Wie gelingt ein echter Friedensschluss?

Wirtschaft
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F R A N K F U RT E R A L LG E M E I N E Z E I T U N G
Für deutsche
Unternehmen wird
Afrika wichtiger
LÄNDERBERICHT: KOLUMBIEN
Wie gelingt ein echter
Friedensschluss?
Smaragdmine nahe Muzos: Die Regierung steckt Milliarden in Straßen, Häfen, Energie- und Schienennetze.
4,0 3,7 4,2
Bogotá
1,7
E
08 09 10 11 12 13 14
KOLUMBIEN
ECUADOR
as
azon
Am
PERU
500 km
Iquitos
Fläche:1)
1,139 Mio. km2
Bevölkerung (2013):2)
Bevölkerungswachstum (2012):
F.A.Z.-Karte fbr./lev.
BRASILIEN
Putumayo
47,2 Mio.
3)
+1,186600
Proz.
in Millionen Tonnen 2012
Brasilien
Vietnam
Indonesien
Kolumbien
32 Äthiopien
Gesamtexport
Indien
Honduras
7
Peru
Ölexport
1
Mexiko
93 97 01 05 09 13
14,7
(Prognose)
11,1
2011
2012
(Prognose)
12,2
10,4
2013
2014
Quelle: International Monetary Fund, World Economic Outlook
Database, October 2013.
F.A.Z.-Grafik Sieber
2,3
3,4 3,2
2,2
3,0
08 09 10 11 12 13 14
Arbeitslosenquote
in Prozent
Prognose
1,3
0,8
0,6
0,5
0,3
0,3
0,3
0,2
biete. Ein langer Streik der Land- und
Transportarbeiter legte im September weite Teile des Landes lahm. Millionen Bauern sind im langen Bürgerkrieg durch
Guerrilla oder Paramilitärs von ihrem
Land vertrieben worden. Die meisten Bauern haben heute keine Eigentumstitel für
das Land, das sie bearbeiten – und damit
auch keinen Zugang zu Krediten. Die bei
den Friedensverhandlungen vereinbarte
Landreform soll Abhilfe schaffen.
Trotz der fortbestehenden Probleme
kehren immer mehr kolumbianische
„Wirtschaftsflüchtlinge“ in ihr Land zurück. Die Architektin Liliana Ramírez war
in der Krise 2001 nach Spanien gegangen,
„weil ich dort bessere Studien- und Arbeitsmöglichkeiten hatte“, wie sie sagt.
Spaniens Immobilienkrise bewog Liliana
2012 zur Rückkehr. Schon nach einem Monat fand sie in Bogotá einen Job bei der
frisch gegründeten Niederlassung des
deutschen Badausstatters Keuco. Lilianas
spanischer Ehemann kam wenig später
nach, auch er fand gleich Arbeit. „Heute
sind die besseren Möglichkeiten hier“,
sagt Liliana. „Kolumbien erlebt derzeit einen großen Moment“, sagt der Unternehmer Dávila. Nach fünfzig Jahren Konflikt
schicke sich das Land an, die „verlorene
Ob die Produktionsziele realistisch
sind, hängt von Investitionen in die veraltete, teils noch aus der Sowjetzeit stammende Infrastruktur ab. Die benötigten Investitionsgüter müssen aus dem Ausland
beschafft werden. Ein Schlüsselfaktor ist
die Zusammenarbeit mit ausländischen
Energiefirmen. Häufig halten die sich die
Tür mit großzügigen „Spenden“ offen.
