Hörtext: Wie gerecht sind Schulnoten?

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DSH-Musterprüfung
Hörtext: Wie gerecht sind Schulnoten?
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Leistungen in der Schule werden in Form von Noten bewertet. In Deutschland unterscheidet
man Schulleistungen auf einer Skala von Note 1, das bedeutet „sehr gut“, bis Note 6, das bedeutet „ungenügend“. Notenergebnisse entscheiden zunächst über den erfolgreichen Abschluss einer Klassenstufe und damit über das Erreichen der nächst höheren Klasse. Noten
entscheiden darüber hinaus aber auch, welche Schulform ein Kind nach der Grundschule besuchen darf, und damit auch, welchen Schulabschluss es erreichen kann. Hier unterscheidet
das deutsche Schulsystem grundsätzlich zwischen drei möglichen Abschlüssen: dem Hauptschulabschluss, dem Realschulabschluss und dem Gymnasialabschluss, also dem Abitur.
Damit erhalten die Noten im Abschlusszeugnis eine besondere Bedeutung für das spätere Leben eines Menschen: Sie entscheiden mehr oder weniger über seine späteren beruflichen
Möglichkeiten und damit auch über seine Chancen für einen sozialen Aufstieg. Angesichts
dieser „Macht“ von Noten ist es entscheidend, dass sie nach gerechten und objektiven Kriterien vergeben werden. Aber gerade Gerechtigkeit und Objektivität bei der Notenvergabe wird
immer wieder bezweifelt. Solche Zweifel werden durch mehrere wissenschaftliche Studien
bestätigt.
„Noten sind generell weder objektiv noch vergleichbar“. Zu dieser provozierenden Feststellung kommt Hans Brügelmann, Professor für Pädagogik und Didaktik an der Universität Siegen. An seinem Institut ausgewertete empirische Studien ergaben: Noten sind von vielen Faktoren abhängig, die gar nichts mit der Leistung zu tun haben. Wenn man etwa dieselbe Klassenarbeit verschiedenen Lehrern gab, kamen sie zu ganz unterschiedlichen Bewertungen. Die
Zensuren bewegten sich sogar auf einer Noten-Skala von Eins bis Fünf. Diese Differenz zeigte sich nicht nur im Fach Deutsch, sondern auch in Mathematik. Das ist besonders erstaunlich:
Denn gerade in Mathematik vermutete man besonders eindeutige, objektive Bewertungskriterien. Das jedoch scheint ein Irrtum zu sein. In Mathematik wie auch in anderen Fächern zeigten sich unter anderem folgende Unterschiede: Die Ansprüche der Lehrer an die Lösung von
Aufgaben unterscheiden sich teilweise erheblich. Einige Lehrer bewerten nur das Ergebnis,
andere hingegen berücksichtigen auch die Lösungswege. Generell orientieren sich viele Lehrer am durchschnittlichen Leistungsstand der Klasse. Das heißt: Leistungen, die in einer Klasse mit „Eins“ benotet werden, können in einer anderen, leistungsstärkeren Gruppe mit einer
„Drei“ benotet werden.
Einfluss auf die Bewertung haben aber offenbar auch soziale Aspekte. Zu diesem Ergebnis
kommt eine weitere Studie. Hier verglichen die Bildungsforscher Schulnoten mit den Ergebnissen eines standardisierten schriftlichen Tests. Dieser Test ermittelte die Kenntnisse von
Schülern in Mathematik und Naturwissenschaften sowie ihre sprachlichen Fähigkeiten. Beim
Vergleich des Tests mit den Schulnoten kamen die Wissenschaftler zu weiteren Erkenntnissen. Der Vergleich ergab, dass es einen deutlichen Zusammenhang zwischen Noten und dem
sozialen Status des jeweiligen Schülers bzw. seiner Familie gibt. Schüler aus unteren sozialen
Schichten wurden demnach eindeutig schlechter bewertet als ihre Mitschüler aus der Mittelbzw. Oberschicht. Dieser Notenunterschied lässt sich nach den Ergebnissen der Studie nicht
allein auf schlechtere Leistungen der Arbeiterkinder zurückführen. Denn auch bei gleicher
Leistung bekamen sie schlechtere Bewertungen als Kinder aus den höheren sozialen Schichten.
Ungerecht geht es laut der Studie auch bei der Entscheidung zu, welche Schulform die Schüler besuchen. Am Ende der Grundschule entscheiden meist Lehrer über den weiteren Weg
ihrer Schüler. Sie bestimmen, wer künftig auf das Gymnasium und wer auf die Haupt- oder
Realschule gehen wird. Doch nur teilweise lasse sich die schlechtere Empfehlung des Grundschullehrers mit der tatsächlichen Leistung eines Schülers erklären. Die Autoren der Bil-
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dungsstudie schätzen, dass sich ein Teil der Lehrer bei ihren Empfehlungen von der sozialen
Herkunft des Schülers beeinflussen lasse. In den Leistungen der Schüler können sie zwar keine Unterschiede feststellen. Trotzdem glauben sie an größere Erfolgschancen von Akademiker-Kindern auf dem Gymnasium als von Arbeiterkindern. Das hat folgenden Grund: Die
Lehrer gehen davon aus, dass die Akademiker-Familien ihre Kinder besser unterstützen und
damit ihren Lernprozess besser fördern können.
Kinder aus unteren sozialen Schichten sind also an den Gymnasien unterrepräsentiert. Dieses
Problem der sozial ungerechten Verteilungen der Schüler liegt allerdings nicht nur an den
Vorurteilen der Lehrer, sondern auch an den Einstellungen mancher Eltern, genauer gesagt an
deren Entscheidungen am Ende der Grundschulzeit. Dabei ist folgende Tendenz erkennbar: In
den Akademiker-Familien haben die Eltern in der Regel ein größeres Interesse an möglichst
hohen Bildungsabschlüssen ihrer Kinder. Daher setzen sie sich energisch dafür ein, dass sie
ein Gymnasium besuchen. Arbeiter schicken ihre Kinder dagegen häufig auf die Real- oder
Hauptschule, weil das ihrem eigenen Bildungsweg entspricht. Oft fehlt ihnen auch der Mut,
eine höhere Schulbildung für ihre Kinder anzustreben. Zusätzlich spielen finanzielle Schwierigkeiten eine Rolle.
Auf diese Weise verfestigen sich soziale Ungerechtigkeiten in unserem Bildungssystem. Ulrich Trautwein, Professor für Erziehungswissenschaft an der Universität Tübingen, zieht daher auch folgende Konsequenz aus der Bildungsstudie: Der Anteil der Arbeiterkinder an
Gymnasien muss deutlich erhöht werden. Dazu müssen die Lehrer bei der Benotung objektiver und damit sozial gerechter vorgehen. Aber auch die Beratung der Eltern aus den unteren
sozialen Schichten muss verbessert werden.
Textumfang: ca. 5715 Zeichen (mit Leerzeichen)
(Text gekürzt und sprachlich bearbeitet)
(Quelle: Alice Ahlers, „Schulnoten sind ungerecht“, in: Frankfurter Rundschau vom 15.12.2011
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Siehe folgende Seite (3)
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Hörtext:
Wie gerecht sind Schulnoten?
Begriffe
Schulformen:
1. Stufe: Grundschule
2. Stufe: Hauptschule, Realschule, Gymnasium
Bezeichnungen für sozialen Status:
• Unterschicht: Arbeiter
• Oberschicht: Akademiker
Namen / Städte:
• Hans Brügelmann / Universität Siegen
• Ulrich Trautwein / Universität Tübingen
• Wiesbaden