Was macht globale Unternehmen und Marken nachhaltig wertvoll

Gregor Pillen
Geschäftsführer und General Manager, IBM Global Business Services
IBM Deutschland
Was macht globale Unternehmen und Marken
nachhaltig wertvoll und attraktiv?
Dokumentation der Keynote zum
6. Deutschen Marken-Summit
20. Juni 2012
Maybach-Center in der Mercedes-Welt, Berlin
Gregor Pillen – Dokumentation der Keynote zum 6. Deutschen Marken-Summit
© 2012 IBM Corporation
1
Herzlichen Dank, lieber Herr Dr. Hank.
Meine sehr verehrten Damen und
Herren,
International Business Machines – gegründet vor gut 100 Jahren (1911) – ist
laut aktuellem Interbrand-Ranking die
zweitwertvollste Marke der Welt, hinter Coca-Cola. Bei der Wertung von Millward Brown
sind wir auch auf Platz zwei, hinter Apple. Man könnte auch sagen: IBM ist die wertvollste
Business-to-Business-Marke der Welt.
Warum steht heute nicht unser Chief Marketing Officer vor Ihnen und spricht über die
Hintergünde dieses Erfolgs? Ganz einfach: Weil Markenbildung keine losgelöste Aktivität
der Marketing- und Kommunikationsabteilung mehr ist.
Dazu meine ganz persönliche, aus meinem Werdegang hergeleitete Erfahrung: Vor der
jetzigen Tätigkeit habe ich das Beratungsgeschäft der IBM in denWachstumsmärkten
Osteuropas, des Nahen Ostens und Afrikas verantwortet. Ich weiß, was es bedeutet, eine
Marke in Märkten zu positionieren, in denen sie wenig bis gar nicht präsent war – und wenn,
dann in nicht mehr aktueller
Konnotation. In unserem Fall heißt das
zum Beispiel: Für IT-Hardware vom
PC bis zum Großrechner zu stehen
(„Irgendwas mit großen Kisten...“).
PCs stimmt seit 2005 gar nicht mehr.
Größere Systeme entwickeln, bauen
und vertreiben wir nach wie vor. Aber unser Geschäft ist heute sehr viel softwarelastiger und
vor allem servicesgetrieben. Dienstleistungen – IT-Beratung, Implementierung und ITBetrieb – machen über die Hälfte unseres Umsatzes aus.
Gerade bei der Investition in Wachstumsmärkte, bei der Eroberung neuer Spielfelder, kommt
es auf die saubere und vor allem aktuelle Positionierung der Marke an. Das gilt unter Absatzgesichtspunkten, also für die Gewinnung neuer Kunden, ebenso wie für die Gewinnung neuer
Gregor Pillen – Dokumentation der Keynote zum 6. Deutschen Marken-Summit
© 2012 IBM Corporation
2
Mitarbeiter. Die konsequente globale Integration unseres Unternehmens setzt auf die Bildung
von weltweit operierenden Kompetenz- und Service-Centern. Für die braucht man als
innovationsgetriebenes Unternehmen
die besten Köpfe. Und die sollten
schlicht wissen, wo und bei wem sie
anheuern. Und warum es besser ist,
hier anzuheuern als dort.
Meine Erfahrung dazu will ich mit
Ihnen teilen. Das tue ich im größeren
Kontext der mir übertragenen
Thematik: Warum wir uns als IBM zum Thema Nachhaltigkeit von Unternehmenswerten als
Vorbild sehen und warum Markenbildung inzwischen breit im Unternehmen verankerte ChefSache geworden ist, möchte ich in vier Schritten herleiten:
Erstens aus der einhundertjährigen Geschichte der IBM.
Zweitens aus den aktuellen Einflüssen, denen die Marke unterliegt.
Drittens aus den Chancen, die daraus erwachsen.
Und viertens aus den daraus für die Unternehmensführung zu ziehenden Schlüssen.
Abschließend wage ich einen Ausblick auf Marke, Kultur und Werte auf dem globalen
Parkett für die kommenden zehn Jahre.
