Wie findet man einen Bischof ?

Blickpunkt
Nummer 9 · 2. März 2014
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Thema: Bischofsernennungen
Wie findet man einen Bischof ?
In diesem Jahr sind in Deutschland mehrere Bischofsstühle neu zu besetzen: So bestimmt die Kirche geeignete Kandidaten
an die „Congregazione per i Vescovi“ (Kongregation für die Bischöfe), Palazzo delle Congregazioni, Piazza Pio XII, Nr. 10. Dort,
in dem fünfgeschossigen Bau linker Hand vor dem Petersplatz,
fallen die mit Spannung erwarteten Entscheidungen: Welcher Name wird dem Papst zur Ernennung
vorgelegt? Welche Namen werden
auf eine Liste gesetzt, aus der ein
Domkapitel den Bischof wählt?
Von Roland Juchem
„Wir backen uns einen Erzbischof – backen Sie mit!“ Mit
dem flotten Spruch lud Mitte
Februar die „Kölner Kircheninitiative“ zu einer Aktion auf die
Kölner Domplatte. Nun werden Bischöfe nicht gebacken,
sondern ausgesucht, gewählt
und ernannt – in einem sehr
diskreten Verfahren.
In Deutschlands größtem Bistum
– gemessen an der Katholikenzahl – wird nach dem Rücktritt
von Kardinal Joachim Meisner,
der dieser Tage erfolgt, ein neuer Erzbischof gesucht. Und, so
die Initiative weiter, „ein richtig
guter Erzbischof braucht beste
Zutaten: Pfundweise Vertrauen
in Gott und die Menschen, eine
gesunde Portion Verstand, eine
großzügige Menge Herz, eine gepfefferte Prise Humor und vieles
mehr … oder welche Zutaten
würden Sie empfehlen …?“
Damit das Kirchenvolk seine
Wünsche kundtun kann, verteilte
die Initiative einen Fragebogen
mit lauter löblichen Eigenschaften: Offenheit, Toleranz, Menschlichkeit, Teamfähigkeit, Autorität,
Güte und Demut, Herzlichkeit,
Humor, Wertschätzung und Respekt, Glaubhaftigkeit …
Unkatholisch sind die Eigenschaften nicht. Das zeigt auch
jener hoch geheime Fragebogen,
mit dem Rom Informationen einholt über mögliche Kandidaten
für das Bischofsamt. Verschickt
wird der Fragebogen im doppelten Umschlag. Landet der im Posteingang eines Bischofshauses, und
öffnet die Sekretärin ihn, erscheint ein zweiter Umschlag mit
der Aufschrift: „Sub secreto pontifice“ – „unter päpstlichem Geheimnis“.
Dann wird dieser Umschlag direkt dem Bischof übergeben. Der
liest: „… unter den Geistlichen,
die für eine eventuelle Ernennung
zum Bischofsamt genannt werden,
ist NN.“ Daher bitte der Päpstliche
Nuntius den Adressaten, ihm Informationen über den Genannten
zukommen zu lassen „unter Be-
Pro Bischofsstuhl wird etwa
eine Stunde lang beraten
Bischofsernennungen sind wichtige und schwierige Personalentscheidungen.
rücksichtigung des beiliegenden
Fragebogens“ – ohne aber Dritte
zu befragen.
Auf diese Weise werden nicht
nur Bischöfe befragt, auch andere Priester, Ordensleute, ja auch
Laien, so von ihnen „ein gutes Urteilsvermögen, ein klares Urteil
und die erforderliche Verschwiegenheit erwartet werden dürfen“,
wie es im Anschreiben heißt.
Die Anfrage falle „für immer unter das päpstliche Geheimnis“;
der Adressat sei zu allergrößter
Zurückhaltung verpflichtet. Im
Fragebogen selbst wird in zwölf
Rubriken nach der Eignung eines
möglichen Bischofskandidaten
gefragt (siehe rechts).
