Was kommt nach der Abwrackprämie? - Eurosolar

E L E K T R O M O B I L I TÄT
Was kommt nach der Abwrackprämie?
Vorschlag für eine zukunftsfähige Ausrichtung der Automobilindustrie
HERMANN SCHEER
Die Abwrackprämie (offiziell: Umweltprämie)
war ein Erfolg, weil sie geholfen hat in einer
Wirtschaftskrise Arbeitsplätze zu sichern. Viele
auf absehbare Zeit ohnehin geplante Autokäufe
wurden vorgezogen und die Zahl der Neuzulassungen stieg demgemäß spürbar an. Allerdings
hat die Prämie nicht dazu beigetragen, die
Fahrzeugindustrie zukunftsfähig auszurichten –
sie hatte keinen Innovations- und Struktureffekt. Der Name „Umweltprämie“ ist deshalb
unangebracht, denn über ein reines Konjunkturprogramm für die Autohersteller ist das Konzept nicht hinausgekommen. Wenn man die
Prämie auf neue und umweltfreundliche Fahrzeugkonzepte – wie Hybrid- oder Voll-Elektrofahrzeuge – ausgerichtet hätte, wäre dies kurzfristig kaum möglich gewesen: Die deutschen
Hersteller hatten bis jetzt solche Fahrzeuge
nicht im Angebot. Erst in diesem Sommer sind
die ersten Hybridfahrzeuge (sog. Voll- und
Mild-Hybride) auf den Markt gekommen.
nsofern kann die Abwrackprämie nur ein
erster Schritt gewesen sein, der den Automobilproduzenten geholfen hat ein Konjunkturtief zu überwinden. Nun müssen sie in einem zweiten Schritt zukunftsfähig ausgerichtet werden.
Hierzu ist ein Folgeprogramm nötig, das die breite
Markteinführung der Elektromobilität unterstützt.
Die Technologie dafür ist vorhanden, der Bedarf
auch und die wirtschafts- und umweltpolitische
Notwendigkeit ebenso. Die Elektromobilität kann
und muss sozusagen in einem fliegenden Start jetzt
in den Markt gebracht werden. Zusätzlich muss
dafür gesorgt werden, dass die Elektromobilität
I
ausschließlich mit Strom aus Erneuerbaren Energien betrieben wird. Denn nur dann ist sie ökonomisch und ökologisch ein wirklicher Fortschritt.
In diesem Papier soll kurz dargestellt werden, welche Herausforderungen und Chancen sich der
Fahrzeugindustrie im Bereich der Elektromobilität
bieten, wie sich diese zuverlässig mit Erneuerbaren
Energien verbinden lässt und welche staatlichen
Maßnahmen dafür notwendig sind.
Die Unentschlossenheit von
Politik und Industrie
Seit vielen Jahren werden auf Automobilmessen
und Konferenzen Prototypen für Elektromobile
vorgestellt (Hinweis: in den Medien werden gelegentlich auch Hybridfahrzeuge als „Elektrofahrzeuge“ bezeichnet. In diesem Papier sind mit den
Begriffen Elektromobil/Elektrofahrzeug ausschließlich Fahrzeuge umschrieben, die nur über
einen Elektromotor angetrieben werden und keinen
Verbrennungsmotor mehr besitzen – Zitate sind
davon ausgenommen). In den Verkaufsräumen der
großen Autohersteller finden sich aber nach wie
vor nur Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Was
man allerhöchstens erwerben kann, sind sogenannte
Hybridfahrzeuge, also Pkw, die Verbrennungs- und
Elektromotor kombinieren. Wer ein Elektromobil
kaufen möchte, hat es schwer: Als Kunde muss er
sich mühsam auf die Suche nach einem Hersteller
machen, statt umworbener Käufer zu sein. Vor diesem Hintergrund erscheint es als sachlich zwar
richtig, politisch aber gewagt, wenn das BundesSOLARZEITALTER 3 2009
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verkehrsministerium optimistisch verkündet:
„Elektrofahrzeugen gehört die Zukunft. Sie werden vor allem im Stadtverkehr bald zum Alltag
gehören.“ So klar diese Zukunft formuliert wird,
begonnen hat sie in Deutschland noch nicht. Das
kann auch daran liegen, dass die Bundesregierung
bis dato im Bereich der Elektromobilität einen eher
planwirtschaftlich anmutenden Ansatz verfolgt.
