BITKOM-Studie „Wie stehen die Deutschen zur Gesundheitskarte?“

BITKOM-Studie
„Wie stehen die Deutschen zur Gesundheitskarte?“
Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer, Präsident des BITKOM
Statement im Rahmen der Pressekonferenz
„Wie stehen die Deutschen zur Gesundheitskarte?“
Berlin, 22. Oktober 2009
Seite 1
Bundesverband
Informationswirtschaft,
Telekommunikation und
neue Medien e.V.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
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ich heiße Sie ebenfalls sehr herzlich zu unserer Pressekonferenz willkommen. Wir
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widmen uns heute der elektronischen Gesundheitskarte. Warum? Die elektronische
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Gesundheitskarte ist eines der größten und ambitioniertesten Technologie-Projekte in
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Deutschland. Rund 70 Millionen Menschen werden direkt davon betroffen sein. Und
Ansprechpartner
obwohl die Gesundheitskarte jetzt an die ersten Versicherten verteilt wird – Anfang
Christian Hallerberg
Oktober startete der sogenannte Rollout in der Region Nordrhein – wird das Projekt in
Pressesprecher
den laufenden Koalitionsgesprächen zwischen Union und FDP grundsätzlich in Frage
Public Sector & Neue Märkte
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gestellt. Die Versicherten als Hauptbetroffene sitzen dabei nicht am Verhandlungs-
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tisch. Vor diesem Hintergrund hat das Meinungsforschungsinstitut Aris in unserem
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Auftrag in einer repräsentativen Studie untersucht, wie die Deutschen zur
Dr. Pablo Mentzinis
elektronischen Gesundheitskarte stehen. Diese Ergebnisse möchten wir Ihnen
Bereichsleiter Public Sector
vorstellen und damit dazu beitragen, die Diskussion zu versachlichen.
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Chart 2 – Mehrheit möchte Zugang zu Gesundheitsdaten
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Präsident
Die Versicherten, das zeigt die Studie sehr deutlich, sprechen sich für die elektroni-
Prof. Dr. Dr. h.c. mult.
sche Gesundheitskarte aus. So möchten fast 70 Prozent den direkten Zugang zu
August-Wilhelm Scheer
ihren persönlichen Gesundheitsdaten. Besonders groß ist das Interesse bei den
Hauptgeschäftsführer
Versicherten unter 50 Jahren: Drei von vier möchten einen unmittelbaren Zugang zu
ihren Untersuchungsergebnissen, Diagnosen und Behandlungen.
Über diese Möglichkeit verfügen die Versicherten derzeit nicht. Heute sind die Ärzte
Herr über die Daten der Patienten. Heute werden in vielen verschiedenen Arztpraxen
jeweils einzelne Patienteninformationen verwahrt. Das ist nicht nur unbefriedigend für
die Versicherten, es ist sogar gefährlich: Heute stehen Ärzten nur Einzelinformationen
über den Gesundheitszustand eines Patienten zur Verfügung. Statt eines
Dr. Bernhard Rohleder
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Gesamtbildes sieht der Arzt nur Mosaiksteinchen. Damit steigt die Fehleranfälligkeit
der Behandlung unnötig an.
Chart 3 – Jeder Zweite lässt sich Unterlagen aushändigen
Ein großer Teil der Versicherten weiß offensichtlich um dieses Manko und hat deshalb
bereits versucht, Behandlungsunterlagen vom Arzt zu bekommen. Fast jeder Zweite
hat seinen Arzt darauf angesprochen. Das ist ein erstaunlich hoher Wert, der usn
überrascht hat. Auffällig ist, dass der Anteil bei Frauen und Älteren unter dem
Durchschnitt liegt. Wir wollten erfahren, warum die andere Hälfte noch nicht versucht
hat, von ihrem Arzt Behandlungsunterlagen zu bekommen – obwohl sie sie nach
eigenem Dafürhalten gebraucht hätten.
Chart 4 – Ältere Menschen haben Scheu
Sechs von zehn schrecken wegen des zusätzlichen Aufwands zurück. Hohe 27
Prozent trauen sich nicht oder haben Angst, ihr Arzt könne eine solche Bitte als
Ausdruck des Misstrauens verstehen. Besonders groß ist der Anteil bei alten
Menschen über 75: Fast jeder zweite in dieser Altersgruppe wagt es nicht, seinen Arzt
um die Behandlungsunterlagen zu bitten. Diesen zurückhaltenden Menschen wird die
neue Gesundheitskarte helfen. Besonders Menschen, die sich nicht so stark für sich
selbst einsetzen können, profitieren von der Gesundheitskarte.