Auch der chinesische Staatskonzern
CNPC ist im Erdgassektor des Landes aktiv. Dahinter steckt eine geostrategische
Umorientierung: Nach der von Spekulationen umrankten Explosion einer alten
Pipeline nach Russland im April 2009
brach die Erdgasförderung Turkmenistans um fast die Hälfte ein. Dies war für
die Staatsführung in Aschgabad ein weiterer Grund, die Abhängigkeit von Moskau
zu reduzieren. Turkmenistan will nun den
Export nach China bis 2020 auf 65 Milliarden Kubikmeter jährlich steigern; im ers-
„Nur die Ausfuhren nach
Südostasien legen derzeit
ähnlich dynamisch zu.“
Heiko Schwiderowski, DIHK
Prognose
10,0
04 06 08 10 12 14
1) Deutschland: 357 104 Quadratkilometer. 2) Deutschland: 80,5 Millionen (2012). 3) Deutschland: +0,1 Prozent (2012). 4) Hochrechnung für 2013 auf Basis der Werte Januar bis Oktober.
Quellen: Internationaler Währungsfonds; GTAI; kolumbianisches Statistikamt (DANE); ICO; eigene Berechnungen / F.A.Z.-Grafik Brocker
Zeit“ aufzuholen. „Die nächsten zwanzig
Jahre werden die beste Zeit Kolumbiens
werden.“
Ohne Angst blickt der 56 Jahre alte
Kleinbauer Palmiro Torres Carmona auf
sein Feld. Mit dem Anbau von afrikanischen Palmen auf seinem Feld bei María
la Baja gehört er zur aufstrebenden Palmölindustrie seines Landes und hat sich damit unverhofft Wohlstand erarbeitet. Er
klingt zufrieden. Bis zur heißen Karibikküste Kolumbiens sind es nur dreißig Kilometer. „Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal mit Klimaanlage schlafen würde“,
sagt er.
santeste Markt“, sagt Kannengießer.
Das Land ist bereits der mit Abstand
wichtigste Handelspartner für die deutsche Wirtschaft auf dem Kontinent. Nigeria, Moçambique, Namibia, Algerien, Angola, Ghana und Kenia landen
auf den weiteren Plätzen der interessantesten Standorte. „Es gibt zwar auch
eine Reihe von Konflikten auf dem afrikanischen Kontinent – mit besonderer
Sorge blicken wir aktuell auf die Entwicklungen im Südsudan –, doch die
Mehrzahl der 54 afrikanischen Staaten
sind politisch stabil und seit vielen Jahren auf einem wirtschaftlichen Erfolgsweg“, behauptet Kannengießer.
1500 bis 2000 deutsche Unternehmen sind dem DIHK zufolge in Afrika
tätig, davon allein 700 in Südafrika.
Die deutschen Investitionen auf dem
Kontinent belaufen sich aktuell auf
fast 9 Milliarden Euro, davon rund 5
Milliarden in Südafrika und knapp 3
Milliarden in Nordafrika.
Afrika ist der mit Abstand ärmste
Kontinent, jedoch der mit der zweitgrößten Bevölkerung nach Asien und
zudem derjenige mit der jüngsten und
am schnellsten wachsenden Bevölkerung. Dies gilt vielen Beobachtern als
Chance für die weitere wirtschaftliche
Entwicklung.
SPD für Neustart der Energiewende
So „lustig“ kann eine Staatsparade sein: Turkmenen feiern ihren autoritären Herrscher am Unabhängigkeitstag.
Wachstumsrate in Turkmenistan in Prozent
4,2
3,1 13,7
58
Das autokratisch regierte Turkmenistan bleibt vom Rohstoffexport abhängig – und orientiert sich vermehrt nach China
Wachstum schwächt sich ab
7,0
Große Kaffeeproduzenten
in Milliarden Dollar4)
Exportanteil Öl:
1993.........19%
2013.........55%
Erdgas-Königreich in der Wüste
MOSKAU, 29. Dezember. In den zweifelhaften Genuss einer Wahl und doch keiner Wahl sind jüngst die Menschen im
zentralasiatischen Turkmenistan gekommen. Erstmals durften sie sich bei einer
Parlamentswahl zwischen zwei Parteien
entscheiden. Aber dass ihr Votum etwas
an den autoritären Zuständen im Land ändern wird, ist auszuschließen. Der seit
2006 amtierende Präsident Gurbanguly
Berdymuchammedow hat es fest im
Griff, schottet es in fast nordkoreanischer
Manier von der Außenwelt ab und öffnet
es nur für unbedingt notwendige Wirtschaftskooperationen. Es ist Berdymuchammedows Segen und damit der Fluch
seines weitgehend in Armut lebenden Volkes, dass Turkmenistan über die weltweit
viertgrößten Erdgasreserven verfügt
(rund 9 Prozent der nachgewiesenen Vorkommen der Erde laut dem Erdölkonzern
BP). Die Ausbeutung der 17,5 Billionen
Kubikmeter Erdgas und die intransparente Verteilung der Einnahmen in den oberen Zirkeln sichern die Macht des Herrschers, der um sich einen Personenkult
veranstalten lässt.
