Die heißesten Wahlkampfthemen – und was daraus wurde

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Politik
Freitag, 22. Jänner 2010
Freitag, 22. Jänner 2010
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Die heißesten Wahlkampfthemen – und was daraus wurde
Foto: APA
Wider Willen Manager
der Krisen geworden
WIEN. Kardinal Christoph Schönborn wird heute 65. Der zurückhaltende Intellektuelle war von
Beginn an mit Krisenmanagement in der katholischen Kirche
Österreichs beschäftigt.
Schönborn, der 1995 aufgrund
eines Missbrauchs-Vorwurfs gegen Hans Hermann Groër dessen
Amt als Wiener Erzbischof übernahm, konnte nicht ahnen, dass
Kirchenkonflikte seine Amtszeit
prägen würden. Bis zur jüngsten
Krise, ausgelöst durch die letztendlich missglückte Ernennung
des erzkonservativen Gerhard
Maria Wagner zum Linzer Weihbischof, meisterte der gebürtige
Böhme aber so ziemlich alles –
wenn auch meist nach längerer
Bedenkzeit.
Selbst mit Rom legte sich der
Wiener Erzbischof, der heute Geburtstag feiert, an. Im Fall Wagner
verfasste er als Vorsitzender der
Bischofskonferenz einen geharnischten Hirtenbrief, der einen
Rapport beim Papst zur Folge
hatte. Ein entscheidender Schritt
war wohl die (Selbst-)Demontage
des streitbaren St. Pöltner Bischofs Kurt Krenn nach einer Sexaffäre in dessen Priesterseminar.
In Kirchenkreisen wird Schön-
born als weltoffen, leutselig und
sprachgewandt gelobt, zum kritischen Kirchenvolk und zu Medien
hält der Dominikaner aus adeligem Haus (mit einem Dutzend
höchsten kirchlichen Würdenträgern in der Ahnentafel) Distanz.
Zu Papst Benedikt XVI. hat Schönborn seit dessen Zeit als Theologieprofessor eine freundschaftliche Beziehung.
Nach dem Tod von Johannes
Paul II. firmierte Schönborn in
den
Nachfolge-Spekulationen
ganz oben. Der immer elegant
auftretende Kardinal ist nicht nur
einer der profiliertesten Fürsprecher des interreligiösen Dialogs,
er hat sich auch die innere Erneuerung des Katholizismus auf
die Fahnen geschrieben. Erneuerungsbewegungen wie das „Neokatechumenat“ haben seine Sympathie.
In gesellschaftspolitischen Bereichen marschiert der Wiener
Erzbischof die Vatikan-Linie treu
mit, etwa bei der Ablehnung von
Abtreibungen oder bei homosexuellen Partnerschaften. Kirchenkritikern, die etwa die Abschaffung des Zölibats und die Priesterweihe für Frauen fordern, begegnet Schönborn freundlich im
Ton, aber hart in der Sache.
• DIE RETTUNG DES WASSERS: Die
ÖVP habe „unsere Kraftwerke und
unser Wasser an US-Investoren verkauft“, konstruierte die SPÖ im
Wahlkampf und rief die Parole aus:
„Wir holen unser Wasser zurück“.
Einziger Hintergrund: Die Energie
AG hatte 2002 – mit Zustimmung
von VP und SP im Aufsichtsrat –
Kraftwerke in einem Cross-BorderLeasing-Geschäft an US-Investoren
verleast und wieder zurückgeleast
– eine Geschäftspraxis, die neben
vielen anderen Unternehmen auch
die Linz AG praktiziert hat. Nach
der Wahl entwich dem Thema
rasch der Dampf: Dass die Geschäfte rückgängig gemacht werden sollten, darauf hatten sich ohnehin alle
Parteien zuvor schon verständigt –
ein Ausstieg hängt freilich nach wie
vor auch vom Willen der US-Investoren ab.
V ON M. S TAUDINGER , H. S TEINBOCK
UND G. N IEDOBA
Aus dem Blickfeld
•
DER REGIOLINER: Die Straßenbahn von Linz nach Aigen/Schlägl,
die die SPÖ bauen wollte, ist schon
ins Nirvana abgebogen. Stattdessen kommt eine zweite Straßenbahn-Achse im östlichen Teil
durch Linz, deren Planung die Linz
AG jetzt beginnt. Abgesehen von
teils fachlichen Bedenken gegen
das Straßenbahnprojekt, hat Verkehrslandesrat Hermann Kepplinger (SP) derzeit andere Sorgen:
Sein Vorgänger Erich Haider hat im
Ressort ein drastisch überzogenes
Budget hinterlassen.