Unsere Studie zeigt allerdings auch: Selbst wer sich traut und seinen Arzt nach
Behandlungsunterlagen fragt, hat damit nicht immer Erfolg.
Chart 5 – Nicht jeder erhält seine Akten
Jeder Vierte erhält seine Behandlungsunterlagen nur zögerlich, unvollständig oder
überhaupt nicht. Warum verweigern manche Ärzte die Herausgabe dieser Untersuchungsakten, obwohl die Patienten ein Recht darauf haben? Hier haben wir keine
Antwort und wollen auch nicht spekulieren. Aber wir schlagen vor, die Patienten mit
Hilfe der Gesundheitskarte endlich in die so genannte informationelle
Selbstbestimmung über ihre Daten einzusetzen.
Chart 6 – Überwiegende Mehrheit für Gesundheitskarte
Genau das wollen die Patienten. Die Aris-Untersuchung zeigt: Fast 60 Prozent der
Bundesbürger sind für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte. Ein
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Zehntel ist noch unentschieden und nur ein knappes Drittel ist gegen die neue Karte.
Wir wollten wissen, warum.
Chart 7 – Sorge vor Datenmissbrauch ist größter Ablehnungsgrund
Knapp die Häfte derer, die gegen die Karte sind, hat Angst vor Datenmissbrauch durch Arbeitgeber oder Versicherungen, durch Krankenkassen oder Ärzte. Ein
weiterer Grund: Die Vorteile der neuen Gesundheitskarte sind noch nicht klar. Hier
müssen und wollen wir ansetzen – und hier hat auch die Bundesregierung eine
Aufgabe. Wir brauchen Aufklärung, nicht Stimmungsmache.
Chart 8 – Was die neue Gesundheitskarte kann
Was bringt die elektronische Gesundheitskarte den Versicherten? - Kein Patient kann
heute sicher sein, dass seine medizinischen Daten vertraulich und sicher behandelt
werden. Sensible Patientendaten werden ohne jegliche Sicherheitsvorkehrungen per
Fax oder E-Mail übermittelt. Sie liegen frei zugänglich in den Karteikästen in der
Arztpraxis, oft haben alle Mitarbeiter bis zu Praktikanten und dem Reinigungsdienst
die Möglichkeit zum Zugriff. Missbrauch ist möglich und findet auch statt.
Abhilfe kann die neue Gesundheitskarte schaffen – gemeinsam mit den dahinter
liegenden IT- und Kommunikationssystemen. Herzstück der Karte ist ein Mikroprozessor. Das unterscheidet die elektronische Gesundheitskarte von der Krankenkassenkarte. Auf letzterer ist nur ein Speicherchip eingebaut. Der Mikroprozessor ermöglicht
die verschlüsselte Speicherung der Daten. Alle medizinischen Daten werden dabei
hochgradig verschlüsselt. Entschlüsseln kann nur der Versicherte. Nur der Patient
entschiedet, wem welche Daten zugänglich gemacht werden.
Das aktuell angewandte Verfahren ist eine Verschlüsselung mit 2048 Bit. Sie ist 20
Mal sicherer als die Verschlüsselung beim Online-Banking. Erst kürzlich bekannt
gewordene Fälle wie der Missbrauch von Nutzerdaten bei Schüler VZ oder dem
Finanzdienstleister AWD können bei der Gesundheitskarte nicht auftreten.
Außerdem wird die Sicherheitsstufe der Verschlüsselung immer wieder an die
Erfordernisse angepasst. Darüber wacht das Bundesamt für Sicherheit in der
Informationstechnik (BSI). Unabhängige Experten wie der Bundesdatenschutzbeauftragte haben sich ebenfalls für die Einführung der Gesundheitskarte ausgesprochen
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und attestieren dem geplanten System einen vorbildlichen Umgang mit sensiblen
Patientendaten.
