Ansprache des Präsidenten des Bundesamtes für

Ansprache des Präsidenten des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle
Dr. Arnold Wallraff
zur Eröffnung des Exportkontrolltages 2015 am 26.
Februar in Münster
(es gilt das gesprochene Wort)
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Meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich möchte Sie alle auf das Herzlichste zum 9. Exportkontrolltag
2015 hier in Münster begrüßen! Wer von Ihnen schon häufiger
jeweils nach Karneval und Aschermittwoch uns - der Universität
Münster und dem Eschborner BAFA - die Ehre eines Besuches
gegeben hat, der weiß: Nach Weltwirtschaftsgipfel in Davos und
Münchner Sicherheitskonferenz kommt der EKT Münster. Zwar
ohne Putin, Merkel und Kerry und weitere große Staatsmänner
und -frauen, dafür viel billiger und konkret zum Thema Exportkontrolle!
Ich bin deshalb wieder sehr erfreut, in bewährter Zusammenarbeit mit Ihnen, verehrter Prof. Ehlers und mit Ihnen, verehrter
Prof. Wolffgang vom Zentrum für Außenwirtschaftsrecht der Universität Münster erneut viele hochkarätige Redner vor „ausverkauftem Haus“ in dieser den sympathischen Charme der 50iger
Jahre ausströmenden Aula begrüßen zu dürfen.
Verehrte Gäste, geschätzte Fachexperten, liebe Teilnehmerinnen
und Teilnehmer: Seien Sie alle hochwillkommen!
Thema: Exportkontrolle im
Wandel
Die meisten von Ihnen kennen sicher das Zitat:: „Nichts ist beständiger als der Wandel“. So neben vielen anderen schon
Charles Darwin angesichts der Evolution. Im Lichte des ereignisbzw. genauer gesagt krisenreichen Jahres 2014 mit seinen eher
revolutionären denn evolutionären Entwicklungen und des auch
nicht gerade ereignislosen Starts in 2015 möchten wir mit Ihnen
diskutieren: Über die sich heute schneller denn je wandelnden
fachlichen, aber auch die weiteren politischen Rahmenbedingungen der Exportkontrolle.
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Vor gut 25 Jahren – im Jahr der demokratischen Revolutionen
und des Mauerfalls – ging ein Aufsatz mit dem bescheidenen Titel Das Ende der Geschichte um die Welt. Verfasst hatte ihn
nicht Hegel oder Marx, sondern Francis Fukuyama, ein amerikanischer Politologe. Die Botschaft ganz schlicht: Wir – der Westen
mit seinem individuellem Freiheitsbegriff und seinem wirtschaftlichen und politischen Liberalismus – haben gewonnen. Die Totalitären und Autoritären sind endgültig erledigt. Die Zukunft gehöre
allein Demokratie und Marktwirtschaft, die "alle Widersprüche
überwinden und alle Bedürfnisse befriedigen" würden. Auch der
Krieg der Ideologien sei vorbei.
Wie schön, wenn es so gekommen und vor allem geblieben wäre! Stattdessen haben wir jetzt den von Samuel Huntington beschriebenen „clash of civilizations“ zwischen Teilen der islamischen und der westlichen Kulturwelt und die Rückkehr des Kalten Krieges zwischen Russland und dem Westen gleichzeitig.
Einhundert Jahre nach Beginn des ersten Weltkrieges, der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, gibt es kein Ende der Geschichte, sondern womöglich den Beginn einer oder mehrerer neuer.
Krieg und Gewalt, scheinbar entmachtet, sind zurück in zweifacher Gestalt:
Die eine ist der Terror mit seiner unvorstellbaren Grausamkeit,
gegen den die besten Waffen der Staaten versagen, weil er kein
richtig greifbares Ziel hat. Wen abschrecken oder gar besiegen,
wenn der Terror keine Adresse hat. Wen angreifen, wenn der
Gegner versteckt im eigenen Land lauert oder sich in „failing states“ eingenistet hat?
Die zweite neue Gestalt des Krieges zeigt sich nicht allzu weit
entfernt von Deutschland.