• DAS UNGARN-GESCHÄFT: Kurz vor
der Wahl schreckte die SPÖ die ÖVP
mit der Enthüllung, dass das Land
Oberösterreich einem ungarischen
Geschäftsmann gegen eine millionenschwere Gebühr – die letztlich
nicht eintraf – Einblick in ein 140Millionen-Euro-Konto des Landes
gewährt hatte. Landesfinanzdirektor Josef Krenner nahm die Verantwortung auf sich, nach seinen Worten soll Landeshauptmann Josef
Pühringer (VP) nicht darüber informiert gewesen sein. Der Landesrechnungshof überprüfte die Angelegenheit, kam zum Schluss, dass
dem Land zwar kein Schaden daraus erwachsen sei, empfahl aber,
künftig die Finger von solchen Geschäften zu lassen. Was der ungarische Investor mit dem eigenwilligen Geschäft vorgehabt hat, hat
• DIE STIFTUNG L36: Genüsslich
bis hämisch warfen die politischen
Mitbewerber der SPÖ, die im Wahlkampf gegen Spekulationen wetterte und für höhere Vermögensund Stiftungssteuern eintrat, die
Parteistiftung „L36“ vor, in der die
SP ihr Vermögen selbst steuer-
schonend eingebracht hatte. Im
Gegensatz zur Steiermark ist die
Auseinandersetzung um die SPStiftung wieder verstummt, die
„L36“ besteht weiter. Die SPÖ fordert weiter eine höhere Stiftungsbesteuerung.
•
DIE
„OBERÖSTERREICH-PENSION“: Sollte die Hacklerregelung im
Bund wie erwartet auslaufen, wollte sich die SPÖ für eine Oberösterreich-Hacklerpension
einsetzen
und allfällige Verluste für Pensionsbezieher mit Landesgeld ausgleichen. Das Thema war mit der
Wahlniederlage unmittelbar Geschichte. Auch die SPÖ vertritt
jetzt die Ansicht, dass Pensionsregelungen eine Angelegenheit des
Bundes seien und dort zufriedenstellend gelöst werden sollten.
❞Es gibt keine Zusperrliste,
sondern eine Aufsperrliste.❝
JOSEF PÜHRINGER
auf die Vorwürfe der SPÖ im Wahlkampf, die ÖVP plane die Schließung von 16 Spitals-Abteilungen
• DAS KOHLEKRAFTWERK ENNS:
Mit der Mobilisierung gegen ein
solches Kraftwerk versuchten die
Grünen, Aufmerksamkeit zu gewinnen. Das Thema löste sich aber
rasch in Rauch auf, die Energie AG
hatte nie ein solches Kraftwerk in
unmittelbarer Planung, und auch
der Ennser Gemeinderat hatte bereits vorsorglich gegen ein solches
Projekt gestimmt.
•
Foto: OÖN
Kardinal Christoph Schönborn feiert heute 65. Geburtstag
aber bis heute niemand erklärt –
auch nicht der Rechnungshof.
Regioliner fuhr ins Nirvana.
DER INTEGRATIONSVERTRAG: Ein
weiteres Thema, das die SPÖ in der
Schlussphase aus dem Wahlkampf-Hut zauberte. Zuwanderer
sollten in einem „Vertrag mit Österreich“ ihren Integrationswillen
bekunden. Die Idee ist längst wieder eingestampft. Der für Integration zuständige neue SP-Landeschef Josef Ackerl, der die Idee
stets für zu plakativ hielt, setzt lieber auf die Umsetzung des Integrationsleitbilds des Landes Oberösterreich.
Bericht genannten Abteilungen zugesperrt wird. Aber: Eine der ersten
Ankündigungen von Landeshauptmann Pühringer nach der Wahl war,
dass eine weitere Spitalsreform
durchgeführt werden müsse, die
auch einschneidend sein werde. Zu
Reformen haben sich in Vereinbarungen auch alle andere Parteien
bekannt. Wie einschneidend sie
sein werden, wird sich erst weisen.
