Einkommen

DER DEUTSCHE REISEVERBAND
DRV-Politikthemen
Informationsdienst für Entscheider
in Politik, Medien und Wirtschaft
AUSGABE 3 – 2014 | HERBST
Ansporn und Bestätigung
Laut jüngstem „Consumer Markets Scoreboard“ der Europäischen Union sind die deutschen Kunden rundum
zufrieden mit den Leistungen der Reisebranche – ein Zuspruch, den die Branche auch in Zukunft erhalten möchte.
Zufriedenheit im deutschen Dienstleistungssektor, Erhebung unter 31 Dienstleistungen
Pauschalreisen
und Touren
Airlines
Platz 1
6
10
81,8 %
81,4 %
Hotels und
Unterkünfte
Durchschnitt
11
Platz 31
81,3 %
80,3 %
Quelle: EU-Kommission
INHALT
Sehr geehrte Leserinnen, sehr geehrte Leser,
die Reisebranche verbindet die Deutschen mit der Welt. Mehr als 70 Milli-
Gewerbesteuer:
onen Urlaubsreisen unternahmen sie im vergangenen Jahr, zwei Drittel da-
Fehlinterpretation
korrigieren –
Touristikindustrie retten
Pauschalreiserichtlinie:
Erfolgsmodell in Gefahr
von ins Ausland. Keine andere Nation – abgesehen von China – ist ähnlich
03
Wirtschaftsleistung bei und beschäftigt mit rund drei Millionen Mitarbeitern
04
müssen jetzt handeln
den Markt
Blick nach:
Tunesien
Ansprechpartner/
Impressum
vor allem mittelständische Unternehmen, vom familiengeführten Reisebüro
Buchung bis zur Rückkehr.
05
Doch dieser Erfolg ist kein Selbstläufer. In vielen Bereichen steht die Branche vor großen Herausforderungen, Antworten müssen gefunden werden.
Reiseversicherungen:
Überregulierung gefährdet
mehr Menschen als die Automobilindustrie. Dahinter stehen viele Tausend
bis zum börsennotierten Reiseveranstalter. Sie begleiten ihre Kunden von der
Fachkräftesicherung:
Unternehmen und Politik
reisefreudig. Der Tourismus trägt hierzulande annähernd zehn Prozent zur
Als Branchenverband stellt der DRV drei zentrale Schwerpunkte in den Fokus
06
seiner Verbandsarbeit: Digitalisierung, Fachkräftesicherung und Verbraucherschutz.
07
07
01
DER DEUTSCHE REISEVERBAND
DRV-Politikthemen
AUSGABE 3 – 2014 | HERBST
Digitalisierung: Chancen nutzen
Seit dem 25. Juni 2014 ist Norbert Fiebig
DRV-Präsident. Der Ökonom leitete zuvor seit
2005 die touristischen Aktivitäten der REWE
Group, die seit 2013 unter der Dachmarke
DER Touristik weltweit geführt werden.
Die Koordinierung der Verbandsarbeit
liegt seit dem 1. Juli 2014 bei DRV-Hauptgeschäftsführer Dirk Inger, der zuletzt im
Bundesverkehrsministerium die Unterabteilung Klima- und Umweltpolitik und
Elektromobilität leitete.
Das Internet ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Immer mehr Menschen informieren
sich online auch über Reiseziele, vergleichen Angebote und buchen auf diesem Weg ihren
Urlaub. Die Unternehmen der Reisebranche stellen sich auf diese Bedürfnisse ein. Dabei
benötigen insbesondere kleine Reisebüros oder mittelständische Veranstalter Unterstützung,
um die Möglichkeiten des Mediums für sich nutzen zu können. Der DRV macht die Digitalisierung des Reisemarktes daher zu einem Schwerpunkt seiner Arbeit. Dabei ist auch die Politik
gefordert, denn eine gute digitale Infrastruktur ist unabdingbar für einen attraktiven Reisemarkt. Immerhin ist laut Umfragen für die Mehrzahl der Touristen ein kostenfreier Zugang
zum Internet wichtig.
