Merkel macht Arcandor wenig Hoffnung Wie sich Kinderpornos aus

Wie sich Kinderpornos aus dem Netz verbannen lassen / Wissen
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DEFGH
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DEUTSCHLAND-AUSGABE
(SZ) Nicht jeder hat die Geschichte derer von Lobkowitz klar vor Augen, und
so sei denn hier in der gebotenen Kürze
rekapituliert, dass sich dieses alte Haus
1440 in zwei Linien teilte, deren eine, die
Hassensteinische, 1789 erlosch, während
die andere sich in allerlei neue Linien
verzweigte und Leute hervorbrachte wie
Georg den Älteren, der an einer Verschwörung gegen Kaiser Rudolf II. teilnahm, oder wie Wenzel Eusebius, der bei
Leopold I. aus und ein ging und sich, wie
es heißt, „durch kühnen Witz“ viele Feinde gemacht hat. Nie hätte Fürst Wenzel
einen Joke mit den Basiselementen Opel
und Popel gemacht, erstens, weil es damals noch keine Opel gab, zweitens, weil
damit sein kühner Witz unterfordert gewesen wäre, und drittens, weil die andere der 1440 entstandenen Linien die Popelsche Linie war. Überhaupt hörten die
Lobkowitz ursprünglich auf den Namen
Popel und konnten damit gut leben, weil
die Tschechen dabei nicht an das denken,
was bei uns, Kühnheit des Witzes!, auch
„Nasennebenprodukt“ genannt wird.
Das tschechische Wort popel bedeutet
Asche, und wenn es je eine Gattung Autofahrer gegeben hat, die tief in der Asche
sitzen, dann sind das die Opelfahrer. Wer
es halbwegs gut mit ihnen meint, nennt
sie „Opelaner“. Er sieht sie dabei an, als
wären sie Trottel aus einer anderen Galaxie, und wenn sie ihn daran erinnern,
dass die Opelaner die sind, die den Opel
bauen, sagt er, das sei „gehupft wie gesprungen“. Die Vorkriegsgeneration hatte noch so was wie Respekt vor dem Opelfahrer, was daher rührte, dass man wusste, wie Adam Opel begonnen hatte: mit
dem Bau von Nähmaschinen, in einem
ehemaligen Kuhstall. Das sind Gründermythen von Format, doch wenn heute ein
Opelfahrer die Frage in den Raum stellt,
ob BMW oder Mercedes Geräte vorzuweisen haben, die es mit der Langschiffnähmaschine Typ B von 1896 aufnehmen
können, hallt ebendieser Raum wider
von überheblichem Gelächter. Haben sie
sich wieder beruhigt, kommen die Lacher mit Berichten aus ihrer Kindheit
heraus: Wie sie den „Rekord“ des Vaters
vollgereihert hätten und so – als wäre die
anerkannt weiche Federung schuld und
nicht ihr verzärtelter Magen.
Wie der Opelfahrer sich in der Gegenwart einrichtet, muss sich zeigen. Einerseits sitzt er als Steuerzahler ja nun irgendwie, auf seine bescheidene Art, im
Management von Opel. Andererseits tun
die Fahrer der übrigen Marken das auch,
wenn auch vielleicht weniger bescheiden. Dem Opelfahrer werden Kränkungen aus diesem Grund nicht erspart bleiben. Sollte er mal jemandem aus Versehen die Vorfahrt nehmen, wird es gleich
heißen: „Und für so einen bürgen wir,
wahrscheinlich hockt auch noch der Russe bei ihm im Kofferraum!“ Sieht alles
verdammt nach einem Spagat aus, einer
Disziplin also, in der die Opelfahrer noch
nie die Stärksten waren.
Heute in der SZ
Po-up-Hosen und vieles mehr
Wie sich die Mitarbeiter eines Warenhauses gegen die Existenzkrise der ganzen
Branche stemmen. Von Stefan Klein ... 3
Guttenberg hat recht
Bei der Opel-Rettung trägt der Staat alle
Risiken, die neuen Eigentümer keine.
