen Angebote des Rundfunks empfangen kann, aber nicht notwendig empfangen (haben)
muss“ (LT-Drs. 15/197 S. 34). Die damit gegebene Verbindung des wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrags mit der Möglichkeit des Empfangs öffentlich-rechtlichen
Rundfunks wird normativ mittelbar dadurch bestätigt, dass ein Wohnungsinhaber
dann nach § 4 Abs. 6 RBStV von der Beitragspflicht zu befreien ist, wenn es ihm aus technischen Gründen - objektiv unmöglich ist, in seiner Wohnung Rundfunk zu
empfangen. Ähnlich ist das Wechselseitigkeitsverhältnis zwischen der Rundfunkbeitragspflicht und der Möglichkeit des Empfangs öffentlich-rechtlichen Rundfunks aufgelöst, wenn dem Wohnungsinhaber eine solche Rundfunknutzung aus körperlichen
Gründen gar nicht oder nur eingeschränkt möglich ist. Denn diese Personen werden
im ersten Fall bei Taubblindheit gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 10 RBStV und (sofern die Beitragspflicht nicht bereits in Anknüpfung an die Herausnahme der entsprechenden
Unterbringung gemäß § 3 Abs. 2 RBStV entfällt) bei vergleichbaren absoluten körperlichen Rezeptionshindernissen nach § 4 Abs. 6 RBStV von der Beitragspflicht befreit; im zweiten Fall der nur eingeschränkten Fähigkeit zum Rundfunkkonsum ist die
Abgabenschuld in ihrer Höhe nach § 4 Abs. 2 RBStV reduziert. Schließlich besteht
angesichts der tatbestandlichen Offenheit der Befreiungsregelung in Härtefällen auch
die Möglichkeit, eine den genannten technischen oder körperlichen objektiven Unmöglichkeit des Rundfunkkonsums vergleichbare Fallgestaltung in der Weise zu erfassen, dass die deshalb objektiv ohne Vorteil gewährte Möglichkeit des Rundfunkempfangs ohne Gegenleistungsverpflichtung des Wohnungsinhabers bleibt (vgl.
BVerfG, Beschl. v. 12.12.2012 - 1 BvR 2550/12 -, NVwZ 2013, 423, 424, sowie StGH
BW, Beschl. v. 19.08.2013 - 65/13 -, VBlBW 2014, 218).
3.2.2. Fehlende Möglichkeit des Verzichts auf die Gegenleistung
Fraglich ist jedoch, ob der genannten rechtlichen Abhängigkeit der Leistungspflicht
des Beitragsschuldners von der über diese Abgabe finanzierten Gegenleistung der
Rundfunkanstalten entgegen steht, dass sich der Abgabenschuldner der Gegenleistung und damit seiner Leistungspflicht (von der letztlich auf Grund absoluter Unverhältnismäßigkeit irrelevanten Aufgabe eines festen Wohnsitzes abgesehen) nicht wie etwa früher durch den Verzicht auf den Besitz eines Empfangsgeräts - entziehen
kann (Degenhart, ZUM 2011, 193, 196). Hierfür spricht, dass mit der fehlenden Verzichtbarkeit der Gegenleistung des Staates das die nichtsteuerlichen Abgaben charakterisierende Prinzip des „do ut des“ aufgelöst wird. Allerdings zeigen etwa die Regelungen zur Erschließungsbeitragspflicht (§§ 127 Abs. 1; 133 BauGB) oder dem
kommunalen Anschluss- und Benutzungszwang (§ 11 GemO BW), dass die Verzichtbarkeit einer abgabenpflichtigen Nutzungsmöglichkeit eines staatlichen Leistungsangebots nicht zwingend zum Merkmal der nichtsteuerlichen Abgabe gehört,
sondern für die kompetenzielle Zuordnung einer Abgabe zum Bereich entweder der
(gegenleistungslosen) Steuern oder der (gegenleistungsabhängigen) nichtsteuerlichen Abgaben allein darauf ankommen, ob eine rechtliche Verbindung zwischen der
Abgabenpflicht des Bürgers und der Leistungserbringung des Staates in dem Sinne
besteht, dass die Abgabenpflicht bei einer irgendwie gearteten Störung des Aus-
-9tauschverhältnisses entfällt oder entfallen kann (Vogel/Waldhoff, BK-GG,Vorb. zu Art.