Noch am Köcheln
•
DER GRATIS-KINDERGARTEN: Ein
Wahlkampfthema, das verwirklicht
wurde. Für die Einführung waren
alle Parteien eingetreten – was sie
aber nicht daran hinderte, heftig
über die Urheberschaft zu streiten.
Dem Land kostet das eingelöste
Wahlversprechen 50 Millionen Euro
pro Jahr zusätzlich. Mindestens 50
neue Kindergartengruppen müssen errichtet werden. Manche Gemeinden beklagen auch Mehrkosten, die ihnen durch ausgeweitete
Öffnungszeiten entstehen.
• DIE HERZKATHETER: Bei der Anschaffung dreier Herzkatheter für
die Spitäler Steyr, Vöcklabruck
und Ried schwenkte die ÖVP im
Frühsommer überraschend und
gegen die Ratschläge des Landesrechnungshofes ein, um der SPÖ
keine Wahlkampfmunition zu liefern: Allerdings warten die Spitäler – mit Ausnahme von Ried, das
eigenmächtig ein Gerät in Betrieb
genommen hat – immer noch auf
ihre Herzkatheter. Bis Weihnachten hatte das Land noch keinen
Antrag bei der Bundesgesundheitskommission eingebracht, die
den Betrieb genehmigen muss. Die
nächste Sitzung der Kommission
ist im März.
•
DAS GRATIS-MITTAGESSEN: Als
sich die SPÖ mit der Wende der
ÖVP zum Gratiskindergarten um
ein Wahlkampfthema gebracht
sah, drehte sie die Schraube weiter: Nicht nur der Besuch des Kindergartens müsse gratis sein, sondern auch das Mittagessen. Zwar
haben manche Gemeinden, darunter Linz, das Vorhaben verwirklicht, auf eine landesweite Umsetzung drängt die SPÖ aber nicht
mehr offensiv – auch wenn das
Thema am Programm bleiben soll.
Einige Gemeinden, die das GratisMittagessen bereits eingeführt
hatten, nahmen die Maßnahme unterdessen aus Kostengründen
schon wieder zurück.
Mit der Wahl erledigt
•
DER KAMPF UM PLATZ EINS: Ein
Rennen, das angesichts der Umfragen vor der Wahl von Woche zu
Woche unrealistischer wurde. Die
SPÖ hielt die Illusion, Erster werden zu können, dennoch bis zuletzt aufrecht. Die ÖVP nahm das
Thema bereitwillig an. Wie weit
von der Realität entfernt das war,
bestätigte das Wahlergebnis dann
noch deutlicher, als in den Umfragen vorhergesagt.
Wahlkampfthemen: Wem gehören die Kraftwerke,...
Foto: Wodicka
❞Ja, das glaube ich
wirklich.❝
ERICH HAIDER
Ex-Landeshauptmann-Stellvertreter und Ex-SP-Landeschef,
im Wahlkampf auf die Frage,
ob seine Ansage, er kämpfe um
den ersten Platz, ernst
gemeint sei
...bekommen Kindergartenkinder das Essen gratis...
Foto: sedi
•
DAS
DELL“:
•
DIE SPITÄLER-ZUSPERRLISTE: ÖVP
und Grüne wollen 16 Spitalsabteilungen zusperren, behauptete die
SPÖ. Ausgangspunkt war ein Bericht des Landesrechnungshofes
(LRH) über die Spitalsreform 2005,
in dem sich auch eine Liste von
möglichen Einsparungen bei Krankenhaus-Abteilungen fand. Die ÖVP
stritt empört ab, dass es eine „Zusperrliste“ gebe. Im Landtag und in
der Landesregierung wurde beschlossen, dass keine der im LRH-
jobs zu schaffen. Den Sitz in der
Landesregierung hat Anschober
wieder erhalten und die Job-Forderung im Regierungsübereinkommen mit der ÖVP festgeschrieben.
Abgesehen davon, dass die Arbeitsplätze in der Wirtschaft geschaffen
werden müssen, wird sich erst gegen Ende der Legislaturperiode zeigen, ob das Versprechen gehalten
hat. Eine erste Zwischenbilanz will
Anschober Ende Februar ziehen.
