BITKOM-Studie „Wie stehen die Deutschen zur Gesundheitskarte?“ Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer, Präsident des BITKOM Statement im Rahmen der Pressekonferenz „Wie stehen die Deutschen zur Gesundheitskarte?“ Berlin, 22. Oktober 2009 Seite 1 Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Albrechtstraße 10 10117 Berlin Tel. +49.30.27576-0 ich heiße Sie ebenfalls sehr herzlich zu unserer Pressekonferenz willkommen. Wir Fax +49.30.27576-400 widmen uns heute der elektronischen Gesundheitskarte. Warum? Die elektronische [email protected] Gesundheitskarte ist eines der größten und ambitioniertesten Technologie-Projekte in www.bitkom.org Deutschland. Rund 70 Millionen Menschen werden direkt davon betroffen sein. Und Ansprechpartner obwohl die Gesundheitskarte jetzt an die ersten Versicherten verteilt wird – Anfang Christian Hallerberg Oktober startete der sogenannte Rollout in der Region Nordrhein – wird das Projekt in Pressesprecher den laufenden Koalitionsgesprächen zwischen Union und FDP grundsätzlich in Frage Public Sector & Neue Märkte Tel. +49.30.27576-119 gestellt. Die Versicherten als Hauptbetroffene sitzen dabei nicht am Verhandlungs- Fax +49.30.27576-400 tisch. Vor diesem Hintergrund hat das Meinungsforschungsinstitut Aris in unserem [email protected] Auftrag in einer repräsentativen Studie untersucht, wie die Deutschen zur Dr. Pablo Mentzinis elektronischen Gesundheitskarte stehen. Diese Ergebnisse möchten wir Ihnen Bereichsleiter Public Sector vorstellen und damit dazu beitragen, die Diskussion zu versachlichen. Tel. +49.30.27576-130 Fax +49.30.27576-51130 Chart 2 – Mehrheit möchte Zugang zu Gesundheitsdaten [email protected] Präsident Die Versicherten, das zeigt die Studie sehr deutlich, sprechen sich für die elektroni- Prof. Dr. Dr. h.c. mult. sche Gesundheitskarte aus. So möchten fast 70 Prozent den direkten Zugang zu August-Wilhelm Scheer ihren persönlichen Gesundheitsdaten. Besonders groß ist das Interesse bei den Hauptgeschäftsführer Versicherten unter 50 Jahren: Drei von vier möchten einen unmittelbaren Zugang zu ihren Untersuchungsergebnissen, Diagnosen und Behandlungen. Über diese Möglichkeit verfügen die Versicherten derzeit nicht. Heute sind die Ärzte Herr über die Daten der Patienten. Heute werden in vielen verschiedenen Arztpraxen jeweils einzelne Patienteninformationen verwahrt. Das ist nicht nur unbefriedigend für die Versicherten, es ist sogar gefährlich: Heute stehen Ärzten nur Einzelinformationen über den Gesundheitszustand eines Patienten zur Verfügung. Statt eines Dr. Bernhard Rohleder Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer, Präsident des BITKOM Statement im Rahmen der Pressekonferenz „Wie stehen die Deutschen zur Gesundheitskarte?“ Seite 2 Gesamtbildes sieht der Arzt nur Mosaiksteinchen. Damit steigt die Fehleranfälligkeit der Behandlung unnötig an. Chart 3 – Jeder Zweite lässt sich Unterlagen aushändigen Ein großer Teil der Versicherten weiß offensichtlich um dieses Manko und hat deshalb bereits versucht, Behandlungsunterlagen vom Arzt zu bekommen. Fast jeder Zweite hat seinen Arzt darauf angesprochen. Das ist ein erstaunlich hoher Wert, der usn überrascht hat. Auffällig ist, dass der Anteil bei Frauen und Älteren unter dem Durchschnitt liegt. Wir wollten erfahren, warum die andere Hälfte noch nicht versucht hat, von ihrem Arzt Behandlungsunterlagen zu bekommen – obwohl sie sie nach eigenem Dafürhalten gebraucht hätten. Chart 4 – Ältere Menschen haben Scheu Sechs von zehn schrecken wegen des zusätzlichen Aufwands zurück. Hohe 27 Prozent trauen sich nicht oder haben Angst, ihr Arzt könne eine solche Bitte als Ausdruck des Misstrauens verstehen. Besonders groß ist der Anteil bei alten Menschen über 75: Fast jeder zweite in dieser Altersgruppe wagt es nicht, seinen Arzt um die Behandlungsunterlagen zu