Peter Bartelheimer Fachkräfte, Arbeitslose, Dritte – wie öffentlich und wie gut ist Arbeitsvermittlung? Panel 12 Deregulierungsfolgen Neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit Dreiländerkongress 2011 Innsbruck, 29.09. bis 01.10.2011 Dr. Peter Bartelheimer 2011 Vortrag im Überblick Arbeitsverwaltung als öffentliche Wohlfahrtsproduzentin Welche öffentlichen Güter »produziert« die Arbeitsverwaltung Was sich ändert: z.B. virtueller Arbeitsmarkt und Aktivierung Arbeitsverwaltung als Produktions- und Beschäftigungssystem Re-Regulierung der Arbeitslosigkeit und De-Regulierung des Beschäftigungssystems Arbeitsverwaltung Externe Flexibilität und bedrohte Professionalität »Dritte« - von der Subsidiarität zum »Contracting out« Evaluation einer innovativen bewerbungsorientierten Dienstleistung »Ganzheitliche Unterstützung« - intern oder durch »Dritte« Arbeitsverwaltung und »Dritte« im Vergleich Warum »machen« besser ist als »Kaufen« Schlussfolgerungen Innovation als Chance für die öffentliche Arbeitsvermittlung Dr. Peter Bartelheimer 2011 Arbeitsverwaltung als Produzentin öffentlicher Güter – was bleibt, was sich ändert Soziale Sicherung durch Geldleistungen (Lohnersatz, -ergänzung) Umdeutung von Suchhilfe zum Suchhemmnis Arbeitsvermittlung (»Matching«) – (Meldequote IV/2010 39%) »Virtueller Arbeitsmarkt« als (Selbst-) Informationssystem Stellenorientierte Dienstleistungen Funktional verselbständigt als »Arbeitgeberservice« Bewerbungsorientierte Dienstleistungen Kund/inn/ensegmentierung, Standard-»Produkte« – und Nachteilsausgleich? Regulierung des Beschäftigungssystems Geschwächt, da atypische Beschäftigung politisch gewollt ist Konstruktion des Status Arbeitslosigkeit Aktivierende Deutung als positive und negative Individualisierung Orientierung auf individualisierte Hilfen Regulierung des individuellen Arbeitsmarktverhaltens Dr. Peter Bartelheimer 2011 Aktivierte Arbeitslose – flexibilisierte Fachkräfte Was hat Aktivierung mit Deregulierung zu tun? Arbeitsmarktverhalten der Arbeitslosen wird stärker reguliert Arbeitslosigkeit als verwalteter Status wird stärker institutionalisiert Beschäftigungssystem Arbeitsverwaltung wird dereguliert Arbeitsverwaltung als Produktions- und Beschäftigungssystem Derzeit ca. 150.000 Beschäftigte, davon ca. 40.000 kommunal Externe personalpolitische Flexibilität – Gelegenheiten und Motive Privatisierungspolitik Übergang zum Neuen Steuerungsmodell, Verbetriebswirtschaftlichung Aufspaltung der Arbeitsverwaltung, Job Center (SGB II) als neues System »Gemeinsame Einrichtungen« von Arbeitsagenturen und Kommunen Übergang von aktiven zu »aktivierenden« Maßnahmen Dr. Peter Bartelheimer 2011 Folgen: Entberuflichung und »Contracting out« Vermittlungsberatung und Fallmanagement als Anlerntätigkeit Altes Modell: Grundständige Ausbildung, interner Arbeitsmarkt Verwaltungsausbildung Studium an eigener (Fach-)Hochschule Neues Modell: Offenes Beschäftigungssystem in der Arbeitsverwaltung Befristung (in Jobcentern derzeit 22%), z. Tl. Arbeitnehmerüberlassung hohe Fluktuation (in Jobcentern anfangs um 20%) Viele »Seiteneinsteiger/innen«, kommunal auch »Amtshilfe« Von »Freien Trägern« zum »Contracting out« Altes Modell: subsidiärer nichtsstaatlicher Wohlfahrtssektor und kommunaler Sozialstaat an Planung und Leistungserbringung beteiligt Neues Modell: Quasimärkte, »Contracting out«, »Prinzipal« und »Agent« Ausschreibung und Beauftragung (Aktivierungs-, Eingliederungsleistungen) Gutscheinverfahren (Bildungsmaßnahmen, private Vermittler) Dr. Peter Bartelheimer 2011 »Ganzheitliche Unterstützung« – Evaluation einer innovativen bewerbungsorientierten Dienstleistung Besonderer Unterstützungsbedarf Hilfe zur Selbstsuche, insbesondere: Virtueller Arbeitsmarkt Intervention in die Stellenbesetzung Klärungen: berufliche Orientierung, soziale Sicherung, Lebensumstände Motivierende persönliche Unterstützung Das Angebot der Projektteams in den Arbeitsagenturen Intensiver Einsatz von Vermittlungsfachkräften statt Maßnahmen bei