In der Ukraine hat Russland eine
neue Kriegsführung erfunden:
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Mit Panzern ohne Nummernschild, mit Soldaten ohne Abzeichen,
mit Waffen ohne Ursprungskennzeichen, mit überlegener, weil
nicht durch Medienvielfalt und demokratische Strukturen kontrollierter psychologischer und informationeller Konfliktstrategie, mit
einseitig auf der russischen Seite liegender Fähigkeit zur Eskalationsdominanz, d.h. der Möglichkeit, immer mehr draufzulegen
als der Gegner, mit dem Hinweis auf neue Kriegsmethoden als
Mix aus traditioneller Kriegsführung, aber auch Guerillataktik und
Desinformationskampagnen, wie es ziemlich offen in der Weihnachten auf der Homepage des Kreml veröffentlichten offiziellen
neuen russischen Militärdoktrin heißt.
Was künftig tun in solchen und anderen, vergleichbaren Fällen,
wo ein klarer, klassischer Verteidigungs- oder Bündnisfall im
Sinne von Artikel 5 des NATO-Vertrages nicht vorliegt, wohl aber
Destabilisierung eines Mitgliedsstaates nach dem Muster der Ukraine?
Wie eine aggressive und expansive Macht einhegen im Sinne
des „containment“ von Buchanan, die die Grundprinzipien der
europäischen Friedensordnung missachtet, zur Durchsetzung ihrer Interessen militärische Mittel anwendet und dabei mit dem
Risiko eines wirklichen Krieges spielt?
Wie handeln, wenn die Grenzen zwischen Krieg und Frieden zerfließen, wenn Russland die Unberechenbarkeit zu einem Markenzeichen seiner Strategie und seines Handelns gemacht hat,
wie es laut „Zeit“ angeblich im Auswärtigen Amt heißt?
Dt. Außen-/
Wirtschaftslage
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Wie schnell sich ein Wandel vollziehen kann, hat auch das Wirtschaftsjahr 2014 in seinem Verlauf eindrucksvoll bewiesen. Das
Wirtschaftswachstum hatte sich im Verlauf des Jahres nach ei-5-
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nem starken ersten Quartal deutlich abgeschwächt.1 Die deutsche Wirtschaft durchlief fortan eine leichte Schwächephase.
Die Entwicklung der Weltwirtschaft und insbesondere die Konjunktur im Euroraum verliefen schleppender als erwartet. Die
Herbstprojektionen der Bundesregierung in 2014 waren nur verhalten zuversichtlich.
Auch der IWF hatte seine Wachstumsprognose des Welt-BIPs
für 2014 auf 3,3% zurückgenommen. In der zweiten Jahreshälfte
lieferten vor allem die größeren Staaten Lateinamerikas und
auch der Euroraum geringere bzw. keine Wachstumsbeiträge.
Die wirtschaftliche Entwicklung der großen Euro-Mitglieder
Frankreich und Italien könnte optimaler verlaufen2. Auch die chinesische Konjunktur entsprach nicht mehr dem gewohnten zweistelligen Wachstumsmodell.
In den letzten Monaten des Jahres 2014 setzte die Erholung ein.
Der schwache Euro, die extrem niedrigen Zinsen, die niedrige Inflationsrate und die gesunkenn Energiepreise wirkten wie ein
Konjunkturprogramm – noch dazu ohne zusätzliche Staatsverschuldung in Deutschland - , auch wenn Kritiker bemängeln,
dass das Binnenwachstum nicht nachhaltig genug sei. Plötzlich
wollten Sachverständigenrat und die – oft notorisch pessimistischen deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute – nichts mehr
von ihren ursprünglich doomsdaymäßigen Jahresprognosen wissen.
Ohnehin muss man sich manchmal wundern über deren Prognosen. „Prognosen waren schon immer schwierig, besonders wenn
sie die Zukunft betreffen“, wie wir seit Niels Bohr aus der Quantenphysik wissen. Gleichwohl wollten einige Institute schon das
seinerzeit noch gar nicht in Kraft getretene Mindestlohngesetz
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Jahreswirtschaftsbericht 2015 des BMWi, S. 9.
Monatsbericht des BMWi „Schlaglichter der Wirtschaftspolitik“ vom November 2014, S. 9.
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als Ursache für die zeitweilige Schwäche der konjunkturellen
Entwicklung in Deutschland im vergangenen Jahr identifiziert haben. Ohne hier in die Mindestlohndebatte einsteigen zu wollen:
Die Bundeskanzlerin hat sich m.E. zu Recht darüber amüsiert
bzw. ein solches Vorgehen als vorwissenschaftlich kritisiert.