Leitartikel von Ulrich Schäfer ............ 4
Der moderne Seiltanz
Nervenkitzel mit einem Nylonband: Das
so genannte Slacklining findet immer
mehr Anhänger. ...................................... 9
Das Ich ist ein Kollektiv
In „Terminator – Die Erlösung“ sucht
das apokalyptische Actiongenre seine Ursprünge. Von Fritz Göttler ................. 11
Gratis-Check für Energiesparer
Handwerker prüfen kostenlos, wie man
weniger Öl und Gas verbraucht. ........ 26
Flucht aus der Herde
Wer kümmert sich jetzt um Podolski? Die
Kündigung von Trainer Christoph Daum
trifft Köln völlig unvorbereitet. ........ 27
Spielball im Fernduell
CSU und Europa: Wie Guttenberg und
Söder um den richtigen Kurs stritten. 30
TV- und Radioprogramm .................. 32
Forum/Leserbriefe ............................ 31
Rätsel, Schach ..................................... 12
München · Bayern ............................... 30
Familienanzeigen ............................... 28
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HK1
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München, Mittwoch, 3. Juni 2009
65. Jahrgang / 23. Woche / Nr. 125 / 1,80 Euro
Wrackteile
im Meer
4.14 Uhr:
automatische
Meldung über
Elektronik-Defekt
Flugroute
nach Paris
entdeckte
Wrackteile
3.33 Uhr:
letzter
Radarkontakt
Fernando
de Noronha
BRASILIEN
Lagebesprechung: Mitglieder der brasilianischen Luftwaffe, die am Dienstag offenbar Teile
des vermissten französischen Flugzeugs im Atlantik fand.
Fotos: AP, dpa
Alle Zeitangaben:
MESZ
Atlantischer
Ozean
Rio de Janeiro
Start: Montag, 0.29 Uhr
1000 km
SZ-Karte: Mainka
Karstadt-Mutterkonzern braucht 850 Millionen Euro
Merkel macht Arcandor wenig Hoffnung
Kanzlerin: Staatshilfe für Opel war ein Sonderfall / Guttenberg kritisiert SPD, die „Heilsversprechen herausblökt“
Von Claus Hulverscheidt
und Caspar Dohmen
B e r l i n – Bundeskanzlerin Angela
Merkel (CDU) hat die Hoffnung des
Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor
auf millionenschwere Staatshilfen gedämpft. Merkel sagte vor Wirtschaftsvertretern in Berlin, die Rettung des
Autobauers Opel sei wegen der engen
Verflechtung des Unternehmens mit
der bisherigen Muttergesellschaft General Motors und der US-Regierung
ein Sonderfall gewesen. „Ich sehe keinen zweiten solchen Fall“, betonte sie.
Merkel erklärte unter Verweis auf Arcandor, Hilfegesuche von Unternehmen
dürften „nicht nach Sympathie und Antipathie“ entschieden werden. Sonst drohten der Politik größte Probleme. Auch
Bundeswirtschaftsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) sagte, bei jedem Antrag eines Großkonzerns müsse
W
enn Immobilienmakler über Ferienhäuser und -wohnungen reden, sagen sie gern, an diesen hielten die Leute
fest, so lange es irgend gehe. Da möge es
mit ihrem Vermögen noch so sehr abwärts gehen: In die Wohnstatt am See,
am Meer oder in den Bergen seien so viel
Hoffnungen auf ein glückliches Leben
eingegangen, dass ein Verzicht gleichbedeutend mit einem existentiellen Scheitern sei. Dass die Entwicklung dennoch
anders laufen kann, zeigt gegenwärtig
der Immobilienmarkt in den Vereinigten
Staaten: Nach jüngsten Zahlen verminderte sich die Menge der verkauften Ferienimmobilien im Jahr 2008 verglichen
mit dem Vorjahr etwa um die Hälfte.
