Ich freue mich, Ihnen eine – wie ich festgestellt habe - Ilanz

–
Ich freue mich, Ihnen eine – wie ich festgestellt habe – weitgehend unbekannte Persönlichkeit des
Dominikanerordens vorstellen zu dürfen. Sr. Maria Klara Moes.
Sie hat im 19. Jahrhundert gelebt und es ist wichtig, sie in der Ordensgeschichte ihrer Zeit zu sehen.
Der allgemeine Klostersturm des 18. und 19. Jahrhunderts hatte zur Folge, dass der Dominikanerorden
in seiner Existenz bedroht war. So gab es z. B. in Frankreich nach der Französischen Revolution keine
dominikanische Niederlassung mehr.
Sr. Dominika Klara Moes war Ordensgründerin und Mystikerin. Ihr aussergewöhnliches Leben war
geprägt durch Leiden, Opfer, Beten, Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes. Sie selber schrieb: Mein
Leben war durch Leiden durchwebt, Leiden nach innen und nach aussen. Sie wurde auf aussergewöhnliche, übernatürliche Weise geführt und belehrt. In Ekstasen und mystischen Vermählungen hat sie
intensive Christus-Begegnungen erfahren. Sie schrieb ihre Erfahrungen auf Geheiss ihres Beichtvaters
auf. Von sich aus hätte sie es nicht getan.
Anna - dies war ihr Taufname - wurde am 27.Oktober 1832 in Bous, in Luxemburg als eines von 11
Kindern geboren. Ihr Vater war hauptberuflich Lehrer. Die Mutter war für die Hauswirtschaft zuständig. Ein Onkel lebte als Priester in Amerika. Drei ihrer Brüder wurden ebenfalls Priester.
Anna war schon in sehr frühem Kindesalter mit ihrem Schutzengel in Kontakt. Durch ihn hat sie erfahren, dass sie in ihrem Leben viel werde leiden müssen. Tatsächlich erkrankte sie im Alter von etwa 2
Jahren an einer schmerzhaften Augenkrankheit. Sie musste als Kind meist zur Wand hingewandt in
einer Zimmerecke sitzen, weil das Licht ihre Schmerzen verstärkte.
Ebenfalls schon im Kindesalter wurde ihr in einer Vision kund, dass sie berufen sei eine kontemplative,
dominikanische Gemeinschaft zu gründen. Der hl. Dominikus erschien ihr jährlich am 4. August. Auch
die hl. Rosa von Lima und die hl. Katharina von Siena waren ihre Lieblingsheiligen und ihre Vorbilder.
Ihr Auftrag im Dominikanerorden hatte vor allem zwei Schwerpunkte:
-
Sie musste beten und leiden, um eine Neubelebung des Dominikanerordens zu unterstützen. Die
Neubelebung sollte den Orden wieder zum ursprünglichen Geist des hl. Dominikus zurückführen.
Das Verschwinden sehr vieler Niederlassungen lähmte allgemein die Begeisterung und die Überzeugung für den Ordensberuf. Der Geist des Ordens entsprach nicht mehr dem Vorbild des hl.
Dominikus.
-
Den 2. Schwerpunkt können wir als Konsequenz des 1. betrachten. Wie erwähnt, war sie berufen,
ein kontemplatives Kloster mit dominikanischer Lebensweise und Spiritualität zu gründen. Das Leben in der zu gründenden Gemeinschaft sollte nach dem Beispiel des einfachen Lebens Jesu in Nazareth gestaltet werden. Der dominikanische Geist sollte lebendig gelebt werden, wie der hl. Dominikus es ursprünglich vorgesehen hatte.
Sie schrieb in ihr Tagebuch, sie hätte auf natürlichem Weg vorher noch nie etwas von einem Dominikanerorden gehört. Sie nahm ihren Auftrag sehr ernst und betete schon als Kind täglich drei Rosenkränze für den Orden.
Im Alter von 17 Jahren wurde sie in einer Christus-Vision deutlich beauftragt, die Gründung der neuen
Gemeinschaft konkret ins Auge zu fassen. Von ihrer natürlichen Veranlagung her, sehnte sie sich nach
einem zurückgezogenen Leben. So wurde sie durch die Aufforderung selber ein Kloster zu gründen,
beinahe erdrückt. Nach jahrelangem Beten und Leiden war 1859 der Zeitpunkt gekommen. Zusammen
mit ihrer ersten Gefährtin, Anna Engels, bezog sie also im Alter von 27 Jahren, auf dem Limpertsberg
den sogenannten Staudthof. Innerhalb eines Jahres wurden vier weitere Frauen aufgenommen.