Die insgesamt positive Entwicklung dürfte sich jedenfalls und
hoffentlich in 2015 fortsetzen. BM Gabriel geht im Jahreswirtschaftsbericht 2015 von einem Wirtschaftswachstum von 1,5
Prozent aus. Der Verfall des Ölpreises und der schwache EuroKurs sollen zusätzlich 0,8 Prozentpunkte Extra-Wachstum in diesem Jahr ausmachen. Die DSL-Bank prognostiziert bereits 1,8
%. Ich persönlich würde sogar ein Wachstum von näher an 2
Prozentpunkten nicht ausschließen!
Deutschland hat, wie Sie alle wissen, 2014 so viel exportiert wie
noch nie. Sie – Ihre Unternehmen und Ihre Beschäftigten - lieferten Waren im bisher ungeahnt hohen Wert von 1133 Mrd. € an
ausländische Abnehmer. Das waren fast 4% mehr als im Vorjahr.
Gleichzeitig stieg der Warenimport um lediglich 2%. Damit vergrößerte sich der schon klassische deutsche Außenhandelsüberschuss auf ca. 217 Mrd.€. Am stärksten – um mehr als 10%
- nahmen die Ausfuhren in EU-Länder außerhalb der Währungsunion zu. Der Export in die Eurozone wuchs lediglich um 2,7%
und macht nur noch gut ein Drittel des deutschen Gesamtexports
aus. Laut Berechnung des Ifo-Instituts nimmt Deutschland mit einem Leistungsbilanzüberschuss in Höhe von ca. 215 Mrd.€ und
rund 7,5% des BIP in diesem Jahr die weltweite Spitzenposition
ein.
Der deutsche Leistungsbilanz- und Handelsüberschuss wird in
der EU jedoch nach wie vor kritisch beäugt. Die EU-Kommission
schätzt Werte von dauerhaft mehr als sechs Prozent im Verhältnis zum BIP als stabilitätsgefährdend ein. Deutschland liegt seit
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Jahren über dieser Grenze. Insofern dürfte der neue Exportrekord den Kritikern des hohen deutschen Leistungsbilanzüberschusses neue Munition liefern. Deutschland würde sich zu Lasten der europäischen Krisenländer sanieren oder gar bereichern.
Ein Vorwurf, der klingt, als würde er von der neuen griechischen
Regierung kommen.
Aber muss sich Deutschland kritisieren lassen für seine Überschüsse? Im Gegenteil! Ich beglückwünsche Sie ausdrücklich als
Vertreter erfolgreicher, i.d.R. mittelständischer Unternehmen!
Zum einen haben sich sowohl in der Eurozone wie weltweit die
Leistungsbilanzungleichgewichte nicht unerheblich zurückgebildet, wie die Bundesbank in ihren jüngsten Monatsberichten hervorhebt. Allein von 2011 auf 2012 halbierte sich der Leistungsbilanzüberschuß gegenüber den sog. GIIPS-Ländern (Griechenland, Italien, Irland, Portugal, Spanien) auf 14,7 Mrd.€. 2013 waren es nur noch gut 12 Mrd.€ nach 58,7 Mrd.€ 2007 vor Ausbruch
der Krise.
Was man daneben immer wieder sagen und betonen muss: Die
Leistungsbilanzüberschüsse sind Ausdruck der hohen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Die hohe „Passgenauigkeit“ der Produktpalette der deutschen Exportwirtschaft ist einer
der Hauptgründe für ihre gute Performance. Wenn deutsche,
aber auch ausländische Konsumenten beispielsweise nun mal
lieber Autos von Volkswagen, Mercedes, Audi oder BMW statt
von Peugeot, Citroen oder Fiat-Chrysler kaufen, hat das nichts
mit Dumpinglöhnen oder –preisen oder aufgezwungenen Krediten zu tun, sondern mit echter oder jedenfalls empfundener Produkt- und Markenqualität.
Überleitung zum 1. Vortrag des Ifo Instituts
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Meine Damen und Herren,
lassen Sie mich ein andere Kritik am deutschen Exportgeschäftsmodell ansprechen, den Vorwurf der „Basarökonomie“. Er
besagt kurz gesagt, dass in bestimmten Volkswirtschaften, insbesondere in Deutschland, der Anteil der inländischen Wertschöpfung an der Industrieproduktion, die sogenannte Fertigungstiefe, im Laufe der Zeit immer weiter zurückgehe.