• 50.000 ÖKOJOBS: Gebetsmühlenartig versprach Grünen-Landesrat Rudi Anschober, 50.000 Öko-
Foto: Weihbold
LINZ. Regioliner, die Rettung des
oberösterreichischen Wassers und
ein Ungarn-Geschäft, über das
weiter Unklarheit herrscht: Was in
den Monaten vor der Wahl die politische Diskussion mitprägte, köchelt jetzt – knapp vier Monate
nach der Wahl – wenn überhaupt,
meist nur auf Sparflamme: Ein
OÖN-Überblick über die Kurzlebigkeit von Wahlkampfthemen.
Leitbild statt Integrationsvertrag
KÄRNTNER „ERFOLGSMOMt dem „Erfolgsmodell“
Kärnten zog das BZÖ um Ursula
Haubner in den Wahlkampf. Für
den Einzug in den Landtag reichte
es nicht. Schwacher Trost für das
BZÖ: Angesichts der jüngsten Entwicklungen in Kärnten – von der
Hypo-Alpe-Adria-Verstaatlichung
über den Kärntner Schuldenberg
bis zur Abspaltung der früheren
Kärntner Parteifreunde – hätte das
BZÖ jetzt im Landtag gewaltigen
Erklärungsbedarf für sein „Erfolgsmodell“.
...oder werden Spitals-Abteilungen zugesperrt?
Foto: vowe
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Nachrichten Überblick
Nachrichten Überblick
Zusammenschluss im ÖGB
Kärntner Dauerbrenner
Foto: APA
VP will Ortstafel-Lösung
WIEN. Nach Ex-Kanzler Wolfgang
Schüssel fordert nun auch Außenminister
Michael Spindelegger (beide VP) zum
heurigen 55-Jahr-Jubiläum des Staatsvertrags die Lösung des Kärntner OrtstafelKonflikts. Dafür müsse der zuständige
Bundeskanzler Werner Faymann (SP) bis
zum Sommer eine Vorlage unterbreiten.
2009 neun Illegale gefasst
WIEN. Die Soldaten im – eben verlängerten – Assistenzeinsatz im Burgenland
und in Niederösterreich haben 2009
neun illegale Einwanderer, aber keinen
einzigen Schlepper aufgegriffen. Der Einsatz kostet 12,5 Millionen Euro pro Jahr,
so ein Bericht von Innenministerin Maria
Fekter (VP) auf FP-Anfrage. Das Verteidigungsministerium zum Vorwurf, dass ein
Aufgriff 1,4 Millionen Euro gekostet
habe: Durch die Präsenz der Soldaten
werde primär das Sicherheitsgefühl gestärkt, für die Verlängerung des Einsatzes
seien 80% der örtlichen Bevölkerung.
LINZ. Als erste ÖGBLandesorganisation hat
der ÖGB Oberösterreich
gestern eine gewerkschaftsübergreifende
„ARGE Gesundheitsberufe“ gegründet. In ihr sollen
alle Arbeitnehmer aus
Foto:ÖGB
Pflege-, Gesundheits- und
Sozialberufen vertreten sein. Sprecher
der ARGE ist der Betriebsratsvorsitzende
des AKH Linz, Branko Novakovic. Als
Ziel nannte er eine Ausbildungsreform
für Pflegeberufe, in der eine Ausbildung
mit Maturaniveau enthalten sein müsse.
Medizin-Uni im Parlament
WIEN. Die Errichtung einer MedizinUni Linz wird bisher vom Wissenschaftsministerium abgelehnt – gestern im Nationalrat versuchte eine OberösterreichDelegation aus Landtagsabgeordneten,
Vertretern der Medizinischen Gesellschaft und des Proponentenkomitees,
bei einer Info-Veranstaltung allen Nationalratsparteien das Anliegen nahezubringen. VP-Landtagsklubobmann Thomas
Stelzer sah das „enorme Interesse“ der
Parlamentarier als „gutes Zeichen“, die
Medizin-Uni Linz werde die „erste große
Herausforderung“ für den Nachfolger
von Johannes Hahn im Wissenschaftsministerium. FPÖ und BZÖ kritisierten,
dass es bereits einen Entschließungsantrag für die Medizin-Uni gebe, der
aber nicht behandelt werde.