. Forum SEITE 2 Kommentar Gegen den Strich NR. 56 . DIENSTAG, 6. MÄRZ 2012 Leseranwalt von Horst Haitzinger Der Schrottmeiler in der Nachbarschaft Jochen Kampmann ist Ihr Mann in unserer Redaktion RZ-Leseranwalt, 56055 Koblenz [email protected] D ie Reaktorkableibt an politischen tastrophe von Möglichkeiten nicht. Fukushima ist noch kein Jahr her, in Frankreich ist eine Deutschland gibt es inAtommacht – im Zivilen zwischen einen breiten mit 58 Kernkraftwerken. gesellschaftlichen und Zwar gibt es auch dort politischen Konsens für Birgit Pielen seit den 70er-Jahren eieine Energiewende und zum Atomne Anti-Atombewegung, einen endgültigen Atom- kraftwerk in doch anders als in ausstieg, da mehren sich Cattenom Deutschland ist es ihr aus dem Nachbarland nicht gelungen, weFrankreich die Nachrichsentlichen gesellschaftten über Zwischenfälle im Atom- lichen Einfluss zu erreichen. So kraftwerk Cattenom – allein sechs blieb die Atomkraft in Frankreich sind es schon in diesem Jahr. Wie relativ unumstritten und sichert lange soll das noch gut gehen? heute mehr als drei Viertel der französischen Stromproduktion. Anders als der noch immer verseuchte Unglücksort Fukushima Das charmante Laissez-faire, für ist Cattenom nicht Tausende Ki- das die Deutschen ihre Nachbarn lometer weit entfernt, sondern um so schätzen, ist im Fall der Atomdie Ecke. Cattenom ist ein Nach- kraft allerdings fatal. Den Umbardorf von Rheinland-Pfalz und gang mit dem Kernkraftwerk Catliegt nur ganze 19 Kilometer von tenom muss Frankreich zwar verder Landesgrenze entfernt in antworten, aber die Folgen eines Lothringen. Interessiert uns das, ernsten Störfalls müssten alle trawas die Nachbarn tun? Beileibe gen, insbesondere auch die nicht genug. Denn die Betroffen- Rheinland-Pfälzer. heit über den schlechten Zustand des Atomkraftwerks ist zwar in Atomkraft ist nicht beherrschbar. der Mainzer Landesregierung, Für keine Nation. Auch im japaaber noch nicht in der Bevölke- nischen Fukushima ereignete sich rung angekommen. Zumindest am 11. März 2011 das, was Exnicht so, wie es das Gefahrenpo- perten für äußerst unwahrscheintenzial durch den französischen lich gehalten haben: die Abfolge Schrottmeiler verdient hätte. von einem schweren Erdbeben, einem Tsunami und einer daWirtschaftsministerin Eveline durch ausgelösten Kernschmelze. Lemke fordert seit Langem ein Die Wirklichkeit hat schon zu GeAus des Atomkraftwerks, Seite an nüge gezeigt, dass diese Technik Seite mit ihren Kollegen aus Lu- nicht zu verantworten ist. xemburg und dem Saarland. Doch E-Mail: birgit.pielen mehr, als Druck auszuüben und @rhein-zeitung.net Mängel des Meilers offenzulegen, Y Leserbriefe Treibstoffe Die hohen Preise für Benzin und Diesel sorgen derzeit mal wieder für heftige Debatten. „Wer kassiert“ Die Preistafeln der Tankstellen signalisieren uns täglich die Ohnmacht des Otto Normalverbraucher, aber auch die des Staates gegenüber den Ölmultis. Die Bundesregierung ist hieran, wie wir wissen, mit der Energie- und der Ökosteuer maßgeblich beteiligt. Etwa 40 Milliarden Euro fließen ihr jährlich über diese Steuern zu. Das ist jedoch nur ein Teil der Wahrheit, denn hierauf erhebt sie auch noch 19 Prozent Mehrwertsteuer, sodass unterm Strich 48 Milliarden Euro zu Buche schlagen. Der Staat kassiert also Steuern von Steuern! Um das Volumen zu verstehen, muss man wissen, dass der Staat bei einer Erhöhung von nur 1 Cent pro Liter Kraftstoff etwa 130 Millionen Euro mehr an Mehrwertsteuer einnimmt! Warum sollte er also ernsthaft etwas gegen diese Verteuerungen tun? Statt sich hier selbst Mäßigung aufzuerlegen