Wirtschaft SE IT E 20 · M O N TAG , 3 0 . D E Z E M B E R 2 0 1 3 · N R . 3 0 2 F R A N K F U RT E R A L LG E M E I N E Z E I T U N G Für deutsche Unternehmen wird Afrika wichtiger LÄNDERBERICHT: KOLUMBIEN Wie gelingt ein echter Friedensschluss? Smaragdmine nahe Muzos: Die Regierung steckt Milliarden in Straßen, Häfen, Energie- und Schienennetze. 4,0 3,7 4,2 Bogotá 1,7 E 08 09 10 11 12 13 14 KOLUMBIEN ECUADOR as azon Am PERU 500 km Iquitos Fläche:1) 1,139 Mio. km2 Bevölkerung (2013):2) Bevölkerungswachstum (2012): F.A.Z.-Karte fbr./lev. BRASILIEN Putumayo 47,2 Mio. 3) +1,186600 Proz. in Millionen Tonnen 2012 Brasilien Vietnam Indonesien Kolumbien 32 Äthiopien Gesamtexport Indien Honduras 7 Peru Ölexport 1 Mexiko 93 97 01 05 09 13 14,7 (Prognose) 11,1 2011 2012 (Prognose) 12,2 10,4 2013 2014 Quelle: International Monetary Fund, World Economic Outlook Database, October 2013. F.A.Z.-Grafik Sieber 2,3 3,4 3,2 2,2 3,0 08 09 10 11 12 13 14 Arbeitslosenquote in Prozent Prognose 1,3 0,8 0,6 0,5 0,3 0,3 0,3 0,2 biete. Ein langer Streik der Land- und Transportarbeiter legte im September weite Teile des Landes lahm. Millionen Bauern sind im langen Bürgerkrieg durch Guerrilla oder Paramilitärs von ihrem Land vertrieben worden. Die meisten Bauern haben heute keine Eigentumstitel für das Land, das sie bearbeiten – und damit auch keinen Zugang zu Krediten. Die bei den Friedensverhandlungen vereinbarte Landreform soll Abhilfe schaffen. Trotz der fortbestehenden Probleme kehren immer mehr kolumbianische „Wirtschaftsflüchtlinge“ in ihr Land zurück. Die Architektin Liliana Ramírez war in der Krise 2001 nach Spanien gegangen, „weil ich dort bessere Studien- und Arbeitsmöglichkeiten hatte“, wie sie sagt. Spaniens Immobilienkrise bewog Liliana 2012 zur Rückkehr. Schon nach einem Monat fand sie in Bogotá einen Job bei der frisch gegründeten Niederlassung des deutschen Badausstatters Keuco. Lilianas spanischer Ehemann kam wenig später nach, auch er fand gleich Arbeit. „Heute sind die besseren Möglichkeiten hier“, sagt Liliana. „Kolumbien erlebt derzeit einen großen Moment“, sagt der Unternehmer Dávila. Nach fünfzig Jahren Konflikt schicke sich das Land an, die „verlorene Ob die Produktionsziele realistisch sind, hängt von Investitionen in die veraltete, teils noch aus der Sowjetzeit stammende Infrastruktur ab. Die benötigten Investitionsgüter müssen aus dem Ausland beschafft werden. Ein Schlüsselfaktor ist die Zusammenarbeit mit ausländischen Energiefirmen. Häufig halten die sich die Tür mit großzügigen „Spenden“ offen. Auch der chinesische Staatskonzern CNPC ist im Erdgassektor des Landes aktiv. Dahinter steckt eine geostrategische Umorientierung: Nach der von Spekulationen umrankten Explosion einer alten Pipeline nach Russland im April 2009 brach die Erdgasförderung Turkmenistans um fast die Hälfte ein. Dies war für die Staatsführung in Aschgabad ein weiterer Grund, die Abhängigkeit von Moskau zu reduzieren. Turkmenistan will nun den Export nach China bis 2020 auf 65 Milliarden Kubikmeter jährlich steigern; im ers- „Nur die Ausfuhren nach Südostasien legen derzeit ähnlich dynamisch zu.“ Heiko Schwiderowski, DIHK Prognose 10,0 04 06 08 10 12 14 1) Deutschland: 357 104 Quadratkilometer. 2) Deutschland: 80,5 Millionen (2012). 3) Deutschland: +0,1 Prozent (2012). 4) Hochrechnung für 2013 auf Basis der Werte Januar bis Oktober. Quellen: Internationaler Währungsfonds; GTAI; kolumbianisches Statistikamt (DANE); ICO; eigene Berechnungen / F.A.Z.-Grafik Brocker Zeit“ aufzuholen. „Die nächsten zwanzig Jahre werden die beste Zeit Kolumbiens werden.