Offiziell wächst die turkmenische Wirtschaft mit zweistelligen Raten; der Internationale Währungsfonds (IWF) sagt
auch für 2013 und 2014 eine Zunahme
des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um
knapp über 10 Prozent voraus. Ob das
Wachstum längerfristig anhält, hat das
hauptsächlich aus Wüste bestehende
Land mit etwa 5,5 Millionen Einwohnern
zum Teil nicht selbst in der Hand: Wegen
der Abhängigkeit vom Erdgasexport ist
das größte Risiko exogen, nämlich ein
Einbruch der Energiepreise auf dem Weltmarkt. In den kommenden zwei Jahrzehnten möchte Turkmenistan seine Erdgasproduktion verdreifachen. Für 2013 peilte es 77 Milliarden Kubikmeter an – ein
Fünftel mehr als 2012. Zwei Drittel der
Förderung werden exportiert. Erdgas
macht 90 Prozent aller Ausfuhren aus. In
geringem Maße ist Turkmenistan auch
Erdölexporteur.
in Prozent
Prognose
Erdölexport
Foto AFP
Inflationsrate
09 10 11 12 13 13 14 14
Prognose
Quito
45 900
4,0
3,5
N
Orin
Medellín
Pazifik
Cali
oco
Deutschland Vgl.
Caracas
VENEZUELA
María la Baja
PANAMA
Bahia
Solano
6,6
44 000
Montes de María
8200
Niederl.
Antillen
Barranquilla
in Dollar
reales BIP in Prozent
5100
6300
7200
7900
7800
Karibik
BIP je Einwohner
Wirtschaftswachstum
Deutschland Vgl.
Kolumbien
D
V
N
BOGOTÁ, 29. Dezember
or ein paar Jahren hat er sich kaum
auf die Felder getraut. Zu gefährlich. Guerrilla, Militärs und Drogenbanden terrorisierten das Gebiet.
„Egal wem wir begegneten, wir mussten
immer um unser Leben fürchten“, sagt der
Kleinbauer Palmiro Torres Carmona. Die
Zone der Montes de María zählte zu den
Konfliktgebieten, in der die Guerrilla der
„Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens“
(Farc), paramilitärischen Anti-GuerillaEinheiten und Drogenbanden wirkten.
Vor zehn Jahren war eine Autofahrt zwischen den größeren Städten nur in Begleitung militärischer Sicherheitskonvois möglich – wenn überhaupt. Viele Unternehmer verließen aus Sicherheitsgründen das
Land. Auch viele Arbeitnehmer, die in der
Krise ihre Jobs verloren, gingen ins Ausland. Von 1996 bis 2002 wuchs das Bruttoinlandsprodukt Kolumbiens lediglich
leicht, und das Einkommen je Kopf ging
sogar zurück. Doch seit 2003 wächst die
Wirtschaft im Durchschnitt um mehr als 5
Prozent im Jahr. Kolumbien profitiert wie
andere Schwellenländer vom Boom der
Rohstoffmärkte.
