„Der Personalbereich wird immer mehr zum Berater im Haus“

Foto: Heiner Hamm
P E R S ONAL
Gesprächsteilnehmer: Die Aufgabe der Personalabteilung hat sich grundlegend geändert.
HR-Management
„Der Personalbereich wird
immer mehr zum Berater im Haus“
Die massiven Veränderungen in der Finanzwirtschaft sind auch an den Personalabteilungen der
Banken und Sparkassen nicht vorübergegangen. Denn neue Geschäftsmodelle und Kulturwandel
müssen auch von den Mitarbeitern verstanden und gelebt werden. Wie das geschehen kann, diskutierten Experten der Branche mit „Banken+Partner“-Chefredakteurin Margaretha Hamm.
Heute gilt das People-Management als Gebot der Stunde.
Unternehmen sollen nicht nur die Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter sehen, sondern den ganzen Menschen im Blick haben. Was
hat sich dadurch in den vergangenen Jahren für Mitarbeiter,
Führungskräfte und Personalentwicklung geändert?
Dumpert: Es ist die große Aufgabe, die tatsächlichen Potenziale jedes einzelnen zu erkennen, zu identifizieren und zur Entfaltung zu bringen. Ich bin der tiefen Überzeugung, dass der
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zentrale Hebel für Kreditinstitute, im Wettbewerb auch zukünftig bestehen zu können, nicht in der IT liegt, sondern im stärkenorientierten Einsatz der Menschen. Damit verändert sich
natürlich auch das Bild der Führungskraft, die immer mehr zum
Dirigenten der unterschiedlichen Talente wird. Sie wird zum
Coach, der den Mitarbeitern hilft, sich zu entwickeln.
Friedemann: Das ist eine umso größere Aufgabe, weil wir
es häufig noch mit Kollegen mit nicht mehr ganz zeitgemäßen
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Mustern zu tun haben. Früher waren es oftmals Menschen,
die Sicherheit, Stabilität und verlässliche Verhältnisse gesucht
haben, die bei einer Bank oder Sparkasse arbeiten wollten.
Dieses Umfeld hat sich jetzt völlig verändert. Stabilität ist nicht
mehr, Sicherheit ist nicht mehr, von Dauer ist nichts mehr. Tempo ist gefragt. Veränderung ist gefragt. Im Grunde bedeutet
das, dass die Menschen ihre Muster grundlegend überprüfen
müssten. Das stellt diese Menschen, das Personalmanagement
und die Führungskräfte vor große und neue Aufgaben.
Görtler: Und dabei geht es nicht nur um die fachliche Weiterentwicklung, sondern auch um die persönliche. Das kann
man nicht voneinander trennen und beides ist inzwischen auch
eine Aufgabe des Arbeitgebers. In den Banken vollzieht sich
derzeit ein Kulturwandel. Es geht darum, den Druck, der von
außen kommt – Regulatorik, gestiegene Anforderungen von
Kunden, neue Mitbewerber – aufzunehmen, und daraus eine
neue Basis zu entwickeln. Ganz wichtig dabei ist, dass wir uns
den Kulturwandel nicht nur auf die Fahnen schreiben, sondern
ihn tatsächlich leben. Wenn wir uns beispielsweise entscheiden, ein Sabatical anzubieten, die Führungskräfte das aber
nicht mittragen, dann haben wir ein Problem. Da müssen wir
ansetzen.
Wegel: Dabei dürfen wir nicht mehr so sehr von den Anforderungen ausgehen, sondern von den Fähigkeiten. Wir stellen
unsere Führungskräfteentwicklung daher jetzt um und schauen zuerst, welche Persönlichkeit der jeweilige Mensch besitzt.
Das ist auch für die Mitarbeiter spannend, denn sie lernen sich
dadurch besser kennen. Es geht um einen Wechsel der Blickrichtung. Wir wollen wissen, wozu der Mitarbeiter tatsächlich
in der Lage ist und wie wir ihn dann am besten einsetzen können.
Redeker: Das gilt allerdings nicht nur für Führungskräfte,
sondern beginnt schon bei der Personalauswahl. Denn wir stellen fest, dass es sehr schwierig ist, an die jungen Menschen
heranzukommen. Die meisten von ihnen sind ganz weit weg von
den Banken. Sie haben häufig keine Ahnung, wie es innerhalb
der Institute aussieht, was den Bankenberuf ausmacht und wie
eine Ausbildung abläuft. Und dann kommen sie zu uns in die
apoBank und wir verlangen von ihnen selbstständiges Lernen
und sebstverantworliches Arbeiten. Das überfordert viele von
ihnen – gleichgültig ob sie direkt nach dem Schulabschluss zu
uns kommen oder ein Studium absolviert haben. Obwohl die
meisten von ihnen nach wie vor leistungsbereit sind, müssen
sie noch lernen, sich zu organisieren.