In den bevorzugten Regionen, also vor
allem in Florida, in Phoenix, in Las Vegas oder auch in den Hamptons am Ostende von Long Island, einer Region, in der
wohlhabende New Yorker gern ihr Wochenende verbringen, ist der Immobilienmarkt fast zum Stillstand gekommen –
und was in den Hamptons dennoch ver-
im Auge behalten werden, dass es Tausende kleine und mittlere Unternehmen gebe, „die Gleichbehandlung fordern“.
Die Aussagen der beiden Unionspolitiker dürften den koalitionsinternen Streit
über den weiteren Umgang mit Arcandor
weiter anfachen. Führende SPD-Politiker hatten mehrmals deutlich gemacht,
dass sie nach Opel nun auch Arcandor
helfen wollen. Dort stünden 50 000 Stellen auf dem Spiel, doppelt so viele wie
bei dem Autokonzern. Arcandor hat bei
der Regierung eine Bürgschaft über
650 Millionen Euro und bei der staatlichen KfW Bankengruppe einen Kredit
über 200 Millionen Euro beantragt.
Verweigert die Koalition ihre Hilfe,
droht dem Unternehmen die Insolvenz.
Anders als im Fall Opel gibt es bei Arcandor allerdings eine privatwirtschaftliche
Alternative: So will der Konkurrent Metro die Karstadt-Häuser mit den eigenen
Kaufhof-Filialen zu einer Warenhaus
AG verschmelzen. Metro gibt an, den Zu-
sammenschluss ohne jede öffentliche Hilfe bewerkstelligen zu können. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung
könnten im Zuge einer solchen Übernahme insgesamt 30 Karstadt- und KaufhofFilialen geschlossen und 6000 Stellen gestrichen werden. Arcandor blieben dann
nur noch das Versandhaus Quelle und
der Reiseveranstalter Thomas Cook.
Womöglich erhält Arcandor aber auch
Hilfe von den eigenen Aktionären. Die
Privatbank Sal. Oppenheim erklärte, sie
sei bereit, die Sanierung zu unterstützen
und führe bereits Gespräche mit der Regierung. Die Großaktionärin Madeleine
Schickedanz und die Vermieter der Karstadt-Häuser wollten sich ebenfalls beteiligen. Auch der Wirtschaftsminister erinnerte an die Verantwortung der Aktionäre. Merkel und Guttenberg betonten, das
Hilfegesuch von Arcandor werde streng
nach den Kriterien überprüft, die die Regierung für solche Fälle aufgestellt habe.
So muss ein Antragsteller etwa nachwei-
Abschied vom Zweithaus
In den USA bricht nun auch der Markt für Ferienwohnungen ein
kauft wird, kostet etwa ein Drittel weniger als im vergangenen Jahr und muss
mindestens sechs Monate auf einen neuen Besitzer warten.
In den Jahren des schnellen wirtschaftlichen Wachstums war die Zweit- oder
Drittimmobilie in den Vereinigten Staaten zu einem wichtiger werdenden Wirtschaftszweig geworden. Schon im Jahr
2006 betrug ihr Anteil an der Gesamtzahl der verkauften Immobilien etwa 39
Prozent, im Jahr darauf erreichte er nach
Angaben des amerikanischen Maklerverbands den Rekord von 1,07 Millionen Verkäufen – wobei allerdings Ferienwohnungen und Zweitwohnsitze zusammengerechnet sind. Insgesamt gibt es in den Vereinigten Staaten gut acht Millionen Ferienhäuser, was, bezogen auf die Bevölkerungszahl, ungefähr dem Doppelten des-
sen entspricht, was die Deutschen an Wochenend- und Ferienhäusern im eigenen
Land besitzen. Der Besitz einer solchen
Zweitwohnung war dabei in jüngster
Zeit auch zu einem sozial immer weiter
verbreiteten Vergnügen geworden. Im
vorvergangenen Jahr hatte der durchschnittliche Käufer einer Ferienimmobilie nach Angaben des Maklerverbands
ein Einkommen von hunderttausend Dollar jährlich – er war also allenfalls wohlhabend, keineswegs aber reich.