104a ff Rn. 384; zustimmend Drüen, in: Tipke/Kruse, AO FGO, § 3 AO Rn. 18a).
3.2.3. Allgemeinheit der Abgabenschuldner und Unmittelbarkeit des Vorteils
Teilweise wird der Zuordnung des Rundfunkbeitrags zu den sachkompetenzimmanenten nichtsteuerlichen Abgaben entgegen gehalten, dass die als Gegenleistung für
die Rundfunkbeitragspflicht im privaten Bereich ausgestaltete Möglichkeit des Rundfunkempfangs den beitragspflichtigen Wohnungsinhabern keinen individuellen oder
zumindest individualisierbaren Vorteil vermittelte, sondern eine Leistung darstellte,
die der - über den Begriff der Wohnungsinhaber faktisch erfassten - Allgemeinheit
erbracht werde. Vermisst wird auch eine unmittelbare und sachgerechte Verknüpfung
zwischen dem Nutzungsvorteil der Möglichkeit des Rundfunkempfangs und dem Innehaben einer Wohnung als dem tatbestandlichen Anknüpfungspunkt der Abgabenschuld (Bölck, NVwZ 2014, 266, 268; Korioth/Koemm, DStR 2013, 833, 835;
Exner/Seifarth, NVwZ, 2013, 1569, 1571; Degenhart,K&R 2013, Beihefter 1, 1, 17).
Diese Einwendungen zielen jedoch mehr auf eine materielle Bewertung der Gegenleistung der Abgabe als auf die - im Interesse einer klaren und eindeutigen Zuordnung von Kompetenzen notwendige - formale Zuordnung der Abgabe zu den finanzverfassungsrechtlichen Zuständigkeitsbereichen von Bund und Ländern, wie sie über
das eindeutig festgelegte Kriterium der rechtlichen Verknüpfung der Abgabenpflicht
mit einer Gegenleistung sowie - ergänzend - den (fehlenden) Zufluss der Mittel in den
Haushalt erreicht werden kann (zur formalen Zuordnung von Kompetenzen ohne
Rücksicht auf die materielle Rechtmäßigkeit der Abgabenerhebung vgl. BVerfG, Urt.
v. 19.03.2003 - 2 BvL 9/98 -, BVerfGE 108, 1, 13f). Dies gilt umso mehr, als diese auf
Tatbestandsmerkmale des spezifischen Abgabentyps des Beitrags als einer Vorzugslast bezogen sind und damit die Zuordnung des Rundfunkbeitrags zum Regelungsbereich des Art. 105 GG nicht - wie systematisch erforderlich - vom verfassungsrechtlichen Begriff der Steuer her bestimmen.
3.2.4. Haushaltsflüchtigkeit des Rundfunkbeitrags
Ergibt sich die Zuordnung des wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrags nach § 2 Abs.
1 RBStV zum Bereich der nichtsteuerlichen Abgaben nach dem Vorstehenden bereits aus der normativen Verbindung der Abgabenpflicht mit der Rundfunkempfangsmöglichkeit in der Wohnung, spricht zusätzlich gegen die Qualifizierung dieser
Abgabe als Steuer, dass sie nicht der Erzielung von Einnahmen für den allgemeinen
Finanzbedarf des Gemeinwesens dient, sondern ausschließlich der Deckung des
speziellen Finanzbedarfs, der sich aus der Notwendigkeit der (funktionsgerechten)
Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie der Zulassungs- und Aufsichtsfunktionen der Landesmedienanstalten ergibt (§ 1 RBStV i.V.m §§ 12 und 40
RStV; hierzu auch BVerfG, Urt. v. 18.05.2004 - 2 BvR 2374/99, BVerfGE 110, 370,
384). Auch fließen diese Mittel nicht - wie dies bei steuerlichen Abgaben zwingend
erforderlich wäre (BVerfG, Beschl. v. 11.10.1994 - 2 BvR 633/86 -, BVerfGE 91, 186,
202) - in den allgemeinen Landeshaushalt, sondern unterliegen der Verwaltung
durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (BVerfG, Beschl. v. 06.07.2005 - 2
BvR 2335/95 -, BVerfGE 113, 128, 146).
