Namen für den Dialekt Durch die Auswertung der Frage: „Wie

Namen für den Dialekt Durch die Auswertung der Frage: „Wie würden Sie Ihren Dialekt selbst bezeichnen?“, die wir in 90 Orten in Nord‐Baden‐Württemberg gestellt haben, entstand eine Karte der Dialektbezeichnungen von Dialektsprechern. Sie zeigt das Erhebungsgebiet des nördlichen Baden‐Württemberg, strukturiert in Landkreise (TBB für Tauberbischofsheim; KÜN für Künzelsau; usw.) und abgegrenzt durch die jeweiligen Bundeslandgrenzen zu Bayern, Rheinland‐Pfalz und Hessen. Auch der Neckar (blau) und die alte badisch‐württembergische Landesgrenze (schwarz‐gestrichelt) wurden zur besseren Orientierung eingezeichnet. Man erkennt im südlichen Bereich an den roten Dreiecken deutlich das dominante schwäbische Sprachgebiet und die schwäbisch‐fränkische bzw. hohenlohische Dialektgrenze im Osten. Man erkennt aber auch die Unsicherheiten in der Dialektbezeichnung von Sprechern aus dem schwäbisch‐fränkischen Übergangsgebiet nördlich von Heilbronn (HN). Diese Unsicherheiten verdeutlichen beispielsweise die vertikalen Balken oder auch die Spiralsymbole, die im schwäbischen Raum dagegen kaum zu finden sind. Die vertikalen Balken stehen für eine Nennung der Ortsmundart als Dialektbezeichnung (wie zum Bsp. „Hemsbacherisch“) und können so als Indiz dafür gewertet werden, dass man sich keinem großen Dialekt, wie dem „Schwäbischen“ oder „Fränkischen“, zuordnen will oder kann. Die Spiralen stehen für Bezeichnungen wie „Mischung“ und sind ebenfalls als ein Zeichen unsicherer Dialektidentitäten in Übergangsgebieten zu werten. Was die subjektive Identifikation mit dem Dialekt betrifft, scheint das „Schwäbische“ dem „Fränkischen“ und auch dem „Badischen“ augenscheinlich überlegen zu sein. Es hat jedenfalls eine sehr hohe Strahlkraft, was vermutlich an seinen vielen Identifikationsangeboten liegt. Denn öfter als in nicht‐schwäbischen Dialektregionen antworteten die Sprecher hier auf die Frage, wie denn ihr Dialekt zu bezeichnen sei, mit Sätzen wie: „Wir sind Schwaben“ statt „Wir sprechen Schwäbisch.“ Das heißt, dass hier der Dialekt und die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe – in dem Fall zu den Schwaben – von den Menschen als ein und dasselbe bewertet werden. In der Legende kann man das auch an Bezeichnungen wie „Dachdraufschwaben“ oder auch „Dachdrafschwobe“ erkennen, die oft im schwäbisch‐
fränkischen Übergangsgebiet zu hören waren, wie zum Beispiel in Tiefenbronn bei Pforzheim. Hier erzählte uns ein älterer Mann Folgendes: „Ja gut, das ist ja so bei uns, da hat ja […] wir sind ja eingekreist von den Schwaben, die haben einen total anderen Dialekt, aber wir verstehen sie, aber wir schwätzen nicht viel miteinander. Weil wir fühlen uns als Badener noch. Oder: ‚Dachtraufschwaben’. Wissen Sie, was das ist? Ein Dachtrauf, also an der Grenze […] das soll das darstellen […] sozusagen, die sagen, wir wären ‚Dachtraufschwaben’ noch, und wir sagen, wir sind Badener.“ Das bedeutet, dass das Schwäbische selbst in einer abwertenden Form genauso stark ist, wie das „Rheinfränkische“, „Badische“ oder „Alemannische“. Dementsprechend häufiger ist es auch als Bezeichnung in dialektalen Übergangsgebieten vorzufinden. Vielleicht könnte man hier auch den zusätzlichen Grund anführen, dass man die unterschiedlichen Dialekte des Schwäbischen treffender unter dem Oberbegriff „Schwäbisch“ zusammenfassen kann als die verschiedenen Dialekte des ehemaligen Großherzogtums Baden unter der Bezeichnung „Badisch“. Im Gegensatz zum Badischen fallen im Schwäbischen die Grenzen des ehemaligen Herzogtums und späteren Königreichs Württemberg größtenteils mit denen des dialektalen Gebiets „Schwaben“ zusammen. Allerdings ist die Tradition einer territorialen oder politischen Grenze immer auch psychologisch. Denn auch in der Vergangenheit, also schon vor hundert oder zweihundert Jahren, wurden die Dialektgrenzen von den Menschen wahrgenommen und mit Unterschieden im Charakter und in den Lebensgewohnheiten der Nachbarn erklärt. Zu den Vorstellungen von kulturellen und charakterlichen Unterschieden zählt zum Beispiel das Vorurteil, dass alle Schwaben sparsam und arbeitswütig seien und im Gegensatz dazu, alle Badener gesellig und lebensfroh. Der Tübinger Professor Hermann Bausinger hat das in seinem 2002 erschienenen Buch „Die bessere Hälfte: Von Badenern und Württembergern“ ausführlich beschrieben. Man spricht also nicht nur Schwäbisch, man ist schwäbisch. Badisch dagegen ist vor allem der Dialekt, das Land, der Wein – weniger die Menschen selbst, was auch für den fränkischen Dialekt gilt. Diese Selbstzuordnungen zu bestimmten Dialekten haben auch Auswirkungen auf die Dialekte. Der Dialektologe Tobias Streck von der Universität Freiburg hat sich damit beschäftigt. Er hat versucht zu zeigen, warum sich die alemannisch‐sprechende Bevölkerung des nördlichen Bodenseeraums als schwäbisch‐sprechend fühlt. Tatsächlich häufen sich seit der territorialen Neugestaltung des Bodenseeraums (seit 1802‐1810) die lautlichen Belege für eine „Schwabisierung“ – d.h. eine deutliche Zunahme schwäbischer Dialektmerkmale in der Gegend nördlich und nordöstlich des Bodensees. Es kommt beim Dialektsprechen also auch darauf an, zu welcher Region man sich zugehörig fühlt und das kann eben manchmal wechseln.