Sterck: Wir haben jetzt viel über neue Anforderungen an
Führungskräfte und Personalauswahl gesprochen, über die
Förderung der fachlichen und auch noch der persönlichen
Kompetenzen, vom Beheben der Defizite junger Menschen. All
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diese neuen und wichtigen Aufgaben bekommt die Personalabteilung auf den Schreibtisch, zusätzlich zum alltäglichen Administrativen. Und jetzt? Die Branche benötigt ganz neue Organisationsformen und Werkzeuge, um das zu schaffen, was Herr
Dr. Dumpert eben gesagt hat – den Mensch in den Mittelpunkt
zu stellen. HR als Gestalter der strategischen Personalentwicklung braucht transparente und auswertbare Prozesse.
Sie alle haben die gestiegenen Anforderungen an Mitarbeiter, Führungskräfte und Personalmanagement angesprochen.
Kann man diese Aufgaben mit den vorhandenen Mitarbeitern
bewältigen?
Wegel: Das ist sicherlich schwierig. Denn wir können Menschen ja nicht von Grund auf umkrempeln. Wir können unsere
Mitarbeiter weiterentwickeln, aber nicht ihre Persönlichkeit
verändern. Allerdings müssen wir die geänderten Anforderungen beachten, wenn wir neue Mitarbeiter suchen. Es ist also
eher eine Frage des Personalmarketings als des Personalmangements.
Friedemann: Dem stimme ich absolut zu. Es geht ja nach wie
vor darum, den richtigen Menschen mit der richtigen Qualifika-
Dr. Michael Dumpert
Johannes Friedemann
Katja Görtler
Direktor Personal- und
Unternehmens­
entwicklung,
Sparda-Bank München
Leiter Unternehmens­
kommunikation und
Personal,
comdirect
Personalleitung,
Merkur Bank
Christina Redeker
Ralf Sterck
Dr. Wolfgang Wegel
Referentin
Personalmarketing,
Deutsche Apotheker- und
Ärztebank
Key Account Manager,
Veda
Personalleitung,
NBank
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tion zur richtigen Zeit, zu optimalen Kosten am richtigen Platz
zu haben. Die Veränderung erreichen wir nicht auf Knopfdruck.
Aber ich glaube, dass sich unsere Geschäftsmodelle verändern
müssen. Und das hat Auswirkungen auf die Personalauswahl
und -entwicklung.
Redeker: Ganz richtig. Das Geschäftsmodell leitet sich vom
Kunden her ab. Ein Beispiel dafür ist der Einsatz mobiler Geräte.
Wir brauchen Berater, die mit der Technik umgehen können –
und da sind wir dann wieder bei der Frage nach neuen Kompetenzen. Auch unsere Berater nutzen ein Tablet für Kundengespräche. Sie benötigen also eine hohe Kompetenz im Umgang
mit Technik, zusätzlich zur bisher schon notwendigen Kernkompetenz, dem Führen eines Beratungsgespräches.
Görtler: Diese Technikkompetenz aufzubauen, ist allerdings
nicht einfach. Denn in den vergangenen Jahren haben die Mitarbeiter häufig erfahren, dass neue Softwarelösungen nur dazu
gedient haben, sie zu überwachen. Jetzt müssen wir ihnen den
Nutzen neuer Technologien und Prozesse zeigen. Die Berater
müssen den Mehrwert darin erkennen – oder zumindest verstehen, weshalb bestimmte Dinge, beispielsweise das Beratungsprotokoll, jetzt notwendig sind und welche Konsequenzen
die Nutzung der Technik haben kann. Für mich gehört es zu
unseren Aufgaben als Personalverantwortliche zu sehen, worin
die Ängste der Mitarbeiter bestehen, diese ernst zu nehmen
und sie durch transparente Informationen auszuräumen. Dabei
müssen wir natürlich auch ganz stark die Führungskräfte mit
einbinden. Sie müssen Vorbild sein und neue Tools auch bedienen können. Wenn sie das nicht können, dann dürfen sie es
auch nicht von ihren Mitarbeiter verlangen.
Dumpert: Das gilt umso mehr, weil es ja heute oft so ist, dass
die Kunden neue Techniken besser anwenden können als viele
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Berater. Wenn wir neue technische Lösungen einführen, dann
sicherlich so, wie sie es beschrieben haben. Doch das alleine
reicht nicht aus, um erfolgreich am Markt zu bleiben.