Zu meinem ersten Schritt: Der einhundertjährigen Geschichte und was
sich aus ihr lernen lässt:
Thomas J. Watson Sr. kam 1914 zur
damaligen Computing Tabulating
Recording Company. 1924 änderte er
den Namen in International Business
Machines Corporation, IBM. Die
Geschichte der IBM ist zu einem guten Teil die Familiengeschichte der Watsons. Thomas
Watson Sr. und seine beiden Söhne prägten das Unternehmen 57 Jahre lang: Der Vater stand
42 Jahre an der Spitze, der Sohn Thomas J. Watson Jr. 15 Jahre lang. Ihre Ansichten,
Maßstäbe und ihre Werte sind zu Teilen noch heute in unserem internationalen Unternehmen
gültig – natürlich modernisiert und angepasst.
Gregor Pillen – Dokumentation der Keynote zum 6. Deutschen Marken-Summit
© 2012 IBM Corporation
3
Watson Sr. war ein Vertriebsgenie und ein guter Motivator. Er erkannte das Potential, das im
Denken, in dem Wort “THINK” steckte, schon bevor er zu CTR kam. Und er integrierte sein
Konzept sofort in die Firmenkultur. Der Begriff wurde schnell zum Synonym für IBM. Er
war überall zu sehen: auf Schildern und
Fahnen, auf Treppenstufen und an den
Wänden. Die erste MitarbeiterZeitschrift hieß „THINK“.
Und noch heute ist “THINK”
allgegenwärtig in unserem Leben als
IBMer – vor allem natürlich im Kopf.
Die Erfolgsgeschichte der IBM ist ohne das Denken – die Kreativität, die Innovation, den
Willen, Probleme zu lösen – im wahrsten Sinn des Wortes nicht denkbar.
1962, kurz nach dem 50. Geburtstag des Unternehmens, hielt Thomas Watson junior – IBM
Chairman und Sohn des Gründers – eine viel beachtete Rede an der Columbia University. In
dieser Rede formulierte er die drei sogenannten „Basic Beliefs“ – die konkrete Formulierung
durchaus im Geist und in der Tonalität Watson seniors:
Spitzenleistung bei allem, was wir tun.
Überragender Kundendienst.
Respekt vor jedem Einzelnen.
In dieser Rede verwies er auch auf die folgende Statistik: Von den Top 25 Unternehmen des
Jahres 1900 in den Vereinigten Staaten waren 1961 nur noch zwei auf dieser Liste. Die
übrigen waren komplett verschwunden oder weit abgerutscht. Die Lektion, die Watson junior
damals damit verband, war folgende: „Unternehmen sind verzichtbar. Ihr Erfolg ist
bestenfalls vergänglich und kann jederzeit durch die Finger rutschen.“
Wir sehen, dass langfristiger Erfolg das Ergebnis langfristig orientierten Managements ist.
Das klingt banal und kaum jemand wird widersprechen. Watsons Basic Beliefs und seine
Lektion in Sachen Nachhaltigkeit erfordern zugleich einige konsequente Entscheidungen und
ebensolches Verhalten.
Gregor Pillen – Dokumentation der Keynote zum 6. Deutschen Marken-Summit
© 2012 IBM Corporation
4
Dazu zählt, eine eigene Werthaltung und Kultur im Unternehmen zu schaffen und sie
nachhaltig zu pflegen. Wie sehr das auch heute Gültigkeit hat, sehen wir an der Hinwendung
zu Werte-Diskussionen in unserer Gesellschaft. Gerade in einer rasch globalisierenden Welt
brauchen die Menschen etwas, das sie zusammen hält. Etwas, das ihren Handlungen einen
Rahmen gibt. Für die IBMerinnen und IBMer waren und sind das die Basic Beliefs, die Werte
des Unternehmens!
Wie wichtig dieser Zusammenhalt war und ist, wurde deutlich als die IBM Anfang der 90er
Jahre ins Schlingern kam, als – so sehen wir das heute – die Werte in den Hintergrund gerückt
waren. Wir sprechen rückblickend von einer Nahtod-Erfahrung – das Unternehmen stand am
Rand der Zahlungsunfähigkeit und häufte Milliarden-Verluste auf.
1993 übernahm Lou Gerstner das Ruder. Der CEO erkannte von Anfang an, dass „die IBM
ihrer Kultur wegen genauso berühmt war wie für das, was sie herstellte und verkaufte“. Es
galt also, IBM nicht nur technologisch, sondern auch moralisch wieder auf die Füße zu stellen.