4. Materielle Grenzen der Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben
4.1. Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung
Die im Wesentlichen auf das Finanzierungsmittel der Steuer beschränkten Regelungen der Art. 104a ff GG schließen die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben verschie-
- 10 dener Art zwar nicht aus, setzen jedoch der auf die Sachgesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern gestützten Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben zum
Schutz der finanzverfassungsrechtlichen Mittelverteilung und der Bürger Grenzen. So
bedürfen nichtsteuerliche Abgaben - über die Einnahmenerzielung hinaus - einer besonderen sachlichen Rechtfertigung. Sie müssen sich zudem ihrer Art nach von der
Steuer, die voraussetzungslos auferlegt und geschuldet wird, deutlich unterscheiden.
Auch muss die Erhebung einer nichtsteuerlichen Abgabe der Belastungsgleichheit
der Abgabepflichtigen Rechnung tragen. Schließlich bedarf die Erhebung von nichtsteuerlichen Abgaben auch einer Rechtfertigung im Hinblick auf die Abweichung vom
Grundsatz der Vollständigkeit des Haushalts, mit dem in der Sache gewährleistet
werden soll, dass das Parlament den vollen Überblick über das dem Staat verfügbare
Finanzvolumen und damit auch über die dem Bürger auferlegte Abgabenlast erhält
(BVerfG, Beschl. v. 06.11.2012 - 2 BvL 51/06 -, BVerfGE 132, 334, 349; Urt. v.
06.07.2005 - 2 BvR 2335/95 -, BVerfGE 113, 128, 146 f.).
4.2. Rundfunkbeitrag als klassische Vorzugslast
Die nach der vorgenannten Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung
wäre - mit Blick auf das Erfordernis der deutlichen Unterscheidung der Abgabe von
der Steuer und sachlichen Rechtfertigung - von vornherein beachtet, wenn der wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrag nach § 2 Abs. 1 RBStV sämtliche Tatbestandsmerkmale erfüllte, die an die klassische und zum - auch verfassungsrechtlich - tradierten Stand staatlicher Tätigkeit gehörende Abgabenform des Beitrags gestellt sind
(vgl. BVerfG, Urt. v. 19.03.2003 - 2 BvL 9/98 -, BVerfGE 108, 1, 17; Beschl. v.
