Marktbericht Sisal April bis Oktober 2014 -1/6- Brasilien: Die Inflation liegt bei fast 7 % und macht das Leben der Brasilianer stetig teurer. Indirekte Steuern führen dazu, dass die Teuerung die unteren Einkommensschichten besonders hart trifft. Doch die Regierung versucht mit allen Mitteln das Wachstum anzukurbeln. Die Inflation ist Nebensache. Gerade erst kürzlich hat Brasilien Maßnahmen ergriffen, um den Banken die Vergabe neuer Kredite zu erleichtern und den Konsum zu stimulieren. Dabei sind die Haushalte bereits mit durchschnittlich 44 % verschuldet. Die hohen Zinsen haben unzählige Familien zu Geiseln ihres eigenen Konsums gemacht. Das lässt sich ertragen, solange die wirtschaftlichen Aussichten gut und Jobs nicht in Gefahr sind. Doch die Unsicherheit und der Pessimismus steigen mit jedem Tag. Die vom Volk ersehnte Veränderung ist denn auch das Wort, das den Wahlkampf bestimmt - sei es nun bei der Präsidentin Rousseff, oder auch beim Herausforderer Aécio Neves vom oppositionellen Partido Social Democracia Brasileira (PSFB). Bei der ersten Wahlrunde am 5.10.14 gewann die Präsidentin Dilma Rousseff 42 % der abgegebenen Stimmen, während ihr Herausforderer Aécio Neves 33 % der abgegebenen Stimmen gewann, ein Glanzresultat, dass nach den letzten Umfragen keiner erwartet hatte. Die sich ebenfalls um das Präsidentenamt bewerbende Marina Silva von den Grünen (PSB), der gute Aussichten eingeräumt wurden, kam nur auf einen Stimmenanteil von 21 %. Dilma Rousseff ist Favoritin für den zweiten Wahlgang am 26.10.14 wie auch Umfragen zeigen. Allerdings wird der überraschende Ausgang des ersten Wahlgangs nicht nur den einen oder anderen Wähler zum umschwenken bewegen. Das überraschend gute Abschneiden von Aécio Neves, der als Mann der Wirtschaft gilt, resultierte in einer Aufwertung der brasilianischen Währung gegenüber dem US-Dollar um 1,74 % auf REAL 2,43. Ob dieser Trend von Dauer sein wird, bleibt abzuwarten und wird letztlich von dem Ausgang der Präsidentschaftswahlen in der nächsten Wahlrunde am 26.10.14 bestimmt. Vor dieser Aufwertung schwächte sich der REAL gegenüber dem US-Dollar im dritten Quartal 2014 um 9.3 % ab. Der höchste Abwertungsverlust während der letzten 3 Jahre. Dies wird auch durch die Grafik hierunter veranschaulicht: Burchardstraße 17, 20095 Marktbericht Sisal April bis Oktober 2014 -2/6- Die brasilianische Wirtschaft befindet sich in einer technischen Rezession und leidet nach einem abflauenden Rohstoffboom auch unter den rückläufigen Rohstoffpreisen, wenn man einmal von Rohkaffee und Sisal absieht. Auch die Aussicht, dass die USA früher oder später die Zinsen wieder erhöhen könnten, trägt zu einer weiteren Eintrübung des Stimmungsbildes bei. Der brasilianischen Zentralbank ist es während der Präsidentschaft von Dilma Rousseff nicht gelungen, die Inflationsrate laut Planziel auf 4,5 % plus/minus 2 % zu reduzieren. Während der Jahre 2011/2014 wurde die Bewertung des REAL gegenüber dem US-Dollar künstlich hoch gehalten unter REAL 2,35 = US-Dollar 1,00, um die Inflationsrate möglichst niedrig zu halten. Die extreme Dürreperiode des Jahres 2013 hat sich auch weiterhin negativ auf die Produktion im ersten Quartal 2014 ausgewirkt. Erst durch die regelmäßigen Regenfälle seit Februar / März 2014 konnten sich die Sisalpflanzen in den Folgemonaten gut erholen. Seit Mitte des Jahres steht überall wieder gute Qualität zur Verfügung. Allerdings hat die eigentlich positive Wetteränderung aber auch wieder neue Schwierigkeiten mit sich gebracht. Durch die ungewöhnlich hohe Luftfeuchtigkeit brauchte die Faser wesentlich länger zum Trocknen und auch bereits länger eingelagerte Faser hat wieder Feuchtigkeit aufgenommen. Diese Faktoren haben dazu geführt, dass Verschiffungen meist nur mit Verzögerungen durchgeführt werden konnten. Seit Ende September ist es zunehmend heißer und trockener geworden und man hat schon erste negative Auswirkungen auf die Qualität der Faser festgestellt. Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass infolge der langen Dürreperiode viele Arbeitskräfte aus der Sisalregion abgewandert sind. Diese Arbeiter fehlen nun – was der Hauptgrund dafür ist, dass die Produktion dieses Jahr nur geringfügig erhöht werden konnte. Brasilien könnte sicherlich leicht die Produktion auf 90-100.000 mtons erhöhen. Es steht genug erntereifer Sisal auf den Feldern, der aus Mangel an Arbeitskräften leider nicht verarbeitet wird. Die Arbeit im Sisal ist (wie auch in Ostafrika) sehr unbeliebt und die Arbeiter bevorzugen bei der Kaffee-Ernte zu helfen. Problematisch ist auch die Tatsache, dass im Sisal nur 3 Tage in der Woche gearbeitet wird. Neben der starken Auslandsnachfrage sind seit Mitte des Jahres auch wieder 2 große Spinnereien im Markt, was die schwierige Situation zusätzlich angeheizt hat. Die kleinen Lieferanten (es gibt ca. 150 kleinere ‚batadeiras‘ / brushing stations) in der Region finden immer Abnehmer – auch für mindere Qualität. Auch nasse Ware wird problemlos verkauft. Da es sich die größeren Händler und Exporteure nicht leisten können, Lieferanten zu verlieren, wird alles abgenommen was angeboten wird. Dies hat leider zu einer kontinuierlichen Verschlechterung der Qualität geführt – bei gleichzeitig immer weiter steigenden Preisen. Seit September wird es zunehmend schwieriger, aus der angelieferten Rohware die guten Exportqualitäten zu sortieren – im Durchschnitt sind es momentan nur noch knapp 20% der angelieferten Rohfaser, die Exportqualität besitzen. In der Folge besteht also eine Knappheit an höheren Qualitäten (Type 2 und Type 1). Die Nachfrage (Inland und Export) ist aber ungebrochen und so rechnet man auch mit weiter steigenden Preisen. Bei den Exporten zeigt sich ein unverändertes Bild – größter Abnehmer mit weit über 50% der Exportmenge ist China, gefolgt von Portugal, Algerien, Indonesien, El Salvador und Marokko (in der Reihenfolge ihrer Bedeutung). Marktbericht Sisal April bis Oktober 2014 -3/6- Ostafrika: Die Preishausse für Tanzania Sisal und Kenya Sisal setzte sich während des Berichtzeitraums unverändert fort, da die Nachfrage - und hier insbesondere von Käufern in China, Saudi-Arabien, Nord- und Westafrika - weiterhin kräftig zunahm. Der anhaltend steigenden Nachfrage stand nur ein völlig unzureichendes Angebot gegenüber. Bei der anhaltend starken Nachfrage für Ostafrika-Sisal auf hohem Preisniveau kann nicht ausgeschlossen werden, dass noch Raum besteht für weitere Preiserhöhungen. Die Preisentwicklung (Januar 2012 bis September 2014) veranschaulicht die folgende Grafik (Quelle FAO) Ursache für die im Verhältnis zur Weltnachfrage unzureichende Sisalproduktion ist zur Hauptsache Wassermangel. Innerhalb der letzten 3 Jahre sind die Regenzeiten leider hinter den Erwartungen zurückgeblieben – hiervon waren besonders die Anbaugebiete im Landesinnern der beiden Länder betroffen. Die Plantagen in Küstennähe hingegen haben keinen nennenswerten Rückgang der Produktionen zu verzeichnen. Es besteht generell ein Mangel an Arbeitskräften, die bereit sind im Sisal zu arbeiten. Hinzu kommt auch die nach wie vor häufig unterbrochene Stromversorgung. Marktbericht Sisal April bis Oktober 2014 -4/6- In beiden Produktionsländern zeichnete sich folgendes Bild ab: Tansania: 20 Jahre nach den erfolgten größeren Privatisierungen und Verabschiedung von einer sozialistischen Wirtschaft, in der der Staat eine bedeutende Rolle spielte, steht das bevölkerungsreichste Land Ostafrikas besser denn je da und verzeichnet in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum von 6,5 %. Die Weltbank verlieh dem Land die Auszeichnung “Top Performer“ wegen seiner positiven makroökonomischen Faktoren. Die Weltbank ging sogar so weit, Tansania als ein Modell solider wirtschaftlicher Entwicklung zu bezeichnen - Tansania hat es im letzten Jahr verstanden, im Gegensatz zu seinen Nachbarländern, der Inflation keinen Nährboden zu geben. Wie es heißt, stehen ausländische Investoren Schlange, um sich in Tansania zu engagieren. Das Steuerdefizit fällt, die Steuereinnahmen des Landes erhöhen sich und die politischen Verhältnisse sind im Großen und Ganzen stabil. Tansania ist weiterhin bei ausländischen