WIR MACHEN DEN STEIN DAZU. WAS AUCH IMMER - Bauwelt

Bauwelt 19 | 2013
14 Wettbewerbe Entscheidungen
Bauwelt 19 | 2013
Ideen im Anflug | Zentral- und
Landesbibliothek auf dem Tempelhofer Feld
in Berlin
Friederike Meyer und Benedikt Crone
ZLB
Offener Ideenwettbewerb
Acht gleichrangige Preise (je 31.250 Euro) Enves Arquitectos,
Alcorcón; Mitarb.: A. del Barrio, M. del Barrio, Navas Vinagre |
FAR frohn & rojas, Berlin; ANNABAU Architektur und Landschaft,
Berlin; Mitarb.: Frohn, Rojas, M. Koch, Choplain, A. Koch, Ho,
Petersson, Schloten, Wackernagel | MOA – Miebach, Oberholzer
Architekten, Zürich; T160 Landschaftsarchitektur, Zürich; Mitarb.: Miebach, Oberholzer, Schmidt | MARS Architekten, Berlin;
Uberbau Architecture & Urbanism, Berlin; TH Treibhaus & Lavaland, Berlin; Mitarb.: Massalme, Rieseberg, Kunze, Stellmach, Saad,
Vahl, Schröder, Dizici, Rabold, Szczodry, Henson, Festa, Miteva,
Lotter, Kattinger; Brandschutz: TPG Lehmann, Berlin, H. Flock |
Roberto Scarsato Architetto, Padua; Mitarb.: Scarsato, Carlassare,
Longo, Pavone | TKA – Thomas Kröger Architekt, Berlin; KUULA
Landschaftsarchitekten, Berlin; Mitarb.: Kröger, Uphaus, Becqueriaux, Bosch, Brückner, Gebka, Hallier, Osobinski; Bauphysik:
Müller BBM, Berlin | GATE Gussmann Atelier, Berlin; Capatti Staubach – Urbane Landschaften, Berlin; Mitarb.: Gussmann, Capatti,
Otter, Dettner, Staibach | Studio Motta-Stapenhorst, Bergamo; Mitarb.: Motta, Stapenhorst
Wohnbaufläche
Gemischte Baufläche
Gewerbliche Baufläche
Öffentliche Einrichtungen
Technologie, Bildung,
Gesundheitswirtschaft
Potenzialfläche
Für den Neubau seiner Zentral- und Landesbibliothek
(ZLB) hat Berlin ein aufwendiges Verfahren gewählt.
In einem offenen Ideenwettbewerb haben sich jetzt
acht Büros für den Realisierungswettbewerb qualifiziert, der im Herbst folgen soll.
Preis | Enves Arquitectos, Alcorcón
Preis | FAR frohn & rojas, Berlin
Preis | MOA – Miebach, Oberholzer Architekten, Zürich
Preis | MARS Architekten, Berlin
Preis | Roberto Scarsato Architetto, Padua
Preis | TKA – Thomas Kröger Architekt, Berlin
Die Teilnehmer des Ideenwettbewerbs sollten
eine Bibliothek nördlich der Rollbahn und die
Struktur der angrenzenden Wohnquartiere planen. Acht preisgekrönte Ideen zeigen, was
am Rand des Tempelhofer Felds machbar wäre.
Modellfotos: Hans-Jürgen Wuthenow
Dazu auf Bauwelt.de | Bildstrecke: Die
Bibliothek auf dem Tempelhofer
Feld – das vollständige Wettbewerbsergebnis
Preis | GATE Gussmann Atelier, Berlin
Preis | Studio Motta-Stapenhorst, Bergamo
Die Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) ist derzeit auf
drei Standorte in Berlin verteilt. Auf ca. 52.000 m²
sollen sie künftig zusammengeführt werden. Jahrelang
diskutierte die Stadt über den Standortvorschlag
Tempelhofer Feld und die Notwendigkeit eines Neubaus (Bauwelt 43.11, 1–2.12). Sollte nicht eher die
Amerika-Gedenkbibliothek ausgebaut werden, das
Tempelhofer Flughafengebäude oder gar das ICC?