bitten. Diesen zurückhaltenden Menschen wird die neue Gesundheitskarte helfen. Besonders Menschen, die sich nicht so stark für sich selbst einsetzen können, profitieren von der Gesundheitskarte. Unsere Studie zeigt allerdings auch: Selbst wer sich traut und seinen Arzt nach Behandlungsunterlagen fragt, hat damit nicht immer Erfolg. Chart 5 – Nicht jeder erhält seine Akten Jeder Vierte erhält seine Behandlungsunterlagen nur zögerlich, unvollständig oder überhaupt nicht. Warum verweigern manche Ärzte die Herausgabe dieser Untersuchungsakten, obwohl die Patienten ein Recht darauf haben? Hier haben wir keine Antwort und wollen auch nicht spekulieren. Aber wir schlagen vor, die Patienten mit Hilfe der Gesundheitskarte endlich in die so genannte informationelle Selbstbestimmung über ihre Daten einzusetzen. Chart 6 – Überwiegende Mehrheit für Gesundheitskarte Genau das wollen die Patienten. Die Aris-Untersuchung zeigt: Fast 60 Prozent der Bundesbürger sind für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte. Ein Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer, Präsident des BITKOM Statement im Rahmen der Pressekonferenz „Wie stehen die Deutschen zur Gesundheitskarte?“ Seite 3 Zehntel ist noch unentschieden und nur ein knappes Drittel ist gegen die neue Karte. Wir wollten wissen, warum. Chart 7 – Sorge vor Datenmissbrauch ist größter Ablehnungsgrund Knapp die Häfte derer, die gegen die Karte sind, hat Angst vor Datenmissbrauch durch Arbeitgeber oder Versicherungen, durch Krankenkassen oder Ärzte. Ein weiterer Grund: Die Vorteile der neuen Gesundheitskarte sind noch nicht klar. Hier müssen und wollen wir ansetzen – und hier hat auch die Bundesregierung eine Aufgabe. Wir brauchen Aufklärung, nicht Stimmungsmache. Chart 8 – Was die neue Gesundheitskarte kann Was bringt die elektronische Gesundheitskarte den Versicherten? - Kein Patient kann heute sicher sein, dass seine medizinischen Daten vertraulich und sicher behandelt werden. Sensible Patientendaten werden ohne jegliche Sicherheitsvorkehrungen per Fax oder E-Mail übermittelt. Sie liegen frei zugänglich in den Karteikästen in der Arztpraxis, oft haben alle Mitarbeiter bis zu Praktikanten und dem Reinigungsdienst die Möglichkeit zum Zugriff. Missbrauch ist möglich und findet auch statt. Abhilfe kann die neue Gesundheitskarte schaffen – gemeinsam mit den dahinter liegenden IT- und Kommunikationssystemen. Herzstück der Karte ist ein Mikroprozessor. Das unterscheidet die elektronische Gesundheitskarte von der Krankenkassenkarte. Auf letzterer ist nur ein Speicherchip eingebaut. Der Mikroprozessor ermöglicht die verschlüsselte Speicherung der Daten. Alle medizinischen Daten werden dabei hochgradig verschlüsselt. Entschlüsseln kann nur der Versicherte. Nur der Patient entschiedet, wem welche Daten zugänglich gemacht werden. Das aktuell angewandte Verfahren ist eine Verschlüsselung mit 2048 Bit. Sie ist 20 Mal sicherer als die Verschlüsselung beim Online-Banking. Erst kürzlich bekannt gewordene Fälle wie der Missbrauch von Nutzerdaten bei Schüler VZ oder dem Finanzdienstleister AWD können bei der Gesundheitskarte nicht auftreten. Außerdem wird die Sicherheitsstufe der Verschlüsselung immer wieder an die Erfordernisse angepasst. Darüber wacht das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Unabhängige Experten wie der Bundesdatenschutzbeauftragte haben sich ebenfalls für die Einführung der Gesundheitskarte ausgesprochen Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer, Präsident des BITKOM Statement im Rahmen der Pressekonferenz „Wie stehen die Deutschen zur Gesundheitskarte?