Kritik "Summer of Love"

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07.04.2015
Die Hippie-Verklärung bleibt aus
Von Klaus Schlupp
Blumenkinder treffen auf Weltverbesserer,
Generationenkonflikt trifft auf Geopolitik. Und das
alles untermalt vom Sound der 60er Jahre aus den
Augen von drei Aachener Abiturienten. Die Eupener
Regisseurin Maren Dupont bringt im DasDa-Theater
die Revue „Summer of Love“ auf die Bühne.
Raus in die Welt heißt es für die Aachener Abiturienten
Hilde (Elena Lorenzon), Ute (Mareike Voß) und Reiner
(Tobias Steffen). Doch es ist die Welt der Kubakrise, des
Vietnamskrieg, der verbeamteten Altnazis aber auch von
Sex, Drugs und Rock ‚n‘ Roll, von APO und Kommune 1.
Im Musical „Summer of Love“ der Autoren Christoph
Biermeier und Georg Kistner bringt die Eupener Regisseurin Maren Dupont das Lebensgefühl
eines Jahrzehnts souverän und treffsicher auf die Bühne.
In dieser Welt der großen Ideen und politischen Theorien müssen sich die drei Hauptfiguren
gegen ihre verknöcherte Elterngeneration das Leben erkämpfen und wollen im Grunde primär
das, was alle Menschen aller Zeiten wollen: Lieben und geliebt werden. In der Suche nach sich
selbst treffen sie auf zeittypischen Strömungen und Figuren und müssen Stellung beziehen.
Die Namen der Nebenfiguren und erwähnten Personen sind sprechend, auch wenn nur die
Vornamen gebraucht werden. „Uschi“ (Obermeyer) „Andreas“ (Baader) und „Gudrun“ (Ensslin)
werden erwähnt, „Angela“ (Davis) und „Rudi“ (Dutschke) sind Figuren im Stück. Während
allerdings „Angela“ (Michelle Bray) tatsächlich deutlich die Züge der Angela Davis trägt, hat
„Rudi“ (Toni Gojanovic) allerdings außer Belesenheit und radikalen Ansichten nichts mit dem
Studentenführer gemein. Dutschke war ein Volkstribun, ein Intellektueller und gewaltfreier
Denker, während der „Rudi“ des Stückes ein humor- wie hirnloser Fanatiker ist, der die
Ideologie nutzt, um freie Liebe zu praktizieren. Gojanovics Rudi ist eine zeitlose Figur, er ist der
ewige verblendete Ideologe, der 30 Jahre vorher die Synagogen angezündet hat, nun
angehender RAF-Terrorist ist und heute bei ISIS im Namen Allahs vergewaltigt. Und Menschen
wie er waren es, die dem „Summer of Love“ die Unschuld nahmen.
Das Musical ist ein Stück der kleinen Andeutungen, doch jeder merkt, was hinter dem kleinen
Zitat, der unscheinbaren Requisite steckt, egal ob es der kurze Hinweis auf „Gudrun“ oder das
unscheinbare Spritzbesteck auf dem Tisch ist.
Ein „Summer of Love“ braucht die Musik, um das Gefühl der Zeit deutlich zu machen. Es ist die
Zeit der musikalischen Aufbrüche, des Rock ‚n‘ Roll, des Beat, der Stones, Doors und Beatles,
von Bob Dylan oder Ton Steine Scherben. Aber es ist auch die Zeit der herzzerreißenden
Schnulzen wie Heintjes „Mama“, herrlich komisch inszeniert und interpretiert von Tobias Steffen
oder Freddy Quinns ultrareaktionärer Spießerhymne „Wir“. Christoph Eisenburger hat die Songs
arrangiert und Maren Dupont hat sie so auf die Bühne gebracht, dass das Gefühl der Zeit in
allen Facetten deutlich wird. Aber dennoch: Diese Songs sind keine bloße Imitation der
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13.04.2015 13:17
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Originale, sie sind Interpretation und Verdeutlichung. Der Fan kann an diesen Songs manches
hören, was er beim Gewohnten überhört. Das ist auch den Sängern zu verdanken, denn DasDa
kann Musik.
Egal, ob es „alte Hasen“ wie Tobias Steffen oder Elena Lorenzon sind, jetzt mit Titeln wie „All my
lovin“ (Beatles) oder „Let’s Twist again“ (Chubby Checker) brillieren oder die neuen
Schauspieler. Spannend ist die weibliche Variante des Doors-Klassikers „Light my Fire“ von Anne
Noack oder die großen Stimmen von Mareike Voß und Simon Berhe (u. a. „Stand by me“).
Bühnenbildner Frank Rommerskirchen konnte hier einmal wieder aus dem Vollen schöpfen. Vom
überdimensionierten Fernseher angefangen, aus dem die Hündin Laika das Geschehen aus dem
Orbit kommentiert, dem blau gekachelten Schwimmbad Hangeweiher, der verqualmten Berliner
Studentenkneipe – hier passt das Zeitkolorit.
„Summer of Love“ im DasDa-Theater ist vieles: Es ist Erinnern, ohne in verklärende Nostalgie zu
verfallen, es ist Diskussionsstoff zwischen Oma und Enkel, es ist großartig gespielte, gesungene
und arrangierte Musik und last but not least: Es ist intelligente Unterhaltung und ein großer
Spaß für das Publikum, das sich mit Recht mit minutenlangem Applaus beim Ensemble
bedankte.
„Summer of Love“ im DasDa-Theater, Liebigstraße 9, Aachen, vom 12. April bis 24. Mai; Do.-Sa.
20 Uhr, So. 18 Uhr
www.dasda.de
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