Fachkräftesicherung: In Zukunft investieren
Der Fachkräftemangel bedroht auch die Touristik. Ein alarmierendes Zeichen, denn ohne
ausreichendes Personal können Reisebüros und Veranstalter ihren Kunden langfristig die
gewohnte hohe Betreuungsqualität nicht mehr bieten. Politik und Reisebranche müssen gemeinsam gegensteuern. Bereits seit 2008 bewirbt der DRV mit seiner Ausbildungsoffensive
„Zukunft buchen!“ die Ausbildung im Tourismus. Die Bundesregierung ist beispielsweise gefragt, für eine bessere Grundbildung der Schulabsolventen zu sorgen, etwa indem Schulen
finanziell besser ausgestattet und berufsvorbereitende Maßnahmen stärker gefördert werden. Zu diesen Themen stehen wir im engen Austausch mit Abgeordneten und Behörden. In
Norbert Fiebig, Präsident
Telefon: +49 (0) 30 28406-0
E-Mail: [email protected]
den kommenden Jahren setzt der DRV darüber hinaus Themen wie Unternehmensnachfolge
auf die Agenda.
Verbraucherschutz: Interessen von Wirtschaft und Verbrauchern achten
Immer mehr bürokratische Hürden gefährden die Wettbewerbsfähigkeit der Reiseunternehmen. Insbesondere beim Thema Verbraucherschutz handeln die Gesetzgeber in
Brüssel und Berlin oftmals nach dem Motto „Viel hilft viel“ – und bürden den Unternehmen zunehmend mehr Risiken des Alltags auf. In vielen Fällen ist die Belastungsgrenze längst erreicht, etwa wenn Reiseveranstalter und Airlines den Ausfall von Leistungen
erstatten müssen, die sie nicht selbst verschuldet haben. Diese Überregulierung ist für die
Unternehmen mitunter wettbewerbsverzerrend und existenzbedrohend – und entbehrt zudem jeder Notwendigkeit: Verbraucherbarometer wie das „Consumer Markets Scoreboard“
der EU-Kommission belegen regelmäßig, wie zufrieden die Kunden mit den Leistungen der
Dirk Inger, Hauptgeschäftsführer
Telefon: +49 (0) 30 28406-0
E-Mail: [email protected]
Reisebranche sind.
Der DRV steht der Politik in allen Belangen zur Seite. Wir wissen, mit welchen Herausforderungen die Unternehmen täglich in der Praxis zu kämpfen haben, bündeln die Sorgen und
Belange unserer Mitglieder und zeigen der Politik Handlungsmöglichkeiten auf. Ob im schriftlichen oder im persönlichen Austausch – wir freuen uns auf die Zusammenarbeit.
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DER DEUTSCHE REISEVERBAND
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Gewerbesteuer: Fehlinterpretation korrigieren –
Touristikindustrie retten
Hinzurechnung provoziert Pleitewelle
Die Gewerbesteuer ist mit einem Anteil von
43 Prozent größter Posten der kommunalen
Steuer­einnahmen. Durch die Hinzurechnung
von gemieteten und geleasten Räumlichkeiten
erzwingen die Finanzbehörden nun noch höhere
Einnahmen. Damit überspannen sie den Bogen –
die zusätzliche Steuerlast bedroht die Existenz
zahlreicher Unternehmen.
Umsatzsteueranteil
4,9 %
Gewerbesteuer
43,7 %
Die Landesfinanzminister sind aufgerufen, die schwerwiegenden Verwerfungen bei der
Gewerbesteuerhinzurechnung dringend zu korrigieren. Zehntausende Arbeitsplätze stehen
auf dem Spiel. Hintergrund: Seit der Gewerbesteuerreform im Jahr 2008 müssen Unternehmen auch auf angemietete Objekte wie Ladenflächen und Büros Gewerbesteuer zahlen.