Gerstner startete einen kulturellen
Wandel. Sein Ziel: den Mitarbeitern
den Glauben an sich selbst zurück zu
geben!
Und er hatte Erfolg damit – die IBM
Geschichte der folgenden Dekade gilt
zu recht als eine der größten TurnAround-Stories der Wirtschaftsgeschichte. Diese Erfahrung des Gipfelsturms wirkt ebenso bis
heute nach, wie das zuvor durchschrittene Tal.
Welche Rolle die Werte für diesen Turn-Around tatsächlich spielten, offenbarte sich im
Nachhinein. Im Jahr 2003 haben wir – alle IBMer zusammen – unsere Werte in einem
sogenannten „Values Jam“ auf den Prüfstein gestellt. Unser damaliger CEO Sam Palmisano
hat gleich nach seinem Amtsantritt alle IBMer zu einer 72 Stunden dauernden OnlineDiskussion dazu aufgerufen. Mehrere Zehntausend IBMer diskutierten offen, ehrlich und
unzensiert. Ein innovativer Weg partizipativer Führung.
Gregor Pillen – Dokumentation der Keynote zum 6. Deutschen Marken-Summit
© 2012 IBM Corporation
5
Das Ergebnis dieses Online-Jams sind unsere heutigen Werte – die sich übrigens nur in der
modernen Formulierung von den Basic Beliefs der Watsons unterscheiden. Im innersten Kern
halten uns dieselben Grundsätze nun seit 100 Jahren zusammen. Sie lauten heute:
Engagement für den Erfolg jedes
Kunden.
Innovationen, die etwas bedeuten – für
unser Unternehmen und für die Welt.
Vertrauen und persönliche
Verantwortung in allen Beziehungen.
Zur IBM Geschichte gehören übrigens auch einige revolutionäre Innovationen im Bereich
Marketing—wie etwa der Barcode, der den Einzelhandel revolutionierte, und SABRE, das
erste Airline-Reservierungssystem,
um nur zwei Beispiele zu nennen.
Und auch die Akquisitionsstrategie
der IBM läßt den Bereich Marketing
nicht aus: mit Zukäufen wie
Coremetrics, Unica, DemandTech und
zuletzt Tealeaf Technology haben wir
führende Technologien und Industrie-Expertise ins Haus geholt.
Viele dieser Innovationen und
Errungenschaften sind (U.S.-)
amerikanischen Ursprungs. Deshalb
stellt sich die Frage: Funktioniert eine
globale Marke wie IBM anders als eine
lokale Marke? Professor Gary Davies
von der Manchester Business School
nennt sieben Eigenschaften, die einen Corporate Character definieren und damit eine Marke
wertvoll machen – das sind beispielsweise Vertrauenswürdigkeit oder ein Hygienefaktor wie
Kompetenz, aber auch „Ruthlessness“ und ständige Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft.
Gregor Pillen – Dokumentation der Keynote zum 6. Deutschen Marken-Summit
© 2012 IBM Corporation
6
Außerdem Chic. Und nur die zwei weiteren Eigenschaften sind kulturell geprägt: Machismo
findet vorwiegend in Latein-Amerika Zustimmung, Gelassenheit eher in Asien.
Stichwort Vertrauenswürdigkeit oder Verlässlichkeit: Unser Unternehmen steht fast
sprichwörtlich dafür. Verbürgt ist die Devise der CIOs der 60er bis 80er Jahre: „You don’t
get fired for working with IBM.“ Das
spiegelt sich bis heute in Qualitätserwartungen wider, aber auch in der
Einhaltung ethischer Standards oder
in der Vorreiterrolle in der Arbeitswelt mit Errungenschaften wie Equal
Pay oder Diskriminierungsfreiheit.
Das sind übrigens ganz interessante
Positionierungselemente gerade in Wachstumsmärkten wie Saudi-Arabien oder in
afrikanischen Staaten. Sie bringen der Marke einen ganz eigenen Glanz – über die Produkte
oder Dienstleistungen des Unternehmens hinaus. Und der bezieht seine Kraft ganz direkt aus
Kultur und Werten des Unternehmens.
Zum zweiten Schritt: Unter welchen Enflüssen steht das Markenbild heute, in der von
Digitalisierung, Vernetzung und Datenflut geprägten „Smarter Decade“?