Den Begriff der „Basar-Ökonomie“ hat der wort- und publikationsgewaltige deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn vom IfoInstitut geprägt. Er hat prophezeit, dass es –auch bedingt durch
Lohnstarrheit im unteren Segment - zwangsläufig zu einem
Rückgang der Beschäftigung in der Industrie durch die Globalisierung kommen müsse. Sinn ging davon aus, dass die Exporterfolge insofern kein Zeichen der Leistungsfähigkeit der deutschen
Wirtschaft seien, weil hier nur noch zusammengeschraubt werde,
was in Fern- oder Nahost mit deutschen Markennamen produziert werde.
Selbst wenn es so gewesen sein sollte: Der Mengeneffekt enormer Erfolge auf den Auslandsmärkten habe trotz eines gesunkenen inländischen Wertschöpfungsanteils die durch die Exporte
induzierte Wertschöpfung in der Gesamtwirtschaft und im Verarbeitenden Gewerbe relativ zu derjenigen der übrigen Wirtschaftsbereiche erhöht, sagt jedenfalls der Sachverständigenrat.
Jedenfalls freue ich mich, heute im Politikforum einen Vertreter
des Ifo-Instituts als Redner begrüßen zu dürfen. Prof. Gabriel
Felbermayr wird in einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung die
„Risiken für deutsche Exporte“ aufzeigen. Ich bin gespannt, wie
die Bewertungen von Prof. Felbermayr – auch zur Aktualität der
„Basarhypothese“ - ausfallen werden. Ich freue mich jedenfalls
auf die hoffentlich lebhafte Diskussion zu seinen Thesen.
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Internationale
Entwicklungen
Genauso wie sich die Lage auf dem deutschen binnenwirtschaftlichen Tableau immer wieder dynamisch und oft unvorhersehbar
ändert, so wandelt sich die allgemeine politische Lage in unseren
Nachbarländern – Beispiel Ukraine - oder einer ganzen RegionBeispiel arabischer Raum. Davon sind oft auch Ihre Geschäfte
betroffen, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Im Politikforum werden wir uns daher nicht nur mit der Binnensituation, sondern auch mit den äußeren Rahmenbedingungen beschäftigen, also mit exportkontrollrelevanten Entwicklungen in
wichtigen Regionen dieser Welt.
Erstens Russland und zweitens die zerfallenden Staaten im arabischen Raum, einhergehend mit der wachsenden Gefahr des
globalen Terrorismus:
Russland
Einen ersten Lichtblick am Krisenhorizont Ukraine/Russland
schien es nach dem Treffen der Staats- und Regierungschefs
am 11./12. Februar in Minsk zu geben. BK Merkel und Präsident
Hollande haben versucht, alle diplomatischen Kanäle zu nutzen.
Die Tür für Gespräche müsse offengehalten werden, um Alternativen zu einer militärischen Eskalation zu finden. Leider ist die
damit verbundene Hoffnung mittlerweile weitgehend zerstoben.
In unserer Exportkontrolle ist nicht erst seit Minsk 1 und 2 das
Stichwort „Russlandembargo“ in aller Munde. Durch die Einführung von Sanktionen seit August 2014 ist wegen der Restriktionen im Bereich Erdölförderung insbesondere der deutsche Maschinen- und Anlagenbau betroffen. Die Ausfuhr von Rüstungsgütern bzw. Dual-use-Gütern nach Russland war allerdings bereits vor dem Embargo genehmigungspflichtig, was in den Äuße-
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rungen von sanktionskritischen Wirtschaftsvertretern manchmal
vergessen wird.
Daß diese Maßnahmen nicht ohne wirtschaftliche Folgen bleiben
würden, war uns allen klar. Die Exporte nach Russland sind im
ersten Halbjahr 2014 deutlich zurückgegangen.3 Dies ist ohne
Frage bedauerlich für die deutsche Wirtschaft.
Wir dürfen jedoch nicht vergessen: Dieser Trend hatte schon
2013 begonnen. Die Ölpreisentwicklung spielt zusätzlich auch eine große, wenn nicht sogar entscheidende Rolle. Außerdem hat
Rußland schon des längeren den Weg aus der sog. „holländischen Krankheit“ verlassen, d.h. der alleinigen Betonung des
Rohstoffsektors. Gesamtwirtschaftlich hält sich zudem die Bedeutung der deutschen Exporte nach Russland sehr im Rahmen.