Endlich, erklärt angesichts dieser Zahlen der Wirtschaftsjournalist Daniel
Gross im Internet-Magazin Slate, müsse
er sich nicht mehr schämen, nur ein Haus
zu besitzen, und zwar dort, wo er tatsächlich lebe. Und wenn er dann erzählt, was
New Yorkern bis vor kurzem alles an „unwahrscheinlichen und unangemessenen“
sen, dass er durch die globale Finanzkrise und nicht durch eigene Fehler in Not
geraten ist. Guttenberg sagte, ihm fehle
angesichts des vereinbarten Kriterienkatalogs „jedes Verständnis dafür, jetzt
schon wieder Heilsversprechen zu geben,
ja herauszublöken“, wie das die SPD tue.
Die Sozialdemokraten ihrerseits übten erneut scharfe Kritik am Wirtschaftsminister und an dessen Plädoyer für eine
„geordnete Insolvenz“ von Opel. SPD-Vizefraktionschef Joachim Poß erklärte,
das „dumme Gerede von einer Insolvenz“ sei für den Konzern „fast geschäftsschädigend“ gewesen. Kanzlerkandidat
Frank-Walter Steinmeier sagte, zu einem Beschluss der Regierung müssten alle Kabinettsmitglieder stehen. Merkel
nahm Guttenberg dagegen in Schutz. Sie
respektiere die Bedenken des Ministers
und bedanke sich dafür, dass dieser in
den Verhandlungen „die Interessen der
Steuerzahler vertreten“ habe, sagte die
Kanzlerin. (Seiten 3, 4, 6 und Wirtschaft)
Rückzugsmöglichkeiten angeboten worden sei, von Strandhäusern in Kansas bis
zu Berghütten in North Carolina, ist ein
Ton von Erleichterung nicht zu überhören. Mehr aber als dem plötzlich nicht
mehr
gefragten
Immobilienbesitz
scheint dieses Gefühl der Befreiung dem
Verschwinden des Glücksversprechens
zu gelten, dessen Einlösung eine solche
Wohnung verbürgen sollte: Endlich muss
man nicht mehr immer wieder zum
schönsten Platz der Welt fahren. Und
nicht ohne Schadenfreude berichtet Daniel Gross davon, dass die New York Times Anfang Mai ihre freitags erscheinende Beilage „Escapes“ einstellte, die den
Wunsch nach Privat-Utopien mit immer
neuen Bildern und Stoffen versorgte. In
seinem New Yorker Vorort sei es, so Daniel Gross, auch ganz schön. Zwischen
den Koyoten und wilden Truthähnen im
Busch hinter dem Haus sei sogar schon
ein verlorengegangener Investmentbanker auf der Suche nach Nahrung gesichtet worden.
Thomas Steinfeld
Brasilia – Die brasilianische Luftwaffe
hat offenbar Wrackteile der seit Montag
über dem Atlantik vermissten AirFrance-Maschine gefunden. Flugzeuge
sichteten mehrere Hundert Kilometer
nordöstlich der Inselgruppe Fernando de
Noronha (siehe Grafik) Sitze, Rettungswesten und metallische Gegenstände im
Wasser. Daneben sahen sie Schlieren, die
auf Öl oder Kerosin schließen lassen. Die
Behörden konnten zunächst nicht bestätigen, ob es sich um Wrackteile der AirFrance-Maschine handelte. Der Airbus
mit 228 Menschen war am Montag auf
dem Weg von Rio de Janeiro nach Paris
verschwunden. Das letzte Signal der Maschine gab es in der Nähe der Inselgruppe. Unter den Insassen waren nach Angaben der Fluggesellschaft auch 26 Deutsche. Das Satellitenbild des Wetterdienstes meteomedia (oben rechts) zeigt die
Wettersituation über dem Atlantik zur
mutmaßlichen Absturzzeit nach vier Uhr
am Montagmorgen. Auf dem InfrarotWärmebild sind weißen Gewitterwolken
zu sehen. Diese Wolken befanden sich in
dem Gebiet, in dem die Luftwaffe die
Trümmer im Meer fand – einige Hundert
Kilometer nordöstlich von Fernando de
Noronha. Die französische Fluggesellschaft hatte recht früh von der Möglichkeit eines Blitzeinschlags gesprochen.