Nochmal ein Stück Herleitung aus der
IBM Geschichte: Wiegen, messen und
zählen sind die Wiege der IBM.
Begonnen hat alles mit Uhren, Waagen
und Käsehobeln. Die feinmechanische
Kompetenz war für die Lochkartenund Tabelliermaschinenphase der
Informationstechnologie äußerst hilfreich. Mit ihr begann die strukturierte und automatische
Datenverarbeitung in Unternehmen.
Eigentlich haben wir in den Jahrzehnten seither nichts anderes getan, als die Verfahren des
Wiegens, Messens und Zählens immer weiter zu verfeinern und zu verbessern.
Gregor Pillen – Dokumentation der Keynote zum 6. Deutschen Marken-Summit
© 2012 IBM Corporation
7
Der Zählgegenstand ist heute nicht mehr Käse, sondern jedwede Art zählbarer Informationen
und Daten. Im Zuge dessen haben wir unsere Umwelt mit digitalen Instrumenten ausgestattet,
diese vernetzt und so für ein immenses Datenaufkommen gesorgt.
Laut Havard Business Manager ist im vergangenen Jahrzehnt die Zahl der E-Mails pro Tag
von 12 Millionen auf 247 Milliarden
gestiegen, die der Textnachrichten von
400.000 auf 4,5 Milliarden und die
Zeitspanne, die pro Woche im Schnitt
online verbracht wird, von knapp 3 auf
18 Stunden. Forrester berichtet, dass
inzwischen mehr als 45 Prozent aller
Big Data Initiativen von Marketingabteilungen ausgehen. Gartner sagt voraus, dass bereits im Jahr 2017 der CMO mehr
Kontrolle über das IT-Budget haben wird als der CIO.
Die digitale Abwicklung und Protokollierung praktisch jedes Geschäftsprozesses sorgt für
permanenten Zustrom. Solche Transaktionsdaten liegen meist in weitgehend strukturierter
Form vor. Die eigentliche Herausforderung liegt allerdings in den
„unstrukturierte Daten“. Denn nicht nur
das Datenvolumen wächst enorm, auch
die Art der verfügbaren Daten erweitert
sich. Einerseits erhalten wir diese aus
immer mehr in unserer Umwelt
verbauten Sensoren, Kameras und
anderen Erfassungsgeräten – die Bilder, Töne und Messwerte mit Wetter-, Verkehrs-,
Umwelt-, Energie- oder Sicherheitsinformationen in allen erdenklichen Formen liefern.
Andererseits beobachten wir die weiter rasante Verbreitung von Social Media. Sie treibt die
Datenfluten zu neuen Höhen. Knapp die Hälfte (47 Prozent) aller Unternehmen in
Deutschland setzt soziale Medien aktiv ein.
Gregor Pillen – Dokumentation der Keynote zum 6. Deutschen Marken-Summit
© 2012 IBM Corporation
8
Dazu zählen soziale Netzwerke, Blogs, Foren, Twitter und andere Nachrichtendienste oder
Sharing-Plattformen für Videos und Fotos. Fast ein Drittel aller Unternehmen ist bereits mit
eigenen Seiten auf Facebook aktiv. Das hat er IT-Branchenverband BITKOM in einer
Umfrage unter 723 Unternehmen herausgefunden. Alleine bei Facebook kommen nach deren
Angaben sieben neue Nutzer pro Sekunde dazu. Über 900 Millionen Menschen weltweit
nutzen Facebook mindestens einmal im Monat.
Die spannende Frage für MarkenManager ist: Was in diesem kakophonischen Geräuschteppich ist relevant?
Was muss ich wirklich wissen? Welche
Schlüsse lassen sich daraus ziehen?
Welcher Nutzen für das eigene Geschäft
ist erzielbar? Drängender ausgedrückt:
Was nützt mir die Flut an Daten, die Wolke um die Marke, wenn dann niemand etwas kauft?
Was kann ich tun, wenn es mir so geht? Wie triggere ich Absatz?
Hier werden die analytischen Fähigkeiten im Umgang mit den Daten zum entscheidenden
Faktor. Und damit gehe ich meinen dritten Schritt: Welche Chancen für die Marken- und
Unternehmensführung liegen also in den Daten?