Mit einem Anteil von wenig mehr als 3% rangiert das große Land
lediglich auf Platz 11 hinter einem so kleinen Land wie Belgien.
Die gleichwohl individuell z.T. deutliche Betroffenheit einzelner
Unternehmen z.B. aus den neuen Bundesländern mit besonderen historischen Beziehungen zu Russland ist eine neue Beobachtung, der wir vom BAFA mit viel Unterstützung vor OrtRechnung tragen.
Man kann sich allerdings nicht immer des Eindrucks erwehren,
die politische Diskussion um die Reichweite der Sanktionen habe
ein größeres Ausmaß angenommen. als die reale Versagung von
Exportmöglichkeiten. Ohnehin entspricht zuweilen das politische
Einschätzungsvermögen hochrangiger, erfolgreicher Wirtschaftsvertreter nicht immer ihrer unstreitig beträchtlichen wirtschaftlichen Kompetenz und Beschlagenheit, wenn Sie mir diese Bemerkung ausnahmsweise gestatten.
3
Rede von BM Gabriel vom 14.10.2014 in Berlin zu „Herbstprojektionen der Bundesregierung“.
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Wie es um die „aktuelle Lage im Russland-Ukraine-Konflikt“ bestellt ist, wird auf diesem Hintergrund dankenswerterweise Dr.
Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige
Politik (DGAP) für uns beleuchten. Die DGAP hat uns schon
mehrfach durch höchst fachkompetente Vortragende beim EKT
unterstützt. Wir sind sehr erfreut, auch diesmal einen ausgewiesenen Experten begrüßen zu können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Arabellion
Ein anderer gefährlicher Konfliktherd war im letzten Jahr und ist
weiterhin die Region der Welt, bei welcher man noch vor kurzem
fast poetisch, in jedem Falle aber hoffnungsvoll, vom „Arabischen Frühling“ sprach. Die Blumen sind leider schon verwelkt,
bevor die Saat richtig aufgegangen ist, um im Bild zu bleiben.
Experten von der International Crisis Group in Beirut sehen vier
Jahre nach Beginn der arabischen Aufstände die Hoffnung auf
mehr Freiheit und Gerechtigkeit schwinden. Anstatt zu glauben,
dass Wandel nicht nur unausweichlich, sondern letztendlich vorteilhaft sein würde, habe Hoffnungs- und Orientierungslosigkeit
die Region ergriffen.
Wichtige Denkfabriken sagen der arabischen Welt viele blutige
und unruhige Jahre voraus. Im Jemen, im Irak, in Syrien und Libyen gebe es keine effektive Zentralgewalt, nur noch failing bzw.
nonexisting states. Nach ihrer Einschätzung wird weder der Gegensatz zwischen Sunniten und Schiiten, der den Irak, den Libanon, Syrien, den Jemen und letztlich die gesamte arabische Welt
auseinanderreißt, in den kommenden zehn Jahren überwunden,
noch werden die innersunnitischen Machtkämpfe beendet sein.4
2014 war der „Islamische Staat“ (IS) des selbsternannten Kalifen
Abu Bakr al Bagdadi einer der großen und entsetzlich grausa4
FAZ vom 31.12.14, S. 5.
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men Profiteure dieser Entwicklungen. Die damit verbundenen
Sorgen wurden beispielsweise auch im Rahmen der deutschen
Waffenlieferungen an den Irak bzw. die kurdischen PeschmergaEinheiten deutlich. Ein Thema für sich, dass die widerstreitenden
Sichtweisen in der Exportkontrolle sehr verdeutlicht hat.
Daher freuen wir uns besonders, dass wir Frau Dr. Asseburg von
der Stiftung Wissenschaft und Politik gewinnen konnten, die uns
tiefere Einblicke zum Stichwort „Arabellion“ geben kann.