07.11.1995 - 2 BvR 413/88 u.a. -, BVerfGE 93, 319, 342). Dies dürfte jedoch nicht
der Fall sein:
Als nichtsteuerliche Vorzugslast verfolgt der Beitrag zwar - wie die Steuer - einen
Finanzierungszweck; hierbei knüpft er jedoch - im Gegensatz zur Steuer - an einen
besonderen Vorteil an, den der Beitragsschuldner dadurch erlangt, dass ihm eine
Einrichtung des Staates individualisierbar zur Benutzung zur Verfügung steht. Legitimierender Grund des Beitrags ist damit die Gewährung eines konkreten, einzeln
greifbaren (BVerfG, Beschl. v. 12.10.1978 - 2 BvR 154/74 -, BVerfGE 49, 343, 353)
und damit besonderen Nutzungsvorteils, den der Abgabenpflichtige als Teil der
Gruppe erlangt, der die öffentliche Einrichtung mit ihren Leistungen zur Verfügung
steht (BVerfG, Urt. v. 06.07.2005 - 2 BvR 2335/95 -, 113, 128, 148; Vogel/Waldhoff,
a.a.O., Vorb. zu Art. 104a ff, Rn. 429). Insofern ist insbesondere problematisch, dass
die Möglichkeit des Rundfunkkonsums innerhalb der Wohnung kaum als beitragstypisch „gruppennütziger Sondervorteil“ aller volljährigen Wohnungsinhaber angesehen werden kann, weil diese Gruppe aufgrund der Weite des verbindenden Gruppenmerkmals mit der Allgemeinheit identisch ist (Korioth/Koemm, DStR 2013, 833,
836; Exner/Seifarth, NVwZ 2013, 1569, 1572; Bölck, NVwZ 2014, 266, 267; allgemein zur Notwendigkeit der Abgrenzung des abgabenpflichtigen Personenkreises
von der Allgemeinheit BVerfG, Beschl. v. 11.10.1994 - 2 BvR 633/86 -, BVerfGE 91,
186, 204; Beschl. v. 12.10.1994 -1 BvL 19/90 -, BVerfGE 91, 207, 223f). Sofern dem
entgegen gehalten wird, dass der beitragsspezifische „Sondervorteils“ allein nach der
Individualisierbarkeit des Leistungsangebots für den einzelnen Beitragsschuldner
und ohne Rücksicht darauf bestimmt werden muss, inwieweit auch anderen diese
Nutzungsvorteile zukommen (Kube, Der Rundfunkbeitrag - Rundfunk- und verfassungsrechtliche Einordnung, 2013, S. 33), steht die Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung entgegen. Denn diese verlöre in Bezug auf ihre grundsätzliche Anerkennung der Möglichkeit einer Gebühren- und Beitragserhebung an der
- 11 notwendigen Überzeugungskraft, wenn der Beitragsbegriff durch die - rechtstechnisch in weitem Umfang mögliche - Zuweisung der Erbringung einer individualisierten
Staatsaufgabe an eine öffentliche Einrichtung auf Leistungsangebote bezogen werden könnte, die in der Sache der Allgemeinheit erbracht werden und dementsprechend als Gemeinlast durch Steuern zu finanzieren wären.
4.3. Rechtfertigung durch Besonderheiten des Rundfunkfinanzierungsrechts
Letztlich kann die Frage der Zuordnung der wohnungsbezogenen Rundfunkabgabe
zum klassischen Beitragsbegriff aber offen gelassen werden, wenn und weil die aus
der Schutz- und Begrenzungsfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung abzuleitenden Vorgaben an die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben nach der konkreten
Ausgestaltung der Rundfunkbeitrags in § 2 Abs. 1 RBStV auch ohne die eindeutige
Zuordnung dieser Abgabe zum Abgabentypus des Beitrags beachtet worden wären.
Hiervon dürfte auszugehen sein (ähnlich bereits zur alten Rechtslage Gersdorf/Brosius-Gersdorf, Rechtsfragen des Teilnehmerentgelts nach bayerischem
Rundfunkrecht, 1997, S. 62 ff, 70 ff; Gersdorf, Grundzüge des Rundfunkrechts, 2003,
S. 155; Dittmann, Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch eine
Medienabgabe, 2009, S. 41 ff; Jachmann, in, v.Mangoldt/Klein/Stark, GG, Bd. III, 6.
Aufl. 2010, Art. 105 Rn. 23).
4.3.1. Staatsferne der Finanzierung
So ist die Erhebung eines Rundfunkbeitrags durch die Finanzierungsgarantie zugunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks besonders sachlich gerechtfertigt.
