Evangelisch-methodistische Kirche Predigt im Alterszentrum Wesley-Haus, Basel 18. April 2015, von Pfr. Josua Buchmüller „Wohl behütet – gut bewirtet“ Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Strasse um seines Namens willen. Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar. (Psalm 23) Eine aussergewöhnliche Herde Von Palmsonntag bis Mitte April haben fünfzig blaue Schafe im Kreuzgang des Basler Münsters geweidet. Auf einer dreijährigen Ausstellungstour durch viele europäische Städte hat die blaue Friedensherde in Basel Halt gemacht. Die Farbe Blau steht für das, was Menschen miteinander verbindet. So ist Blau auch die Farbe der UNO und der europäischen Friedensbewegung. Die Schafe bestehen aus Kunststoff und haben alle die gleiche Form. Sie sollen die Botschaft verkörpern: „Alle sind gleich – jeder ist wichtig.“ Im Psalm 23 bekommen wir es auch mit einer aussergewöhnlichen Herde zu tun: Da redet ein Schaf mit uns über seinen guten Hirten und erzählt, was es ihm bedeutet, zu seiner Herde zu gehören: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Und etwas später redet das Schaf mit dem Hirten selbst, und zwar per Du: Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir. Die blauen Schafe beim Basler Münster brauchten keinen Hirten, der zu ihnen schaute. Die Schafe im Psalm 23 haben einen Hirten, der gut zu ihnen schaut. Eines von ihnen sagt uns: Ich habe es gut bei ihm; er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Ist das nicht fast zu schön, um wahr zu sein? Die Weide so grün, das Wasser so frisch – wo gibt es das heute noch? Aber es gibt ja auch in unserem Psalm das finstere Tal. Wenn wir genau lesen, stellen wir fest, dass erst dort das Reden über den guten Hirten zum Reden mit ihm wird: Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück; denn DU bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal Dass an dieser Stelle das Reden über den guten Hirten zum Gespräch mit ihm wird, könnte bedeuten, dass der Psalm in einem finsteren Tal entstanden ist. Also nicht auf einem Lebensabschnitt, der einer schönen Weide gleicht, sondern auf einer Wegstrecke, die gefährlich ist wie der Weg durch ein finsteres Tal. Wir kennen solche Landschaften auch in unserem Leben: Schattenlöcher, Schluchten, in die kein Sonnenstrahl hineindringt. In der Überschrift zum 23. Psalm heisst es, er stamme von David. In der Lebensgeschichte von David hat es Licht und Schatten gegeben. Als König in Israel war ihm die Hirtenrolle über das Volk Gottes übertragen. Da hat David nicht nur Erfolgserlebnisse gemacht, sondern auch Widerstand und Enttäuschungen erlebt. Und er selbst hat sich als Hirte durchaus nicht immer bewährt, sondern auch schwer versagt. Daran denken wir, wenn wir uns vorstellen, dass der König David das sagt: Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal... Da gibt es nur dann kein Unglück, wenn du, der gute Hirte, bei mir bist! Aber so sind ja wir alle manchmal dran: im finsteren Tal – zwischen Bergen von Sorgen und Schwierigkeiten, von Versagen und Schuld. Und am Ende des Lebens wird auch unser Weg durch das Tal der Todesschatten führen. Das kann nicht gut gehen im finsteren Tal, das gibt ein Unglück so möchten wir vielleicht fortfahren. Aber unser Psalm fährt anders fort: Ich fürchte kein Unglück, denn du bist bei mir! Der Psalmbeter ruft uns das in unsere finsteren Täler hinein zu: Nein, es muss kein Unglück geben, auch bei dir nicht! Und warum nicht? Weil auch du damit rechnen darfst, dass der gute Hirte mit dir geht. Du bist bei mir; dein Stecken und Stab trösten mich. Du, mein guter Hirt, du begleitest mich, du nimmst mich in Schutz, du bist allem gewachsen, was mich bedroht. Du gibst mir Geborgenheit und Zuversicht. Wenn mein Können, mein Vermögen nichts vermag, nicht helfen kann, kommt mein Gott und hebt mir an sein Vermögen beizulegen... Wäre mein Gott nicht gewesen, hätte mich sein Angesicht nicht geleitet, wär ich nicht aus so mancher Angst genesen... Wie der Liederdichter Paul Gerhardt, so kann ich es und können es auch andere unter uns aus persönlicher Erfahrung bezeugen: Nur weil der Herr bei