Mögliche Bischöfe finden:
eine Aufgabe des Nuntius
„Diese Erhebung“, so der Leiter
der Bischofskongregation in Rom,
Kardinal Marc Ouellet, in einem
Interview mit der italienischen
Zeitung „Avvenire“, „liefert ausreichend Elemente, um einige
Kandidaten auszuschließen, andere zu akzeptieren oder nochmals andere hinzuzufügen.“
Kandidaten fürs Bischofsamt
zu finden und ihre Ernennung
vorzubereiten, ist eine der Haupt-
aufgaben des Päpstlichen Nuntius
in jedem Land. Er sammelt Informationen – etwa mit dem Fragebogen – und leitet Namenslisten
möglicher Kandidaten weiter. Solche Listen werden in Deutschland
von Bischöfen und Domkapiteln
an die Nuntiatur geschickt, oft
Foto: dpa
regelmäßig. Auf jeden Fall aber
dann, wenn ein Bischofsstuhl zu
besetzen ist. So sieht es das für
Deutschland gültige Staatskirchenrecht vor (siehe unten).
Ist nun ein Bischofsstuhl zu besetzen, schickt der Nuntius eine
Namensliste nach Rom, genauer
Dokumentiert
Kriterien für Bischofskandidaten
1. Arbeitsfähigkeit, Krankheiten
– auch erbliche, Familienverhältnisse;
2. Intellekt, Charakter, Verantwortungsbewusstsein und
Urteilsvermögen;
3. Tugenden wie Sinn für Gerechtigkeit, Glaube, Hoffnung,
Liebe, Demut, Frömmigkeit,
liturgische Praxis, Bibel- und
Marienfrömmigkeit;
4. Verhältnis zu staatlichen Autoritäten, moralische Integrität;
5. theologische und wissenschaftliche Fortbildungen, Veröffentlichungen, Fremdsprachenkenntnisse, Bewusstsein
für gesellschaftliche Themen;
6. Übereinstimmung mit der
kirchlichen Lehre, vor allem
mit Bezug auf Frauenordination, Ehe und Sexuallehre,
Soziallehre, II. Vaticanum;
7. Disziplin und Gehorsam gegenüber kirchlicher Obrigkeit,
dem Kirchenrecht, Verhältnis
zur liturgischen Ordnung,
Kleidungsstil;
8. Erfahrungen als Seelsorger
und Verkündiger, Fähigkeit
zur öffentlichen Rede, Einsatz
für Ökumene, für Bildung der
Laien und Berufungen.
9. Führungs-, Vermittlungs- und
Begeisterungsfähigkeit;
10. Verwaltungsfähigkeit sowie
Bereitschaft, sich beraten zu
lassen;
11. Ansehen bei Mitbrüdern,
Gläubigen und sonstiger Öffentlichkeit.
12. Wäre er fähig, ein Bistum zu
leiten? Wenn ja, welche Art
von Bistum?
Hier erstellen Mitarbeiter der
päpstlichen Behörde Dossiers, dicke Ordner, in denen nicht nur
Zeugnisse, Medienberichte und
Texte der Kandidaten stehen,
sondern auch Informationen über
das Bistum: Land, Leute, Wirtschaft, Politik. Alle zwei Wochen
trifft sich das Gremium aus Bischöfen und Kardinälen für jeweils vier bis fünf Stunden. Zuvor
haben sie die Dossiers studiert.
Meist werde pro Bischofsstuhl eine Stunde lang beraten, erzählt
Kardinal Meisner. Das Votum der
Kongregation nimmt der Präfekt
mit in die Audienz beim Papst.
„Der Papst ernennt die Bischöfe frei oder bestätigt die
rechtmäßig Gewählten“, sagt
das Kirchenrecht. In den meisten
Fällen stimmt er der Empfehlung der Kongregation zu, kann
aber jederzeit Listen verändern
oder einen anderen ernennen.