“ Ohne Angst blickt der 56 Jahre alte Kleinbauer Palmiro Torres Carmona auf sein Feld. Mit dem Anbau von afrikanischen Palmen auf seinem Feld bei María la Baja gehört er zur aufstrebenden Palmölindustrie seines Landes und hat sich damit unverhofft Wohlstand erarbeitet. Er klingt zufrieden. Bis zur heißen Karibikküste Kolumbiens sind es nur dreißig Kilometer. „Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal mit Klimaanlage schlafen würde“, sagt er. santeste Markt“, sagt Kannengießer. Das Land ist bereits der mit Abstand wichtigste Handelspartner für die deutsche Wirtschaft auf dem Kontinent. Nigeria, Moçambique, Namibia, Algerien, Angola, Ghana und Kenia landen auf den weiteren Plätzen der interessantesten Standorte. „Es gibt zwar auch eine Reihe von Konflikten auf dem afrikanischen Kontinent – mit besonderer Sorge blicken wir aktuell auf die Entwicklungen im Südsudan –, doch die Mehrzahl der 54 afrikanischen Staaten sind politisch stabil und seit vielen Jahren auf einem wirtschaftlichen Erfolgsweg“, behauptet Kannengießer. 1500 bis 2000 deutsche Unternehmen sind dem DIHK zufolge in Afrika tätig, davon allein 700 in Südafrika. Die deutschen Investitionen auf dem Kontinent belaufen sich aktuell auf fast 9 Milliarden Euro, davon rund 5 Milliarden in Südafrika und knapp 3 Milliarden in Nordafrika. Afrika ist der mit Abstand ärmste Kontinent, jedoch der mit der zweitgrößten Bevölkerung nach Asien und zudem derjenige mit der jüngsten und am schnellsten wachsenden Bevölkerung. Dies gilt vielen Beobachtern als Chance für die weitere wirtschaftliche Entwicklung. SPD für Neustart der Energiewende So „lustig“ kann eine Staatsparade sein: Turkmenen feiern ihren autoritären Herrscher am Unabhängigkeitstag. Wachstumsrate in Turkmenistan in Prozent 4,2 3,1 13,7 58 Das autokratisch regierte Turkmenistan bleibt vom Rohstoffexport abhängig – und orientiert sich vermehrt nach China Wachstum schwächt sich ab 7,0 Große Kaffeeproduzenten in Milliarden Dollar4) Exportanteil Öl: 1993.........19% 2013.........55% Erdgas-Königreich in der Wüste MOSKAU, 29. Dezember. In den zweifelhaften Genuss einer Wahl und doch keiner Wahl sind jüngst die Menschen im zentralasiatischen Turkmenistan gekommen. Erstmals durften sie sich bei einer Parlamentswahl zwischen zwei Parteien entscheiden. Aber dass ihr Votum etwas an den autoritären Zuständen im Land ändern wird, ist auszuschließen. Der seit 2006 amtierende Präsident Gurbanguly Berdymuchammedow hat es fest im Griff, schottet es in fast nordkoreanischer Manier von der Außenwelt ab und öffnet es nur für unbedingt notwendige Wirtschaftskooperationen. Es ist Berdymuchammedows Segen und damit der Fluch seines weitgehend in Armut lebenden Volkes, dass Turkmenistan über die weltweit viertgrößten Erdgasreserven verfügt (rund 9 Prozent der nachgewiesenen Vorkommen der Erde laut dem Erdölkonzern BP). Die Ausbeutung der 17,5 Billionen Kubikmeter Erdgas und die intransparente Verteilung der Einnahmen in den oberen Zirkeln sichern die Macht des Herrschers, der um sich einen Personenkult veranstalten lässt. Offiziell wächst die turkmenische Wirtschaft mit zweistelligen Raten; der Internationale Währungsfonds (IWF) sagt auch für 2013 und 2014 eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um knapp über 10 Prozent voraus. Ob das Wachstum längerfristig anhält, hat das hauptsächlich aus Wüste bestehende Land mit etwa 5,5 Millionen Einwohnern zum Teil nicht selbst in der Hand: Wegen der Abhängigkeit vom Erdgasexport ist das größte Risiko exogen, nämlich ein Einbruch der Energiepreise auf dem Weltmarkt. In den kommenden zwei Jahrzehnten möchte Turkmenistan seine Erdgasproduktion verdreifachen. Für 2013 peilte es 77 Milliarden Kubikmeter an – ein Fünftel mehr als 2012. Zwei Drittel der Förderung werden exportiert. Erdgas macht 90 Prozent aller Ausfuhren aus. In geringem Maße ist Turkmenistan auch Erdölexporteur. in Prozent Prognose Erdölexport Foto AFP Inflationsrate 09 