und die Mehrwertsteuer zu „deckeln“ oder die „Steuer von der Steuer“ ersatzlos zu streichen und damit die geschundenen Bürger zu entlasten, fällt der Regierung nichts Besseres ein, als den Ölmultis ständig den Schwarzen Peter zuzuschieben. Auch das Verhalten der Opposition ist hier nicht zielführend, zumal die Grünen deutlich höhere Kraftstoffpreise pro Liter befürworten, um die Bürger über diesen Weg wieder zur steinzeitlichen Fortbewegung zu nötigen. Wer hat denn also in Berlin den Mut, hier bürgernahe Politik einzufordern, statt Milliarden Euro in Griechenland nutzlos zu versenken? Karl-Otto Hahn, Bendorf-Sayn Bundespräsident Ungeachtet der Debatte über seinen Ehrensold, besteht Christian Wulff auch auf weiteren Privilegien für ehemalige Staatsoberhäupter. „Zur Räson“ Da fordert Herr Westerwelle Herrn Putin auf, im eigenen Interesse die Vorwürfe der Unregelmäßigkeiten aufzuklären; da fordern Herr Westerwelle wie auch andere Politiker in der Bundesregierung andere amtierende Staatsoberhäupter auf, endlich Maßnahmen gegen Korruption zu ergreifen, und vergessen dabei, Herrn Wulff und all die, die ihm noch den Rücken stärken, zur Räson zu rufen. Wie können führende Politiker in der Bundesregierung von Respekt und Würde über den zurückgetretenen Bundespräsidenten Wulff sprechen, der nicht nur seine eigene Würde, sondern auch die Würde aller rechtschaffenen Bundesbürger mit Füßen getreten hat? Wie kann Frau Merkel Herrn Wulff für seine Tätigkeit danken, die er zum Wohle des deutschen Volkes verrichtet hat, eine Tätigkeit, die vom Aufwachen bis zum Schlafengehen von Lügen begleitet war? Warum sprechen immer noch, wenn auch wenige, Bürger davon, die Medien wollten Herrn Wulff fertigmachen? In diesem Falle kann man nur sagen: Den Medien sei Dank und „nicht lockerlassen“. Falsches Fazit: Man kann doch nicht diesen Mann in die Wüste schicken; richtiges Fazit: Man muss diesen Mann in die Wüste schicken – ohne Großen Zapfenstreich, Ehrensold und sonstige Vergünstigungen. Paul Schmidt, Niederahr „Peinlich“ Nur 20 Monate war Herr Wulff ein unfähiger und peinlicher Bundespräsident ohne Spur von Rechtsbewusstsein, der nicht nur das Ansehen von Deutschland, sondern auch das Amt des Staatsoberhaupts beschädigte. Selbstverständlich gilt für ihn die Unschuldsvermutung. Aber: Warum wird ihm gleich der Ehrensold zugesprochen, ohne dass eine gerichtliche Feststellung seine Verfehlungen als „keine Vorteilsnahmen“ erkannte? Der Begriff Ehrensold hinterlässt einen eigenartigen Beigeschmack; das kann nur eine Gesellschaft ertragen, die einen Werteverfall hinnimmt! Ortrud Weiland, Mainz Ihr Kontakt zu uns Sie möchten auch Stellung zu Themen unserer Zeit oder unserer Zeitung beziehen? Schreiben Sie uns: Rhein Zeitung „Leserbriefe“ 56055 Koblenz Fax: 0261/892-122 [email protected] Man kann nicht immer schreiben, was man will Z Fürst Putemkin Wie kann man ein Land entseuchen? Fukushima Japans konfuser Kampf gegen die radioaktive Strahlung Von Lars Nicolaysen M Fukushima. Kratzend fährt die Schaufel in den Boden. „Die Stadtverwaltung hat uns beauftragt, die verseuchte Erde hier abzutragen, bis die Radioaktivität unter ein Mikrosievert fällt“, erklärt einer der Arbeiter und kippt die Erde auf seiner Schaufel in einen großen, hellbraunen Sack. Der Mann, der seinen Namen nicht nennen will, trägt zum blauen Arbeitsanzug eine simple Papiermaske vor dem Mund, wie sie Japaner sonst bei Erkältungen oder Pollenallergien benutzen. Normalerweise arbeitet der Mann als Landschaftsgärtner. Jetzt hat er den Auftrag, die durch den Kraftwerksunfall im AKW Fukushima