Terrorismus
Meine Damen und Herren,
Man muss es wohl als einen weiteren fundamentalen Wandel
bezeichnen, wenn wir auch in der Exportkontrolle nicht mehr nur
über Staaten sprechen. Individuelle, religiöse, politische oder
ethnische Gruppen drängen in den Vordergrund. Boko Haram,
der IS und Al Quaida spielen aber nicht nur im regionalen Kontext eine hervorgehobene Rolle im Rahmen der Entwicklung der
Exportkontrolle. Der internationale Terrorismus kennt keine
staatlichen Grenzen. Das Jahr 2015 hat entsprechend einen traurigen Auftakt am 7. Januar mit dem terroristischen Anschlag auf
die Satirezeitung „Charlie Hebdo“ in Paris erlebt. Seine Fortsetzung hat jetzt Kopenhagen getroffen.
Dies alles kann auch in unserem Denken und Handeln als Verantwortliche der Nichtverbreitung sensitiver Güter nicht unbeachtet bleiben. Was bleibt als verlässliche Größe, wenn auf der Abnehmerseite staatliche Strukturen keine belastbaren Aussagen
zur Verwendung und zum Endverbleib der Güter mehr geben
können oder wollen? Das massive Auftreten des internationalen
Terrorismus bedingt neue Risiken bezüglich der Verbreitung von
Massenvernichtungswaffen und Technologie.
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Der jährliche „Country Report on Terrorism“ des U.S. Department
of State5 verdeutlicht in Zahlen, dass es seit 2010 bis 2014 einen
massiven Anstieg terroristischer Aktivitäten gab. Betroffen waren
vor allem Länder wie Afghanistan, Nigeria, Irak, Syrien, Jemen,
Somalia, die Philippinen und Pakistan. Seit 1998 mit rund 300
terroristischen Vorfällen pro Jahr ist diese Zahl im Mittleren Osten
und Nordafrika auf die erschreckende Zahl von rund 4.650 Vorfällen pro Jahr angestiegen. Wie schwierig der Umgang damit
oder gar nachhaltige Lösungen dafür sind, wenn der Terror keine
Adresse hat, hatte ich schon erwähnt.
Militärische Interventionen als früher klassische Gegenmaßnahme gehen zudem mit der Gefahr einher, keine funktionierenden
staatlichen Strukturen zu hinterlassen, wie der Irak oder jüngst
Libyen gezeigt haben. Es stellt sich die Frage, ob dieser Funktionsverlust in der Exportkontrolle auf Dauer durch das massenhafte Abprüfen von Namenslisten aufgefangen werden kann?
Der Aufwand ist bei Ihnen und uns sehr hoch. Der Ertrag ist sicherlich primär politisch zu evaluieren. Auf die Ergebnisse wäre
ich sehr gespannt.
Zur Gesamtthematik „Entwicklung im internationalen Terrorismus“ darf ich Hans-Jakob Schindler von der United Nations
Association of New York (UNA-NY) als Redner heute Nachmittag
begrüßen. Ich freue mich, Ihnen mit Herrn Schindler einen ausgewiesenen Experten auf diesem Gebiet präsentieren zu dürfen.
Herr Schindler ist seit 2013 Mitglied des Al Quaida/Taliban Sanctions Monitoring Teams der UNA-NY und berät in dieser Funktion
den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bei der Implementierung der Sanktionen gegen Al Quaida und die Taliban.
Rüstungsexportkontrollpolitik
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Meine sehr verehrten Damen und Herren,
http://www.state.gov/j/ct/rls/crt/2013/225328.htm
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in seiner Grundsatzrede zur deutschen Rüstungsexportpolitik
sagte Bundeswirtschaftsminister Gabriel. Ich zitiere: „Die laxe
Rüstungsexportpolitik der vergangenen Jahre war ein Fehler.“
Deutsche Rüstungsexporte seien vor allem eine sicherheitspolitische Angelegenheit, die keine industriepolitischen Interessen
kenne. Zudem komme der Beachtung der Menschenrechtssituation im Empfängerland eine herausragende Bedeutung zu. Wo
Rüstungsgüter zur inneren Repression, schlimmstenfalls zur Verfolgung von Bevölkerungsgruppen missbraucht werden, könne
man Genehmigungen nicht erteilen.