Die Wertschöpfung aus den Daten mittels
moderner Analytics beginnt mit der
Schaffung der technologischen Voraussetzungen. Eine Infrastruktur, die große
Datenvolumina in Echtzeit beherrscht
und verarbeiten kann. Die mit intelligenten Algorithmen unstrukturierten
Daten Bedeutung abtrotzt. Die in der Lage ist, aus dem konstanten Zustrom und aus den
Mustern der Vergangenheit Prognosen, Simulationen und Modellierungen abzuleiten. Mit der
ich in möglichst natürlicher Sprache kommunizieren kann.
Die Spitze dieser Entwicklung stellt unser System Watson dar, das im letzten Jahr die beiden
besten Spieler aller Zeiten in der amerikanischen Quiz-Show Jeopardy schlagen konnte.
Gregor Pillen – Dokumentation der Keynote zum 6. Deutschen Marken-Summit
© 2012 IBM Corporation
9
Quizshow war gestern. Wir treiben die
Kommerzialisierung von Watson in
verschiedenen Domänen rasch voran.
Dazu gehören schon heute das Gesundheitswesen oder die Finanzdienstleistung.
Neue Möglichkeiten der Analyse und
Entscheidungsfindung in Echtzeit versetzen den CMO in die Lage, seinen Wertbeitrag im
Unternehmen zu vergrößern. Dazu einige zentrale Ergebnisse unserer CMO-Studie 2011. Wir
haben über 1.700 CMOs weltweit in persönlichen Interviews befragt.
Diese CMOs haben den einzelnen Kunden entdeckt: Marketing to the individual. Sie bieten
der neuen Generation den Nutzen, den sie erwartet. Die erfolgreichsten CMOs konzentrieren
sich darauf, mehr über einzelne Kunden, nicht nur über Märkte, zu erfahren. Sie durchsuchen
neue digitale Informationsquellen. Sie nutzen Kundenanalysen, um Muster zu erkennen und
Daten in Erkenntnisse umzuwandeln, aus
denen ihr Unternehmen konkrete Maßnahmen ableiten kann.
Die Outperformer unter den CMOs bauen
Beziehungen zu ihren Kunden auf, die
nach dem Kauf fortbestehen. Zudem
stärken sie diese Beziehungen, indem sie
eine Marke und einen Corporate Charakter entwickeln, der sich in allen Äußerungen und
Aktionen ihrer Mitarbeiter und an allen Touchpoints zeigt. Und schließlich schaffen diese
CMOs Wert, messen ihre Ergebnisse und weisen so den konkreten Nutzen aus ihren
Marketingausgaben nach. Sie stellen außerdem Mitarbeiter mit technischer, digitaler und
finanzieller Kompetenz ein und werden selbst versierter in diesen Bereichen.
Unsere gerade erschienene CEO-Studie 2012 – wiederum mit über 1700 interviewten CEOs
weltweit – bestätigt diese Trends. CEOs entdecken zunehmend den ungehobenen Schatz, den
ihre Mitarbeiter als Ausprägung und Multiplikatoren der jeweiligen Unternehmensmarke
darstellen.
Gregor Pillen – Dokumentation der Keynote zum 6. Deutschen Marken-Summit
© 2012 IBM Corporation
10
Wer von Ihnen Teens in der Familie hat, dem brauche ich nur A&F und Hollister zuzurufen
und Sie wissen, von welchem Gesamterlebnis aus Schlange stehen, dunklen Räumen,
olfaktorischer und musikalischer Berieselung und nahezu heiligen Einkaufstüten ich rede.
Entscheidend scheint mir hier allerdings das sorgfältig gecastete Personal zu sein. Und nicht
wenige lockt das Gesamterlebnis und die Interaktion mit kompetenten Mitarbeitern in die
Apple-Stores und nicht etwa nur das coole Produktdesign und die klare Kante in der
Möblierung.
Es trifft aber nicht nur auf Mitarbeiter im
Einzelhandel zu, sondern ganz allgemein
auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter:
Sie sind heute zu besonders wichtigen
Markenbotschaftern geworden. Die
Interaktion von Unternehmen in und mit
ihrem Ökosystem läuft zunehmend über
soziale Netze. Und dort sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die ersten Repräsentanten
ihres Unternehmens – ohne jede zeitliche oder räumliche Beschränkung.
