Förderung oder Förderwahn? Wie kann Lernen - Paulus-Akademie

Förderung oder Förderwahn?
Wie kann Lernen in der Schule und zuhause
gelingen?
Elsbeth Stern
Professur für Lehr- und Lernforschung
Verunsicherung durch angeblich verpasste Zeitfenster
der Entwicklung
ƒ Vernachlässigung
ƒ Überforderung
Üb f d
ƒ Zentrale Frage: Wo kann und wird die Umwelt auf die
geistige Entwicklung Einfluss nehmen – positiv oder
negativ
2
Was verändert sich in der Kindheit?
1. Übergreifende und spezifische Kompetenzen, die an die
Hirnentwicklung gebunden sind
Übergreifende Funktionen:
Arbeitsgedächtnis
ƒ Wir nehmen nur einen winzigen Ausschnitt aus der
dargebotenen Information wahr
ƒ Zahlspanne
ƒ 7 +/
+/- 2
ƒ Beschränkung ist funktional
ƒ Flexibilität in der Informationsverarbeitung als zentrale
menschliche Herausforderung
4
Task Switch-Aufgaben
5
Wenn rot: Taste drücken
ja
nein
6
Wenn Kreis: Taste drücken
ja
nein
7
Fehler oder Verzögerung nach Task-Switch
Wenn rot: Taste drücken
ja
nein
Wenn Kreis: Taste drücken
nein
ja
8
ƒ Arbeitsgedächtnisfunktionen sind an die
Hirnentwicklung gebunden
ƒ Erst im Jugendalter ausgereift: Planung und
Strategien
Hirnforschung
Keine Angst vor verpassten Zeitfenstern
11
Veränderung auf psychologischer Ebene:
Wissen
ƒ Jenseits des Gehirns: Wann können wir uns etwas
merken?
ƒ Hans baute ein Boot.
ƒ Urs liess einen Drachen steigen.
ƒ Lutz ass einen Apfel.
ƒ Beat ging über das Dach
Dach.
ƒ Jochen versteckte ein Ei.
ƒ Dominik setzte das Segel.
ƒ Peter schrieb ein Drama.
ƒ Viktor drückte den Schalter
Schalter.
ƒ Wer ass einen Apfel?
ƒ Wer versteckte ein Ei?
ƒ Wer
W liess
li
einen
i
D
Drachen
h steigen?
t i
?
ƒ Wer ging über das Dach?
ƒ Wer drückte den Schalter?
ƒ Wer setzte das Segel?
ƒ Wer baute ein Boot?
ƒ Wer schrieb das Drama?
ƒ Noah baute ein Boot.
ƒ Benjamin Franklin liess einen Drachen steigen.
ƒ Adam ass einen Apfel
Apfel.
ƒ Der Weihnachtsmann g
ging
g über das Dach.
ƒ Der Osterhase versteckte ein Ei.
ƒ Christoph Kolumbus setzte das Segel.
ƒ William
Willi
Sh
Shakespeare
k
schrieb
h i b ein
i D
Drama.
ƒ Thomas Edison drückte den Schalter.
ƒ Wer ass einen Apfel?
ƒ Wer versteckte ein Ei?
ƒ Wer
W liess
li
einen
i
D
Drachen
h steigen?
t i
?
ƒ Wer ging über das Dach?
ƒ Wer drückte den Schalter?
ƒ Wer setzte das Segel?
ƒ Wer baute ein Boot?
ƒ Wer schrieb das Drama?
Was wir uns an eingehender Information merken
können, hängt ganz entscheidend von unserem
bereits verfügbaren
g
Wissen ab.
Das gilt für Menschen aller Altersstufen.
Altersstufen
Veränderung auf psychologischer Ebene:
Nicht besser denken,
denken sondern besser
wissen.