Anstatt Marktanreize zu bieten und gesetzliche
Rahmenbedingungen für die Schaffung neuer
Märkte zu setzen (so wie bei den Erneuerbaren
Energien), werden Forschungsprogramme und Entwicklungspläne aufgesetzt, so der „Nationale Entwicklungsplan Elektromobilität“, der kürzlich veröffentlicht wurde.
Während hierzulande noch am großen, allumfassenden Plan gearbeitet wird, produzieren in den
USA und Japan bereits erste Firmen Elektromobile
für den Alltagseinsatz und ist in Israel der flächendeckende Aufbau einer Elektromobil-Infrastruktur
bereits beschlossen. Während Deutschland noch
am Reißbrett sitzt, liefern andere schon Fahrzeuge
aus. Schlimmer noch: Es besteht durchaus die
Gefahr, dass auch diesmal die großen Vorhaben
einfach wieder versickern. Das war schon einmal
so, als von 1992 bis 1995 ein Elektroauto-Großversuch auf der Insel Rügen durchgeführt wurde.
Namhafte Unternehmen und Entscheider aus der
Politik übertrafen sich damals in den Ankündigungen.
So ließen Mitglieder der Bundesregierung verlauten, man habe das Ziel, dass im Jahr 2000 mindestens zehn Prozent aller neu zugelassenen Kraftfahrzeuge Elektroautos sein sollten. Daraus ist
bekanntermaßen nichts geworden. Im Gegenteil:
Die deutsche Automobilindustrie hat nach Beendigung des Großversuches die Elektromobilität nur
noch stiefmütterlich behandelt und so ihre Technologieführerschaft für Stromspeicherung im Auto
leichtfertig verspielt. Die ADAC-Motorwelt
schrieb anlässlich des Großversuches, das Thema
sei durch. Heute müssen selbst Großkonzerne wie
BMW die Batterietechnik für neue Flottenversuche
aus dem Ausland einkaufen.
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D i e Te c h n o l o g i e i s t v e r f ü g b a r
Von der Batterie, die ein Elektrofahrzeug mit sich
führt, hängt zum großen Teil die erzielbare Reichweite ab. Diese wiederum ist entscheidend für die
Kundenakzeptanz. Die Schlüsseltechnologie hierfür sind Lithium-Ionen Batterien. Evonik, dessen
Tochter Li-Tec (Mitgesellschafter: Daimler)
Lithium-Ionen Batterien herstellt, wirbt auf seiner
Homepage mit der Aussage „Der Elektroantrieb
für alle – alltagstauglich, sicher bezahlbar – ist in
greifbare Nähe gerückt.“ Damit wird umschrieben,
welcher Technologiesprung bei den Speichereinheiten in den letzten Jahren vollzogen wurde und
was die Hersteller, nicht nur Li-Tec alleine, jetzt
anzubieten in der Lage sind. Die Speichertechnologie für alltagstaugliche, konkurrenzfähige Elektromobile steht heute in der Tat zur Verfügung.
Lithium-Ionen Batterien sind kleiner und leistungsfähiger als andere Akku-Varianten. Sie lassen sich deshalb ohne größeren Stauraumverlust in
den Fahrzeugen unterbringen und ermöglichen
zudem größere Reichweiten. Unter allen wiederaufladbaren Batterien weisen sie die höchste Energiedichte auf. Zudem wiegen sie nur nahezu die
Hälfte gegenüber den bislang gebräuchlichen
Nickel-Metallhybrid-Akkus (NiMH). Für ein
20 kWh Batterie-System in einem Fahrzeug müssten NiMH-Batterien mit einem Gewicht von
300 kg eingebaut werden, während es bei LithiumIonen Batterien nur 180 kg sind.
Te c h n o l o g i e v o r s p r u n g d e r
heimischen Autoindustrie wieder
herstellen
Abgehängt beim Hybridantrieb
Bei den Hybridantrieben hat sich die deutsche
Autoindustrie eindeutig von der japanischen
abhängen lassen. Der Toyota Prius (Voll-Hybrid)
beispielsweise, der das erste in Großserie produzierte Benzin-Elektro-Hybrid-Fahrzeug der Welt
war, wurde seit seiner Markteinführung 1997 welt-
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weit mehr als eine Million Mal verkauft. Zusammen mit Honda (Modelle Insight, seit 1999 und
Civic, seit 2001, beide Mild-Hybride) ergeben sich
1,25 Millionen weltweit verkaufte Hybridfahrzeuge. Toyota hat Anfang des Jahres auf der Automesse in Detroit die dritte Generation des Prius vorgestellt und bietet zudem in der Konzernmarke Lexus
bald Modelle mit Hybridantrieb an. Die Produktion der Plug-in-Version des Prius soll noch in diesem Jahr in kleinen Stückzahlen beginnen. Auch
Nissan bietet seit wenigen Jahren ein HybridModell an (Altima, Voll-Hybrid), das hauptsächlich in Nordamerika verkauft wird. Selbst die USAutoindustrie, von der deutschen als rückständig
belächelt, hat die Nase vorn. Ford verkauft in den
USA beispielsweise schon seit 2004 das Modell
Escape Hybrid und seit 2005 den baugleichen Mercury Mariner Hybrid (Voll-Hybride), wenngleich
auch mit weniger Erfolg als Toyota (vom Escape
Hybrid wurden im Jahr 2007 genau 21.386 Fahrzeuge verkauft). Chrysler bietet sein Modell Aspen
und Chevrolet (GM) den Tahoe als Voll-Hybrid an.