Das ist nachvollziehbar. Allerdings interpretiert die Finanzverwaltung den Gesetzestext dergestalt, dass auch die Kosten für weltweit eingekaufte Unterbringungsleistungen dem Gewinn
von Reiseveranstaltern hinzugerechnet werden müssen.
Interpretation ist nicht nachvollziehbar
Diese Auslegung kommt selbst für den Gesetzgeber völlig überraschend und bedroht die
Grundsteuer
14,3 %
Existenz der deutschen Reiseunternehmer. Gebuchte Hotelzimmerkontingente der Gewerbe­
steuerhinzurechnung zu unterwerfen, ist nicht nachvollziehbar. Die Unternehmen agieren wie
Einkommensteueranteil
35,2 %
Händler, die aus unterschiedlichen Reiseleistungen neue Produkte herstellen.
Quelle: Kommunaler Finanzreport 2013 der Bertelsmann Stiftung
Was sind die Folgen?
Den deutschen Reiseveranstaltern drohen Nachforderungen von 1,4 Milliarden Euro für die
Jahre 2008 bis 2013. In schwachen Geschäftsjahren dürfte die steuerliche Belastung künftig
2,2
Mio. D
2,3
Mio. D
1 Mio.
0
Gewerbesteuer Hinzurechnung
2 Mio.
Gewinn
Konkretes Beispiel
Bei einem deutschen Reiseveranstalter entfällt
rund ein Drittel der gesamten Reisevorleistungen
auf Unterkunftsleistungen. Bei voller Hinzurechnung betrüge die zusätzliche Gewerbesteuer
2,3 Millionen Euro pro Jahr, was wiederum etwas
mehr als einem Prozent des Umsatzes entspräche.
Damit wäre der Gewinn aufgebraucht und das Unternehmen würde 100 000 Euro Verlust schreiben.
100 000 D
Verlust
die Gewinne komplett aufzehren und sogar übersteigen. Die Folgen liegen auf der Hand:
• Entlassungen: Deutsche Reiseveranstalter bieten hierzulande rund 32 000 Arbeitsplätze.
Davon sind circa 25 600 akut gefährdet, da die Unternehmen entweder von Insolvenz bedroht sind oder ganze Abteilungen ins Ausland verlagern müssen.
• Wettbewerbsverzerrungen: Nur in Deutschland erfolgt eine Hinzurechnung der Gewerbe­
steuer auf die Kosten für den Einkauf der Unterbringungsleistungen – ausländische Konkurrenzunternehmen können ihre Reisen daher günstiger anbieten. Besonders wettbewerbsverzerrend ist, dass reine Vermittler von Übernachtungsleistungen wie beispielsweise
Hotelportale nicht zusätzlich steuerlich belastet werden.
• Geringerer Verbraucherschutz: Die Zusatzbelastung stellt die Pauschalreise infrage. Millionen Urlauber müssten, sofern sie nicht zu ausländischen Anbietern wechseln, Flug, Hotel
etc. einzeln buchen – weniger Verbraucherschutz ist das Ergebnis.
Was ist zu tun?
Im Mai kritisierte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Gewerbesteuerhinzurechnungen für die Reisebranche. Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans
ließ mitteilen, er nehme die Sorgen der Branche „sehr ernst“. Die Länderfinanzminister sollten nun die Konsequenzen ziehen und sich für eine sachgerechte Lösung einsetzen.
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DRV-Politikthemen
AUSGABE 3 – 2014 | HERBST
Pauschalreiserichtlinie: Erfolgsmodell in Gefahr
Kaum ein europapolitisches Thema hat für die heimischen Reiseveranstalter und Reisebüros
derart große Bedeutung wie die aktuelle Reform der EU-Pauschalreiserichtlinie. Dabei ist die
Politik von ihrem ursprünglichen Ziel, gleiche Rechte und Pflichten für unterschiedliche Anbieter zu schaffen, längst abgekommen. In der Folge drohen großer Schaden für das beliebteste Reiseformat der Deutschen und Einbußen beim Verbraucherschutz für die Reisenden.
