Prof. Dr. Brüning

4. Forum: Recht der Kommunalen Wirtschaft
Kommunale Selbstverwaltung in der
Energiewirtschaft nach den
BGH-Urteilen zur Vergabe von
Wegekonzessionen
Univ.-Prof. Dr. Christoph Brüning
Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaften
Brüning, Kommunale Selbstverwaltung in der Energiewirtschaft
Agenda
Rechtstatsächliche Ausgangslage und Regelungsgehalte des
§ 46 EnWG
Die Rolle der Kommunen bei der Wegenutzung

Energieversorgung als Element kommunaler Selbstverwaltung

Vergaberechtliche Implikationen

Gemeindewirtschaftsrechtliche Zulässigkeitsschranken
Bedeutung des § 46 EnWG für die Systementscheidung und
die Vergabekriterien

Determinierung der Systementscheidung durch das nationale
und das europäische Wirtschaftsrecht

Verhältnis der Zielsetzungen aus § 1 EnWG zu weiteren
Vergabekriterien

Rechtsprechung des BGH
Rechtstatsächliche Ausgangslage und Regelungsgehalte des § 46 EnWG
Rechtstatsächliche Ausgangslage

Verteilernetze in öffentlichem Eigentum

„natürliches Monopol“ der Gemeinden bezüglich des Versorgungsnetzes

Kommunale Steuerungsmöglichkeit in Bezug auf örtliche
Energieversorgung
Regelungsgehalte des § 46 EnWG

Gibt Rahmen für das Rechtsverhältnis zwischen Gemeinden und
Energieversorgungsunternehmen

Beförderung des Wettbewerbs um Netzgebiete

Vereinnahmung von Konzessionsabgaben als Gegenleistung für die
Einräumung von Wegenutzungsrechten

Differenzierung zweier Fallgestaltungen:
Einfache
Wegenutzungsverträge gem.
§ 46 Abs. 1 EnWG:
Vergabe von Wegerechten
für Direktleitungen
Qualifizierte
Wegenutzungsverträge gem.
§ 46 Abs. 2-4 EnWG:
Wegerechtsvergabe für ein
örtliches Versorgungsnetz
Die Rolle der Kommunen bei der Wegenutzung
Energieversorgung als Element kommunaler
Selbstverwaltung
 Energieversorgung ist nach BVerfG und BVerwG
Selbstverwaltungsangelegenheit und typische
Daseinsvorsorgeaufgabe
 Teilweise Differenzierung zwischen Energieerzeugung (keine
Selbstverwaltungsaufgabe) und Energieverteilung
 Sachherrschaft über das örtliche Wegenetz als
Anknüpfungspunkt für Selbstverwaltungsangelegenheit
 Abschluss von Wegenutzungsverträgen dient Sicherstellung
der kommunalen Energieversorgung und birgt hoheitliche
Gestaltungsmöglichkeit
Die Rolle der Kommunen bei der Wegenutzung
Vergaberechtliche Implikationen

(Kartell-)Vergaberecht greift nicht ein, da Wegenutzungsverträge nach
§ 46 Abs. 2-4 EnWG keine öffentlichen Dienstleistungsaufträge i.S.d. § 99
Abs. 4 GWB, sondern Dienstleistungskonzessionen darstellen

Geltung der allgemeinen Grundsätze des primären Unionsrechts, insbes.
Diskriminierungsverbot, Transparenzgebot

Unionsrecht gebietet öffentliche Ausschreibung, strukturiertes
Bieterverfahren, sachliche Kriterien bei der Auswahlentscheidung und
Eignungsprüfung

Grundsätze der Inhouse-Vergabe werden im Wege eines Erst-Recht-Schlusses
entsprechend auf Dienstleistungskonzessionen angewandt

Wesentlichkeitskriterium ist trotz Vergütung durch Nutzer der erbrachten
Dienstleistung erfüllt

Kommunales Unternehmen kann erstmals im Augenblick der Rechtevergabe
auftreten
Die Rolle der Kommunen bei der Wegenutzung
Gemeindewirtschaftsrechtliche Zulässigkeitsschranken





Öffentlicher Zweck
Finanzielle Leistungsfähigkeit
Subsidiarität
Örtlichkeitsprinzip
Ggf. spezielle Vorgaben für den Energiesektor
(bspw. § 107a GO NRW)

Kommunalrechtliche Vorgaben bleiben wegen unterschiedlicher
Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Bundesländern vom
speziellen energiewirtschaftlichen Rechtsregime des EnWG
unberührt

Das Gemeindewirtschaftsrecht enthält keine Aussage darüber, ob ein
Auswahlverfahren durchzuführen ist
Bedeutung des § 46 EnWG für Systementscheidung und Vergabekriterien
Determinierung der Systementscheidung durch das
nationale und europäische Wirtschaftsrecht
Wird die Systementscheidung vom EnWG determiniert?