Friedemann: Das hängt natürlich auch immer vom
Geschäftsmodell ab. Bei uns in der comdirect bank, werden
über 95 Prozent des Geschäftsvolumens über die Website oder
am mobilen Endgerät abgewickelt. Wenn es zum Kundenkontakt über das Telefon kommt, dann geht es in der Regel um
spezielle Aspekte oder technische Fragen. Deshalb sind uns
Kompetenz und Freundlichkeit am Telefon besonders wichtig.
Das mag bei Filialbanken anders sein. Da hat die persönliche
Beratung einen sehr viel höheren Stellenwert.
Sterck: Der Umgang mit neuen Technologien ist allerdings
nicht nur eine Frage des Geschäftsmodells, sondern häufig auch ein Generationenproblem. Gerade junge Mitarbeiter
beherrschen sie sehr gut und erwarten beispielsweise, dass
ihre Bank, auch als potenzieller Arbeitgeber, neue mobile Wege
nutzt. Da ist das Image eines Instituts mit modernen tollen Techniken zu arbeiten, möglicherweise sogar Aushängeschild und
hilft bei der Mitarbeitergewinnung.
Hat sich mit den neuen Aufgaben auch der Stellenwert des
Personalmanagements in den Banken und Sparkassen verändert?
Friedemann: Wir haben den Wettbewerb, wir haben den
Regulator, wir haben den Menschen als Kunden der anspruchsvoll war und ist, wir haben den Menschen als Kollegen, der
immer anspruchsvoller wird. Im Personalmanagement versuchen wir da hinterherzuhecheln, mit diversen Leistungen, um
Menschen gerecht zu werden. Wir haben tausend Themen,
tausend Herausforderungen, tausend Anforderungen, Wech-
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PERSONAL
sel, Veränderungen und Transformation. Aber gleichzeitig müssen wir einen Spagat zwischen administrativen Aufgaben und
der Gestaltung der Zukunft bewältigen. Das ist oft nicht einfach.
Zumal die Wahrnehmung des Personalmanagements bei den
Kollegen häufig ganz diffus ist.
Wegel: Ein einigermaßen schlauer Vorstand wird allerdings
sehen, dass der Personalbereich in seinem Schachspiel eine
wichtige Figur ist. Er ist Mitgestalter mit einem ganz großen Hebel ins Haus. Denn wenn es mit den Mitarbeitern nicht
funktioniert, dann hat das ganze Unternehmen ein Problem.
Die Bedeutung des Personalmanagements ist eigentlich richtig
gesehen unbestreitbar, und aus meiner Sicht in der Regel auch
unbestritten.
Görtler: Das ist sicherlich wahr, doch wir müssen auch für
die Personalabteilung Marketing betreiben. Wir müssen den
Finger heben und klar machen, dass wir etwas zu sagen haben,
wenn es um die Weiterentwicklung des Instituts geht.
Dumpert: Im Grundsatz stimmt das, man muss allerdings differenzieren. Wir haben die Personalabteilung aufgespalten. Die
ganze normale Sachbearbeitung ist in einem anderen Bereich
angesiedelt als die Personalentwicklung. In vielen Instituten ist
das ganz anders geregelt. Dort besteht die Trennung innerhalb
der Abteilung. Ich bin als Prokurist bei uns im Haus zuständig
für die Unternehmensentwicklung und dem Strategievorstand
zugeordnet, die Personalverwaltung gehört dagegen in den
Bereich des Personalvorstands. Das klassische Personalge-
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schäft ist ein Hygienefaktor, es muss funktionieren, wird allerdings nur bemerkt, wenn etwas nicht funktioniert.
Sterck: Wir sehen, dass der Personalleiter immer mehr zum
Berater im Haus wird. Der Personalbereich befähigt die Mitarbeiter, kennt ihre Fähigkeiten sowie ihre Bedürfnisse und weiß,
welche neuen Anforderungen auf sie zukommen. Daneben gibt
es allerdings auch Aufgaben im Personalbereich, die nicht
geschäftskritisch sind. Da stellt sich die Frage, ob die nicht
jemand anders übernehmen kann. Die Personalentwicklung
selbst kann man sicherlich schlecht outsourcen, administrative
Tätigkeiten wie Entgeltabrechnung, Zeiterfassung, Reisekostenabrechnung oder Seminarverwaltung allerdings schon.
Was ist denn der originäre Kern des Personalmanagements,
den eine Bank nicht an einen externen Dienstleister auslagern
kann?