ƒ Säugetier
ƒ Gewicht
ƒ Von charakteristischen zu definitorischen Merkmalen
ƒ Gleichheitszeichen Aufforderung zum Rechnen:
1 2 3 3 6 4
1+2=3+3=6+4=
ƒ Kinder sind universelle Novizen
Sinnvolle Frühförderung: Die Kinder beim
Aufbau von anschlussfähigem Wissen
unterstützen
19
Zentraler Frühförderungsbereich Sprache
ƒ Grammatik ermöglicht Inhaltsverständnis
(unbestimmte Artikel, Beziehungswörter)
Ist das.....
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ƒ sibben?
ƒ ein Sib?
ƒ etwas Sib?
Wie lernen 2-jährige Kinder, was Muggeln ist?
ƒ Gruppe
G
1:
1 „Die
Di E
Ente
t
muggelt den Hasen“
ƒ Gruppe 2: „Die Ente und
d H
der
Hase muggeln.“
l “
Alle Kinder sehen zwei Filme
ƒ Film
Fil 1:
1 Die
Di E
Ente
t d
drückt
ü kt d
dem ƒ Film
Fil 2:
2 Die
Di E
Ente
t und
dd
der
Hasen auf den Kopf
Hase fuchteln mit den
Armen
Frage an die Kinder: Wo wird
gemuggelt?
lt?
Wohin zeigen die Kinder der beiden
Gruppen?
Gruppe 1: „Die
Ente muggelt den
Hasen“
Gruppe 2: „Die
Ente und der
Hase muggeln.“
Z t l Frühförderungsbereich
Zentraler
F ühfö d
b i h Sprache
S
h
ƒ Sprache beeinflusst von Anfang an, wie wir die Welt sehen,
strukturieren und verstehen
ƒ Mit Hilfe der Sprache kann Wissen aufgebaut werden
werden,
welches die Grundlage für späteres sinnstiftendes Lernen
bildet.
bildet
ƒ Die Interaktion mit grammatisch korrekt sprechenden
Menschen fördert die geistige Entwicklung von Kindern
ƒ Kinder beiläufig und regelmäßig in Kommunikations
Kommunikations- und
Sprachspiele verwickeln
ƒ Medien (Filme) können natürliche Interaktion nicht ersetzten
Fremdsprache im Kindergarten
ƒ Anders als Zweitsprache
ƒ Grammatikkenntnisse noch nicht verfügbar: Kinder
wissen noch nicht, was ein Wort ist
ƒ Eventuell
E
t ll phonologische
h
l i h Üb
Übungen
ƒ Keine Belege für Nutzen
Jenseits der Angst vor verpassten Zeitfenstern:
Warum ist systematische Frühförderung sinnvoll
und nötig?
g
ƒ Schriftsprache
ƒ Mathematik
ƒ Naturwissenschaften
ƒ Vorbereitende Übungen
Übungen, keine direkte Instruktion
Schriftsprache
ƒ Phonologische Bewusstheit
ƒ Umgang mit Stift
Frühförderung in Mathematik
ƒ Nicht die Multiplikation vorverlegen
ƒ Auf Muster achten (Symmetrie)
ƒ Korrespondenzen zwischen Objekten herstellen
ƒ Verdoppeln, halbieren mit Hilfen von Repräsentationen
ƒ Vergleiche thematisieren
Frühförderung des wissenschaftlichen
Denkens
ƒ Keine halb verstandenen Erklärungen liefern
ƒ Beobachten und kategorisieren lernen
ƒ Wenn-dann-Wissen erwerben
ƒ Sachbezogene Gesprächsführung praktizieren
(Unterschiede zwischen wörtlicher und sinngemäßer
Bedeutung erkennen)
Konsequenzen für die Primarschule: Früh und
entspannt mit dem Aufbau von konzeptuellem
Wissen beginnen, welches für spätere
Anforderungen vorbereitet
ƒ Spiralcurriculum
Wissenschaftliches Denken in Physik
y
Wissenschaftlichen Denken in Physik
ƒ Keine halb verstandenen Erklärungen liefern
ƒ Von Phänomenen ausgehen und anschlussfähiges
Begriffswissen aufbauen
Wie kommt es, dass ein kleines Stück Stahl untergeht,
aber ein grosses, schweres Schiff aus Stahl schwimmt?