„Wir brauchen (…) jetzt eine breite gesellschaftspolitische Plattform, die zur Diskussion der Rolle der Verteidigungswirtschaft in
Deutschland einlädt. Nicht nur Vertreter der Industrie und der Politik, auch Diplomatie, Militär, Wissenschaft und vor allem auch
kritische gesellschaftliche Gruppen sollten daran teilnehmen“ So
Bundesminister Gabriel.6
Dieser Aufforderung zum Dialog beim EKT 2015 können wir heute ein passendes Forum verschaffen. Unter der Moderation von
Uwe Proll, Chefredakteur des Behördenspiegels, werden wir ein
hochkarätiges Diskussionsforum mit Impulsvorträgen zum Thema
„Rüstungsexportkontrollpolitik“ am Nachmittag erleben.
Ich freue mich deshalb besonders, als Vertreter der Wirtschaft in
unserer Diskussionsrunde Dr. Hans Christoph Atzpodien begrüßen zu können. Herr Atzpodien ist Vorsitzender des Bereichsvorstands der Business Area Industrial Solutions der ThyssenKrupp
AG. Er war außerdem erster Präsident des Bundesverbandes der
deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Von daher ist
er mit unserem Thema sowohl aus der einzelwirtschaftlichen wie
der verbandspolitischen Warte voll vertraut.
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BM Sigmar Gabriel in seiner Rede vom 8. Oktober 2014 zu den Grundsätzen deutscher Rüstungsexportpolitik
in der DGAP, Berlin.
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Als weitere prominente Stimme begrüße ich Prälat Dr. Karl Jüsten. Prälat Jüsten ist Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro Berlin und trotz des bescheidenen Titels sozusagen der Botschafter der deutschen katholischen Kirche bei der Bundesregierung. Außerdem ist er der katholische
Vorsitzende der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE).
Prälat Jüsten befürchtet mit den deutschen Bischöfen, dass die
Rüstungsexportpolitik in die falsche Richtung geht. Deutschland
müsse seine eigenen politischen Grundsätze endlich ernst nehmen. Die angekündigte Kehrtwende der jetzigen Bundesregierung sei erst dann vollzogen, wenn die Rüstungslieferungen in
Drittstaaten, in Konfliktregionen und die Länder mit bedenklichen
Menschenrechtssituationen deutlich und anhaltend zurückgehen.
Möglicherweise gibt es für ihn in dieser Hinsicht schon erste Erfolge, wie jüngst aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine
Frage des Bundestagsabgeordneten van Aken hervorging. Danach wurden im vergangenen Jahr Einzelausfuhrgenehmigungen
für Kriegswaffen in Höhe von 3,97 Mrd. € erteilt. Damit ging der
Gesamtwert der Genehmigungen - unter Einschluss der sog.
Sammelausfuhrgenehmigungen - gegenüber dem Vorjahr und
der Vorgängerregierung um 22% zurück. Dafür gab es sogar ein
verhaltenes Lob ausgerechnet vom Linken Politiker MdB van Aken. Ich bin gespannt, ob sich Prälat Dr Jüsten später in seinem
Vortrag diesem Lob anschließt!
Außerdem vertritt seine GKKE die Auffassung, dass die Konsolidierung der Rüstungsindustrie vorangetrieben werden solle. Eine
Europäisierung in diesem Sektor sei überfällig. Folge einer gemeinsamen europäischen Rüstungsindustrie wäre der Abbau von
Überproduktionskapazitäten und eine Verringerung von Exporten
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an Drittstaaten durch eine gesteigerte Nachfrage im europäischen Raum. Dazu hören wir später möglicherweise etwas von
den beiden anderen Podiumsteilnehmern.
Bedauerlicherweise mußte Staatssekretär Matthias Machnig, den
wir als Vertreter von Bundesminister Gabriel im Diskussionsforum gewinnen konnten, für heute ganz kurzfristig absagen.
Staatssekretäre sind die Diener ihrer Herren Minister und müssen ihnen immer mal wieder auf Zuruf folgen. Ich finde es schade, aber leider unvermeidlich, daß heute so ein Fall eingetreten
ist. Ministerialdirigent Karl Wendling, wird ihn in der Runde vertreten. Herr Wendling ist nicht nur fachlich hochversiert, sondern
auch beim EKT ein bekannter und geschätzter Experte.
Überleitung Urteil des BVerfG 2. Tag
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Mehr Transparenz – auch eine zentrale Forderung der Kritiker
der bisherigen Praxis der Bundesregierung in Sachen Rüstungsexporte – bringen die neuen Transparenzvorschriften für Rüstungsexportentscheidungen durch den Bundessicherheitsrat. Sie
erlauben nun eine zeitnahe Diskussion der außen- und sicherheitspolitischen Interessenlage Deutschlands an einem Rüstungsexport.
