Reportage 37° : Immer mit Herzblut – Lehrersein, mehr als ein Job

Reportage 37°: Immer mit Herzblut – Lehrersein, mehr als ein Job
Fakten:
8 % eines Jahrganges scheitern an den Regelschulen  BBS
Unentschuldigtes Fehlen ist eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Buße – etwa 230,- Euro –
belegt ist, danach kommt Jugendgefängnis.
Frau Conny Törber, 28 J. im Beruf
berufsbildende Schule in Hildesheim, Ma + Hauswirtschaft
ihr Mann arbeitet im Ausland, dadurch sehen sie sich nur selten
Sohn studiert
unterrichtet auch Klassen mit Schulabbrechern, die woanders gescheitert sind
Friseurinnen, Maurer (Zettel auf Rücken mit Stärken)
Vorbereitungen abends, Telefonate mit Eltern und mit Kollegen
Elterngespräche (beide) in Gegenwart des Schülers
Hausbesuche
50 neue Schüler, um die sie sich intensiv kümmern muss.
Jessica, 16 J., Zuhause ständig Streit mit den Eltern und Geschwistern  Wohngruppe
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Redebeiträge der Lehrerin im Unterricht
„Ich bin maßlos enttäuscht, dass du das alles in deinen Gedanken abgebrochen hast.“
„Halte den Mund und mach` endlich …“
„Alles okay und gut überstanden?“
„Na, wart ihr fit?“ Sch.: „Nein.“
„Und jetzt geht es um Brüche mit ungleichnamigen Nennern.“ – „Jessy, hier lang! Ist das für
dich – hier nicht machbar? Guck mal da lang. - Hallo, jetzt ist gerade Tutsche dran. Emma, du
bleibst auf deinem Platz bitte.“ Sch: „Aber ich versteh das nicht, Frau Törber! Im Unterricht, da
bin ich so`n bisschen sozialfeindlich. Ich bin eben hyper.“ .Mitschüler legt den Arm um sie.
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„Das gefällt mir überhaupt nicht, wie das angelaufen ist – mit den Verspätungen. Das müssen
wir ändern. Das muss ganz anders werden“ und kramt dabei in den Unterlagen.
„Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und sozialer Umgang miteinander ist wichtig, und …“
„Ich würde euch bitten … anzurufen ….denen klarzumachen, dass …“
„Ich werde da heute noch mal anrufen.“
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„Damit das mit der Zusammenarbeit klappt, brauchen wir Regeln. Ich möchte gerne, dass
jeder von euch fünf Regeln aufschreibt auf Karten. Jeder schreibt fünf Regeln auf ein Blatt …“
„Ah, und keine Wände nicht anmalen – und keine Bänke, da habe ich gar nicht dran gedacht,
ja, ja, das ist …“
„Wir wollen heute das große Thema „Meine Stärken und meine Schwächen“ beginnen.
(Maurer, lachen) Ihr wisst ja alle: Ihr habt alle Stärken und ihr habt alle etwas, was man noch
verbessern könnte.“
„Jeder kriegt einen Zettel auf den Rücken, da steht drauf ...“So, wie ich dich bisher kennen
gelernt habe, gefällt mir an dir“, das mag ich. Es ist absolut verboten, etwas Negatives zu
schreiben“ ... „Es ist verboten, etwas Schlechtes, nur Gutes!“ .Sch.: „Gucken Sie mal, was die
da drauf schreiben.“ „Es darf nur gut sein. Ich streiche das jetzt mal.“ ... „Das ist widerlich, und
das möchte ich nicht.“
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Kommentare
„ ... die größte Veränderung ist, dass ich nicht mehr an der Tafel stehe, sondern einen
Sozialarbeiter ersetze.“
„Eltern geben ihre Aufgaben und das Erziehen zunehmend an die Schulen ab“
„Lehrer müssen das auffangen, was im Elternhaus zu kurz kommt: Wissen vermitteln + das
Kind zu erziehen + in eine berufliche Ausbildung zu bringen, ..“und ich bin alle Verantwortung
los“.
„Wenn wir hier zusammen arbeiten wollen, dann brauchen wir Regeln. Und die Regeln
müssen eingehalten werden. Sonst kann ja jeder machen, was er will, und da kommen wir nicht
mehr klar. Und das geht nicht. Und im Leben kommt man auch nicht klar ohne Regeln. Und sie
hatten bisher keine, oder kaum welche. Und das ist für sie neu, auch schwierig, aber das
müssen wir machen.“
„Morgens kommt man in einen Tornado und abends ist man immer noch drin.“
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„Bei Jessica ist es so, dass ihre holperige laute Art aus ihren Unsicherheiten resultiert. Das
kaschiert sie damit. Wenn ich irgend etwas nicht weiß, dass muss ich nur laut genug sein, dann
hört man mir auch zu, bekomme Aufmerksamkeit. In der Familie sind sehr, sehr große
Probleme aufgetreten, es sind sehr viele Kinder, die alle beachtet werden müssen. Das ist sehr
schwierig für die Mutter. Und weil Jessica ganz besonders darunter gelitten, - das war für sie
nicht leicht.“
„Die hören den ganzen Tag nichts anderes als „Du kannst nichts, Du bist nichts …“
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„Sie bekriegen sich, sie betiteln sich auch immer mit Worten, die unter der Gürtellinie sind,
und wenn Sie einen Schüler fragen, „Was ist denn an dir toll“ oder „Was ist denn an dir schön“
oder „Was findest du denn an dir positiv“, dann wissen sie eine ganze halbe Stunde erst nichts
zu erzählen, weil sie den ganzen Tag von der gesamten Umwelt hören „Du bist dumm“, „Du
kannst nichts“, „Du wirst nichts und du brauchst auch gar nicht anzufangen, das hat eh keinen
Zweck“