Eltern rechnen mit langer Streikperiode in Kitas

Mittwoch, 18. März 2015
Eltern rechnen mit langer Streikperiode in Kitas
Fast alle städtischen Kindertagesstätten werden am Donnerstag geschlossen bleiben. Die Gewerkschaft Verdi hat die
Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst zu einem ersten, eintägigen Warnstreik aufgerufen. Von Georg Friedel und Torsten Ströbele
Stuttgarter Norden
Neuer Bebauungsplan
Feuerbach
Schwank in Mundart
Die Theatergruppe des
Homöopathischen Vereins
bringt ein neues Stück auf
die Bühne. Es geht dabei
unter anderem um einen
Filmriss, ausgeschlagene
Zähne und Zaster. SEITE II
Zuffenhausen
Mieter fordern Sanierungen
Anwohner der
Keltersiedlung beklagen
sich über den maroden
Zustand vieler Gebäude.
Sie fordern, dass die SWSG
ein Sanierungskonzept
erstellt. SEITE III
Lokalsport
TV 89 ist vorzeitig Meister
Schon im Mai 2009 haben die Erzieherinnen und Erzieher in Stuttgart gestreikt.
richtungen wird gestreikt, zwei haben teilweise geöffnet und in einer Kita geht der
Betrieb wie gewohnt weiter, sagt Korn. In
Feuerbach wird wohl in elf Einrichtungen
gestreikt, eine Kita öffnet, eine kann die Betreuung teilweise bewerkstelligen.
Die Kita an der Linzer Straße werde laut
der Elternbeiratsvorsitzenden Alexandra
Rosman am Warnstreik teilnehmen. Nach
den Osterferien soll der Arbeitskampf in
verschärfter Art fortgeführt werden: „Es
wird dann mit zwei bis drei Streiktagen pro
Woche über einen längeren Zeitraum zu
rechnen sein“, sagt die Feuerbacher FDPBezirksbeirätin Gabriele Heise, selbst vom
Streik betroffene Mutter. Auch Rosman befürchtet, dass den Eltern ein ähnlich harter
und intensiver Arbeitskampf wie 2009 ins
Haus steht. Verdi fordert eine neue tarifliche Eingruppierung der Beschäftigten im
Sozial- und Erziehungsdienst. An dem
Arbeitskampf beteiligen sich voraussichtlich nicht nur die Beschäftigten in Kitas.
Auch Einrichtungen wie Horte, Schülerhäuser und die verlässlichen Grundschulen
sind betroffen.
Verdi zieht als Vergleich die Löhne in
der Metallbranche heran. Ein Berufsanfän-
ger komme in diesem Bereich auf 2895
Euro brutto, eine Erzieherin erhalte dagegen nur 2300 Euro brutto. Das sei eindeutig zu wenig. Auch der GEB ist der Meinung, dass der Erzieherberuf dringend aufgewertet werden müsse, weil die Beschäftigten immer höheren Anforderungen ausgesetzt seien. Die Eltern in der Feuerbacher Einrichtung unterstützen die Forderung, dass die Erzieher finanziell besser gestellt werden. „Wir wollen uns mit möglichst vielen Eltern am Vorschlag des Gesamtelternbeirats im Bürgerhaushalt beteiligen, in dem für eine bessere Bezahlung
der Erzieher geworben wird“, sagt Rosman.
Andererseits befürchten die Eltern, dass
der aktuelle Tarifstreit auf ihrem Rücken
ausgetragen wird. „Der Streik trifft in erster Linie ja gar nicht den Arbeitgeber, sondern uns Eltern“, sagt die betroffene Mutter Martina Leis. „Wir müssen ja trotz des
Streiks weiter das Geld für die Kita-Betreuung an die Stadt zahlen. Gleichzeitig werden die Gehälter der Streikenden aus der
Gewerkschaftskasse bezahlt. Die Stadt als
Arbeitgeber hat also keinerlei Druck, den
Arbeitskampf mit einem Tarifabschluss zu
beenden. Völlig anders stellt sich die Situa-
Archivfoto: Achim Zweygarth
tion dar, wenn bei Daimler plötzlich die
Fertigungsbänder stillstehen“, sagt Leis.