“ Seite 4 und attestieren dem geplanten System einen vorbildlichen Umgang mit sensiblen Patientendaten. Ein weiteres Plus der Karte: Die administrativen Daten wie die Adresse des Versicherten oder der Versicherungsstatus können online abgeglichen und gegebenenfalls aktualisiert werden, etwa in der Arztpraxis. Wenn sich etwas ändert, muss also nicht mehr eine neue Karte hergestellt und an den Versicherten geschickt werden. Direkt auf dem Prozessor werden das elektronische Rezept und – als freiwillige Zusatzleistung – ein Notfalldatensatz gespeichert. Nicht zuletzt: Die Gesundheitskarte mit PIN kann als Schlüssel zur elektronischen Patientenakte eingesetzt werden. Sie schafft die Basis für eine effektive und sichere Vernetzung des deutschen Gesundheitssystems. Chart 9 –Gesundheitskarte reduziert Kosten Die Gesundheitskarte hat viel zu bieten. Kostet sie auch viel, oder sorgt sie eher für Einsparungen? Die Gesundheitskarte wird sich so schnell amortisieren wie wohl kein zweites Technologieprojekt dieser Größe. Einem einmaligen Investitionsvolumen von 1,7 Milliarden Euro und rund 150 Millionen Euro jährlichen Betriebskosten stehen enorme Einsparungen gegenüber. Das elektronische Rezept sorgt für Minderaufwendungen von 200 Millionen Euro p.a. Mehr als 500 Millionen Euro lassen sich pro Jahr sparen, weil Fehlbehandlungen und entsprechende Folgebehandlungen vermieden werden können. Die weitgehende Verhinderung von Kartenmissbrauch spart sogar bis zu einer Milliarde Euro pro Jahr. Die Anlaufkosten werden damit schnell eingespielt sein. Meine Damen und Herren, es gibt viele gute Gründe für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte. Die wichtigsten habe ich genannt. Unsere Studie zeigt, dass es in der Bevölkerung eine große Zustimmung zur elektronischen Gesundheitskarte gibt. Die Versicherten wollen die neue Karte. Das wissen wir sicher. Unklar ist hingegen, ob die elektronische Gesundheitskarte flächendeckend in Deutschland eingeführt wird. Wir haben zuverlässige Signale, dass die Gesundheitskarte zunächst einmal auf Eis gelegt werden soll. Derzeit ist Deutschland gemeinsam mit Spanien das einzige Land Westeuropas, die die Vernetzung im Gesundheitswesen noch nicht gestartet haben. Die Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer, Präsident des BITKOM Statement im Rahmen der Pressekonferenz „Wie stehen die Deutschen zur Gesundheitskarte?“ Seite 5 Spanier starten 2010. Wenn wir das Projekt jetzt ausbremsen, übernehmen wir wieder einmal in einem zukunftsweisenden Technologieprojekt die Rote Laterne. Wir fordern von der kommenden Bundesregierung, den Basis-Rollout der Gesundheitskarte, der gerade erst gestartet ist, wie geplant fortzuführen. Die Gelegenheit für die Einführung der neuen Gesundheitskarte ist günstig wie nie, denn die bisherige Krankenversichertenkarte muss ohnehin ausgetauscht werden. Die alte Krankenversichertenkarte erfüllt nicht die heutigen Datenschutzstandards. Jedermann kann mit einem handelsüblichen Lesegerät die Karten ohne weiteres auslesen, weil die Daten unverschlüsselt auf der Karte sind. Das betrifft etwa chronisch erkrankte Menschen, die an besonderen medizinischen Programmen – sogenannten Disease Management Programms – teilnehmen. Umso unverständlicher ist für uns, dass nun ausgerechnet Datenschutzgründe vorgeschoben werden, um die Karte zu verzögern. Außerdem sind die Krankenkassen gesetzlich verpflichtet, neue Karten mit Lichtbild an die Versicherten ausgeben. Mit dem Foto des Versicherten soll Kartenbetrug vermieden werden. Wenn diese Gelegenheit zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte genutzt wird, entstehen kaum Mehrkosten. Denn die neue Prozessorkarte ist nur 70 Cent teurer als die Krankenkassenkarte. Wir setzen bei der Einführung der Gesundheitskarte besonders auf die Unterstützung der Bundeskanzlerin. Sie hat sich in der Vergangenheit für die Gesundheitskarte und mehr Transparenz im Gesundheitssystem ausgesprochen. Wir hoffen, dass ihr dieses Projekt weiterhin am Herzen liegt. Vielen Dank!
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