Ungebrochene Nummer eins
Pauschalreisen – ein Qualitätsprodukt
Keine Reiseform bietet einen besseren Verbraucherschutz als die organisierte Reise mit
Reiseveranstaltern. Dies macht die deutsche
Reisebranche mit ihrer aktuellen Qualitätsoffensive nochmals deutlich. Zu den fünf Qualitätskriterien, auf die sich die Reisenden verlassen
können, gehören:
24 h
Im vergangenen Jahr unternahmen die Deutschen über 70 Millionen Urlaubsreisen. Dafür
gaben sie insgesamt 135 Milliarden Euro aus. Über 40 Prozent der gebuchten Angebote
waren Pauschal- oder Bausteinreisen. Die von Veranstaltern professionell organisierte Reise
ist damit unverändert das beliebteste Reiseformat – weil sie einfach zu buchen ist, umfassenden Komfort bietet und mehr Verbraucherschutz garantiert als alle anderen Formate.
Verbraucherschutz bleibt auf der Strecke
Erreichbarkeit rund um die Uhr
in Notfällen
Den rechtlichen Rahmen für die hohen Standards bildet die EU-Pauschalreiserichtlinie von
1990. Sie gilt für alle Angebote, die mehrere Dienstleistungen wie zum Beispiel Übernachtung
Professionelles
Krisenmanagement
und Transport umfassen und von Veranstaltern als Paket angeboten werden. Besonders im
Internet wächst allerdings die Zahl vergleichbarer Angebote, die nicht unter die Richtlinie fallen. Dazu zählen zum Beispiel Online-Portale von Fluggesellschaften oder Hotels, die bei der
Betreuungskräfte am Urlaubsort
Buchung gezielt passende Leistungen Dritter anbieten. Aus Sicht der Käufer handelt es sich
damit um eine Gesamtreise. Allerdings: Diese sogenannten „click-through“-Anbieter werden
Organisiertes Beschwerdemanagement
Vorhandene ReiseveranstalterHaftpflichtversicherung
rechtlich in der Regel nicht als Reiseveranstalter behandelt – der Verbraucherschutz fällt hier
deutlich geringer aus!
EU weist den falschen Weg
Daran scheint die EU auch laut aktuellem Stand der Reform der Pauschalreiserichtlinie nichts
zu ändern. Sie verfehlt damit eindeutig ihr Ziel, der Digitalisierung im Reisemarkt einen angemessenen Rechtsrahmen zu setzen. Außerdem zementiert sie den ungleichen Wettbewerb
mit den klassischen Pauschalreiseanbietern.
Beliebtestes und erfolgreichstes Reiseformat der Deutschen auf Dauer in Gefahr
Mehr denn je muss sich die Bundesregierung deshalb bei der anstehenden nächsten Verhandlungsrunde im EU-Rat für gleiche Wettbewerbsbedingungen einsetzen – die Grundregel
„gleiche Rechte und gleiche Pflichten für Anbieter vergleichbarer Angebote“ muss für den
gesamten Reisemarkt gelten!
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AUSGABE 3 – 2014 | HERBST
Fachkräftesicherung:
Unternehmen und Politik müssen jetzt handeln
Das Thema Fachkräftesicherung ist mittlerweile ein politischer Dauerbrenner. In der DiskusWeniger Schulabgänger = weniger Fachkräfte
sion liegt der Fokus jedoch allzu oft auf dem akademischen Nachwuchs, gleichzeitig sinkt die
Prozentuale Veränderung der Schulabgängerzahlen
gegenüber 2013
Wertschätzung der dualen Ausbildung. Im vergangenen Jahr übertraf erstmals die Zahl der
Studienanfänger die der abgeschlossenen Ausbildungsverträge. Unter diesem Missverhältnis
leidet besonders die personalintensive Reisebranche. Politik und Wirtschaft sind gefordert,
2014
2017
2020
2023 2025
0
sich hierbei noch stärker zu engagieren.