Besonders peinlich: Im Jahr 1997 ging auch in
Deutschland das erste Hybridfahrzeug in Serie: der
Audi A4 Avant duo (Voll-Hybrid). Das Fahrzeug
war aber nur ein Jahr lang erhältlich und brachte es
gerade einmal auf 100 verkaufte Exemplare. Die
deutsche Autoindustrie hatte ganz offensichtlich
weder die Weitsicht noch den Atem, um diese
Technologie in ihre Produktpalette aufzunehmen.
Im Bereich der Mild- und Voll-Hybride ist die
deutsche Industrie schlecht aufgestellt. Volkswagen beispielsweise hat erst im Juni 2008 mit Flottenversuchen zum Golf twinDrive begonnen und
eine Serienproduktion vorsichtig für 2015 angekündigt. Bei diesem Modell handelt es sich allerdings, im Gegensatz zum aktuellen Toyota Prius,
um einen sogenannten Plug-in-Hybrid, also ein
Fahrzeug, in dem die Batterien für den Elektromotor eine eigene Lademöglichkeit über das Netz
besitzen. Andere Hybridvarianten stellen den
Strom für den Elektromotor ausschließlich im
Fahrzeug her, also über den Verbrennungsmotor
und beim Bremsen und im Schubbetrieb. Vom VWGeländewagen Touareg wird derzeit eine Hybridversion entwickelt, deren Markteinführung für
2010 geplant ist. Etwas schneller als VW ist Daimler: der Konzern hat bereits diesen Sommer eine SKlasse mit Hybridantrieb (Mild-Hybrid) auf den
Markt gebracht und das sogar mit der aktuellsten
verfügbaren Batterietechnik (Lithium-Ionen).
BMW hat die Markteinführung von Hybridversionen des X6 (Voll-Hybrid) und des neuen 7er (MildHybrid) für April 2010 angekündigt.
Während japanische Hersteller mit Hybridantrieben längst Verkaufserfolge feiern, beginnen die
deutschen Produzenten erst jetzt (wieder) damit
ernst zu machen. Professor Ferdinand Dudenhöffer
vom Center Automotive Research (Recklinghausen) hat das wie folgt kommentiert: „Das sind nette
Ansätze. Aber Toyota hat heute schon fünf Jahre
Vorsprung.“ Tatsächlich verkauft werden bisher
nur einige Fahrzeuge als sogenannte Micro-Hybride, so die BMW 1er-Modelle oder der Smart fortwo. Dabei handelt es sich jedoch nur um eine
Stopp/Start-Automatik mit einem riemengetriebenen Starter-Generator, die zum schnellen An- und
Abschalten des Verbrennungsmotors beispielsweise an der Ampel dient (beim BMW noch mit
In Israel plant der Unternehmer Shai Agassi nicht
nur die Einführung von Elektromobilen, sondern
die Infrastruktur gleich noch dazu. Über 500.000
Ladestationen sollen errichtet werden und für längere Fahrtstrecken 100 Stationen, an denen leere
Batterien gegen volle ausgetauscht werden können.
Die Aufladung der Batterien erfolgt ausschließlich
über Strom aus Anlagen zur Nutzung Erneuerbarer
Energien. In Israel werden dazu 5 Mrd. US-$ für
den Bau von Solarkraftwerken investiert. Für die
Produktion der Elektroautos, die den Kunden in
Verbindung mit einem längerfristigen Stromliefervertrag zur Verfügung gestellt werden (möglicherweise verbilligt oder kostenlos), zeichnet RenaultNissan verantwortlich. Agassi übrigens sieht mit
Bremsenergierückgewinnung). Ein elektrischer
Vortrieb findet nicht statt.