Geldgebern recht beliebt - ungeachtet immer wieder vorkommender Korruptionsskandale. Die Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, im Jahr 2025 den Status eines sogenannten „middle income country“ einzunehmen. Das Land hat 46 Millionen Einwohner, von denen sich mehr und mehr politisch engagieren. Andererseits hat die Weltbank von dem in Tansania herrschenden Geschäftsklima keine besonders hohe Meinung. Die Entdeckung riesiger Gasvorkommen vor der Küste von Tansania schließen nach Beobachtern die Möglichkeit nicht aus, dass das Land eines Tages vergleichbar mit Quatar oder Nigeria sein könnte. Das Interesse Chinas an Investitionen in Tansania ist unverändert groß, wovon diverse Projekte Zeugnis ablegen. Die Sisalwirtschaft profitierte von den steigenden Weltmarktsisalpreisen und es wird von einer Reihe von Neuanpflanzungen berichtet, aber bis zur Schnittreife der Blätter vergehen bekanntlich 3 bis 5 Jahre, abhängig von den klimatischen Bedingungen und der Beschaffenheit des Bodens. Die Sisalproduktion betrug im Jahre 2013 total 37.367 mtons im Vergleich zu 35.590 mtons im Jahre 2012. Die Produktion von Sisalerzeugnissen (Garne, Gewebe und Säcke) betrug im Jahre 2013 total 9.341 mtons im Vergleich zu 9.760 mtons im Jahre 2012. Laut Informationen vom TSB (Tanzania Sisal Board) belief sich die Produktion von Januar bis September 2014 auf total 18.090 mtons. Exporte im gleichen Zeitraum wurden mit total ca.11.400 mtons angegeben, wobei die beiden Hauptabnehmer China (38%) und Saudi-Arabien (33%) waren. Kenia: Die Entdeckung von Ölvorkommen in dem abgelegenen Turkana county (im Nordwesten des Landes) gibt Anlass zu großen Hoffnungen für die Zukunft. Das gleiche gilt für Erdgasvorkommen, die vor der Küste vermutet werden und die dem Land ganz andere Zukunftsperspektiven geben könnte. Kenia dürfte bereits im nächsten Jahr den Status eines sogenannten “middle income country“ erreichen. Wenn dieser Status erreicht ist, wird dies größeren Zugang zu den internationalen Finanzmärkten und Aufnahme von Krediten im Ausland erleichtern. Marktbericht Sisal April bis Oktober 2014 -5/6- Kenia, mit einer Bevölkerung von 43 Millionen Einwohnern, wird sich laut einer Verlautbarung des Internationalen Währungsfonds in Kürze zur viertgrößten Wirtschaft südlich der Sahara entwickeln (nach Nigeria, Südafrika und Angola). Kenia ist bereits ein regionales Schwergewicht und es bestehen gute Aussichten, dass während der nächsten Jahre mit der Erdöl- und Erdgasförderung begonnen werden könnte (sollten sich die Vorkommen wirtschaftlich ausbeuten lassen). Kenia verzeichnete im letzten Jahr ein Wirtschaftswachstum von 5 % und es wird damit gerechnet, dass das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr ähnlich oder möglicherweise noch höher ausfallen wird. Auch in Kenia profitierte die Sisalwirtschaft von der Sisal-Preishausse. Im Gegensatz zu Tansania gilt in Kenia aber eine strikte Begrenzung der landwirtschaftlichen Fläche, die für den Anbau von Sisal genutzt werden darf. Insofern kann die kenianische Sisalindustrie die vorhandenen Flächen nicht in dem Maß erweitern, wie es die aktuelle Marktlage eigentlich erforderlich machen würde. Die Sisalexporte (laut KSB / Kenia Sisal Board) von Januar bis September 2014 beliefen sich auf total 11.062,40 mtons. Bemerkenswert ist, dass, zumindest im ersten Halbjahr 2014, die Exporte nach China (11,6%) hinter Nigeria (14,5%) und Saudi-Arabien (14,3%) zurückgefallen sind. Hier wird noch einmal der enorme Einfluss der sogenannten neuen Märkte (new emerging markets) deutlich, die noch vor einigen Jahren immer nur für einen begrenzten Zeitraum im Markt waren und nun kontinuierlich als Käufer auftreten. Es folgen noch Exporte nach Indien (6%), Spanien (5%) und die Philippinen (4%). Madagaskar: Im Berichtszeitraum sind die Regenfälle leider hinter den Erwartungen zurückgeblieben – mit negativen Auswirkungen auf Wachstum und Kondition der Sisalpflanzen. Dies hatte natürlich auch Auswirkungen auf die Produktion der Plantagen im Süden der Insel. Verantwortungsvolle Plantagenbesitzer mussten