Was bedeutet das für die Unternehmensführung insgesamt? Welche allgemeinen Schlüsse
lassen sich aus dem Beispielfall IBM und den Beobachtungen der von uns befragten CMOs
und CEOs ziehen? Als vierter Schritt meine „Calls to Action“:
Der erste lautet: Es herrscht Hypertransparenz – Unternehmen beherschen nicht länger die
Kommunikation. Das Bild, das sie zeichnen, muss intern wie extern wahrhaftig und
kongruent mit dem Markenbild sein! Das bedeutet Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit,
Authentizität! Ein triviales Beispiel: wenn ich hier vor ihnen im Kapuzenpullover oder im
schwarzen T-Shirt und schwarzen Jeans stünde, würde ich nicht ins IBM Markenbild passen.
Sie würden mich im ersten Eindruck vielleicht als Facebook- oder Apple-Mitarbeiter sehen.
Und wenn ich Sie duzen würde? Keine Assoziation zu IBM! Apple, Facebook und IBM sind
auf ihre Art tolle Arbeitgeber – aber die Kultur ist unterschiedlich.
Erfolgreiche Unternehmen sind einzigartig. Selbstverständlich folgen sie alle dem selben
Grundmuster: Sie handeln nach den Gesetzen des Marktes und – hoffentlich – ethisch und
gesetzestreu. Einzigartig sind entweder ihre Produkte oder Services, oder wie sie ihre
Gregor Pillen – Dokumentation der Keynote zum 6. Deutschen Marken-Summit
© 2012 IBM Corporation
11
Mitarbeiter wertschätzen, oder der Umgang mit ihren Kunden. In irgendeinem Bereich tun sie
sich hervor, machen etwas anders und besser als ihre Mitbewerber. Und das macht diese
Unternehmen authentisch. In einem in sich geschlossenen Bild, in jeder Dimension der
Interaktion zwischen Marke und Stakeholdern: Everything looks like, sounds like, thinks like,
and performs like IBM – or your company, for that matter.
Der zweite Call to Action leitet sich aus der Frage ab: Was sind die Werte, die Kultur und der
Corporate Character? Als erfolgreiche Unternehmen müssen wir eine Definition des
Unternehmenscharakters haben oder sie erarbeiten – denken Sie zurück an die Eigenschaften,
die Professor Davis propagiert oder nutzen Sie andere gängige Modelle und Kriterien. Diese
Definition muss auch immer wieder überprüft und angepasst werden – wie wir das
bei IBM beispielsweise in unserem
Values Jam getan haben. Das Ergebnis
muss differenzierend und nachaltig sein.
Dann müssen wir uns fragen: Gibt es
Lücken zwischen unserer Definition,
zwischen dem was wir unsere Werte nennen und wie wir uns verhalten? Dieses Vorgehen
kann von der Kommunikationsabteilung strategisch angeleitet werden, aber sie ist nicht
alleine für die Umsetzung zuständig. Das ist jeder im Unternehmen – ich wiederhole:
Everything looks like, sounds like, thinks like, performs like your company!
Wagen wir zum Schluss einen Ausblick auf Werte, Kultur und Marke für die nächsten zehn
Jahre. Ich will dabei bewusst eine globale Perspektive einnehmen und anbieten.
Am grundsätzlichen technischen
Fortschritt als Treiber für Innovation gibt
es derweil keinen wirklichen Zweifel.
Bisher lässt sich Moore’s Law der
Verdoppelung von Speicher- und
Rechenkapazitäten alle circa 12 bis 18
Monate fortschreiben – gelegentliche
Überwindung physikalischer Grenzen durch Technologiesprünge inklusive.
Gregor Pillen – Dokumentation der Keynote zum 6. Deutschen Marken-Summit
© 2012 IBM Corporation
12
Jährliche Verdoppelung bedeutet über zehn Jahre eine Vertausendfachung. Wir werden also
in zehn Jahren alles etwa tausend mal besser speichern, abrufen und schneller berechnen
können. Damit müssen gerade wir Deutschen weiter mindestens Schritt halten. Das Internet,
seine Surrogate und Folgetechnologien gehen nicht wieder weg! Wir sollten den einen oder
anderen Trend selbst prägen, wenn wir uns als Volkswirtschaft im weltweiten Wettbewerb
halten wollen. Der deutsche Markenartikel und die deutsche Innovationskultur sind wichtige
Assets, zu der jede Institution und jedes
Unternehmen einen Beitrag leisten kann
und leisten muss.