Die erfolgreiche Bekämpfung der Guerrilla und die Demobilisierung der Paramilitärs unter der Regierung des Ex-Präsidenten Álvaro Uribe (2002 bis 2010) hat in
vielen Gebieten die Aufnahme von wirtschaftlichen Tätigkeiten überhaupt erst
möglich gemacht. In einigen Regionen –
besonders im Süden und in den Grenzgebieten zu Venezuela – ist die Guerrilla der
Farc immer noch stark. Die Ölindustrie,
die allein die Hälfte der Exporteinnahmen Kolumbiens einbringt, wird immer
wieder durch Anschläge auf Ölleitungen
zurückgeworfen. Auch Regionen mit großem landwirtschaftlichen Potential gehören zu den Gefahrenzonen, in die sich Investoren nur zögerlich trauen. Oft ist die
Infrastruktur in fünf Jahrzehnten des Konflikts völlig vernachlässigt worden.
Kolumbiens Staatschef Juan Manuel
Santos sucht den vollen Frieden für sein
Land mit einer Doppelstrategie. Ende
2012 nahm die Regierung offizielle Friedensverhandlungen mit der Farc auf.
Gleichzeitig wird der militärische Kampf
gegen die Guerrilla fortgesetzt, solange
kein vollständiges Friedensabkommen abgeschlossen ist. In wichtigen Punkten
konnten Fortschritte erzielt werden, insbesondere über die Grundzüge einer Landreform und über eine politische Beteiligung
der Guerrilla nach dem angestrebten Friedensschluss. Santos hofft, mit möglichst
weitgehenden Fortschritten der Friedensgespräche vor den Präsidentenwahlen im
Mai 2014 um Stimmen für seine Wiederwahl werben zu können. „Alle wollen den
Frieden“, sagt Manuel Dávila, Chef des
Agrarkonzerns Daabon, der mit Palmöl,
Bananen und Kaffee aus ökologischem
Anbau auch den deutschen Markt beliefert.
Ein Friedensschluss würde nicht nur
eine fünf Jahrzehnte anhaltende Leidenszeit beenden, die mehr als 200 000 Menschen das Leben gekostet hat. Ein gesicherter Frieden könne der Wirtschaft jährlich ein Prozent zusätzliches Wachstum
bringen, sagte Dávila vor ausländischen
Journalisten, die auf Einladung des Palmölverbandes Fedepalma zu einer Reise
nach Kolumbien kamen. Wie viele Kolumbianer beobachtet Dávila die Verhandlungen mit einer Mischung aus Hoffnung und
Skepsis. Von 2000 bis 2006 hatte der Unternehmer mit seiner gesamten Familie
das Land verlassen müssen, um sich vor
der Guerrilla in Sicherheit zu bringen.
Ex-Präsident Uribe, unter dem Santos
als Verteidigungsminister gedient hatte,
lehnt Gespräche mit der Guerrilla ab und
setzt weiter auf einen militärischen Sieg.
Da Uribe nach zwei Amtszeiten nicht
mehr selbst für die Präsidentschaft kandidieren darf, schickt er seinen ehemaligen
Finanzminister Óscar Iván Zuluaga gegen
Santos ins Rennen. Bisher gilt Santos als
klarer Favorit. Wirtschaftspolitisch würde
es kaum einen Unterschied machen, wenn
das Uribe-Lager am Ende doch die Nase
vorn haben sollte, sagt Gustavo Cañonero, Lateinamerika-Spezialist der Deutschen Bank. Kandidaten aus dem linken
Spektrum sind in Umfragen bisher abgeschlagen. Die stabilitätsorientierte Wirtschaftspolitik dürfte weitergehen, für die
Kolumbien von Ratingagenturen mit besseren Bonitätsnoten belohnt wird.