Daiichi verseuchte oberste Erdschicht um ein Wohnhaus in der Stadt Fukushima mit seiner Schaufel abzutragen. uschriften der Leser, also die sogenannten Leserbriefe, stellen manche Autoren mitunter vor Probleme, was die Meinungsfreiheit angeht. Denn einige interpretieren das als Freibrief, als könne man grundsätzlich einfach drauflosschreiben, irgendwelche Behauptungen aufstellen, Schlüsse daraus ziehen und schwupp: Schon hat das in der Zeitung zu stehen. Nun will ich hier nicht mit juristischen Finessen daherkommen, aber so viel muss dann doch gesagt sein: Man kann nicht einfach alles schreiben, was man will und auch noch verlangen („sonst kündige ich das Abo“), dass dies veröffentlicht wird. Zwei Ausdrücke machen das klar: Sorgfaltspflicht und Verbreiterhaftung. Sorgfalt bedeutet auch für den Verfasser eines Leserbriefs, dass er den Inhalt auf seinen Wahrheitsgehalt prüft. Unbegründete Behauptungen und Beschuldigungen, Ehrverletzung, Veröffentlichungen, die das sittliche oder religiöse Empfinden verletzen, gehören dazu. Verbreiterhaftung bedeutet, dass eine Zeitung bei der Veröffentlichung solcher Behauptungen haftbar gemacht werden könnte, wegen übler Nachrede etwa. Briefe mit wüsten Beschimpfungen und Vorwürfen bleiben unveröffentlicht. Sie lassen ein Mindestmaß an Respekt vor anderen Menschen und Meinungen vermissen. Tweet des Tages In Deutschland hat die Krötenwanderung begonnen. Unser aller Kröten wandern nach Griechenland! twitter.com/nora1064 Das Dekontaminieren verstrahlter Gebiete und Häuser in der Provinz FuFoto: dpa kushima verläuft vielerorts chaotisch. Mancherorts sind es ganz normale Bürger, also die Opfer der Atomkatastrophe, die ohne Strahlenschutz Straßen und AbflussrinKeine Erfahrung mit Radioaktivität nen von der gefährlichen StrahAuch seine Mithelfer sind keine lung befreien. Erst jetzt, fast ein Experten im Umgang mit Radio- Jahr nach Beginn der Katastrophe, aktivität. Mit einem Geigerzähler zeigen sich mehrere Stromversorhaben sie an dieser Stelle 1,5 Mik- ger bereit, Atomexperten in die rosievert pro Stunde gemessen; der Provinz Fukushima zu schicken, Grenzwert liegt bei 3,8 Mikrosie- um die Menschen zu unterstützen. vert. „Ich mache mir da keine groKein Wunder, dass die Bemüßen Sorgen“, sagt einer der Män- hungen um eine Dekontaminiener. Ihnen sei klar, dass die De- rung der verstrahlten Gebiete ein kontaminierungsarbeiten nicht oh- Jahr nach Beginn der Katastrophe ne Risiken seien. „Aber irgendwer auf viele besorgte Bürger chaotisch muss das ja machen“, sagt der wirkt. Das fängt schon allein damit Mann in den Zwanzigern. Seinen an, dass es verschiedene EntscheiNamen will aber auch er lieber dungsträger für die Arbeiten gibt: nicht nennen. Mit Wasser spritzen mal ist es der Staat, dann die Prädie Männer das Hausdach ab, kap- fektur, dann wieder die Städte pen Äste von Bäumen und tragen selbst. Zudem fragen sich viele die obere Erdschicht ab. Anschlie- Bürger, ob die Dekontaminierung ßend schaffen sie den überhaupt effektiv ist. Abraum in Säcken an „Auch wenn man deSerie einen Ort auf einem kontaminiert, kommen bewaldeten Berg. Was anschließend neue radamit am Ende gedioaktive Partikel von schehen soll, ist jeden Bergen herunter“, doch noch vollkomsagt ein Bewohner aus men ungeklärt. Iidate, der vor der Ka„Es ist das erste tastrophe geflohen ist 2 Mal, dass in unserem Teil und heute in einer BeErdbeben, Tsunami, Land in einem solch Atomunfall: Die Katashelfsunterkunft lebt. großen Ausmaß de- trophe vom 11. März 2011 Eines der größten kontaminiert werden in Japan hatte Folgen für Probleme ist die