10 11 12 13 13 14 14 Prognose Quito 45 900 4,0 3,5 N Orin Medellín Pazifik Cali oco Deutschland Vgl. Caracas VENEZUELA María la Baja PANAMA Bahia Solano 6,6 44 000 Montes de María 8200 Niederl. Antillen Barranquilla in Dollar reales BIP in Prozent 5100 6300 7200 7900 7800 Karibik BIP je Einwohner Wirtschaftswachstum Deutschland Vgl. Kolumbien D V N BOGOTÁ, 29. Dezember or ein paar Jahren hat er sich kaum auf die Felder getraut. Zu gefährlich. Guerrilla, Militärs und Drogenbanden terrorisierten das Gebiet. „Egal wem wir begegneten, wir mussten immer um unser Leben fürchten“, sagt der Kleinbauer Palmiro Torres Carmona. Die Zone der Montes de María zählte zu den Konfliktgebieten, in der die Guerrilla der „Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens“ (Farc), paramilitärischen Anti-GuerillaEinheiten und Drogenbanden wirkten. Vor zehn Jahren war eine Autofahrt zwischen den größeren Städten nur in Begleitung militärischer Sicherheitskonvois möglich – wenn überhaupt. Viele Unternehmer verließen aus Sicherheitsgründen das Land. Auch viele Arbeitnehmer, die in der Krise ihre Jobs verloren, gingen ins Ausland. Von 1996 bis 2002 wuchs das Bruttoinlandsprodukt Kolumbiens lediglich leicht, und das Einkommen je Kopf ging sogar zurück. Doch seit 2003 wächst die Wirtschaft im Durchschnitt um mehr als 5 Prozent im Jahr. Kolumbien profitiert wie andere Schwellenländer vom Boom der Rohstoffmärkte. Die erfolgreiche Bekämpfung der Guerrilla und die Demobilisierung der Paramilitärs unter der Regierung des Ex-Präsidenten Álvaro Uribe (2002 bis 2010) hat in vielen Gebieten die Aufnahme von wirtschaftlichen Tätigkeiten überhaupt erst möglich gemacht. In einigen Regionen – besonders im Süden und in den Grenzgebieten zu Venezuela – ist die Guerrilla der Farc immer noch stark. Die Ölindustrie, die allein die Hälfte der Exporteinnahmen Kolumbiens einbringt, wird immer wieder durch Anschläge auf Ölleitungen zurückgeworfen. Auch Regionen mit großem landwirtschaftlichen Potential gehören zu den Gefahrenzonen, in die sich Investoren nur zögerlich trauen. Oft ist die Infrastruktur in fünf Jahrzehnten des Konflikts völlig vernachlässigt worden. Kolumbiens Staatschef Juan Manuel Santos sucht den vollen Frieden für sein Land mit einer Doppelstrategie. Ende 2012 nahm die Regierung offizielle Friedensverhandlungen mit der Farc auf. Gleichzeitig wird der militärische Kampf gegen die Guerrilla fortgesetzt, solange kein vollständiges Friedensabkommen abgeschlossen ist. In wichtigen Punkten konnten Fortschritte erzielt werden, insbesondere über die Grundzüge einer Landreform und über eine politische Beteiligung der Guerrilla nach dem angestrebten Friedensschluss. Santos hofft, mit möglichst weitgehenden Fortschritten der Friedensgespräche vor den Präsidentenwahlen im Mai 2014 um Stimmen für seine Wiederwahl werben zu können. „Alle wollen den Frieden“, sagt Manuel Dávila, Chef des Agrarkonzerns Daabon, der mit Palmöl, Bananen und Kaffee aus ökologischem Anbau auch den deutschen Markt beliefert. Ein Friedensschluss würde nicht nur eine fünf Jahrzehnte anhaltende Leidenszeit beenden, die mehr als 200 000 Menschen das Leben gekostet hat. Ein gesicherter Frieden könne der Wirtschaft jährlich ein Prozent zusätzliches Wachstum bringen, sagte Dávila vor ausländischen Journalisten, die auf Einladung des Palmölverbandes Fedepalma zu einer Reise nach Kolumbien kamen. Wie viele Kolumbianer beobachtet Dávila die Verhandlungen mit einer Mischung aus Hoffnung und Skepsis. Von 2000 bis 2006 hatte der Unternehmer mit seiner gesamten Familie das Land verlassen müssen, um sich vor der Guerrilla in Sicherheit zu bringen. Ex-Präsident Uribe, unter dem Santos als Verteidigungsminister gedient hatte, lehnt Gespräche mit der Guerrilla ab und setzt weiter