Und stünde ein Neubau nicht besser am Hauptbahnhof oder neben dem Humboldt-Forum? Im Herbst
2011 entschied sich der Senat für einen Neubau am
Südwest-Rand des Tempelhofer Felds, dort, wo der
im März veröffentlichte Masterplan das neue Stadtquartier Tempelhofer Damm ausweist, nah zu U- und
S-Bahn sowie zur Stadtautobahn.
Jetzt folgt die Wahl der Architekten. Aus gutem
Grund macht sich Berlin die Aufgabe auch hier nicht
leicht. Seit langem beklagen kleine und jüngere Büros,
bei Wettbewerben in der Stadt nicht zum Zuge zu
kommen. Damit auch sie eine Chance haben, wurde
nun zunächst ein offener Ideenwettbewerb entschieden (Juryvorsitz: Jórunn Ragnarsdóttir), dessen Preisträger für den im Herbst geplanten Realisierungswettbewerb gesetzt werden sollen. Tatsächlich stammen die acht prämierten Entwürfe durchweg von jüngeren Kollegen. Und interessanterweise verleiten ihre
guten Ansätze zu dem Gedanken, dass das anschließende Verfahren mit 30 bis 50 Bewerbergemeinschaften gar nicht mehr nötig ist, würden sie überar­beiten und die geforderten Fachplaner nachbenennen.
Das Gut daran: Die gleiche Jury wird entscheiden.
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Miebach, Oberholzer
Architekten | Stahlbeton
hinter Glasfassade
Miebach, Oberholzer Architekten wollen die ZLB als einen achtgeschossigen, rechteckigen Kubus parallel zur
Landebahn ausrichten. Hinter der
Glasfassade verbirgt sich eine rohe
Stahlbeton-Konstruktion, die an die
Industriearchitektur des alten Flughafenhangars erinnern soll. Wer die Eingangshalle im Westen betritt, gelangt
über Frei- und Rolltreppen ins 2. OG.
Von dort dreht sich eine offene Rampe
kreisförmig bis ins 5. OG und führt
den Besucher an Leseplätzen und Freihandregalen vorbei. Das quadratische
Magazin verteilt sich, fernab vom Publikumsverkehr, über acht Ebenen in
der öst­lichen Hälfte des Gebäudes. Die
Jury lobte den klaren Aufbau der Bibliothek und die Atmosphäre der Innenräume. Jedoch würde der Bau durch
sein großes Volumen auch mehr als in
der Auslobung vorgegeben kosten.
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Enves Arquitectos | Eine
Dachlandschaft im Park
Enves Arquitectos schlagen ein Bibliotheksgebäude vor, das vom Park gen
Westen bis auf 30 m ansteigt. Die aus
Holzflächen und dreieckigen Fenstern
zusammengesetzte Dachlandschaft ist
vom Park aus begehbar. Sie mündet
in eine Plattform, die über die Glasfassade am Haupteingang ragt. Die 150 m
lange Eingangshalle erstreckt sich von
der Ost- bis zur Westseite des Baus.
Sie erschließt die Lesesäle, die sich
über mehrere Ebenen verteilen; das
Magazin liegt im Untergeschoss. Die
komplexe Verbindung der Innenräume
erinnert die Jury an Scharouns Staatsbibliothek am Kulturforum – „einer
der besten ‚demokratischen‘ Bibliotheksbauten Berlins“. Lob fiel auch für
die Dachkonstruktion, obwohl es fraglich sei, ob ein begehbares Dach den
Bau tatsächlich bereichere.
Wie eine kleines Gebirge
wächst der Bau von Enves Arquitectos aus der Parklandschaft Richtung Westen
Grundriss EG im Maßstab
1:2000
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Blick vom Stadtring auf
die gestaffelte Westseite der
Bibliothek
Schnitt durch den treppenartigen Bau im Maßstab
1:2000
Wettbewerbe Entscheidungen 17
Bauwelt 19 | 2013
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Bauwelt 19 | 2013
16 Wettbewerbe Entscheidungen
Die Rampe im Entwurf von
MOA dreht sich vom 2.
bis ins 5. OG. Im westlichen
Bauabschnitt liegt das
quader­förmige Magazin.