Rundfunkbeiträge dienen nicht, wie Steuern, der Erzielung von Einnahmen für den
allgemeinen Finanzbedarf eines öffentlichen Gemeinwesens, sondern werden gemäß § 1 RBStV zur funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks erhoben. Das Aufkommen aus dem Rundfunkbeitrag fließt nicht, wie das
Steueraufkommen, in den allgemeinen Haushalt, sondern wird gemäß § 9 RFinStV
auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbieter aufgeteilt. Damit erfüllt der Gesetzgeber seinen Auftrag, über eine entsprechende Finanzierungsregelung dafür Vorsorge
zu treffen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Funktion unbeeinflusst von
jeglicher Indienstnahme für außerpublizistische Zwecke, seien sie politischer oder
ökonomischer Natur, erfüllen kann (zu den Anforderungen an die Finanzierungsform
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vgl. Fehling in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 2, 3. Aufl 2013, S. 1053 ff; Rn. 53 ff, 80f.). Denn durch
die Erhebung der nichtsteuerlichen Rundfunkbeitragszahlungen wird eine quotenunabhängige Deckung des Finanzbedarfs erreicht, die es den öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten ermöglicht, ein Programm anzubieten, das den im Rahmen der
dualen Rundfunkordnung allein über die privaten Rundfunkanbieter nicht gewährleisteten, verfassungsrechtlichen Anforderungen gegenständlicher und meinungsmäßiger Vielfalt entspricht und das sich gleichzeitig einer möglichen Einflussnahme des
Haushaltsgesetzgebers auf das Programm bei der Zuweisung der Finanzmittel weitgehend entzieht (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.09.2007 - 1 BvR 2270/05 -, BVerfGE 119,
181, 219; Urt. v. 22.02.1994 - 1 BvL 30/88 -, BVerfGE 90, 60, 90). Hinzu kommt die
Rechtfertigung der Beitragserhebung durch die Ausgleichsfunktion der Rundfunkabgabe. Denn neben den - mittelbaren, auf die Gesellschaft insgesamt bezogenen Vorteilen eines vielfaltsichernden öffentlich-rechtlichen Rundfunks dient die Beitragserhebung auch dem Ausgleich des (zumindest potentiellen) Vorteils, der in der Möglichkeit des Beitragsschuldners zur individuellen Nutzung des öffentlich-rechtlichen
Rundfunkangebots liegt.
- 12 4.3.2. Allgemeinheit des Kreises der Abgabenschuldner
Der über die Finanzierungsgarantie des Art. 5 Abs. 1 GG begründeten Rechtfertigung der nichtsteuerlichen Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch
den Rundfunkbeitrag nach § 2 Abs. 1 RBStV steht nicht entgegen, dass die Rundfunkbeitragspflicht - aufgrund der dem Abgabentatbestand zugrunde liegenden Anknüpfung an das Innehaben einer Wohnung - nahezu jeden Volljährigen im Inland
erfasst. Denn der tatbestandlichen Anknüpfung der Beitragspflicht an das Innehaben
einer Wohnung dürfte die sachgerechte Erwägung zugrunde liegen, dass die einzelnen Personen als Adressaten des Programmangebots den Rundfunk vornehmlich in
einer der beitragspflichtigen Raumeinheiten nutzen oder nutzen können und dass
deshalb das Innehaben einer solchen Raumeinheit ausreichende Rückschlüsse auf
den abzugeltenden Vorteil zulässt (so auch BayVerfGH, Entsch. v. 15.05.2014 - Vf.8VII-12, Vf. 24-VII-12 -, Juris Rn. 75; a.A. Degenhart, K&R Beihefter 1, S. 11; Korioth/Koemm, DStR 2013, 833, 835; Exner/Seifarth, NVwZ 2013, 1569,1571).