Probleme bereitet vielen Unternehmen
der starke Peso, der seit 2004 gegenüber
dem Dollar inflationsbereinigt um ein
Drittel aufgewertet hat. Industrie und die
überwiegend kleinbäuerliche Landwirtschaft leiden unter der billigen Auslandskonkurrenz. Freihandelsabkommen hat
Kolumbien mit der Europäischen Union,
den Vereinigten Staaten und den lateinamerikanischen Pazifikländern abgeschlossen; diese werden den Konkurrenzdruck noch erhöhen. Kolumbiens Wirtschaft sei unzureichend auf den Wettbewerb vorbereitet, warnt der Agrarunternehmer Dávila. „Wir springen in ein Haifischbecken und haben nicht einmal eine
Harpune dabei.“ Mit Investitionen in den
Ausbau und die Modernisierung der Infrastruktur will die Regierung das Land für
den Wettbewerb fit machen: 100 Milliarden Dollar sollen bis 2021 in Straßen, Häfen, Energie- und Schienennetze fließen.
Auch nach zehn Jahren Wirtschaftsaufschwung lebt ein Drittel der Kolumbianer
noch immer in Armut, belegen offizielle
Daten. Das trifft vor allem ländliche Ge-
A
Guerrilla-Kriege haben
Kolumbien geschwächt.
Der Rohstoffboom hilft
der Wirtschaft zwar.
Aber die Kämpfe sind
noch nicht vorbei.
Von Carl Moses
BERLIN, 29. Dezember (Reuters). Afrika wird für die deutsche Wirtschaft immer wichtiger. Die Exporte auf den
Kontinent werden 2014 um fünf Prozent und damit überdurchschnittlich
stark wachsen, erwartet der Deutsche
Industrie- und Handelskammertag
(DIHK). Schon im zu Ende gehenden
Jahr legten die Exporte trotz der Probleme in wichtigen Staaten wie Ägypten spürbar zu: Sie erhöhten sich bis
zum Sommer um sechs Prozent, während der DIHK für 2013 insgesamt nur
ein Plus bei den Gesamtexporten von
einem Prozent erwartet.
„Nur die Ausfuhren nach Südostasien legen derzeit ähnlich dynamisch
zu“, sagt Heiko Schwiderowski, der
beim DIHK das Referat Afrika und Entwicklungspolitik leitet. Allerdings beträgt der Anteil Afrikas an den Gesamtausfuhren deutscher Unternehmen
nur gut zwei Prozent. Nach einer Umfrage des Afrika-Vereins der deutschen
Wirtschaft erwarten 48 Prozent der befragten Unternehmen im kommenden
Halbjahr ein günstigeres Geschäftsumfeld. „Die deutschen Unternehmen nutzen zunehmend die Geschäftsmöglichkeiten auf dem Nachbarkontinent und
blicken sehr zuversichtlich in die Zukunft“, sagt Hauptgeschäftsführer
Christoph Kannengießer. Lediglich
acht Prozent erwarten demnach ein
schlechteres Geschäftsumfeld.
Die meisten Unternehmen haben
eine klare Präferenz. „Für 68 Prozent
ist die Republik Südafrika der interes-
Foto AFP
ten Halbjahr 2013 lieferte es 12 Milliarden Kubikmeter. Anfang November ordnete der Präsident einen weiteren Ausbau
der Erdgasleitung gen Osten an, die Ende
2009 den Betrieb aufgenommen hatte.
Außerdem startete er dieses Jahr drei Verarbeitungsanlagen auf dem GalkynyshErdgasfeld, dem zweitgrößten Vorkommen der Welt. Das soll den Nachschub an
China sichern, das laut der Nachrichtenagentur Itar-Tass mehr als 8 Milliarden
Dollar in Galkynysh investiert hat.
Zwar wächst so auch die Abhängigkeit
von der chinesischen Konjunktur, aber einseitig auf das Transitland Russland zu bauen, ist wohl noch riskanter. Darüber hinaus liefert Aschgabad Erdgas an Iran und
dereinst vielleicht gar nach Europa oder
auch nach Pakistan und Indien. Wie es allerdings in der Heimat zu demokratischen
Reformen kommen kann, bleibt offen.