sich beim Schneiden der Blätter zurückhalten, um diesen keinen dauerhaften Schaden zuzufügen, was eine Verschlechterung der Qualität im Jahre 2015 nach sich ziehen würde. Während des Zeitraums Januar/September 2014 betrugen die Sisalexporte total 4.720 mtons. China war mit ca. 50% der Menge erneut mit Abstand der größte Abnehmer von MadagaskarSisal. Es folgen Marokko (26%), Indien (7%) und Spanien (6%). Die Preise folgten den Marktpreisen für Ostafrika Sisal. Genauso wie im Fall Ostafrika waren die Verfügbarkeiten von Madagaskar Sisal für Export leider völlig unzureichend, um der weiterhin steigenden Nachfrage aus dem Ausland gerecht werden zu können. Die Probleme der Sisalplantagen wurden zusätzlich vergrößert durch das unregelmäßige Anlaufen des Hafens Eohala durch Schiffe der MSC, der einzigen Reederei, die diesen Hafen noch bedient. Zwar gab es seitens der Reederei eine Zusage, dass der Hafen einmal im Monat angelaufen würde – tatsächlich aber wurde der Hafen zwischen Ende Januar und Mitte März 2014 nicht bedient. Auch im Monat August wurde der Hafen nicht bedient. Nach wie vor ist eine genaue Planung unmöglich, da sich die Information über Abfahrten praktisch wöchentlich ändert. Marktbericht Sisal April bis Oktober 2014 -6/6- Offensichtlich bestehen weiterhin größere Probleme im Umladehafen von Port Louis. Aufgrund der wiederholten Verzögerungen und das Ausbleiben der Abfahrten wurden die betroffenen Sisalplantagen mit der erforderlichen Zwischenfinanzierung der verkauften Bestände außerordentlich gefordert (mit entsprechenden Auswirkungen auf die Liquidität). Nach längeren, sich hinziehenden Verhandlungen mit den Betreibern des Hafens von EOHALA erklärten sich diese schließlich wieder damit einverstanden, dass Container wieder auf den Plantagen gestaut werden dürfen. Zwischenzeitlich gab es eine Auflage seitens der Hafenbehörden, dass Container immer im Hafen gestaut werden müssten. Nach wie vor besteht ein deutlicher Unterschied der Frachtraten ex Eohala im Vergleich zu Raten ex Ostafrika – die für einige Destinationen teilweise erheblich günstiger ausfallen. Insofern sind die Sisalproduzenten auf Madagaskar finanziell erheblich benachteiligt gegenüber den Sisalproduzenten in Ostafrika. Belastend waren auch die äußerst instabilen Verhältnisse, die weiterhin im Süden von Madagaskar herrschen. Hier und da hatte man vor Abhaltung der Wahlen im Oktober 2013 (Stichwahl im Dezember 2013) die vorsichtige Hoffnung geäußert, dass wieder vermehrt Recht und Ordnung im Süden von Madagaskar herrschen würden und der Staat sich mit der Zeit wieder durchsetzen würde, um den chaotischen Verhältnissen ein Ende zu bereiten. Die Optimisten, auch wenn es von diesen nur sehr wenige gab, haben sich gründlich geirrt. Dass ein Premierminister den Mitgliedern seiner Regierung öffentlich die Leviten liest, wie geschehen, sieht man selten. Doch Madagaskar befindet sich seit dem Putsch im Jahre 2009 in einem Ausnahmezustand. Die Korruption ist sogar für afrikanische Verhältnisse erschreckend, da die Staatsgewalt sich weitgehend aufgelöst hat. Madagaskar soll in Zukunft wieder Entwicklungshilfe von der Europäischen Union erhalten. Nach der geglückten demokratischen Wahl von Hery Rajaonarimampianina im Dezember 2013 zum Präsidenten der Inselrepublik im Indischen Ozean trafen die zuständigen Minister in Brüssel den Beschluss zur Aufhebung des Entwicklungshilfe-Stopps. Die EU hatte die Zahlung in Höhe von rund 600 Millionen Euro im Juni 2010 ausgesetzt. Sie reagierte damit auf einen Militärputsch durch den ehemaligen Radio-DJ Andry Rajoelina, mit dem Präsident Marc Ravalomanana aus dem Amt getrieben worden war. Als einer der wenigen offenen und damit kritischen Punkte der Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit besteht die Frage nach der Rolle des ehemaligen Präsidenten Marc Ravalomanana. Dieser kehrte am 13. Oktober 2014 aus seinem südafrikanischen Exil nach Madagaskar zurück und wurde bei seiner Ankunft am Flughafen Antananarivo festgenommen. ---oooOOooo---
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