Die hiermit - unter dem Gesichtspunkt der Zuordnung der Abgabe zum Begriff des
Beitrags sowie dem finanzverfassungsrechtlichen Gebot der deutlichen Unterscheidung zur Steuerlast problematische - Weite des Kreises der Abgabenpflichtigen ist
trotz der damit gegebenen Annäherung der Abgabenpflicht an eine - grundsätzlich
der Steuerfinanzierung vorbehaltene - Gemeinlast dadurch gerechtfertigt, dass sich
das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zwar grundsätzlich an
die Allgemeinheit richtet, eine Steuerfinanzierung dieses Angebots jedoch im Hinblick
auf die Budgetbindung von Steuereinnahmen und die damit gegebene Nähe der Mittelzuweisung an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten an die politische Entscheidungsgewalt des Haushaltsgesetzgebers zur verfassungsrechtlich geforderten
Staatsferne der Rundfunkfinanzierung in Widerspruch tritt (ausführlich hierzu Kirchhof, a.a.O., S. 30; Kube, a.a.O., S. 19 ff.). Insofern schließen die für den Bereich der
Rundfunkfinanzierung bestehenden strukturellen Besonderheiten eine missbräuchliche Umgehung der sonst über die Finanzverfassung gezogenen Grenzen der nichtsteuerlichen Finanzierung von Staatsaufgaben sowohl in Bezug auf den Grundsatz
der Vollständigkeit des Haushalts als auch in Hinblick auf die Belastungsgleichheit
der Abgabepflichtigen aus.
4.4. Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG
Die Rundfunkbeitragspflicht nach § 2 Abs. 1 RBStV dürfte auch sonst nicht gegen
materielles Verfassungsrecht verstoßen. Insbesondere spricht vieles dafür, dass die
für den privaten Bereich getroffene Regelung der gesamtschuldnerischen Haftung
aller volljährigen Wohnungsinhaber auf eine wohnungsbezogene Rundfunkgebühr
mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.
Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich
Ungleiches ungleich zu behandeln. Dies gilt sowohl für ungleiche Belastungen als
auch für ungleiche Begünstigungen. Nimmt der Gesetzgeber bei einer Regelung Differenzierungen vor oder behandelt er Sachverhalte trotz bestehender Unterschiede
gleich, so bedarf er hierfür stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, welche dem
Regelungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind
(BVerfG, Beschl. v. 07.05.2013 – 2 BvR 909/06 u.a. –, BVerfGE 133, 377, 407 f).
Insofern darf der Gesetzgeber - im Interesse der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit
des Verwaltungsaufwands - insbesondere im Bereich der Abgabenerhebung Sachverhalte typisieren und Besonderheiten einzelner Fälle vernachlässigen, wenn die
Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung verbunde-
- 13 nen Ungleichheit der Belastung stehen und sich die Typisierung realitätsgerecht an
einem typischen Fall orientiert (BVerfG, Beschl. v. 04.02.2009 - 1 BvL -, BVerfGE
123, 1, 19 m.w.N.).
4.4.1 Einzelfall gegen Typisierung
Mit diesen Anforderungen steht § 2 Abs. 1 RBStV in Einklang. Indem der Gesetzgeber für jede Wohnung deren Inhaber (§ 2 Abs. 2 RBStV) ohne weitere Unterscheidung einen einheitlichen Rundfunkbeitrag auferlegt, hat er nicht wesentlich Ungleiches ohne Rechtfertigung gleich behandelt. Die hierin liegende Typisierung der Möglichkeit der Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramms durch die in einer
Wohnung zusammenlebenden Personen dürfte trotz der in der Lebenswirklichkeit
anzutreffenden Verschiedenheit der hier gegebenen Rundfunknutzung sachlich hinreichend gerechtfertigt sein. Es ist angesichts des dem Gesetzgeber gerade bei der
Erhebung einer Abgabe in einem Massenverfahren eingeräumten weiten Gestaltungsraums nicht zu beanstanden, dass die Abgabenpflicht weder nach dem tatsächlichen Willen des Einzelnen zur Nutzung des Rundfunkprogramms noch nach der Art
der Rundfunknutzung differenziert. Diese abgabenrechtliche Gleichbehandlung aller
Wohnungsinhaber ist dadurch gerechtfertigt, dass die Beitragserhebung bei etwa 39
Millionen Wohnungen in einem Verfahren ausgestaltet sein muss, das aufwändige
Ermittlungen vermeidet und bei einer eher geringen Belastung von monatlich 17,98
Euro die grundrechtlich gewährleistete Privatheit in der besonders geschützten Wohnung (Art. 13 GG) wahrt. Hierbei ist auch die Anknüpfung der Beitragspflicht an das
Innehaben einer Wohnung sachgerecht, da zum einen plausibel und realitätsgerecht
davon ausgegangen werden kann, dass der Vorteil der Möglichkeit der Rundfunknutzung - über die dort erfasste Personengruppe - vor allem innerhalb einer Wohnung in
Anspruch genommen wird. Gleichzeitig beugt die Typisierung gleichheitswidrigen
Erhebungsdefiziten oder Umgehungen der Beitragspflicht vor, wie sie durch weitere
Differenzierungen zwangsläufig hervorgerufen würden und nach dem bisherigen Modell der Anknüpfung an das Bereithalten eines Empfangsgeräts im großen Maße
hervorgerufen wurden.
