20 Hummler Standpunkte Die andere Sicht von Peter Schneider Hauptsitze der Freiheit Vergangene Woche diskutierten Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft mit Studenten aus aller Welt am St. Galler Symposium über das Thema «Proudly Small» (stolz darauf, klein zu sein). Unter anderen priesen Vertreter aus Ghana, Island, Malta und dem US-Teilstaat Delaware die Vorteile der (relativen) Kleinheit: hohe Flexibilität, Möglichkeit zu autonomem Handeln und zur Bewirtschaftung verschiedener Kooperationen, schliesslich die tiefere Komplexität der Herausforderungen. Das war Balsam auf die Seele des notorisch nach Unabhängigkeit und Freiheit lechzenden Verfassers dieser Zeilen. Dennoch, beim Überdenken der Plädoyers für die Kleinheit mischten sich Zweifel ein – nicht, dass das Gesagte als falsch einzustufen wäre, sondern bezüglich der Vollständigkeit der Aussagen. Darf der Kleine wirklich so frivol über seine Vorzüge reden, wenn es ihn ohne die ordnende Hand des Grösseren nicht gäbe? Die Wahrnehmung von Freiheit bedingt, leider, in den realexistierenden Gegebenheiten der Welt die Inanspruchnahme von Macht. Macht steht dem Kleinen nicht zur Verfügung. «Klein» ist auf «Gross» angewiesen. Genau darum drehten sich die Gespräche während meiner kürzlich absolvierten Reise in die USA. Nachdem ich am eigenen Leibe erfahren hatte, wo sich der Hauptsitz der Macht befindet, ging es mir darum, mein Bild von den USA zu justieren. Was mich interessierte: Hat das Sicherheitsdenken, haben politische, militärische, geheimdienstliche, wirtschaftliche und fiskalische Machtansprüche endgültig Oberhand erlangt – oder gibt es ihn noch, den Dipol von Macht und Freiheit? Gibt es die korrigierenden Kräfte von Bürgerrechtsbewegungen, liberalen Thinktanks, unabhängig denkenden Professoren noch? Denn wenn der Kleine auf die ordnende Hand des Grossen angewiesen ist, dann ist es entscheidend, ob in der Governance des Grossen selbstbeschränkende Kräfte wirksam sind. Befund: mehr als nur positiv. Auf dem Reiseprogramm standen das Cato-Institut, die Heritage Foundation, das Petersen-Institut, allesamt der Idee der Freiheit, Marktwirtschaft und dem Freihandel verpflichtet. Sie haben alle in den letzten Jahren mächtig zugelegt. Die Gebäude wurden ausgebaut, verfügen über eine hervorragende Infrastruktur und wirken ausserordentlich belebt. Gut besuchte Veranstaltungen finden beinahe im Zweistundentakt statt. Die Debatten sind von bewundernswerter Offenheit; mit Kritik am eigenen Land und seinen Exponenten wird nicht gespart. Und: Die akademische Jugend ist dabei! Es ist keine Schande, wenn man nicht links von linksliberal steht. Die hierzulande praktizierte reflexartige Stigmatisierung nicht linker Standpunkte als «rechtskonservativ» oder gar «rechtsnational» gibt es dort nicht. Auf Anhieb fühlte ich mich in den USA wieder willkommen und zu Hause. «Gibt es in den USA noch den Dipol von Macht und Freiheit?» Im Gegensatz zum nicht mächtigen Kleinen steht der zwingend mit Macht versehene und Macht ausübende Grosse vor dem moralischen Problem, sich immer wieder Zügel anlegen zu müssen, denn extensive Machtanwendung endet ja nicht bei Drohnenangriffen im fernen Jemen, sondern in letzter Konsequenz im Schlafzimmer der eigenen Bürger. Seit meinem Besuch in den USA bin ich nun wieder gewiss, dass trotz extraterritorialem Einsatz von Luftkriegsmitteln, trotz NSA, trotz ausufernder Ausbreitung angelsächsischen Rechts genügend starke Kräfte vorhanden sind, die der Machtanmassung den Riegel vorzuschieben in der Lage sind. Die gewichtigen Hauptsitze der Freiheit stimmen zuversichtlich. Konrad HummleristVerfasserder«Bergsicht» undStrategieberatermehrererFirmen 10. Mai 2015 | sonntagszeitung.ch Lassen Sie mich klarstellen: Wir haben mit unserer Stiftung niemals eigene finanzielle Interessen verfolgt. ... nicht mal sexuelle. Hillary und Bill Clinton Foto: Getty Images Wenn der Esel lieber Schafe zählt DerBundweissüberdieHöhederErbschaftennichtBescheid,obwohlwirbaldübereine