Was Fischen weh tut - Fischereiverein Bad Säckingen

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Faszinierend
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S A M S T A G , 9 . A U G U S T 2 0 14
Was
Fischen
weh tut
Der Angelhaken verursacht keine
Schmerzen, hieß es jahrelang. Doch
darüber streitet heute die Wissenschaft
VON CL AUDIA FÜSSLER
..........................................
D
Am Haken: Tut das
dem Fisch weh oder
nicht, das ist die
Frage, die restlos
noch nicht geklärt
ist.
BI L D : S CUS I - FO T O L I A
ie Forelle zappelt hektisch. In ihrem Maul
hängt ein großer Haken,
an dem der glückliche
Angler sie ans Ufer zerrt. Keine
Sorge, das tut nicht weh, der Fisch
hat sich nur erschreckt – so lautete
jahrzehntelang die weit verbreitete Auffassung unter Fachleuten
und Laien. Es war eine Art tradiertes Allgemeinwissen: Da ist alles
verhornt, Fische fühlen nichts.
Doch das Bild vom Fisch wandelt sich mit zunehmender Forschung: Das als primitiv geltende
Wesen ist lernfähig und zeigt ein
soziales Verhalten. Erst vor gut zehn
Jahren hat die Wissenschaft damit
begonnen, sich intensiver mit dem
Schmerzempfinden von Karpfen,
Hecht und Co. auseinanderzusetzen.
In zahlreichen Untersuchungen kamen Forscher zu dem Schluss, dass Fische durchaus die Voraussetzungen für
ein Schmerzempfinden haben.
Seither ist eine Debatte entbrannt,
die längst keine rein wissenschaftliche
mehr ist, sondern deutlich ethischemotionale Züge trägt. Im vergangenen
Jahr hat sich ein internationales Forscherteam aus Neurobiologen, Verhaltensökologen und Fischereiwissenschaftlern alle wesentlichen Studien
zum Fischschmerz angeschaut und das
Fazit gezogen: Fische besitzen kein dem
Menschen vergleichbares Schmerzempfinden. Die Studie wurde im Fachmagazin „Fish and Fisheries“ veröffentlicht. „Fischen fehlen die für das bewusste Schmerzempfinden beim Menschen nötigen Hirnstrukturen“, sagt
Mitstudienautor Robert Arlinghaus
vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, der an der
Humboldt-Universität zu Berlin eine
Professur für Integratives Fischereimanagement innehat. Zudem seien die für
das tiefe Schmerzerleben beim Menschen notwendigen Rezeptoren bei Fischen selten oder gar nicht vorhanden.
Fisch ist nicht gleich Fisch. Mehr als
32 000 verschiedene Arten kennt die
Wissenschaft derzeit, das ist mehr als
die Hälfte der auf der Erde lebenden
Wirbeltiere. Die Fische lassen sich in
drei große Klassen unterscheiden: Knochenfische wie Makrele, Forelle oder
Karpfen, Knorpelfische wie Rochen
und Haie und Rundmäuler wie Neunaugen und Schleimaale.
Wie aber lässt sich Schmerz bei einem
Tier, das sich mit uns nicht durch entsprechende Laute oder eine bestimmte
Verhaltensweise verständigen kann,
überhaupt erkennen oder gar messen?
Sicher, ein veränderter Hormonhaushalt oder ein schneller schlagendes
Herz sind Anzeichen einer Reaktion auf
einen Impuls. Aber ist die gleichbedeutend mit Schmerz?
Ja, sagen zum Beispiel die Forscher
um Lynne Sneddon am Roslin-Institut
in Edinburgh, die gezeigt haben, dass
Regenbogenforellen die Reizung bestimmter Schmerzrezeptoren via elektrischer Impulse ans zentrale Nervensystem weiterleiten. Kritiker, zu denen
unter anderem Arlinghaus und James
D. Rose von der University of Wyoming
gehören, sagen, hier werde fälschlicherweise nicht unterschieden in bewussten Schmerz und unbewusste
Schadenswahrnehmung, die sogenannte Nozizeption.
Nur indirekte Beweise
Doch den Fisch fragen, ob ihm was weh
tut, geht nun mal nicht. Es bleiben nur
die indirekte Beweisführung und das
Verdichten der Indizienkette. Genau
das versuchen Wissenschaftler. Einigkeit besteht darin, dass für ein Schmerzempfinden bestimmte anatomische
Voraussetzungen erfüllt sein müssen.
Da wären zum Beispiel besagte
Schmerzrezeptoren. Einfache A-Nozizeptoren sind nicht nur bei Regenbogenforellen, sondern auch bei Goldfischen und Karpfen gefunden worden.