BENJAMIN TRIEBE
Gabriel: Der Ausstieg aus der Atomkraft war zu hektisch
jja. BERLIN, 29. Dezember. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat
einen „Neustart“ in der Energiepolitik verlangt. Bei der Energiewende liege vieles
im Argen, sagte Gabriel der Zeitung
„Welt am Sonntag“: Unter der vorherigen
Regierung von Bundeskanzlerin Angela
Merkel (CDU) habe teilweise Anarchie
geherrscht – „alle machen mit, aber keiner weiß, wohin“. Dies sei das größte Problem, vor dem jetzt die schwarz-rote Koalition stehe.
Den Ausstieg aus der Kernkraft durch
das schwarz-gelbe Bündnis nach dem Erdbeben im japanischen Fukushima stufte
Gabriel als übereilt ein. Der schrittweise
Ausstiegsplan, den Gerhard Schröder
(SPD) begonnen habe, sei viel besser gewesen als das „hektische Hin und Her von
CDU/CSU und FDP“. Es sei eine ziemlich
verwegene Idee gewesen, die Atomenergie erst um zwölf Jahre zu verlängern und
sechs Monate später den Ausstieg zu be-
schleunigen. „Dass die deutsche Volkswirtschaft das überlebt hat, zeigt ihre Stärke, die man aber nicht endlos überfordern darf.“
Der Vizekanzler kündigte an, rasch
Eckpunkte für eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vorzulegen. Die
deutsche Industrie dürfe durch die Energiewende nicht nachhaltig geschädigt werden. Scharfe Vorwürfe richtete Gabriel
auch an seinen früheren Wunschpartner
in der Regierung, die Grünen. Diese vermuten, die SPD wolle die Stromerzeugung aus Kohle wieder stärken. Gabriel
bezeichnete dies als Unfug – das hätten
die Grünen ihm auch schon immer unterstellt, als er in den Jahren von 2005 bis
2009 Bundesumweltminister gewesen sei.
„Man kann nicht zeitgleich aus Atom und
aus Kohle aussteigen“, erklärte der neue
Ressortchef für Wirtschaft und Energie:
„Wahrscheinlich würden die Grünen am
liebsten auch noch aus Gas aussteigen.“
Ausnahmen vom Mindestlohn
Wirtschaft und Ökonomen fordern Differenzierungen
BERLIN, 29. Dezember (Reuters). Die
Wirtschaft dringt verstärkt auf Ausnahmen beim geplanten Mindestlohn. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer warnte davor, die Beschäftigungserfolge der letzten
Jahre zu gefährden. „Ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn würde zu Lasten
der Schwächsten am Arbeitsmarkt gehen“, sagte Kramer. „Wir brauchen Differenzierungen, Stufenpläne und Ausnahmen.“ Der Verband der Automobilindustrie (VDA) forderte insbesondere Sonderregelungen für Ostdeutschland.
Nach dem schwarz-roten Koalitionsvertrag soll der von der SPD durchgesetzte gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro pro
Stunde zum 1. Januar 2015 – mit Übergangsregelungen – eingeführt werden.
Spätestens von 2017 an soll die Untergrenze allgemein gelten. CSU-Chef Horst See-
hofer erhielt für sein Plädoyer für Ausnahmen Unterstützung von der CDU-Vizevorsitzenden Julia Klöckner und dem CDUWirtschaftspolitiker Michael Fuchs. Auch
der hessische Ministerpräsident Volker
Bouffier (CDU) warnte nun vor einer Vernichtung von Arbeitsplätzen. Der Mindestlohn sei beispielsweise nicht sinnvoll
für Schüler, Studenten und Rentner, die
sich durch Zeitungsaustragen etwas dazuverdienen wollen. Der Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt, verlangte einen kompletten Verzicht auf den
Mindestlohn. Sollte dieser in der vorgesehenen Höhe eingeführt werden, „gefährdet das nach den vorliegenden Berechnungen bis zu 20 Prozent der Arbeitsplätze“,
sagte er. In Frankreich habe ein Mindestlohn in vergleichbarer Höhe nachweislich
zu Beschäftigungsverlusten geführt.