Anna wurde durch Priester, die an ihre besondere Berufung glaubten, unterstützt und ermuntert. Zwei
der Priester waren Tertiaren des Dominikanerordens. Die Frauen der kleinen Gemeinschaft wurden
vorerst als Tertiarinnen in den 3. Orden des hl. Dominikus aufgenommen. Anna Moes bekam den Namen Sr. Dominika Klara. Sie wollte still und im Hintergrund ihr Leben in den Dienst der Kirche und des
Ordens stellen. Ihr aussergewöhnliches Leben fiel jedoch auf und erweckte Misstrauen. Man beschuldigte sie, eine Lügnerin und Täuscherin zu sein. Man warf ihr vor, sich nicht gehorsam an die Auflagen
des Bischofs zu halten. Sie musste sich unangenehmen und demütigenden Befragungen und Beobachtungen durch Priester unterziehen. Obwohl die Urteile der Befrager ihre Ehrlichkeit und Lauterkeit
bezeugten, blieb der Diözesanbischof misstrauisch. Die Tertiarinnen erhielten 20 Jahre nach der Gründung immer noch keine Genehmigung, als Kloster zu gelten. Sie bekamen keine Zusage, in ihrem Haus
die hl. Eucharistie feiern zu dürfen.
Sr. Dominika Klara war aber unmissverständlich dazu berufen, eine Gemeinschaft des
2. Ordens zu gründen. Da bekam sie wiederum in einer mystischen Christus-Erfahrung den Auftrag,
nach Clairefontaine in Belgien zu übersiedeln. Hier war der Bischof offen und die Tertiarinnen wurden
bald eingekleidet. Sie bekamen die offizielle kirchliche Genehmigung für den 2. Orden. Es heisst: Sr.
Dominika Klara genoss die süsse Ruhe der Einsamkeit.
Nach vier Jahren friedlichen Lebens in Clairefontaine wurden die Schwestern durch Arbeiterunruhen
bedroht, und mussten wieder in ihre Heimat auf den Limpertsberg zurückkehren. In dieser Zeit entstand eine Niederlassung der Dominikanerbrüder in Luxemburg. Ebenfalls in dieser Zeit traten Henri
Lacordaire und Vinzenz Jandel in den Dominikaneroden ein. Sie begründeten den Orden in Frankreich
von Neuem.
Sr. Dominika Klara trug viele Jahre die Wundmale Jesu. Es wird beschrieben, dass sie kurz nach der
Gründung auf dem Limpertsberg durch sogenannte Leidensekstasen in den Garten Getsemani versetzt
wurde, wo sie die Leidenswege Jesu nacherlebte. Auf diesen Leidenswegen prägten sich ihr die
Wundmale Jesu ein.
Sr. Dominika Klara starb 1865, 63 jährig. Ihr Kloster in Luxemburg wurde aufgrund mangelnden Nachwuchses vor einige Jahren aufgegeben.
Ich musste mich auf einige Grundaspekte ihres Lebens und ihrer dominikanischen Berufung beschränken. Trotzdem möchte ich noch ein Detail ihrer Spiritualität – ihre Liebe zur Natur – erwähnen. Sie
liebte die Tiere, sie bewunderte kleinste Insekten und Vögel und forderte sie auf, Gott zu loben. Sie
behandelte Insekten und Vögel als ihre Freunde. Wahrscheinlich hat sie nie eine Fliege getötet. Es wird
geschildert, dass sie in ihrer Zelle von Insekten und Vögeln umgeben war, so dass die Schwestern der
Nachbarzellen das Summen und Flattern hörten. Sie lebte wie Franz von Assisi oder Martin Porres vor,
dass auch die kleinsten Lebewesen unserer Ehrfurcht würdig sind und in das Lob Gottes einbezogen
werden sollen. Obwohl wir solche christliche Vorbilder haben, wurde die Schöpfung als Erweis und als
Hinweis auf Gottes Grösse in der christlichen Spiritualität weitgehend vernachlässigt. Die Folgen kennen wir.
Was sagt Sr. Dominika Klara Moes uns Dominikanerinnen von heute? Welche ihrer Haltungen und
Eigenschaften können uns auch heute noch wegweisend sein?
-
Sie hat sich zur Verfügung gestellt, sie hat unerschütterlich an ihre Gebets- und Leidensmission
geglaubt.
-
Es ging ihr nicht darum, Ordensgründerin zu sein, sondern den Auftrag Gottes zu erfüllen.
-
Sie hatte einen sehr langen Atem, sie gab nicht auf, sie liess sich durch die mannigfaltigsten Hindernisse nicht von ihrem Weg abbringen.
-
Ihre Haltung, dem Unscheinbaren, Stillen und Verborgenen gegenüber, ist beeindruckend. Vordergründig und nach menschlichem Ermessen hatte sie keine grossen Fische in ihrem Netz. Trotzdem hat sie das Netz immer wieder neu ausgeworfen.
Generalkapitel 2009 / Sr. Maria Esther Küttel