auf einen militärischen Sieg. Da Uribe nach zwei Amtszeiten nicht mehr selbst für die Präsidentschaft kandidieren darf, schickt er seinen ehemaligen Finanzminister Óscar Iván Zuluaga gegen Santos ins Rennen. Bisher gilt Santos als klarer Favorit. Wirtschaftspolitisch würde es kaum einen Unterschied machen, wenn das Uribe-Lager am Ende doch die Nase vorn haben sollte, sagt Gustavo Cañonero, Lateinamerika-Spezialist der Deutschen Bank. Kandidaten aus dem linken Spektrum sind in Umfragen bisher abgeschlagen. Die stabilitätsorientierte Wirtschaftspolitik dürfte weitergehen, für die Kolumbien von Ratingagenturen mit besseren Bonitätsnoten belohnt wird. Probleme bereitet vielen Unternehmen der starke Peso, der seit 2004 gegenüber dem Dollar inflationsbereinigt um ein Drittel aufgewertet hat. Industrie und die überwiegend kleinbäuerliche Landwirtschaft leiden unter der billigen Auslandskonkurrenz. Freihandelsabkommen hat Kolumbien mit der Europäischen Union, den Vereinigten Staaten und den lateinamerikanischen Pazifikländern abgeschlossen; diese werden den Konkurrenzdruck noch erhöhen. Kolumbiens Wirtschaft sei unzureichend auf den Wettbewerb vorbereitet, warnt der Agrarunternehmer Dávila. „Wir springen in ein Haifischbecken und haben nicht einmal eine Harpune dabei.“ Mit Investitionen in den Ausbau und die Modernisierung der Infrastruktur will die Regierung das Land für den Wettbewerb fit machen: 100 Milliarden Dollar sollen bis 2021 in Straßen, Häfen, Energie- und Schienennetze fließen. Auch nach zehn Jahren Wirtschaftsaufschwung lebt ein Drittel der Kolumbianer noch immer in Armut, belegen offizielle Daten. Das trifft vor allem ländliche Ge- A Guerrilla-Kriege haben Kolumbien geschwächt. Der Rohstoffboom hilft der Wirtschaft zwar. Aber die Kämpfe sind noch nicht vorbei. Von Carl Moses BERLIN, 29. Dezember (Reuters). Afrika wird für die deutsche Wirtschaft immer wichtiger. Die Exporte auf den Kontinent werden 2014 um fünf Prozent und damit überdurchschnittlich stark wachsen, erwartet der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Schon im zu Ende gehenden Jahr legten die Exporte trotz der Probleme in wichtigen Staaten wie Ägypten spürbar zu: Sie erhöhten sich bis zum Sommer um sechs Prozent, während der DIHK für 2013 insgesamt nur ein Plus bei den Gesamtexporten von einem Prozent erwartet. „Nur die Ausfuhren nach Südostasien legen derzeit ähnlich dynamisch zu“, sagt Heiko Schwiderowski, der beim DIHK das Referat Afrika und Entwicklungspolitik leitet. Allerdings beträgt der Anteil Afrikas an den Gesamtausfuhren deutscher Unternehmen nur gut zwei Prozent. Nach einer Umfrage des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft erwarten 48 Prozent der befragten Unternehmen im kommenden Halbjahr ein günstigeres Geschäftsumfeld. „Die deutschen Unternehmen nutzen zunehmend die Geschäftsmöglichkeiten auf dem Nachbarkontinent und blicken sehr zuversichtlich in die Zukunft“, sagt Hauptgeschäftsführer Christoph Kannengießer. Lediglich acht Prozent erwarten demnach ein schlechteres Geschäftsumfeld. Die meisten Unternehmen haben eine klare Präferenz. „Für 68 Prozent ist die Republik Südafrika der interes- Foto AFP ten Halbjahr 2013 lieferte es 12 Milliarden Kubikmeter. Anfang November ordnete der Präsident einen weiteren Ausbau der Erdgasleitung gen Osten an, die Ende 2009 den Betrieb aufgenommen hatte. Außerdem startete er dieses Jahr drei Verarbeitungsanlagen auf dem GalkynyshErdgasfeld, dem zweitgrößten Vorkommen der Welt. Das soll den Nachschub an China sichern, das laut der Nachrichtenagentur Itar-Tass mehr als 8 Milliarden Dollar in Galkynysh investiert hat. Zwar wächst so auch die Abhängigkeit von der chinesischen Konjunktur, aber einseitig auf das Transitland Russland zu bauen, ist wohl noch riskanter. Darüber hinaus liefert Aschgabad Erdgas an Iran und dereinst vielleicht gar nach Europa oder auch nach Pakistan und Indien. Wie es allerdings in der Heimat zu demokratischen Reformen kommen kann, bleibt offen. BENJAMIN TRIEBE Gabriel: Der Ausstieg aus der Atomkraft war zu hektisch jja. BERLIN, 29. Dezember. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat einen „Neustart“ in der Energiepolitik verlangt. Bei der Energiewende liege vieles im Argen, sagte Gabriel der Zeitung „Welt am Sonntag“: Unter der vorherigen Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe teilweise Anarchie geherrscht – „alle machen mit, aber keiner weiß, wohin“. Dies sei das größte Problem, vor dem jetzt die schwarz-rote Koalition stehe. Den Ausstieg aus der Kernkraft durch das schwarz-gelbe Bündnis nach dem Erdbeben im japanischen Fukushima stufte Gabriel als übereilt ein. Der schrittweise Ausstiegsplan, den Gerhard Schröder (SPD) begonnen habe, sei viel besser gewesen als das „hektische Hin und Her von CDU/CSU und FDP“. Es sei eine ziemlich verwegene Idee gewesen, die Atomenergie erst um zwölf Jahre zu verlängern und sechs Monate später den Ausstieg zu be- schleunigen. „Dass die deutsche Volkswirtschaft das überlebt hat, zeigt ihre Stärke, die man aber nicht endlos überfordern darf.“ Der Vizekanzler kündigte an, rasch Eckpunkte für eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vorzulegen. Die deutsche Industrie dürfe durch die Energiewende nicht nachhaltig geschädigt werden. Scharfe Vorwürfe richtete Gabriel auch an seinen früheren Wunschpartner in der Regierung, die Grünen. Diese vermuten, die SPD wolle die Stromerzeugung aus Kohle wieder stärken. Gabriel bezeichnete dies als Unfug – das hätten die Grünen ihm auch schon immer unterstellt, als er in den Jahren von 2005 bis 2009 Bundesumweltminister gewesen sei. „Man kann nicht zeitgleich aus Atom und aus Kohle aussteigen“, erklärte der neue Ressortchef für Wirtschaft und Energie: „Wahrscheinlich würden die Grünen am liebsten auch noch aus Gas aussteigen.“ Ausnahmen vom Mindestlohn Wirtschaft und Ökonomen fordern Differenzierungen BERLIN, 29. Dezember (Reuters). Die Wirtschaft dringt verstärkt auf Ausnahmen beim geplanten Mindestlohn. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer warnte davor, die Beschäftigungserfolge der letzten Jahre zu gefährden. „Ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn würde zu Lasten der Schwächsten am Arbeitsmarkt gehen“, sagte Kramer. „Wir brauchen Differenzierungen, Stufenpläne und Ausnahmen.“ Der Verband der Automobilindustrie (VDA) forderte insbesondere Sonderregelungen für Ostdeutschland. Nach dem schwarz-roten Koalitionsvertrag soll der von der SPD durchgesetzte gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde zum 1. Januar 2015 – mit Übergangsregelungen – eingeführt werden. Spätestens von 2017 an soll die Untergrenze allgemein gelten. CSU-Chef Horst See- hofer erhielt für sein Plädoyer für Ausnahmen Unterstützung von der CDU-Vizevorsitzenden Julia Klöckner und dem CDUWirtschaftspolitiker Michael Fuchs. Auch der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) warnte nun vor einer Vernichtung von Arbeitsplätzen. Der Mindestlohn sei beispielsweise nicht sinnvoll für Schüler, Studenten und Rentner, die sich durch Zeitungsaustragen etwas dazuverdienen wollen. Der Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt, verlangte einen kompletten Verzicht auf den Mindestlohn. Sollte dieser in der vorgesehenen Höhe eingeführt werden, „gefährdet das nach den vorliegenden Berechnungen bis zu 20 Prozent der Arbeitsplätze“, sagte er. In Frankreich habe ein Mindestlohn in vergleichbarer Höhe nachweislich zu Beschäftigungsverlusten geführt.
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