entsprechendeInitiativeabstimmen.EinerichtigeErhebungtäteNot,findetVictor Weber 409 493 Schafe bevölkerten im Jahre 2013 die Schweiz. Das Bundesamt für Statistik weiss da genau Bescheid. Auch über die 104 000 Pferde, Ponys, Esel, Maultiere und Maulesel führt es akribisch Buch. Sind ja auch interessante Viecher, mit denen wir so einiges gemeinsam haben. Bei mir ist es die Mähne – unter anderem. Auch sonst findet man beim Bundesamt alle Informationen, die wichtigen wie auch die nebensächlichsten. Alle? Nun, nicht wirklich. Geht es um die jährlichen Vermögen, die vererbt und verschenkt werden, bildet die statistische Karte der Schweiz einen einzigen weissen Fleck. Dabei stellen Erbschaf- Victor Weber, Wirtschaftschef ten, Nachlässe und Schenkungen einen gesellschaftlich, politisch und volkswirtschaftlich wichtigen Faktor dar. Niemand bestreitet das. Doch statistisch liegt dieses weite Feld brach. Wenigstens im Vorfeld der Abstimmung über die Initiative, die vom Bund verlangt, eine Erbschaftssteuer einzuführen, hätte sich dieser um Aufklärung bemühen können. Es ist doch entscheiden zu wissen, wie gross der Generationentransfer des Vererbens ist. Doch der Bundesratsbericht «Verteilung des Wohlstands in der Schweiz» vom letzten August lässt die generationenübergreifende Umverteilung durch Vererben aus. Als wäre nicht bekannt, dass durch Erbschaften und Schenkungen mehr Vermögen angehäuft wird als durch Sparen, sprich Konsumverzicht. Die Landesregierung will einfach nicht, dass wir erfahren, wie viele Dutzende von Milliarden jährlich vererbt werden und wie sich die Summe entwickelt. Das könnte ja Missgunst und Sozialneid schüren oder der Forderung nach gerechterer Verteilung Auftrieb verleihen. Die Mehrheit der Bundesratsmitglieder sind eben Esel. Und die sind bekanntlich gar nicht dumm, sondern klug und zuweilen durchtrieben. Hält man uns vielleicht tatsächlich für Schafe? Wirtschaft — 42 Die Gier war nicht nur bei den Grossbanken stark verbreitet Arthur Rutishauser zu den Milliarden, die diesen Sommer von den Schweizer Banken als Bussgelder in dieUSAüberwiesenwerden Diesen Sommer ist wieder einmal Zahltag für die Schweizer Banken. Die UBS, ein gern gesehener Nettozahler in den USA, wird knapp eine Milliarde beim DOJ einzahlen, weil ihre Mitarbeiter bei den Devisengeschäften geschummelt haben. Die Bank Bär wird mit einem ähnlichen Betrag folgen, wegen der US-Steuerflüchtlinge. Aber es sind nicht nur die Privaten und die Grossen, die zahlen. Am Samstag ist bekannt geworden, dass die Vadian-Bank gut 4,2 Millionen zahlt, weil sie sich an der Jagd nach unversteuerten US-Vermögen beteiligte. Die Bank, die kaum einer kennt, hiess früher «Ersparnisanstalt der Stadt St. Gal- Arthur Rutishauser, Chefredaktor len». «Mit der Gründung (1811) entsteht die erste Bankinstitution, die sich in öffentlicher Hand befindet und deren Zweck von Anfang an wohltätige und uneigennützige Interessen verfolgt», steht auf der Website. Doch vor 10 Jahren wurde das den Staatskapitalisten zu langweilig. Ende 2006 fand man, der Name Ersparniskasse sei veraltet, 2007 verpflichtete die VadianBank eine Marketingfirma, mit der sie ins Private Banking expandierte. Die «Expansion» bestand darin, US-Kunden, die von der UBS rausgeworfen wurden, aufzunehmen. Aus zwei Konten von USBürgern wurden über 70. Die meis- ten kamen über externe Vermögensverwalter zur Bank Ganz Ähnliches passierte bei den Staatsbanken in Zürich, Basel, St. Gallen und der Waadt. Den Schaden hat der Steuerzahler. Dass die Amerikaner nun ankündigen, dass sie mit all dem Material, das sie von den Banken erhalten haben, neue Verfahren gegen die fehlbaren Mitarbeiter eröffnen, ist zwar verständlich, doch leider werden sich die kaum gegen die Marketingberater richten, die das ganze eingebrockt haben, sondern gegen die Mitarbeiter an der Front. Die einfach das ausführten, was ihnen befohlen wurde. Wirtschaft — 40
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