„Die für das tiefe Schmerzerleben wichtigeren C-Nozizeptoren sind allerdings
bei den Knochenfischen höchst selten
und Nozizeptoren aller Art fehlen bei
den Knorpelfischen ganz“, gibt Arlinghaus zu bedenken.
Wiederum für ein mögliches
Schmerzempfinden spricht, dass Fische über eine körpereigene Apotheke
Gut zu wissen
verfügen. Bereits in den neunziger Jahren wurden die vom Menschen bekannten wichtigen Neurotransmitter
Dopamin, Aspartat und Glutamat in Fischen nachgewiesen.
Das einzige Manko der Fische: Sie haben keine Großhirnrinde. Hier, im Neokortex, nehmen höhere Wirbeltiere den
Schmerz bewusst wahr und verarbeiten
ihn. Für die Gegner der Schmerztheorie
ist das das Hauptargument: Wo keine
Struktur fürs Schmerzempfinden, da
kein Schmerz, allenfalls ein reflexartiges Verhalten auf Schmerzreize.
Eine primitive Idee, findet Markus
Wild. Der Schweizer Philosoph ist Professor für Theoretische Philosophie an
der Universität Basel und hat im vergangenen Jahr für die schweizerische
Ethikkommission ein Gutachten über
Bewusstsein und Schmerzempfinden
bei Fischen erstellt. Sein Fazit ist eindeutig: Fische empfinden Schmerz.
„Der Gedanke, da ist eine Klingel, die
läutet, wenn’s weh tut, verkennt völlig,
wie viele unterschiedliche Faktoren bei
einer Schmerzmatrix zusammenspielen“, sagt Wild. Es sei Neurochauvinismus anzunehmen, bestimmte Dinge
funktionierten nur mit einer bestimmten Struktur. In der Philosophie verfolgt
man stattdessen den Gedanken der
multiplen Realisierbarkeit: Bestimmte
Gefühle oder Gedankenzustände sind
durchaus auf völlig verschiedenen physikalischen und biologischen Wegen erreichbar.
Was nutzt dem Laien das Wissen, ob
Fische Schmerz empfinden oder nicht?
Würden wir uns anders verhalten? In
Deutschland sind Fische durch das
Tierschutzgesetz geschützt. Wer Tieren
grundlos Schmerzen, Leid oder Schäden zufügt, macht sich strafbar. Außerdem herrscht ein Entnahmegebot, das
heißt, einmal geangelte Fische, die
„entnahmefähig“, also groß genug sind,
dürfen nicht wieder freigelassen werden, weil sie etwa zu groß, zu alt oder
voller Laich sind. „Diese strikte Regel
beraubt weit mehr Fische ihres Lebens
als nötig, und das, obwohl die meisten
geangelten Fische das Zurücksetzen bei
geringem, kurzfristigem Stress überleben würden“, sagt Arlinghaus.
Mega-Eisberge in der Arktis
B
Schotts
Sammelsurium
verkaufte sich
weltweit zwei
Millionen Mal
(Verlag „Bloomsbury
Berlin“; 16 Euro).
is zu15 Meter tiefe Furchen von Eisbergen haben deutsche Forscher
am Meeresboden der Arktis entdeckt.
Die Spuren der gewaltigen Eisbrocken
seien bis zu vier Kilometer lang, teilte
das Alfred-Wegener-Institut für Polarund Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven mit. Die Furchen in einer Meerestiefe von 1,2 Kilometern sind demnach die tiefsten bisher in der Arktis gefundenen – und keineswegs frisch: Die
riesigen Eisberge schrammten irgendwann in den letzten 800 000 Jahren über
den Meeresboden zwischen Grönland
und Spitzbergen und erzeugten so diese gewaltigen Furchen.
Der größte Teil von Eisbergen liegt
unter der Wasseroberfläche, meist ragt
nur etwa ein Siebtel der Masse heraus.
Daher rührt auch die viel zitierte Metapher, das sei ja nur die Spitze des Eisbergs, wenn beispielsweise hinter einem Problem ein noch viel größeres
vermutet wird.
Die Wissenschaftler vom Albert-Wegener-Institut schätzen die Größe der
furchenziehenden Eisbrocken auf rund
1200 Meter. Die größten Eisberge heute
reichten maximal bis zu 700 Meter unter die Wasseroberfläche.
Die Entdeckung geht auf Daten zurück, die das Forschungsschiff „Polarstern“ bereits 1990 gesammelt hatte.
Erst durch eine verbesserte Technik
konnten die Wissenschaftler die Werte
nun genauer auswerten. Die Ergebnisse
sind im Fachmagazin „Geophysical Research Letters“ veröffentlicht. (dpa)