Ein weiteres Plus der Karte: Die administrativen Daten wie die Adresse des Versicherten oder der Versicherungsstatus können online abgeglichen und gegebenenfalls
aktualisiert werden, etwa in der Arztpraxis. Wenn sich etwas ändert, muss also nicht
mehr eine neue Karte hergestellt und an den Versicherten geschickt werden.
Direkt auf dem Prozessor werden das elektronische Rezept und – als freiwillige
Zusatzleistung – ein Notfalldatensatz gespeichert. Nicht zuletzt: Die Gesundheitskarte
mit PIN kann als Schlüssel zur elektronischen Patientenakte eingesetzt werden. Sie
schafft die Basis für eine effektive und sichere Vernetzung des deutschen
Gesundheitssystems.
Chart 9 –Gesundheitskarte reduziert Kosten
Die Gesundheitskarte hat viel zu bieten. Kostet sie auch viel, oder sorgt sie eher für
Einsparungen?
Die Gesundheitskarte wird sich so schnell amortisieren wie wohl kein zweites
Technologieprojekt dieser Größe. Einem einmaligen Investitionsvolumen von 1,7
Milliarden Euro und rund 150 Millionen Euro jährlichen Betriebskosten stehen enorme
Einsparungen gegenüber. Das elektronische Rezept sorgt für Minderaufwendungen
von 200 Millionen Euro p.a. Mehr als 500 Millionen Euro lassen sich pro Jahr sparen,
weil Fehlbehandlungen und entsprechende Folgebehandlungen vermieden werden
können. Die weitgehende Verhinderung von Kartenmissbrauch spart sogar bis zu
einer Milliarde Euro pro Jahr. Die Anlaufkosten werden damit schnell eingespielt sein.
Meine Damen und Herren,
es gibt viele gute Gründe für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte. Die
wichtigsten habe ich genannt. Unsere Studie zeigt, dass es in der Bevölkerung eine
große Zustimmung zur elektronischen Gesundheitskarte gibt. Die Versicherten wollen
die neue Karte. Das wissen wir sicher. Unklar ist hingegen, ob die elektronische
Gesundheitskarte flächendeckend in Deutschland eingeführt wird. Wir haben
zuverlässige Signale, dass die Gesundheitskarte zunächst einmal auf Eis gelegt
werden soll. Derzeit ist Deutschland gemeinsam mit Spanien das einzige Land Westeuropas, die die Vernetzung im Gesundheitswesen noch nicht gestartet haben. Die
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Spanier starten 2010. Wenn wir das Projekt jetzt ausbremsen, übernehmen wir wieder
einmal in einem zukunftsweisenden Technologieprojekt die Rote Laterne.
Wir fordern von der kommenden Bundesregierung, den Basis-Rollout der Gesundheitskarte, der gerade erst gestartet ist, wie geplant fortzuführen. Die Gelegenheit für
die Einführung der neuen Gesundheitskarte ist günstig wie nie, denn die bisherige
Krankenversichertenkarte muss ohnehin ausgetauscht werden. Die alte Krankenversichertenkarte erfüllt nicht die heutigen Datenschutzstandards. Jedermann kann
mit einem handelsüblichen Lesegerät die Karten ohne weiteres auslesen, weil die
Daten unverschlüsselt auf der Karte sind. Das betrifft etwa chronisch erkrankte
Menschen, die an besonderen medizinischen Programmen – sogenannten Disease
Management Programms – teilnehmen. Umso unverständlicher ist für uns, dass nun
ausgerechnet Datenschutzgründe vorgeschoben werden, um die Karte zu verzögern.
Außerdem sind die Krankenkassen gesetzlich verpflichtet, neue Karten mit Lichtbild
an die Versicherten ausgeben. Mit dem Foto des Versicherten soll Kartenbetrug
vermieden werden. Wenn diese Gelegenheit zur Einführung der elektronischen
Gesundheitskarte genutzt wird, entstehen kaum Mehrkosten. Denn die neue
Prozessorkarte ist nur 70 Cent teurer als die Krankenkassenkarte.
Wir setzen bei der Einführung der Gesundheitskarte besonders auf die Unterstützung
der Bundeskanzlerin. Sie hat sich in der Vergangenheit für die Gesundheitskarte und
mehr Transparenz im Gesundheitssystem ausgesprochen. Wir hoffen, dass ihr dieses
Projekt weiterhin am Herzen liegt.
Vielen Dank!