Newsletter Bau- und Planungsrecht 1/2015 [März 2015] Auch im vorliegenden Fall seien an die beiden Gemeinderatsmitglieder hohe Anforderungen zu stellen, weil sie im Gestaltungsplanverfahren und bezüglich der Einsprache als Entscheidträger auftreten. Das Bundesgericht hat für die Beurteilung der Frage der Vorbefassung die analogen Kriterien bei einem Gerichtsverfahren herangezogen. Die Begleitung durch die Behörde dürfe nicht so weit gehen, dass die Bauherrschaft bei der Ausgestaltung eines Gestaltungsplans oder Baugesuchs in detaillierter Weise beraten werde oder verbindliche Zusagen über die Bewilligungsfähigkeit gemacht würden. Voreingenommenheit von Gemeinderatsmitgliedern In einem bemerkenswerten Urteil hat das Bundesgericht – entgegen dem Luzerner Kantonsgericht – eine Voreingenommenheit von Gemeinderatsmitgliedern in einem Gestaltungsplanverfahren bejaht, da diese im Planungsverfahren als Jurymitglieder mitgewirkt hatten. Sachverhalt In der Gemeinde Vitznau ist der Bau eines CampusHotels geplant. Die Bauherrschaft lud mehrere Architekturbüros zur Erarbeitung einer Volumenstudie ein. Die Jury bestand aus zwei Vertretern der Bauherrschaft, zwei Vertretern von Schutzverbänden sowie dem Gemeindepräsidenten und dem für das Bauwesen zuständigen Gemeinderat. Gestützt auf die siegreiche Studie wurde der Gestaltungsplan "Panorama Residenz Vitznau" erarbeitet. Dagegen wurde von angrenzenden Grundeigentümern Einsprache erhoben. In formeller Hinsicht wurde beantragt, dass der Gemeindepräsident und der Bauvorsteher in den Ausstand zu treten haben. Der Gemeinderat Vitznau wies das Ausstandsbegehren ab. Diesen Entscheid bestätigte das Kantonsgericht auf Beschwerde hin, nicht aber das Bundesgericht. Das siegreiche Projekt diente als Grundlage für den Gestaltungsplan. Die Vertreter des Gemeinderates sind für die private Bauherrschaft tätig geworden und haben sich aktiv am Auswahlprozess beteiligt. Gemäss Bundesgericht hätten die Jurymitglieder und damit auch die beiden Gemeinderäte "als eigentliche Berater fungiert". Gemäss Gericht ist die Besorgnis, die Gemeinderatsvertreter könnten sich aufgrund ihrer Preisrichtertätigkeit im Gestaltungsplanverfahren bereits festgelegt haben, begründet. Der Anschein der Befangenheit verstärke sich noch zusätzlich, weil in einem Gestaltungsplanverfahren der Beurteilungsspielraum der Entscheidbehörde nicht unwesentlich sei. Fazit / Kommentar Das Urteil ist von grosser praktischer Bedeutung. Es kommt häufig vor, dass im Voraus private Gesuchsteller mit Behördenmitgliedern in Kontakt treten. Solche meist informellen Gespräche oder Handlungen der Behördenmitglieder können verfahrensrechtliche Fragen, insbesondere eine potentielle Voreingenommenheit hervorrufen. Zu präzisieren ist, dass sich diese Problematik bei privaten, nicht jedoch bei Einbezug in Planungsprozess Das Kantonsgericht erachtete als sinnvoll, wenn bei komplexen Bauvorhaben zu Gunsten der Prozessökonomie die Behörden und die private Bauherrschaft vorgängige Abklärungen oder Verhandlungen führen und damit die Voraussetzungen für einen effizienten und sachgerechten Entscheid schaffen. Es liege auch im Interesse der Verfahrenskoordination, wenn sich die zuständigen Behörden als Träger der Planungshoheit möglichst frühzeitig in den Planungsprozess einbringen. Vorbefassung laut Bundesgericht Die Richter in Lausanne weisen im Urteil darauf hin, dass sich Amtspersonen bei informellen Äusserungen im Vorfeld eines Verfahrens eine besondere Zurückhaltung aufzuerlegen haben. Eine Stellungnahme dürfe in keiner Weise den Anschein erwecken, dass sich das Behördenmitglied in Bezug auf das anstehende Verfahren bereits festgelegt habe. 1 öffentlichen Bauten stellt. Es ist grundsätzlich zu begrüssen, dass namentlich bei grossen Projekten im Vorfeld Abklärungen und Verhandlungen mit der Behörde getroffen werden. Das informellkooperative Verwaltungshandeln stösst aber dann an Grenzen, wenn Entscheidungen vorgenommen werden und der Eindruck entstehen kann, die Behörde habe sich bereits festgelegt und über das Vorhaben entschieden. Sofern die Gemeinde in der