Grundriss 2. OG im Maßstab
1:2000
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FAR frohn & rojas | Stufenweise abgehoben
FAR frohn & rojas lösen sich von dem
vorgeschriebenen Standort der ZLB
und planen, die Bibliothek an das Ende
der südlichen Rollbahn zu setzen. Die
Platzierung sorgte für Diskussionen in
der Jury, unter anderem, weil der Bau
den Zugang zum Park behindern könnte.
Am Ende überwog aber die Begeisterung für den neuen Standort, der auf
originelle Weise die Bibliothek in die
Umgebung einbetten und sie klar mit
dem Flugfeld verbinden würde. Wie
eine Treppe steigt das Gebäude von der
Rollbahn geschossweise bis zum 9. OG
auf. Die zweite Hälfte des Baus wirkt
wie eine auf die Seite gelegte Kopie dieser Treppe und grenzt im Südwesten
an die S-Bahn-Trasse. Aus den Zügen
und von der Autobahn wäre die 86 m
hohe gestaffelte Fassade des Baus gut
sichtbar. Aufgrund des rigiden und
einfachen Quadratrasters der Fassade
könnte die ZLB im Vorbeifahren jedoch
mit einem „kommerziellen Projekt“
verwechselt werden, bemängelte die
Jury.
Der 60 m hohe Kubus von
MARS Architekten mit Lichthof und Lesegarten
Grundriss 8. OG und Schnitt
im Maßstab 1:2000
MARS | Glaswürfel
mit Atrium und Lesegarten
Die von MARS Architekten entworfene
Bibliothek ragt als 60 m hoher Würfel
aus den umliegenden Wohnquartieren.
Die glatte Glasfassade wird an den Gebäudeecken im Nordwesten und Südosten von Vorsprüngen durchbrochen, in
denen Rampen entlang der Außenseite
vom 4. ins 5. OG führen. Im Erdgeschoss
betritt der Besucher ein großes Foyer
mit Durchblick in alle Richtungen. Eine
Wendeltreppe erschließt hier das 1. OG
und zwei Rolltreppen das darüber liegende Geschoss. Durch einen Freiraum
in den obersten Stockwerken fällt Tageslicht in ein Atrium und einen kleinen Lesegarten im 8. OG. Auf ihn blickt
man herunter, wenn man in der das Atrium umschließende Kantine im 9. OG
speist. Das Magazin verstauen die Architekten in den beiden Untergeschossen. Die Jury lobte die „Wucht und Klarheit“ des Baus und die übersicht­liche Raumaufteilung. Der Entwurf biete,
auch wenn leicht teurer als vorgegeben, viel Potenzial.
Bauwelt 19 | 2013
18 Wettbewerbe Entscheidungen
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Roberto Scarsato
Architetto | Ebenenspiel
hinter Stabwerk
Roberto Scarsato Architetto planen, die
Bibliothek als 170 m langen Riegel parallel zur Landebahn an den Rand des
Wohnviertels im Norden zu schieben.
Die Längsausrichtung des Baus wird
auch von den Quartiersblöcken und
einer Baumreihe entlang der Rollbahn
aufgenommen. Neben seiner die Umgebung prägenden Lage fällt der Riegel vor allem durch eine Fassadengestaltung aus schmalen Sichtbetonpfeilern und engen Fensterschlitzen auf,
Bauwelt 19 | 2013
die dem Bau eine „ruhige kraftvolle Erscheinung“ geben würden, urteilte die
Jury. Der Besucher gelangt über einen
Vorplatz im Süden in die Eingangshalle, von der sich eine ellipsenförmige
Treppe bis ins 11. OG zieht. Dazu erschließen sechs Treppenräume und zehn
Aufzüge den Bau. Lob fiel in der Jury
für die spielerisch versetzten Ebenen,
wodurch ständig neue Blickbeziehungen entstünden. Das Magazin als Kern
des Gebäudes auf neun Geschosse zu
verteilen, sei zwar auch architektonische zu begrüßen, würde aber zu viel
Raum beanspruchen und Arbeitsabläufe
des Bibliothekspersonals erschweren.