Hardy, I., Jonen, A., Möller, K., & Stern, E. (in Druck). Why does a large ship of
iron float? Conceptual change in elementary school children. Journal of
Ed ti
Educational
l Psychology.
P h l
Ein Metalldraht wird ins Wasser getaucht.
Was passiert?
geht unter ˆ
steigt nach oben ˆ
ˆ weil er sich festhält.
ˆ weil das weggedrängte Wasser weniger wiegt als der Metalldraht.
ˆ weil er so lang und dünn ist.
ˆ weil das weggedrängte Wasser mehr wiegt als der Metalldraht.
ˆ weil er aus Metall ist.
ˆ weil er vom Wasser nicht stark genug nach oben gedrückt wird.
ˆ weil er so leicht ist.
Ein Metalldraht wird ins Wasser getaucht.
Was passiert?
geht unter ˆ
steigt nach oben ˆ
ˆ weil er sich festhält.
ˆ weil das weggedrängte Wasser weniger wiegt als der Metalldraht.
ˆ weil er so lang und dünn ist.
ˆ weil das weggedrängte Wasser mehr wiegt als der Metalldraht.
ˆ weil er aus Metall ist.
ˆ weil er vom Wasser nicht stark genug nach oben gedrückt wird.
ˆ weil er so leicht ist.
Menschen innerhalb eines Kulturkreises
unterscheiden sich in ihrer ernfähigkeit:
Differentielle Perspektive der
Intelligenzforschung
4/19/2013
36
I t lli
Intelligenztests
t t und
d IQ
ƒ Zahlenreihen: 57 60 30 34 17 22 11 ?
ƒ Analogien:
Gramm : Gewicht = Stunde : ?
37
Was sagt der IQ aus?
ƒ Je höher der IQ,
IQ um so wahrscheinlicher sind
akademischer Lernerfolg sowie Berufs- und Lebenserfolg
ƒ IQ-Unterschiede offenbaren sich erst durch den
Schulbesuch
38
Welche kognitiven Funktionen liegen
Intelligenzunterschieden zugrunde?
ƒ Exekutive Funktionen: Ziel nicht aus den Augen verlieren
ƒ Irrelevante Information hemmen (Inhibition)
ƒ Symbole
y
müssen durch die Aktivierung
g von Wissen mit
Bedeutung versehen werden
39
Ursachen für Intelligenzunterschiede
ƒ Gene versus Umwelt
ƒ
Ergebnisse aus Zwillings- und Adoptionsstudien
ƒ
Ni ht N
Nicht
Nature
t
versus Nurture,
N t
sondern
d
N
Nature
t
via
i Nurture
N t
ƒ
Zwei zunächst paradoxe Effekte:
1. Je grösser die Chancengerechtigkeit in einer Gesellschaft ist, um so
grösser ist der auf Gene zurückzuführende Anteil der
I t lli
Intelligenzunterschiede
t
hi d
2. Mit zunehmendem Alter lassen sich Intelligenzunterschie-de stärker
durch
d
hU
Unterschiede
t
hi d iin d
den G
Genen als
l iin d
den U
Umweltbedingungen
ltb di
erklären
ƒ
E gibt
Es
ibt nicht
i ht DAS Intelligenzgen
I t lli
N t
Nature
via
i Nurture:
N t
W muss die
Was
di Umwelt
U
lt zur
Verfügung stellen, damit die in den Genen vorgesehene
Intelligenz erreicht wird?
ƒ Keine Pillen, keine teuren Extras in den ersten drei
Lebensjahren, kein Gehirnjogging,
G
kein Mozarteffekt
ff
ƒ Standardernährung,
Standardernährung emotionale Geborgenheit
Geborgenheit, natürliche
Sprachförderung, Zugang zu Symbolsystemen
ƒ Ansonsten ist die Intelligenzentwicklung erstaunlich
robust (Rumänische Waisenkinder).
ƒ Konsequenz: Intelligenzpotenziale in der gesamten
Bevölkerung suchen und für den Aufbau von Wissen
nutzen
41
Was heisst Bildungsgerechtigkeit?
19 4 07
42
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
19 04 2013