Personen mit »Vermittlungshemmnissen« Flexible Verfügung über Zeit, fachliche Handlungsfreiheit Bewerbungsunterstützung über Beratung hinaus: Anleitung, Assistenz und Begleitung Bewerbungsbezogene Arbeitgeberkontakte, Stellenakquise Kombination von Einzelfallarbeit und Gruppenarbeit Sechs Modell-Agenturen (Zwei Abschnitte: 55 Fachkräfte, 11.500 Arbeitslose) Qualitative Evaluation: Projekt und Regelorganisation 220 Fallrekonstruktionen, davon 71 bei 10 beauftragten »Dritten« Dr. Peter Bartelheimer 2011 Agenturen und »Dritte« im Vergleich: Ergebnisse eines experimentellen Designs (2. Projektabschnitt) Interne Unterstützung war deutlich erfolgreicher (und dabei wirtschaftlicher) 60 Teilnehmer/innen, 18 in Arbeit, elf Abmeldungen Wenige Fälle ohne gemeinsam vereinbarte Ziele bzw. Zielanpassungen Überwiegend Zufriedenheit mit der Dienstleistung auch in erfolglosen Fällen Zum Vergleich: externe »Ganzheitliche Integrationsleistungen« 40 Teilnehmer/innen, davon drei in Arbeit (zwei erst nach Maßnahmeende), fünf Abmeldungen In der Hälfte der Fälle gelang keine Zielvereinbarung In erfolglosen Fällen mehr Unzufriedenheit mit der Dienstleistung Deutlich standardisiertere Arbeitsweise in Maßnahmen der externen Träger Höhere Betreuungsrelation Höhere Kontaktdichte, aber kurze, standardisierte Beratungsgespräche Schmaleres Leistungsspektrum (weniger Assistenz) Integration von Einzelfall- und Gruppenarbeit gelang nicht Schwächere Integration von Arbeitgeberkontakten in die Fallbearbeitung Dr. Peter Bartelheimer 2011 Warum »Machen« besser war als »Kaufen« Einkaufsentscheidung: »Contracting out« nicht fachlich begründet Einkaufsprozess Zentraler Einkauf – Träger hat zwei »Prinzipale« (Dreiecksbeziehung) Träger vermeiden Risiko, kalkulieren Aufwandspauschale statt Erfolgshonorar Umsetzung: Bruch in der Fallbearbeitung, Informationsprobleme und Konflikte Vermittlungsfachkräfte: Zuweisung ohne Information über Maßnahmegestaltung, bei Rückkehr beginnt Fallbearbeitung neu (Trägerberichte unbeachtet) Job Coaches: Zugang ohne Information zum Fall, Mutmaßungen über Arbeitsweise der Agentur und Zuweisungsentscheidungen Zuweisung aus Sicht der Arbeitslosen: Drei Erfahrungsmuster Zuweisung als Abschiebung Zuweisung als neues Dienstleistungsversprechen Maßnahme als Ausschluss von anderen Leistungen Träger: Personalfluktuation, prekäre Arbeitsverhältnisse, Doppelstrukturen, kein Einsatz arbeitsmarktpolitischer Instrumente Kontrolle und Neuvergabe statt fachlicher Entwicklung Dr. Peter Bartelheimer 2011 Schlussfolgerungen – Innovation als Chance für Arbeitsvermittlung als öffentlicher Auftrag Quasi-Märkte für Vermittlungsleistungen sind fachlich nicht begründet Im Kernbereich der Arbeitsvermittlung sind »Dritte« nur besser, so lange die Agenturen schlecht sind (Privatisierung durch Unterlassung) Der Einkauf und die »Prinzipal«-»Agent«-Beziehung blockieren fachliche Innovation – interne Handlungsfreiheit bleibt kontrollierbar Keine lachenden Dritten – die meisten würden Bildungsmaßnahmen vorziehen Arbeitslose: »stille Reserve« an Zustimmung zum »vernünftigen Arbeitsamt« Agenturen hätten als kompetente Dienstleister einen Auftrag zu gewinnen »dass man vom Arbeitsamt eben nicht viel erwarten kann« »nur in der Datenbank nachgucken, dat kann ich auch selber machen« »Die Arbeit muss das Arbeitsamt vergeben«, »da kommen die Zeitfirmen, zum Schluss hat das Arbeitsamt gar nichts mehr zu sagen« Innovation, intensiver Personaleinsatz und Professionalisierung als Alternative für das Beschäftigungssystem Arbeitsverwaltung Personalhaushalt der Bundesagentur: Stellenabbau um 20.000 bis 2014 möglich Individualisierte Arbeitsansätze zum Nachteilsausgleich werden bündnisfähig Dr. Peter Bartelheimer 2011 Mehr ... http://www.sofi-goettingen.de Soziologisches Forschungsinstitut (SOFI) an der Georg-August Universität Göttingen http://www.soeb.de Berichterstattung zur sozioökonomischen Entwicklung in Deutschland Dr. Peter Bartelheimer 2011
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