4.4.2. Fehlende Widerleglichkeit des vermuteten Nutzungsvorteils
Fraglich ist jedoch, ob die Anknüpfung der Beitragspflicht an eine typisierende Verbindung zwischen dem Innehaben einer Wohnung und einem dort gegebenen beitragspflichtigen Vorteil aus dem Programmangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht in der Weise als für den Einzelnen widerleglich ausgestaltet werden musste, dass diesem zur Vermeidung der Beitragspflicht der Nachweis erlaubt
wird, in dem durch seine Wohnung erfassten Haushalt werde das Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks willentlich nicht empfangen (so insb. Degenhart, ZUM
2011, 193, 196; ders., K&R 2013, Beihefter 1 S. 15 ff.; Exner/Seifarth, NVwZ 2013,
1569, 1573f).
Dem dürfte jedoch entgegenstehen, dass gerade eine solche an den subjektiven Willen des einzelnen Beitragsschuldners anknüpfende Widerleglichkeit erhebliche
Schwierigkeiten bei der Überprüfung insbesondere der Fortdauer des fehlenden Nutzungswillens hervorrufen und damit neben einem - alle Beitragszahler belastenden erhöhten Verwaltungsaufwand auch zu der in der Vergangenheit manifesten faktischen Umgehung der Beitragspflicht führen würde. Dies gilt umso mehr als angesichts der Vielgestaltigkeit der Möglichkeiten des Rundfunkempfangs und der hohen
Durchdringung nahezu aller Haushalte mit tauglichen Empfangsgeräten eine An-
- 14 knüpfung der Widerlegung der Nutzungsmöglichkeit an den Verzicht auf ein Empfangsgerät kaum noch praktikabel ist.
Soweit der subjektive Wille zur Nichtnutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunkangebots in den Schutzbereich eines von der allgemeinen Informationsfreiheit des Art.
5 Abs. 1 GG verschiedenen Grundrechts wie etwa der Religionsfreiheit fällt und die
dennoch gegebene Heranziehung zur Finanzierung dieses Programms deshalb den
Charakter eines - nicht mehr rechtfertigungsfähigen - Grundrechtseingriffs bekäme,
begründet dies keine grundsätzliche Verfassungswidrigkeit der Rundfunkbeitragserhebung nach § 2 Abs. 1 RBStV. Denn dieser Sondersituation, die im Fall des Klägers
nicht vorliegt, kann im Zweifel über eine entsprechende verfassungskonforme Anwendung der allgemeinen Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 RBStV Rechnung getragen werden (hierzu BVerfG, Beschl. v. 12.12.2012 - 1 BvR 2550/12 -, NVwZ 2013,
423; StHG BW, Beschl. v. 19.08.2013 - 65/13 -, VBlBW 2014, 218; ähnlich auch VG
Osnabrück, Urt. v. 01.04.2014 - 1 A 182/13 -, juris.
5. Ergebnis
Da sich zumindest keine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags zum Erhebung der wohnungsbezogenen
Rundfunkabgabe begründen lassen, wird das Gericht die Klage auf der Grundlage
der Anwendung des einfachen Rechts abweisen und dem Kläger nach § 154 Abs. 1
VwGO die Kosten des Verfahrens auferlegen.