Dumpert: Ich denke es ist tatsächlich die Gestaltung der Kultur. Wenn man das ernst nimmt, dann ist es wirklich eine große
Aufgabe. Die Banken und Sparkassen unterscheiden sich doch
nicht mehr in ihren Produkte voneinander, sondern in ihrer
Kultur. Wir nehmen das Thema sehr wichtig. Dazu gehört die
Gemeinwohlorientierung ebenso wie das Thema Achtsamkeit,
und die Orientierung auf die Stärken unserer Mitarbeiter. Das
zieht sich durch das ganze Institut und das kann man natürlich
nicht auslagern. Wenn wir Kultur als etwas zu Gestaltendes
begreifen, dann ist das eine sehr wichtige und spannende
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Aufgabe und das einzige Differenzierungsmerkmal, das man
eigentlich noch hat.
Redeker: Und sie ist auch ein Merkmal, das den Mitarbeitern immer wichtiger wird. Wir hatten jetzt den ersten Bewerber, der gesagt hat er möchte gerne einmal eine Woche bei uns
arbeiten, um zu schauen, ob ihm das Klima, die Kollegen und
unsere Kultur gefallen. Das sind neue Ansprüche, die jetzt auch
von den Bewerbern kommen.
Friedemann: Es sind ja nicht nur die Produkte, die sich bei
den meisten Kreditinstituten nur in Nuancen unterscheiden.
Auch die Angebote für die Mitarbeiter sind bei den Banken und
Sparkassen sehr ähnlich. Die meisten bieten die Möglichkeit
eines Sabaticals, flexible Arbeitszeiten oder ein Gesundheitsmanagement. Wenn ich das jetzt einfach nur als Toolbox, als
Werkzeugkasten, betrachte, ist das sicher austauschbar. Aber
die Frage ist ja, mit welcher Akzentuierung, mit welcher Kommunikation, mit welcher Schwerpunktsetzung biete ich diese
Dinge an. Daraus entsteht dann eine Arbeitgeber-Marke mit
einer wahrgenommenen Kultur. Insofern sind die Instrumente
sicherlich austauschbar, die Kultur ist es jedoch nicht. Und diese Kulturgestaltung kann man nicht einkaufen.
Görtler: Das sehe ich auch so. Eine Kultur wirklich zu leben,
zu verinnerlichen und das durch alle Führungsebenen, das ist
eine wichtige Aufgabe. Denn man muss die Mitarbeiter dabei
mitnehmen. Wenn ich Führungskräfte habe, die ein Sabatical
oder Elternzeit überflüssig oder modernistisch finden, dann
muss man gegensteuern. Wir müssen die definierten Werte
leben und auf allen Ebenen vermitteln. Das ist eine Aufgabe, die
wir nur selbst erfüllen können.
Sterck: Meine Stichworte dazu lauten gezielte, agile Mitarbeiterentwicklung und Performance-Management – damit
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schaffe ich es, die Unternehmenswerte und -ziele zu den Werten und Zielen jedes Mitarbeiters zu machen.
Auch wenn Sie sehr stark weiche Faktoren betonen, so müssen die Personalabteilungen dennoch messbare Ergebnisse
vorzeigen. Ist das noch möglich?
Redeker: Aber sicher. Ich bin eine große Verfechterin von
Leistungskennzahlen im Personalbereich. Einfach, weil ich
überzeugt bin, dass wir unseren Wertbeitrag tatsächlich im
Unternehmen nachweisen müssen. Die Diskussion um Unternehmenskultur, People-Management und Work-Life-Balance
halte ich für richtig und wichtig. Unseren Stellenwert in den
Häusern müssen wir allerdings mit Fakten, Zahlen und Daten
belegen.
Görtler: Und wir müssen ihn erlebbar machen. Denn Zahlen
und Fakten alleine nützen nichts. Es gibt viele Häuser die sich
mit arbeitnehmerfreundlichen Angeboten schmücken. Wenn
diese dann jemand in Anspruch nehmen will, funktioniert das
allerdings nicht. Um nochmal das Thema Kultur zu beanspruchen. Sie muss auf allen Ebenen ankommen – daran werden
wir gemessen.
Wegel: Ich bin auch der festen Überzeugung, dass es uns
wenig nützt, wenn wir Zahlen vorweisen können, die Kultur
im Institut aber nicht gelebt wird. Zumal Zahlen auch nicht
immer aussagekräftig sind. Da reicht eine Grippewelle und der
Krankenstand erhöht sich. Ist dann schon unser Gesundheitsmanagement gescheitert? Deswegen geht es in erster Linie
darum, zu überzeugen. Natürlich ist es schön zu belegen, dass
wir familienfreundlich sind und dass sich deshalb der Krankenstand verringert hat. Nur glaube ich nicht daran, dass ich das
tatsächlich beweisen kann. Margaretha Hamm
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