Mitarbeiter machen erfolgreichen Tourismus aus
-4 %
Allein in Deutschland arbeiten rund 2,9 Millionen Menschen im Tourismus. Damit übertrifft
-8 %
der Sektor Wirtschaftszweige wie die Automobilindustrie deutlich. Und bei diesem Personalbedarf wird es auch bleiben: Im Gegensatz zu anderen Wirtschaftszweigen brauchen die
-12%
Unternehmen für die Beratung im Reisebüro, die Gästebetreuung oder das Rahmenprogramm
kompetente Mitarbeiter – auch in Zeiten zunehmender Digitalisierung und Automatisierung.
-16%
Mehr noch: Zwischenmenschliche Kontakte sind wichtiger Bestandteil eines rundum zufrie-20 %
denstellenden Reiseerlebnisses.
Quelle: KMK/Berechnung DRV
Wirtschaft und Politik sind gefordert
Umso stärker trifft der Fachkräftemangel die Reisebranche: Hauptgründe sind geringe
Zwei Plattformen gegen
den Fachkräftemangel
Mit der Ausbildungsoffensive „Zukunft
buchen!“ wirbt der Branchenverband aktiv
für die Aus- und Weiterbildung im Tourismus. Das Portal www.zukunft-buchen.de
bietet Ausbildungsbetrieben Hilfestellung bei
praktischen Fragen wie der Vertragsgestaltung und liefert Lehrern Unterrichtsmaterial
rund um Arbeitsperspektiven im Tourismus.
Für interessierte Jugendliche hat der DRV
außerdem die Seite www.tourismusazubi.de
eingerichtet – hier erhalten sie wichtige Infos
rund um das attraktive Berufsfeld der Tourismuskaufleute.
Bewerberzahlen und mangelnde fachliche Qualifikation. Klar ist: Bei einer solchen Entwicklung können die Unternehmen den Ansprüchen ihrer Kunden auf Dauer nicht gerecht werden.
Der Tourismus macht sich deshalb für mehr Aus- und Weiterbildung stark, zum Beispiel mit
der DRV-Ausbildungsoffensive „Zukunft buchen!“. Aber auch die Politik ist gefragt:
• Stärken der dualen Ausbildung hervorheben: Weltweit hat das deutsche Ausbildungs­
system Vorbildcharakter. Hierzulande ging die Zahl der Ausbildungsverträge 2013 jedoch
im gesamten deutschen Arbeitsmarkt um 3,7 Prozent zurück – die Bundesregierung muss
ihre Kampagne „Praktisch unschlagbar!“ ausbauen und noch stärker für die duale Berufsausbildung werben.
• Leistungsschwache Jugendliche unterstützen: Noch immer verlassen jährlich rund
50 000 junge Menschen die Schule ohne Abschluss. Auch das Leistungsniveau der Schüler
mit Abschluss sinkt kontinuierlich. Um die Ausbildungsfähigkeit weiterhin sicherzustellen,
brauchen die Schulen deshalb dringend eine bessere Personal- und Finanzausstattung.
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AUSGABE 3 – 2014 | HERBST
Reiseversicherungen:
Überregulierung gefährdet den Markt
Zu Recht setzen sich EU und Bundesregierung für strenge Regeln beim Verbraucherschutz
ein, etwa bei der Finanzmarktregulierung. Bei der aktuellen Reform des EU-Versicherungsrechts droht die Politik jedoch zum Nachteil der Kunden über das Ziel hinaus zu schießen:
Ein Blick nach Großbritannien genügt, …
… um zu sehen, wie schädlich eine Pflichtenverschärfung für nebenberufliche Versicherungsmakler
ist. Nur noch ein Bruchteil der Reisebüros bietet
Reiseversicherungen an und kann seine Kunden
nicht mehr entsprechend beraten.