So arbeitet zum Beispiel bei IBM in
Deutschland etwa jeder zehnte
Mitarbeiter in unserer Forschung und
Entwicklung – und steht im weltweiten
Wettbewerb um die spannendsten Aufträge und Projekte. Hier in Deutschland sind wir zum
Beispiel in der Großrechnertechnologie sehr stark. Eines der größten Probleme dabei ist es,
die Abwärme aus den immer schneller rechnenden Maschinen heraus zu bringen.
Deutschland hat eine hohe Kompetenz in der Umwelttechnologie. Und so sind wir bei
„grünen Themen“ stark engagiert.
Vorgestern bekannt gegeben wurde zum
Beispiel, dass der von uns am LeibnizRechenzentrum in Garching installierte
Rechner SuperMUC den europäischen
Spitzenplatz und weltweit den vierten
Platz auf der Liste der schnellsten
Hochleistungsrechner belegt. Diese
Maschine arbeitet mit modernster Heißwasserkühlung. Was „techie“ klingt, ist erfolgreiche
Positionierung mitten im Markenkern!
Das bringt mich zur globalen Marktbetrachtung. Denn wo wird voraussichtlich in Zukunft die
Musik spielen? Diese Frage stellt sich für alle global Player. Ist es weiterhin Asien? Was
bleibt von Europa? Oder reden wir in zehn Jahren nur noch von Afrika?
Gregor Pillen – Dokumentation der Keynote zum 6. Deutschen Marken-Summit
© 2012 IBM Corporation
13
Ich wage die These, dass es für Asien
ebenso wie für Europa bei zunehmender
Bildung und Exzellenz – die ihren Preis
haben – mehr und mehr auf Qualität
ankommen wird. Und heutige
Erschließungsgebiete in Afrika werden
die Transformation aus zunächst
überwiegend preisorientiertem Angebot an Arbeitskraft, zunehmender Bildung und
Wohlstandsgewinn wohl schneller durchlaufen als Asien oder Lateinamerika vor ihnen.
Das gemeinsame „Bruttokontinentalprodukt“ Afrikas ist heute mit geschätzten 1,7 Billiarden
Dollar ungefähr so groß wie das Bruttoinlandprodukt von Brasilien oder Russland. Es wird
bis 2020 um knapp eine auf etwa 2,6 Billiarden Dollar wachsen. Städtewachstum dient als
verlässlicher Indikator für Prosperitäts-, Bildungs- und Wohlstandszuwachs. Afrika holt zügig
auf. Bis 2030 wird etwa die Hälfte der Menschen auf dem Kontinent in Städten leben. Schon
heute gibt es 35 Städte mit mehr als einer Million Einwohnern – 2030 werden es 80 Städte
sein. Kinshasa und Lagos entwickeln sich
zu Megacities. Bereits 2015 wird IBM in
50 Städten in Afrika vertreten sein.
Wir investieren in den Wachstumsmärkten und auf Afrika liegt angesichts
dieser spürbaren Dynamik ein besonderer
Fokus. Erfolg lässt sich dabei nach meiner Erfahrung nur gestalten, wenn man sich nicht
ausschließlich auf den Ausbau von Infrastruktur und den möglichst schnellen industrielltechnologischen Anschluss konzentriert.
Die Menschen müssen die Veränderungen tragen. Und deshalb wird Marken und Werten,
Authentizität und Verlässlichkeit auch weiterhin fundmentale Bedeutung innewohnen.
* * *
CMO-Studie unter: http://www-935.ibm.com/services/us/cmo/cmostudy2011/cmo-registration.html
CEO-Studie unter: http://www-935.ibm.com/services/us/en/c-suite/ceostudy2012/
Illustrationen „100 Icons of Progress“ unter: http://www-03.ibm.com/ibm/history/ibm100/us/en/
Gregor Pillen – Dokumentation der Keynote zum 6. Deutschen Marken-Summit
© 2012 IBM Corporation
14