Jury mitwirken soll, ist es empfehlenswert, Vertreter der Verwaltung bzw. des Bauamtes einzusetzen. Somit können Gemeinderäte ohne den Anschein einer Voreingenommenheit über das Projekt entscheiden. Urteil des Bundesgerichts vom 26. Juni 2014 (BGE Ende 1990 eingeräumt worden. Die Vollstreckung hätte somit nicht vor dem 31. Dezember 1990 angeordnet werden können, womit eine allfällige Verwirkungsfrist der Wiederherstellungsverfügung nicht vor diesem Datum zu laufen begann. Im Urteil liess das Kantonsgericht hingegen offen, ob die 30jährige Verwirkungsfrist in Nichtbaugebieten überhaupt gilt oder ob sie den eminenten Interessen an der Freihaltung und dem Schutz von Nichtbaugebieten weichen muss. Das Gericht hat schliesslich festgehalten, dass das gewichtige öffentliche Interesse an der Beseitigung illegal errichteter Bauten nicht wegfällt, auch wenn es der Gemeinderat während gut 23 Jahren unterlassen hat, den Abbruchbefehl durchzusetzen. Urteil des Kantonsgerichts vom 25. 140 I 326) September 2014 (7H 13 82; LGVE 2014 IV Nr. 13) Wiederherstellungsverfügung - Übergang an Rechtsnachfolger und Verwirkungsfrist Mehrwertabschöpfung im Kanton Luzern – Stand der Gesetzgebung Im Planungs- und Baurecht gilt der Grundsatz, dass Pflichten aus einer an den Rechtsvorgänger gerichteten Verfügung auf den Rechtsnachfolger übergehen. Eine Wiederherstellungsverfügung unterliegt grundsätzlich der 30-jährigen Verwirkungsfrist. Das neue Raumplanungsgesetz (RPG) schreibt vor, dass Planungsvorteile mit einem Satz von mindestens 20% ausgeglichen werden müssen. Das RPG verlangt als Mindestvorschrift, dass Einzonungen einer solchen Abgabe unterstehen. Im Kanton Luzern ist noch offen, ob die Mehrwertabgabe auch bei anderen Planungsmassnahmen (Umzonungen und Aufzonungen) und in welcher Höhe geschuldet sein wird. Namentlich Aufzonungen, welche im Zuge der inneren Verdichtung angestrengt werden, können für Grundeigentümer nachteilig sein, nämlich wenn sie das Potential nicht ausschöpfen und daraus keinen Mehrwert generieren. Im Frühling/Sommer 2015 wird das Vernehmlassungsverfahren zur Einführung der Mehrwertabschöpfung durchgeführt. Es ist davon auszugehen, dass die Einführung der Mehrwertabgabe für einige politische Diskussionen sorgen wird. Das Kantonsgericht hatte über einen Fall zu beurteilen, in welchem im Jahr 1981 eine Betriebsbewilligung für einen Campingplatz am See, ausserhalb der Bauzone verneint wurde. In diesem Entscheid wurde die Schliessung per Ende 1990 verfügt. Im August 2013 ordnete der Gemeinderat die Vollstreckung des Entscheids aus dem Jahr 1981, somit die Schliessung an. Im Beschwerdeverfahren brachte der Eigentümer vor, weder er noch sein Vater hätten bei der jeweiligen Übernahme des Grundstücks von der Verfügung vom 8. April 1981, welche an den Grossvater gerichtet war, gewusst. MLaw Tobias Bättig Rechtsanwalt und Notar Laut Gericht haftet der jeweilige Eigentümer stets als Zustandsverantwortlicher für Störungen auf seinem Grundstück. Aufgrund der Eigenschaft als Zustandsstörer dürfe gegen ihn vorgegangen werden, auch wenn er die Störung nicht verursacht habe. Er könne nicht entgegenhalten, er habe das Grundstück gutgläubig erworben und vom polizeiwidrigen Zustand nichts gewusst. Habe eine Behörde an einen Rechtsvorgänger eine Verfügung (z.B. eine Abbruchverfügung) gerichtet, gelte im Bauund Planungsrecht der Grundsatz, dass eine Pflicht kraft Dringlichkeit der Verfügung auf den Rechtsnachfolger übergehe. Der Schwerpunkt der Verpflichtung liege im Grundstückbezug. Newsletter Bau- und Planungsrecht Rudolf & Bieri AG Rechtsanwälte und Notare Ober-Emmenweid 46 - 6021 Emmenbrücke Habsburgerstrasse 26 - 6003 Luzern (ab 11. Mai 2015: Pilatusstrasse 39) Hauptstrasse 5 - 6281 Hochdorf 041 289 29 29 [email protected] www.advopark.ch Der Anspruch auf Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands verwirke im Interesse der Rechtssicherheit grundsätzlich nach 30 Jahren. Im vorliegenden Fall sei in der Verfügung vom 8. April 1981 eine Frist zur Schliessung des Campingplatzes bis 2
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