Künftig könnten deutlich mehr Verbraucher ohne Absicherung auf Reisen gehen und im
Ernstfall ohne Hilfe dastehen.
Umfassende Pflichten für hauptberufliche Versicherungsmakler
Die sogenannte Versicherungsvermittlerrichtlinie regelt die Pflichten beim Handel mit Versi-
Anteil der Reiseunternehmen
mit Versicherungsgeschäft
2004
cherungen. Um die Verbraucher beim Kauf komplexer Produkte wie Lebensversicherungen
zu schützen, müssen hauptberufliche Makler zum Beispiel einen Kompetenznachweis erbrin-
2010
gen, hohe Haftpflichtsummen bereitstellen und einer umfassenden Beratungsdokumentation
während des Verkaufsgesprächs nachkommen. Anders ist es aus berechtigten Gründen bei
16 %
Reisebüros und Reiseveranstaltern: Als sogenannte nebenberufliche Vermittler, die zusätzlich
43 %
zu ihrem Hauptgeschäft den Reisenden einen Versicherungsschutz anbieten, gelten für sie
weniger strenge Maßstäbe.
EU-Reform geht zulasten der Verbraucher
Quelle: ECTAA
Im Rahmen der seit 2010 laufenden Reform der Versicherungsvermittlerrichtlinie laufen
Reise­büros und Reiseveranstalter nun Gefahr, den gleichen Pflichten zu unterliegen wie
Handlungsbedarf bei
Reiseversicherungen?
hauptberufliche Versicherungsmakler. Deutlich steigende Kosten wären unausweichlich.
Die im Zusammenhang mit Reisen
abgeschlossenen Versicherungen decken
insbesondere Risiken wie Reiserücktritt,
Krankheit und Gepäckschäden ab.
Die Produkte sind günstig wie simpel:
Die durchschnittliche Prämienhöhe beträgt
34 Euro, die Laufzeiten beziehen sich auf
die jeweilige Reise oder sind jährlich kündbar. Da die Policebedingungen einfach sind,
ist der Beratungsaufwand entsprechend
gering. Im Sinne des Verbraucherschutzes
sollte der Gesetzgeber dieses Erfolgs­
produkt nicht unnötig belasten.
läufig aus dem Geschäft zurückziehen – schlechte Nachrichten für Touristen, denn der Ver-
Folge: Insbesondere die kleinen und mittelständischen Unternehmen müssten sich zwangstrieb von Reiseversicherungen erfolgt fast ausnahmslos über die Reisebüros.
Nicht dem britischen Beispiel folgen
Wie gerechtfertigt diese Sorge ist, zeigt das Beispiel Großbritannien. 2009 erhöhte die
Regierung die nationalen Anforderungen an nebenberufliche Versicherungsvermittler deutlich, und die Zahl der Reisenden ohne Versicherungsschutz stieg sprunghaft an. In Deutschland droht nun eine ähnliche Entwicklung, wenn sich die EU mit ihrem Vorhaben durchsetzt.
Bei den Verhandlungen im EU-Rat muss sich die Bundesregierung deshalb für die Beibehaltung der bestehenden Regeln einsetzen. Übrigens fordert die EU-Pauschalreiserichtlinie
Reiseunternehmen ausdrücklich dazu auf, die Kunden beim Reiseabschluss auf Versicherungsmöglichkeiten hinzuweisen – eine Wertschätzung des Angebots.
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AUSGABE 3 – 2014 | HERBST
Blick nach: Tunesien
Der Tourismus in Tunesien boomt: Allein in der ersten Jahreshälfte 2014 verbuchte das nordTourismus in Tunesien – zurück auf Erfolgskurs?