Die selbstständige Anwältin hat ihre beiden Kinder in der Einrichtung an der Linzerstraße/Böhmerwaldstraße
untergebracht. Die siebenjährige Tochter besucht
den Hort, der dreijährige Sohn geht in die
Kita. Wie die Mutter während der Streikphase ihre Anwalts- und Gerichtstermine
wahrnehmen soll, weiß sie noch nicht.
Insgesamt werden 90 Kinder in der Einrichtung betreut. Seit einem Jahr läuft dort
der Streikdialog, inzwischen haben die Eltern einen Notfallplan ausgearbeitet – falls
der Streik ab Mitte April in seine heiße Phase gehen sollte. „In dieser Zeit werden wir
versuchen, eine von den Eltern organisierte Notbetreuung in den Räumen der Kita
aufzubauen“, sagt die Elternbeiratsvorsitzende Rosman. „Unser Modell funktioniert
aber nur, wenn die Betreuungsbereitschaft
der Eltern groß genug ist.“ Nach Informationen des GEB, so Rosman, könne es entweder eine Öffnung des Kindergartens
oder eine Notbetreuung der Eltern in der
Einrichtung geben: „Eine Mischung von
nicht streikbereiten Erziehern und betreuenden Eltern ist ausgeschlossen.“
Umfrage der Woche
Mehr Geld
für soziale
Arbeit
Am Donnerstag bleiben viele städtische Kindertagesstätten geschlossen, weil
Erzieherinnen und Erzieher ihre Arbeit niederlegen.
Die Gewerkschaft Verdi hat
vor den Tarifverhandlungen, die für den 23. März angesetzt sind, zum eintägigen Warnstreik aufgerufen.
Nach Ostern droht ein längerer Streik. Wie der VerdiVorsitzende Frank Bsirske
ausführte, hätten die
Arbeitgeber in der ersten
Verhandlungsrunde zwar
die gesellschaftliche Bedeutung der sozialen Berufe betont, aber keine bessere Bezahlung in Aussicht gestellt.
Wie sehen Eltern in Zuffenhausen den Streik? Haben
sie Verständnis für die Erzieherinnen und Erzieher,
oder überwiegt der Ärger
über den Ausstand? Unser
Mitarbeiter Martin Braun
(Text und Fotos) hat Passanten befragt.
Feuerbach
Der Bebauungsplan für
das Industrie- und
Gewerbegebiet FeuerbachOst wird neu aufgestellt.
Der örtliche Bezirksbeirat
stimmte dem Vorhaben
mehrheitlich zu. SEITE II
B
ereits im Februar richtete sich der
Gesamtelternbeirat (GEB) der städtischen Kindertageseinrichtungen
und Horte in einem Schreiben an die Eltern. Mit Warnstreiks sei im März zu rechnen, mit dem eigentlichen Streik nach
einer entsprechenden Urabstimmung „frühestens nach Ostern“. Schon damals betonten die GEB-Vertreter nach einem Treffen
mit dem Stuttgarter Verdi-Geschäftsführer
Cuno Hägele, dem Gewerkschaftssekretär
Eduard Hartmann und dem Personalratsvorsitzenden des Jugendamtes, Martin
Agster, dass sich die Eltern „auf einen längeren Arbeitskampf einstellen und mit flächendeckenden Streiks rechnen“ müssten.
Einige Eltern der
Im gesamten
Kindertag esstätte
Linzerstraße/BöhStadtgebiet
merwaldstraße im
werden sich
Feuerbacher Wohnam morgigen
gebiet Hattenbühl erinnern sich noch mit
Donnerstag
Grausen ans Jahr
wohl 16 Kitas
2009. Damals wurde
nicht oder
die Kita 27 Tage lang
bestreikt. „Das kann
nur teilweise
kaum eine Familie
am Streik
verkraften“, sagt die
beteiligen.
dortige Elternbeiratsvorsitzende Alexandra Rosman. Während der jetzigen
Warnstreikphase werde es in der Einrichtung keine von den Eltern organisierte
Notbetreuung geben. Man gehe von maximal zwei bis drei Tagen aus.