Nun gründen Personalentscheidungen nicht nur auf formalen
Verfahren, sondern auch auf Beziehungen. Wer ist der Kongregation persönlich bekannt? Wen
kennt der Papst persönlich?
Wenn nun in den kommenden
Monaten in der Berliner Nuntiatur Listen mit Namen aus Rom
eintreffen, dann sollten die darin
Genannten möglichst viele Kriterien erfüllen. Weil aber niemand
perfekt ist, bleibt die Frage, so
der Schweizer Kirchenhistoriker
Walter Kirchschläger, bei welchen
Kriterien die Verantwortlichen
bereit sind, „zurückzustecken,
und bei welchen Fragekreisen es
absolut keine Kompromisse gibt“.
Wie eine Wahl
vor sich geht …
Am 8. April 2009 wurde Stephan Ackermann zum Bischof
von Trier ernannt. Was in den
Tagen zuvor geschah …
30. März, 16 Uhr: Anruf aus der
Nuntiatur in Berlin beim Dompropst in Trier: Die Dreierliste
aus Rom mit den Kandidaten ist
da. 18 Uhr: Der Dompropst lädt
die 14 Domkapitulare für den 2.
April um 18 Uhr zur Wahl ein.
31. März, 8.30 Uhr: Die Postbotin
überbringt dem Dompropst ein
Einschreiben mit Rückschein aus
Berlin, darin: die Dreierliste.
2. April, 18 Uhr: Die Domkapitulare treffen sich im Kapitelsaal;
dort beten sie die Vesper. Der
Dompropst öffnet den Umschlag,
in dem ein zweiter steckt mit
den Namen der drei Kandidaten,
darunter „Stephan Ackermann“.
Mit Laptop und Drucker werden
Wahlzettel erstellt. Die werden
ausgefüllt in eine selbst gebastelte Urne gelegt. Dompropst und
Domdechant zählen die Stimmen aus: Ackermann nimmt die
Wahl an; trotz Fastenzeit wird
mit einem Glas Sekt angestoßen.
3. April, vormittags: Der Dompropst versucht, die Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz
und des Saarlands, Beck und
Müller, zu erreichen; laut Konkordat müssen die bestätigen,
dass es gegen den Kandidaten
keine politischen Bedenken gibt.
Die Politiker sind noch in Berlin;
um 16.30 Uhr aber trifft der
Dompropst Müller in Saarbrücken, um 17.30 Uhr ein anderer
Domkapitular Beck in Mainz:
keinerlei Bedenken. Um 19 Uhr
teilt der Dompropst dem Nuntius
das Wahlergebnis mit.
4. April, vormittags: Treffen einer
Vorbereitungsgruppe für die Bekanntgabe des neuen Bischofs.
6. April, nachmittags: Die Nuntiatur bestätigt, dass der Papst den
Bischof am 8. April ernennt.
8. April, 8 Uhr: Die Pressestelle
lädt die Medien telefonisch ein
zur Chrisammesse und Pressekonferenz. 10 Uhr: Die Chrisammesse beginnt; am Ende gibt der
Dompropst bekannt, dass Stephan Ackermann neuer Bischof
von Trier wird.
Quelle: Bistum Trier
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Zur Sache
Welche Bischofsstühle werden demnächst besetzt?
Bistum Erfurt
Erzbistum Freiburg
Zum 1. Oktober
2012 hat Papst
Benedikt XVI.
den Rücktritt
von Bischof
Joachim Wanke
angenommen.
Seitdem wartet
das thüringische Bistum auf
einen neuen Bischof und wird
geleitet von Weihbischof Reinhard Hauke als Diözesanadministrator. Für die Neubesetzung
des Bischofsstuhles gelten die
Bestimmungen des Preußenkonkordates von 1929: Das vakante
Bistum sowie die anderen
Diözesen im Geltungsbereich
des Preußenkonkordates senden
Listen geeigneter Kandidaten
nach Rom. „Unter Würdigung
dieser Listen benennt der Heilige
Stuhl dem Kapitel drei Personen,
aus denen es in freier, geheimer
Abstimmung zu wählen hat.“ Die
jeweilige Landesregierung, hier
Thüringen, kann bei politischen
Bedenken Einwände erheben.