Enthalten sein könnte die Verpflichtung, immer und
ausnahmslos ein förmliches Auswahlverfahren durchzuführen, in
folgenden Normen
 § 46 Abs. 2 und 3 EnWG (-)
 § 46 Abs. 1 EnWG (-)
 §§ 19, 20 GWB (-)
 Europäisches Primärrecht (+)
 Fraglich ist aber das Verhältnis von § 46 EnWG zur
europarechtlich zulässigen Ausnahme der InhouseVergabe
Bedeutung des § 46 EnWG für Systementscheidung und Vergabekriterien
Inhouse-Vergabe und § 46 EnWG
Enthält § 46 EnWG eine Aussage zur Systementscheidung (str.)
nein
ja
Geltung des Inhouse-Privilegs auch im Rahmen des § 46 EnWG (str.)
ja
nein
Verfassungskonforme Auslegung unter Beachtung des
Art. 28 Abs. 2 GG
Eigenerbringung ohne förmliches Auswahlverfahren zulässig
Bedeutung des § 46 EnWG für Systementscheidung und Vergabekriterien
Verhältnis der Zielsetzungen aus § 1 EnWG zu weiteren
Vergabekriterien
Fraglich nur bei der Entscheidung für ein förmliches Auswahlverfahren / bei
Verzicht auf eine Eigenerbringung bzw. Beauftragung einer Eigengesellschaft
(die das Inhouse-Privileg erfüllt)
Funktionsweise des § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG


Keine Ausschließlichkeit der Ziele aus § 1 EnWG
Keine Vorrangigkeit der Ziele aus § 1 EnWG
Aber:
 Berücksichtigungspflicht und
 Unzulässigkeit von Kriterien, die im Widerspruch zu denen aus
§ 1 EnWG stehen
nur diese Auslegung ist mit Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar
Kriterien müssen einer kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle standhalten, die jedoch keine
höheren Anforderungen voraussetzt als das Energiewirtschaftsrecht
Bedeutung des § 46 EnWG für Systementscheidung und Vergabekriterien
Rechtsprechung des BGH

Gemeinden sind bei der Vergabe von Wegenutzungsverträgen gem. § 46 Abs.
2 EnWG als marktbeherrschende Anbieter in ihrem Gebiet aus § 19 Abs. 2 Nr.
1 GWB und § 46 Abs. 1 EnWG verpflichtet, den Konzessionär in einem
diskriminierungsfreien Wettbewerb auszuwählen

Die Auswahl muss in einem transparenten Verfahren erfolgen und vorrangig
an Kriterien ausgerichtet werden, die das Ziel des § 1 EnWG konkretisieren

Diese Pflicht der Gemeinden ist mit der kommunalen
Selbstverwaltungsgarantie vereinbar, da sie nicht in den Kernbestand
eingreift und verhältnismäßig ist

Der gemeindlichen Planungshoheit wird dadurch Rechnung getragen, dass die
energiewirtschaftlichen Einzelziele der Konkretisierung, Gewichtung und
Abwägung zugänglich sind

Genügt die Konzessionsvergabe diesen Anforderungen nicht, liegt ein
unwirksamer Konzessionsvertrag vor
Bedeutung des § 46 EnWG für Systementscheidung und Vergabekriterien
Kritik an der Rechtsprechung des BGH

Als sachlich zwingender Grund für die Rechtfertigung eines Eingriffs in die
kommunale Selbstverwaltungsgarantie kommt nur die Sicherstellung der
Zielsetzungen aus § 1 EnWG in Betracht

Statt eines förmlichen Auswahlverfahrens reicht als milderes Mittel die
gesetzliche Verpflichtung kommunaler Energieversorger auf diese
Zielsetzungen aus

Nur eine Berücksichtigungspflicht, nicht hingegen Vorrangigkeit bzw.
Ausschließlichkeit der Zielsetzungen des § 1 EnWG ist mit Art. 28 Abs. 2 GG
vereinbar

Weitere Auswahlkriterien sollten eine wesentliche Rolle spielen

Kriterien zur Realisierung kommunaler und kommunalpolitischer
Zielsetzungen können sachlich gerechtfertigt sein und diskriminierungsfrei
gestaltet werden
Fazit
Geringschätzung der kommunalen Selbstverwaltung durch den
BGH
BGH setzt das Verständnis des § 46 EnWG nicht zum
europäischen und deutschen Vergaberecht ins Verhältnis
Vom BGH postulierte Privatisierungspflicht steht im Widerspruch
zur Rolle der Kommunen im Bereich der Energieversorgung, ist
unionsrechtlich nicht gefordert, verfassungsrechtlich bedenklich
und im einfachen Recht nicht angelegt
Gesetzgeber sollte widersprüchliche Rechtslage durch
Ausschreibungspflicht mit Inhouse-Privileg beseitigen
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
Univ.-Prof. Dr. Christoph Brüning
http://www.bruening.jura.uni-kiel.de/de
E-Mail: [email protected]
Telefon: 0431/880-1505
Erschienen in der Reihe
Arbeitspapiere im Verlag des
Lorenz-von-Stein-Instituts
ISBN: 978-3-936773-82-8
Erhältlich unter
www.lvstein.uni-kiel.de