mir gewesen ist, bin ich im finsteren Tal nicht umgekommen, sondern durchgekommen. Nicht nur mit knapper Not nochmals davongekommen, sondern herausgekommen aus Not und Angst, durch den guten Hirten befreit, von ihm erquickt und neu belebt. Davon spricht der Psalm mit den wunderschönen Bildern von der grünen Weide und vom reich gedeckten Tisch. Stellen wir uns das vor, denken wir uns in diese schönen Bilder hinein, bis wir entdecken: Ich bin auf dieser guten Weide, ich darf an diesem reich gedeckten Tisch sitzen! – Gehen wir zuerst auf die Weide: Er weidet mich auf einer grünen Aue Fast möchte ich fragen: Hörst du, wie das Gras wächst? Von Leuten, die mehr spüren und wissen als andere, sagt man: Sie hören das Gras wachsen. Gehörst du zu denen, die das Gras hier im Psalm 23 wachsen hören? Die im Hören auf das Wort Gottes in der Bibel grüne Auen entdecken, Weide finden, sich nähren von dem, was Gott da für uns wachsen lässt? Diese Weide hast du nie abgegrast. Man kann sie nicht übernutzen. Je intensiver die Schafe sie abweiden, desto reichlicher wächst das Gras für sie nach. Und auch Wasser ist reichlich da. Die Schafe verdursten nicht, der gute Hirte führt sie zum frischen Wasser: Er erquicket meine Seele, hat der Beter von Psalm 23 gesagt. Wir beschreiben unsere Erfahrung mit dem guten Hirten wohl mit andern Worten. Die Jungen sagen: Er hat mich aufgestellt! Wir Älteren sagen vielleicht: Ich bin bei ihm zur Ruhe gekommen, ich habe bei ihm den Frieden gefunden. – Und nun wollen wir von der Weide an den gedeckten Tisch treten: Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde Da kommen wir in ein gastfreundliches Haus. Der Gastgeber ist gerade daran, den Tisch zu decken. Er muss nicht knausern, er kann es sich leisten. Denn wie beim Bild vom Hirten, so ist auch der Gastgeber Gott selbst. Für wen bereitet er den Tisch? Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde, so stelle ich erstaunt fest. Vor mir – das heisst: extra für mich. Im Angesicht meiner Feinde – das heisst: Ungeachtet all dessen, was mein Gewissen einwenden möchte, dass gerade ich bei Gott einkehren darf und soll. Ungeachtet all dessen, was ich in meinem Leben als gegen mich gerichtet empfinde: Menschen, Umstände, Hindernisse, Krankheit, Verlusterfahrungen. Gegen alle meine Bedenken höre ich den Gastgeber sagen: Du bist eingeladen! Es ist die Einladung, die Jesus an alle Mühseligen und Beladenen gerichtet hat: „Kommt zu mir, ich will euch erquicken!“ – Wenn du kommst, erlebst du eine Überraschung. Du wirst schön gemacht, und du wirst gefeiert: Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein Das Salböl auf dem Haupt hat mit Hygiene, mit Kosmetik, mit Wohlgeruch und Wohlbefinden zu tun. Du wirst schön gemacht. Du wirst „gekrönt mit Gnade und Barmherzigkeit“ (Ps 103,4). Sieh doch, wie gut dir Gottes Gnade und Barmherzigkeit stehen! Gefällst du dir nicht auch? Und wie gut das duftet! So magst du auch dich selber wieder riechen! Und jetzt wird eingeschenkt, randvoll. Du wirst gefeiert. Dein Kommen ist dem Gastgeber ein Fest wert. Und mehr als ein Fest. Das Evangelium sagt: Du bist Gott das Opfer seines eigenen Sohnes wert. Er, Jesus Christus, ist der gute Hirte, der sein Leben für die Schafe hingegeben hat; hingegeben auch für dich. Was sagst du dazu? Du willst doch nicht abwehren und sagen: Das wäre doch nicht nötig gewesen! Doch, es ist nötig, damit du nicht verunglückst im finsteren Tal. Damit du nicht umkommst vor Hunger und Durst auf der Suche nach dem wahren Leben. Entschuldige dich nicht, zögere nicht! Komm, lass dich an Gottes Tisch nieder, greif zu und sag ungeniert: Da habe ich es gut, da gefällt es mir, da bleibe ich! Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar. Ich will an meinem Glück nicht vorbeilaufen, dem guten Hirten nicht davonlaufen. Ich will bei ihm bleiben – immerdar – in Zeit und Ewigkeit. Sein Beschenken und Behüten wird nie aufhören, auch nicht im Sterben und im Tod. Der Hirte selbst wird es dann zu dir sagen: „Du bist bei mir und du wirst bleiben im Hause des Herrn immerdar.“
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