Danach ernennt der Papst den
Gewählten.
Bistum Erfurt: gegründet 1994,
Fläche: 12 000 km2, Katholikenzahl: 152 000, knapp acht Prozent der Gesamtbevölkerung.
Zum 17. September 2013 hat Papst
Franziskus den
altersbedingten
Rücktritt von
Erzbischof Robert
Zollitsch (75)
angenommen. Gleichzeitig ernannte er ihn zum Apostolischen
Administrator des zweitgrößten
deutschen Bistums. Bereits Ende
2013 hat das Freiburger Domkapitel seine Kandidatenvorschläge für einen neuen Erzbischof
an die Nuntiatur geschickt. Im
Erzbistum Freiburg gelten neben
dem Kirchenrecht die Bestimmungen des Badenkonkordates
von 1932: Unter Würdigung von
Vorschlagslisten aus dem Erzbistum nennt der Vatikan dem
Domkapitel drei Kandidaten,
von denen einer ein Priester des
Erzbistum sein muss. Aus ihnen
wählt das Kapitel den Erzbischof.
Erzbistum Freiburg: gegründet
1827, Fläche: 16 229 km2, Katholikenzahl: 1,96 Millionen, 38
Prozent der Gesamtbevölkerung.
Erzbistum Hamburg
Zwar hat der Papst den Rücktritt
von Erzbischof Werner Thissen,
der am 3. Dezember 75 Jahre alt geworden
ist, noch nicht
angenommen.
Doch mit der
Annahme ist
bald zu rechnen. Ab dem Zeitpunkt wird
dann auch für die flächenmäßig
größte deutsche Diözese ein neuer Bischof gesucht. Dabei gelten
ebenfalls die Bestimmungen des
Preußenkonkordates.
Erzbistum Hamburg: gegründet
1994, Fläche: 32 654 km2, Katholikenzahl: 397 000, knapp sieben
Prozent der Gesamtbevölkerung.
Erzbistum Köln
Seitdem der
Papst am 28.
Februar den
Rücktritt des Kölner Erzbischofs,
Kardinal Joachim
Meisner, angenommen hat, ist
der Bischofsstuhl in Köln vakant,
also unbesetzt. Damit beginnt –
offiziell – die Suche und Bestimmung eines Nachfolgers. Wie in
Erfurt und Hamburg gelten auch
in Köln die Bestimmungen des
Preußenkonkordates von 1929.
Erzbistum Köln: gegründet um
310, Fläche: 6181 km2, Katholikenzahl: 2,07 Millionen, 40
Prozent der Gesamtbevölkerung.
Bistum Passau
Ebenso lange
wie Erfurt wartet auch das
„katholischste“
Bistum Deutschlands auf einen
neuen Bischof.
Als am 1. Oktober 2012 der Papst
den Rücktritt von Bischof Wilhelm Schraml annahm, ernannte
er ihn zugleich zum Apostolischen Administrator. Am 2. September 2013 wurde Schraml
auch von dieser Aufgabe entbunden. Seither leitet das Bistum
der frühere Generalvikar Klaus
Metzl als Diözesanadministrator.
Für die Ernennung in Passau
gelten die Bestimmungen des
Bayernkonkordats von 1924: Der
Papst ernennt den Bischof frei,
ist aber verpflichtet, jemanden zu
nehmen, der auf einer der Kandidatenlisten steht, die regelmäßig
nach Rom geschickt werden.
Bistum Passau: gegründet 739,
Fläche: 5442 km2, Katholikenzahl: 481 000, 88 Prozent der
Gesamtbevölkerung.
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