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TKA – Thomas Kröger
Architekt | Eine Ladung
Bücher
Im Bau von TKA ähnelt der
Ausblick von oben dem von
der Brücke eines Schiffes
Grundriss 3. OG im Maßstab
1:2000
Senatsbaudirektorin Regula Lüscher
sprach von einem „gestrandeten Tanker“, als sie zur Vernissage der Wettbewerbsausstellung den Bibliotheksbau
von TKA beschrieb. Das 175 m lange
und 35 m breite Bücherschiff erstreckt
sich über einen trapezförmigen Platz
nördlich der Rollbahn und ruht auf einem massiven, zu allen Seiten auskragenden Sockel, in dem sich, wie in
einem Schiffsrumpf, die Magazine befinden. Der Sockel würde dem Gebäude
eine „an­genehme Schwere und Erdung“ verleihen, befand die Jury. Da
der Besucherbereich erst im 3. OG
beginnt, befürchten die Preisrichter jedoch, der Vorplatz könnte auf lange
Sicht verwaisen. Die Erschließung des
3. OG über vier schmale Rolltreppen an
den Gebäudelängsseiten wurde als
unpraktisch kritisiert. Vom Foyer führen Rolltreppen durch eine zentrale,
kreisrunde Öffnung bis ins oberste
Geschoss. Die umlaufende Verglasung
des Baus bietet den Besuchern von
Etage zu Etage einen „exzellenteren
Ausblick“ über die Parklandschaft,
so die Jury.
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Schmale Fensterschlitze und
versetzte Ebenen prägen
den Bau von Roberto Scarsato
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Bauwelt 19 | 2013
20 Wettbewerbe Entscheidungen
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GATE Gussmann Atelier |
Das Leselabyrinth
Wie ein Jenga-Turm, aus dem mehrere
Bausteine gezogen wurden, lässt der
Bibliotheksbau von GATE Gussmann Atelier im Innern unterschiedlich große
Lufträume zwischen den Geschossen.
Die Durchbrüche ermöglichen dem
Besucher ein „vielfältiges räumliches
Erlebnis“, lobte die Jury. Sie würden
zahlreiche Blickbeziehungen innerhalb
des Baus und zum Park schaffen. Im
Gegensatz dazu wirke die Außenfassade
jedoch geschlossen und abschottend.
Außerdem übersteige der 67 m hohe
Bau um 7 m die maximale Höhe. Das
Eingangsfoyer erstreckt sich in der
Mitte des EGs über zwei Geschosse.
Von hier aus erschließen acht Fahrstühle, Treppenhäuser, eine offene Treppenkaskade und Rolltreppen den Bau.
Die Architekten verteilen das Magazin
über mehrere Etagen und wollen Café,
Werkstatt und Kinderbetreuung im UG
unterbringen. Das Restaurant soll ins
16. OG – für einen weiten Blick über
die Umgebung.
Brillanz und
Präzision.
GATE öffnet durch Lufträume
den Blick von einem Geschoss
zum anderen
Schnitt im Maßstab 1:2000
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Von der Freilichtbühne am
Ende der Rollbahn führt ein
Laufgang direkt ins 1. OG.
Grundriss 1. OG im Maßstab
1:2000
Studio Motta-Stapenhorst |
Schmaler Riegel mit
langem Steg
Studio Motta-Stapenhorst planen die
Bibliothek als einen schmalen Riegel,
der sich auf einer Länge von 210 m
nördlich der Rollbahn erstreckt. Im Norden ist der Bau großflächig verglast,
die Fassade der Südseite besteht aus
Sichtbeton und Naturstein. Auffällig ist ein rötlicher, quergestellter Steg.
Er führt von einer Freilichtbühne am
Ende der Rollbahn durch die Südfassade ins Foyer des 1. OG, setzt sich auf
der Nordseite fort und mündet über
eine außenliegende Treppenanlage im
2. OG. Der Steg geht im Innern in einer
ovalen Freitreppe auf, die bis ins 7. OG
reicht. Zusätzlich zum Steg wird das
Gebäude über die Eingangshalle im EG
erschlossen. Die Magazine in den beiden obersten Attikageschossen zu verteilen sei nicht nur praktisch, lobte die
Jury, die Geschosse würden dem Bau
nach Außen auch einen „monumentalen Charakter“ verleihen und eine
„moderne Antwort“ zum alten Flughafengebäude darstellen.
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