(Seite 2, Panorama, Lokales)
Kim Jong Jl
regelt Nachfolge
Jüngster Sohn des Diktators
soll die Macht übernehmen
Seoul – Nordkoreas gesundheitlich angeschlagener Diktator Kim Jong Il hat offenbar seinen dritten und jüngsten Sohn
zum Nachfolger bestimmt. Unmittelbar
nach dem weltweit verurteilten Atomtest in Nordkorea am 25. Mai habe Kim
die wichtigsten Institutionen und Auslandsvertretungen des Staates darüber
informiert, dass er seinen Sohn Kim Jong
Un zum Machterben erkoren habe, berichteten südkoreanische Zeitungen am
Dienstag unter Berufung auf informierte
Kreise. Jong Un ist erst Mitte zwanzig
und soll in der Schweiz zur Schule gegangen sein. Er gilt im Ausland bereits seit
längerem als Favorit des Diktators für
die Nachfolge. Im März wurde er in das
Parlament des stalinistischen Staates gewählt. (Seiten 4 und 7)
dpa
Ghetto-Arbeitern
steht Rente zu
Kassel – Für Arbeit im Ghetto während
des Zweiten Weltkriegs steht NS-Opfern
eine Rente zu. Dies entschied das Bundessozialgericht in Kassel. Nach der Entscheidung des 13. Senats stehen den Betroffenen auch dann Zahlungen aus der
Rentenversicherung zu, wenn im Ghetto
Arbeitspflicht bestand. Das Gericht urteilte außerdem, dass weder die Höhe der
Bezahlung noch das Alter den Rentenanspruch beeinflussen. (Seiten 4 und 6) dpa
Britische Ministerin tritt
wegen Spesen zurück
London – Die britische Innenministerin
Jacqui Smith will Medienberichten zufolge wegen des Spesenskandals zurücktreten. Sie werde bei der nächsten Kabinettsumbildung, die noch für diese Woche erwartet werde, ihren Platz frei machen, berichten mehrere Zeitungen.
Smith hatte Kosten für Pornofilme als
Spesen abgerechnet. (Seite 8)
dpa
EU-Kommissarin Kroes
kritisiert Deutschland
Bund kann Hypo Real Estate verstaatlichen
Mehrheit bei Hauptversammlung sicher / Pfiffe, Buh-Rufe und Schmähungen enttäuschter Aktionäre
Von Thomas Fromm
München – Der Bund ist bei der Verstaatlichung der maroden Immobilienbank
Hypo Real Estate (HRE) so gut wie am
Ziel. Trotz heftiger Proteste der Kleinaktionäre galt es am späten Dienstagnachmittag als sicher, dass der Bund als Großaktionär bei der Aktionärsversammlung
des Konzerns über die nötige Mehrheit
verfügt, um eine milliardenschwere Kapitalerhöhung gegen den Willen der Kleinanleger durchzudrücken. Die Aktionäre
protestierten vor allem gegen den Plan
des Bundes, sie von der entscheidenden
Kapitalerhöhung auszuschließen. Ziel
der Regierung ist es, auf diese Weise mindestens 90 Prozent des Instituts, das nur
noch mit Hilfen von mehr als 100 Milliarden Euro am Leben erhalten wird, zu erwerben. In einem zweiten Schritt sollen
die restlichen Aktionäre dann per
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Zwangsabfindung aus dem Eigentümerkreis gedrängt werden, um das Institut
komplett unter staatliche Kontrolle zu
bringen.