Die Stadt geht für den morgigen, ersten
Warnstreiktag davon aus, dass 167 der 183
städtischen Kindertageseinrichtungen und
zwölf Schülerhäuser geschlossen bleiben.
„Das kann sich aber kurzfristig auch noch
ändern“, betont der stellvertretende Leiter
des Jugendamtes, Heinrich Korn. „Deshalb
rate ich allen Eltern, dass sie sich in ihrer
Einrichtung informieren, wie es dort am
Donnerstag aussieht.“
In Botnang hieß es am Dienstag, dass die
einzige städtische Kita im Bezirk, FranzSchubert-Straße 15, am ersten Warnstreiktag geschlossen bleibt. „Ja, das stimmt. Erst
wenn dann mehrere Tage am Stück gestreikt wird, versuchen wir, dass Eltern die
Betreuung in der Einrichtung übernehmen“, sagt eine Botnanger Mutter.
Auch in Weilimdorf wird am Donnerstag wohl eine Einrichtung geschlossen bleiben. Fünf Kitas scheinen ihren Betrieb aber
aufrechterhalten zu können. In Stammheim bleiben die Türen in acht Einrichtungen zu. Eine Kita ist vom Streik nicht betroffen, eine andere kann die Betreuung zumindest teilweise bewerkstelligen. In Zuffenhausen sieht es ähnlich aus: In fünf Ein-
Inhalt
15 Spiele, 15 Siege – die
Basketballer des TV 89
Zuffenhausen haben
vorzeitig die Meisterschaft
in der Bezirksliga errungen
und den Aufstieg perfekt
gemacht. SEITE IV
Tauschwald
Stadträte haben noch
Fragen zu Windrädern
Stuttgarter Norden Die Pläne der Stadtwerke, am Tauschwald zwei Windräder bauen
zu lassen, wirft bei den Stadträten noch
Fragen auf. Vor wenigen Tagen riefen die
Freien Wähler nochmals ihren Antrag vom
14. Oktober 2013 ins Gedächtnis, der noch
nicht zufriedenstellend beantwortet sei.
Schattendiagramm, mögliche Ausgleichsund Ersatzflächen für die gefällten Bäume
oder auch Lärmgutachten seien noch nicht
vorhanden. „Die Auswirkungen von Bau
und Betrieb der Windräder müssen genauestens bekannt gemacht werden“, sagt
Fraktionsvorsitzender Jürgen Zeeb.
Nun betonen auch die Grünen im Gemeinderat, dass viele Fragen noch nicht geklärt seien, um eine „fachlich fundierte
Entscheidung zu treffen“, ob die Windräder am Tauschwald gebaut werden sollen
oder nicht. Das werde erst am Ende des Genehmigungsverfahrens der Fall sein. Die
Stadtwerke gehen davon aus, dass Mitte
2016 eine Entscheidung getroffen wird. öbi
Info Wer mehr über die Pläne am Tauschwald
erfahren möchte, kann im Internet unter folgender Adresse nachschauen: www.stadtwerke-stuttgart.de.
Bürgerversammlung
Online Fragen stellen
Taya
Mehtap
Thomas
Aidonis
Melanie
Bergmann
Dimitrios
Zlatoudis
Froukije
Snaaijer
Mein Sohn ist sechs Jahre alt und geht in den evangelischen Kindergarten, wir
sind vom Streik am Donnerstag also nicht betroffen. Bei mir wäre das im
Moment auch nicht so
problematisch, da ich mich
gerade sowieso um meinen
kleinen Sohn kümmere.
Wenn ich mich in die Situation der Erzieherinnen und
Erzieher versetze, kann ich
gut verstehen, dass sie streiken. Das ist kein leichter
Job, körperlich nicht und
auch geistig nicht. Nicht gut
fände ich es, wenn der
Streik mehrere Wochen gehen würde, da dann die Kinder möglicherweise in ihrer
Entwicklung in Rückstand
geraten können.