Frage, muss. Im Grunde weiß die ganze Welt. wohin mit den gewalkeiner, wie man das tigen Mengen Abrichtig macht“, räumt ein Vertreter raum. Im Ort Minami Soma etwa, der Atomenergiebehörde ein. Ein- der im Umkreis von 30 Kilometern zelne Städte außerhalb der Eva- um die Kraftwerksruine liegt, wollkuierungszonen um die Kraft- te die Verwaltung auf einem früwerksruine hatten schon kurz nach heren Golfplatz am Meer ein ZwiBeginn der Katastrophe vom 11. schenlager einrichten. Doch auch März 2011 auf eigene Faust die De- hier hagelte es scharfe Proteste der kontaminierung gestartet. In Kori- Anwohner: „Warum muss die Erde yama begann man schon Ende Ap- aus bergigen Gegenden, wo die ril, an Schulen und Kindergärten Strahlung höher ist, ausgerechnet die Erde abzukratzen und zu einer hier hin, wo die Werte niedriger Müllanlage zu fahren. Wegen Pro- sind?“, zitierte die Lokalzeitung testen der Anwohner musste sie zu- „Kahoku Shinpo“ einen Bürger. So rückgebracht werden – sie wurde wie in Minami Soma, wo 20 000 auf dem Schulgelände vergraben. der 71 600 Bürger flohen, sieht es vielerorts aus. Das Gleiche betrifft die Entsorgung der Trümmer vom Erdbeben und Tsunami. Lediglich 5 Prozent der geschätzt 22,5 Millionen Tonnen an Schutt und Abfall aus den Provinzen Fukushima, Iwate und Miyagi konnten bislang verbrannt oder anderweitig entsorgt werden. Der Grund ist, dass sich Gemeinden außerhalb des Katastrophengebietes bislang aus Angst vor Verstrahlung sträuben, Abraum bei sich aufzunehmen. Vom Regen in die Traufe Nach Beginn der Katastrophe hatte der Staat um das havarierte Atomkraftwerk wie mit einem Zirkel eine Evakuierungszone gezogen. Tatsächlich aber wurde wegen der Windrichtung vor allem ein Gebiet stark belastet, das sich wie eine schmale Zunge von der Atomruine einige Dutzend Kilometer nach Nordosten ausbreitet. Da die vom Staat verordnete Evakuierungszone dies jedoch nicht abdeckt, zogen einige der 80 000 Anwohner des AKW, die ihre Häuser verlassen mussten, in Gegenden mit noch viel höherer Strahlung als in ihren Heimatorten. Nun will die Regierung die betroffenen Regionen je nach Strahlenwert neu aufteilen. Zuerst sollen Gebiete mit einer Dosis von bis zu 50 Millisievert ins Visier genommen werden. Damit soll der Staat vor März 2014 fertig sein. Mit der Festlegung auf ein Datum will die Regierung den 160 000 Evakuierten einen Horizont geben, um sich auf eine Rückkehr in ihre Heimat vorbereiten zu können. Doch es gibt auch Gebiete mit noch höherer Verstrahlung als 50 Millisievert im Jahr. Hier ist an eine Rückkehr der früheren Bewohner kaum zu denken. Z Morgen lesen Sie: Alles nur Strahlenphobie? – Fukushima und die Gesundheitsgefahren Facebook EU will Frauenquote Heidi Emig: Und ich dachte immer, Leistung rechnet sich! Wer setzt sich eigentlich für die Frauen ein, die sich auch heute noch gern um ihre Familien kümmern? Aber DAS rechnet sich ja nicht! Y Sie finden uns unter facebook.com/rheinzeitung Das bringt der Tag Gauck bei der Linken Der Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten stellt sich Fragen der Bundestagsfraktion. IT-Branche blickt nach Hannover Die weltgrößte Computermesse, die Cebit, öffnet ihre Tore. Zehn Vorwahlen an einem Tag „Super Tuesday“ der Republikaner in den USA Video des Tages Grandios: Eis-Abbruch an Anden-Gletscher Alle paar Jahre kommt es im argentinischen Patagonien zu einem einzigartigen Naturschauspiel. Wenn der riesige PeritoMoreno-Gletscher „bricht“, sind ungeheure Energien am Werk. Y Das Video finden Sie unter ku-rz.de/andengletscher
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