Die Aktionäre wehrten sich am Dienstag vehement gegen die Verstaatlichung,
die aus ihrer Sicht einer Zwangsenteignung gleichkommt. Zwischenzeitlich
drohte die Lage in der Münchner Messehalle außer Kontrolle zu geraten. Aufgebrachte Aktionäre kritisierten das Vorgehen des Bundes als „Ermächtigungsgesetz“. Mit der entscheidenden Abstimmung wurde für den Abend gerechnet.
Zurzeit hält der Bund 47,3 Prozent an
der HRE. Da jedoch nur knapp 74 Prozent des HRE-Kapitals anwesend waren,
kann der Bund auf die einfache Mehrheit
der anwesenden Stimmen bauen. Ziel
der Komplett-Verstaatlichung ist es, die
Sanierung des maroden Instituts abzusichern. Das Argument des neuen Eigentü-
mers: Ohne die Milliardenhilfen des Staates wäre die Bank bereits pleite, der Aktienwert läge bei null. Dem widersprechen Aktionäre wie der US-Investor
Christopher Flowers: Er will seine Aktien behalten, die Sanierung der HRE
aussitzen und auf einen Anstieg des Aktienkurses spekulieren.
Der Bund und das HRE-Management
konnten sich so am Ende zwar gegen die
Kleinaktionäre durchsetzen, mussten
aber stundenlange Wuttiraden der Anleger über sich ergehen lassen. Diese nutzten die Aussprache für eine Generalabrechnung mit dem künftigen Alleineigentümer. Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) forderte, Kleinaktionären
die Möglichkeit zu geben, bei der HRE an
Bord zu bleiben. Harald Peters von der
Schutzgemeinschaft der Kleinanleger
(SdK) kritisierte, der Bund habe sich auf
eine Rettungsaktion eingelassen, von der
er „keine Ahnung“ habe. Viele Aktionäre
hatten ihre Anteile zum Wert von 40
Euro und mehr gekauft. Zuletzt bot ihnen der Bund 1,39 Euro für Ihre Anteile.
HRE-Chef Axel Wieandt rechtfertigte
die Übernahme durch den Bund und
nannte die Entschädigung“ für die Aktionäre „angemessen“. Es sei nötig, dass der
Staat die Kontrolle der HRE erwerbe,
um seine Milliardenhilfen zu sichern. Als
der Chef des Bankenrettungsfonds Soffin, Hannes Rehm, die Verstaatlichung
verteidigte und an die Aktionäre appellierte, ihre Interessen hinter das der Allgemeinheit zurückzustellen, ging seine
Rede in Pfiffen und Buh-Rufen unter.
Die Rettung der Bank könne nicht „mit
einer einfachen Mehrheitsbeteiligung
des Staates“ erreicht werden, rief Rehm.
Aktionäre sprachen vom „Ende der Demokratie“. (Seite 3 und Wirtschaft)
Brüssel – EU-Wettbewerbskommissarin
Neelie Kroes hält das deutsche Bankensystem für überholt. Im SZ-Interview forderte sie Reformen im Finanzsektor. Die
EU brauche „dringend“ ein Deutschland, das in guter Form sei. Kroes sagte,
einige Bankchefs hätten ihre Verantwortung für die Finanzkrise noch immer
nicht begriffen. (Wirtschaft)
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Xetra 17 Uhr
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8738 Punkte
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Das Wetter
München – Zwischen den Mittelgebirgen
und der Donau überwiegend sonnig und
weitgehend trocken. Sonst anfangs überwiegend freundlich, später zunehmend
bewölkt, im Nordosten örtlich etwas Regen. 12 bis 21 Grad. (Seite 31)