In unserer Kita wird gestreikt. Ich habe extra frei
genommen am Donnerstag,
anders geht’s nicht. Gott sei
Dank hat das geklappt.
Einerseits haben die Erzieherinnen schon irgendwie
Recht. Auf der anderen Seite fehlt das Verständnis für
uns Eltern – von allen Seiten, von der Politik und von
der Gewerkschaft. Wenn
nach Ostern länger gestreikt wird, haben wir ein
großes Problem. Es ist nicht
klar, ob wir dann Urlaub
nehmen können, es gibt ja
auch andere Eltern, die
dann frei nehmen müssen.
Es ist ja gut, dass die Erzieher für ihre Ziele kämpfen,
aber letzten Endes geht es
immer auf unsere Kosten.
Mein Sohn ist dreieinhalb Jahre alt, seine Kita
wird bestreikt am Donnerstag. Ich bin berufstätig als
Tagesmutter und habe das
große Glück, dass er bei mir
zuhause bleiben kann. Ich
bin ausgebildete Erzieherin, aber jetzt im Moment
habe ich wenig Verständnis
für den Streik. Ich weiß aber
auch nicht so recht, worum
es bei dem Streik geht. Ich
weiß, dass man in dem Beruf in Berlin, wo ich als Erzieherin gearbeitet habe,
wenig verdient hat, aber ich
glaube, hier bekommt man
doch relativ viel Geld. Das
Gute ist, dass der Streik
schon lange angekündigt
war, so konnte man sich wenigstens darauf einstellen.
Meine Tochter ist erst
zehn Monate alt und geht
nicht in die Kita, ich habe
noch gar nicht mitbekommen, dass gestreikt wird.
Grundsätzlich habe ich
aber Verständnis für die Erzieherinnen. Die Leute
streiken ja nicht zum Spaß.
Für die betroffenen Eltern
ist es natürlich schwierig,
aber man sollte Verständnis
haben. Die Leute erziehen
unsere Kinder, das ist eine
verantwortungsvolle und
schwere Aufgabe, die entsprechend entlohnt werden
sollte. Ähnlich ist das in anderen sozialen Berufen wie
bei
Krankenschwestern
oder in der Altenpflege, das
sind alles Berufe, die zu
schlecht bezahlt werden.
Ich habe davon gehört,
dass gestreikt werden soll.
Unser Sohn ist knapp zwei
Jahre alt, aber er geht momentan nur montags und
dienstags in die Kita, für
uns ist das also kein Problem. Im Moment wäre auch
ein längerer Streik nicht so
problematisch, da ich noch
nicht arbeite. Auch wenn
ich demnächst wieder anfange zu arbeiten, wäre ein
längerer Streik für uns zwar
ein Problem, aber ein lösbares, da die Eltern meines
Mannes in der Nähe wohnen. Wir müssten es halt
rechtzeitig vorher wissen.
Aber klar, für die Erzieherinnen und Erzieher habe
ich schon Verständnis, dass
die jetzt streiken.
Weilimdorf Im Vorfeld der Bürgerversammlung in Weilimdorf am Montag,
18. Mai, in der Lindenbachhalle Weilimdorf, Solitudestraße 243, haben Bewohner
des Stadtbezirks die Möglichkeit, sich in
einem Online-Verfahren an der Themenauswahl zu beteiligen. Im Zeitraum vom
23. März bis 12. April können sie die Themen ankreuzen, die ihnen am wichtigsten
sind und die ihrer Meinung nach bei der
Bürgerversammlung angesprochen werden sollen. Konkrete Anliegen und Fragen
können vom 13. April bis 3. Mai eingereicht
sowie die anderen Meldungen bewertet
werden. Die Anliegen werden elektronisch
beantwortet.
Das Portal www.beteiligungsportalstuttgart.de ist ab Montag, 23. März, für die
Online-Beteiligung aktiviert.
red
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