Zentrales Element des neuen Umgangs mit Entscheidungen des
Bundessicherheitsrates ist die Information von Parlament und Öffentlichkeit über die positiven abschließenden Genehmigungsentscheidungen binnen zwei Wochen. Dazu gehört auch, dass
die Bundesregierung nun zweimal im Jahr einen Rüstungsexportbericht vorlegt.
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Ich kann Ihnen versichern, meine Damen und Herren, dass wir
vom BAFA diesen Prozess tatkräftig unterstützen. Bereits jetzt
ermöglichen wir durch eine frühere Veröffentlichung des jährlichen Rüstungsexportberichts größere Transparenz. Das BAFA
liefert dem BMWi umfangreich Daten zur Berichterstattung. Bereits vor der Sommerpause des Parlaments erscheint nun der
Rüstungsexportbericht für das Vorjahr und im zweiten Halbjahr
als Kurzmeldung ein Zwischenbericht für das laufende Jahr.
Welche auch juristische Relevanz dies alles hat, zeigt die Tatsache, dass sich das Bundesverfassungsgericht im Oktober 2014 in
seinem Urteil mit Fragen zur Transparenz von Entscheidungen
des Bundessicherheitsrates zu Rüstungsexporten befassen mußte. Um dem EKT auch in dieser Königsdisziplin des Ausfuhrkontrollrechts als Fachforum gerecht werden, werden wir im morgigen Rechtsprechungsforum unter der Leitung von Prof. Wolffgang seinen Kollegen Prof. Stefan Korioth von der Universität
Münster zu Inhalt und Wirkung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts hören. Prof. Korioth war der Rechtsvertreter der
Bundesregierung in diesem Verfahren.
Aktuelle Entwicklungen 2. Tag
Das sich anschließende Praxisforum am Nachmittag des zweiten
Tages verspricht mit hochrangigen Vertretern der Bundesregierung nicht minder verheißungsvolle und informative Berichte zu
den neuesten Entwicklungen und Wandlungen der Exportkontrolle.
Ich bin sehr auf die kommenden Beiträge aus den Ministerien –
jeweils vertreten durch einen Unterabteilungsleiter – gespannt:
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Als neuen Referenten in diesem Forum des EKT ist es mir eine
besondere Freude, aus dem Auswärtigen Amt Dr. Bernhard
Schlagheck (Beauftrager der BReg für Technologie und Export- 18 -
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kontrolle)zu begrüßen. Auf dem Hintergrund seiner politischen
Erfahrung wird Herr Dr. Schlagheck die internationalen Entwicklungen analysieren. Herzlich willkommen.
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aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie informiert
uns Herr Wendling zu den wirtschaftspolitischen Trends im Außenwirtschaftsrecht.

aus dem
Bundesministerium der Finanzen erfahren wir von
Herrn Bille von den neusten Entwicklungen im Zollrecht. Der Zoll
und das BAFA nehmen bekanntermaßen Seit an Seit wichtige
Funktionen einvernehmlich wahr.
Die Runde wird durch einen Vortrag zu den ebenso wichtigen aktuellen Verfahrensfragen von Herrn Beutel, Ihnen allen bekannter
und geschätzter Fachmann auf seinem Gebiet und Unterabteilungsleiter im BAFA, komplettiert. Es passiert viel in Eschborn,
lassen Sie sich überraschen – und es geht nicht nur wieder um
Frequenzumrichter, der Dauerbrenner aus dem letzten Jahr.
Sie sehen, dass die Spannbreite der Themen rund um die Exportkontrolle sehr weit reicht und viele wichtige Beiträge verspricht. Und die Vorträge könnten meines Erachtens nicht näher
am Puls der sich wandelnden Zeit liegen.
Was aber auf gar keinen Fall einen Wandel unterworfen werden
sollte, ist die gute Tradition des Westfälischen Abends. Sie alle
werden auch in diesem Jahr am Ende des ersten Tages Gelegenheit bekommen sich in entspannter Atmosphäre untereinander auszutauschen.
Mit diesen vielversprechenden Ankündigungen möchte ich
schließen und das Wort an den ersten Vortragenden übergeben.
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Ich wünsche Ihnen spannende neue Erkenntnisse und interessante Tage!
Und vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!