Tunesien gehört für die deutschen Reiseveranstalter zu
den wichtigsten Zielen rund ums Mittelmeer. Nach einer
kurzen Flaute im Jahr 2011 erholt sich die Zahl der
Reisenden aus der Bundesrepublik deutlich schneller
als die der europäischen Reisenden.
0%
2010
2011
2012
2013
afrikanische Land rund 2,6 Millionen Touristen – davon 162 000 Deutsche. Nach einer Flaute
infolge des arabischen Frühlings sind die Gäste wieder zurückgekehrt. Mit einer ehrgeizigen
Strategie will die neue Regierung die Potenziale noch besser nutzen und ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken.
Neue Wege für ein offenes Land
Seit Jahrzehnten zählt Tunesien zu den beliebtesten Reiseländern in Nordafrika. Allzu
-10%
lange jedoch war der Tourismus im Land einseitig aufgestellt. So verbringen nach wie vor
425 455
80 Prozent der Tunesienreisenden ihren Urlaub allein in strandnahen Hotelanlagen und
-20%
verzichten weitgehend auf Besuche der umliegenden Regionen. Dies will die Regierung mit einer neuen Tourismus­strategie ändern. Ihr Ziel ist klar: Bis 2016 soll der Sektor
2 896 743
-40%
-50%
-60%
Deutsche Einreisende
Europäische Einreisende
als Wirtschaftsfaktor erneuert werden und so zur weiteren Öffnung des Landes beitragen.
Quelle: Fremdenverkehrsamt Tunesien
-30%
Kernpunkte:
• Angebote ausweiten: Die Regierung setzt auf Ökotourismus und auf kulturelle Angebote
zum Beispiel rund um die Ruinen des historischen Kathargo. Hierzu stellte Tourismusministerin Amel Karboul im August ein Leuchtturmprojekt für sanften Kulturtourismus auf den
Kerkenna-Inseln vor.
• Standards heben: Tunesien ist bekannt als ein Land des klassischen Strand- und Bade­
Eine ausführliche Analyse der aktuellen
Lage in Tunesien liefert der Büroleiter der
Konrad-Adenauer-Stiftung in Tunis,
Dr. Hardy Ostry, unter
www.drv.de/fachthemen/auslandstourismus
Print
kompensiert
Id-Nr. 1438715
www.bvdm-online.de
urlaubs. Die Qualität der touristischen Infrastruktur ist dabei ein wichtiger Erfolgsfaktor,
um sich in diesem stark umkämpften Marktsegment behaupten zu können. Im September
2014 führte die Regierung deshalb ein nationales Qualitätslabel ein, um Angebote transparenter zu machen und den Wettbewerb um anspruchsvolle Kunden zu forcieren.
Die wachsenden Besucherzahlen der vergangenen Jahre will die Regierung dabei als
Rückenwind nutzen. Die jüngst eingeführte Ausreisesteuer, die alle Touristen beim Verlassen
des Landes entrichten müssen, kann sich dabei allerdings als kontraproduktiv erweisen.
Impressum:
Deutscher ReiseVerband e.V.
Schicklerstraße 5 – 7, 10179 Berlin
Verantwortlich: Torsten Schäfer
Agenturpartner: GDE.de
Redaktionsschluss: 06. Oktober 2014
DRV Ansprechpartner:
Norbert Fiebig, Präsident: Telefon+49 (0) 30 28406-0 | E-Mail [email protected]
Dirk Inger, Hauptgeschäftsführer: Telefon +49 (0) 30 28406-0 | E-Mail [email protected]
Torsten Schäfer, Leiter Kommunikation: Telefon +49 (0) 30 28406-20 | E-Mail [email protected]
Sibylle Zeuch, Pressesprecherin: Telefon +49 (0) 30 28406-15 | E-Mail [email protected]
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