Elektrofahrzeuge: Andere sind schneller und
ambitionierter
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seinem Partner vor, 2009 insgesamt 500 Elektroautos zu produzieren und 2011 dann endgültig in
die Massenproduktion überzugehen. Weitere Pläne
für das System bestehen unter anderem für Dänemark und Kanada (Provinz Ontario).
genau das Gegenteil von dem, was Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee zu Elektromobilität gesagt hat: „Wir wollen diese Technologien
exportieren und nicht etwa von woanders einkaufen.“
In den USA bietet der kalifornische Hersteller AC
Propulsion seit Anfang 2007 die sogenannte eBox
an. Dabei handelt es sich um einen Toyota
Scion xB, der zum Elektrofahrzeug umgebaut
wird. Verwendet werden in dem Fahrzeug, das
zwischenzeitlich quasi in Serie hergestellt wird,
Lithium-Ionen Akkus, die ihm zu einer Reichweite
zwischen 193 und 240 km pro Akkuladung verhelfen. Wie sehr die deutsche Autoindustrie hinterherhinkt, lässt sich daran ablesen, dass BMW für
einen Flottenversuch mit 50 Elektro-Mini Coopern
(Beginn: Frühjahr 2009 in Berlin) die komplette
Antriebs- und Akkueinheit von AC Propulsion einkaufen musste. Ganz ähnliche Zustände bisher
auch bei Daimler: Einer der größten Autohersteller
der Welt hat für sein Elektro-Versuchsmobil Smart
EV Batterien bei dem kleinen und mutigen Start up
Tesla in Kalifornien geordert und danach sogar
eine zehnprozentige Beteiligung an der Firma
gezeichnet. Tesla ist dadurch bekannt geworden,
dass es im März 2008 mit der Serienproduktion
(Kleinserie) des Tesla Roadster, eines voll elektrogetriebenen Sportwagens, begonnen hat. Immerhin: die Zulieferung von Tesla soll Daimler dazu
dienen, eine Kleinserie des Elektro-Smart aufzulegen, die mit insgesamt 2.000 Wagen in den Jahren
2009 und 2010 angelegt ist. Später kann dann der
eigentliche Daimler-Partner Evonik zum Zuge
kommen. Das Tesla-eigene Produkt übrigens, der
Roadster, ist zwischenzeitlich 150-mal ausgeliefert
worden, trotz des hohen Preises von 120.000 US-$.
Das Fahrzeug erreicht eine Höchstgeschwindigkeit
von 200 km/h und hat mit voll geladenen Akkus
eine Reichweite von 350 km (Herstellerangaben).
Mitsubishi Motors wird mit seinem Elektrofahrzeug „i MiEV“ der erste Volumenhersteller sein,
der mit einer Kleinserie in die Serienproduktion
geht. Der Wagen, der zunächst in Japan angeboten
wird, soll in diesem Jahr 2.000-mal und im nächsten 4.000-mal hergestellt werden. Die Kapazität
der Produktion kann auf bis zu 10.000 Fahrzeuge
pro Jahr ausgedehnt werden. Der Verkaufsbeginn
für Europa ist Ende 2010 oder Anfang 2011 vorgesehen.
Insgesamt lässt sich angesichts dieser Verhältnisse
sagen, dass Deutschland noch weit davon entfernt
ist, so wie von der Bundesregierung beabsichtigt,
zu „einem Leitmarkt für Elektromobilität“ zu werden. Die deutschen Autohersteller tun momentan
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Die Beispiele machen klar: Auch beim reinen
Elektroantrieb droht die deutsche Autoindustrie
wieder, so wie schon beim Hybrid, ins Hintertreffen zu geraten. Deshalb muss sie jetzt besondere
Anstrengungen unternehmen, um ihre Technologieführerschaft bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor ins Elektrozeitalter hinüberzuretten.
D i e Ve r b i n d u n g v o n E l e k t r o m o b i lität und Erneuerbaren Energien
Es muss hierfür ein Ansatz gewählt werden, der auf
bereits eingeführte ordnungspolitische Instrumente
und Infrastruktur zurückgreift und für die öffentliche Hand keine Zusatzkosten verursacht. Es geht
darum, die vorhandene Strom-Infrastruktur neu zu
nutzen für den Energieverbraucher Straßenverkehr,
der die Elektrizität bisher nicht genutzt hat.
Die einzig sichere und praktikable Möglichkeit der
Verbindung von Elektromobilität und Erneuerbaren Energien ist, die Fahrzeuge schon beim Kauf
untrennbar an Erneuerbare Energien zu koppeln
und bereits zu diesem Zeitpunkt die EE-Erzeugungskapazitäten zur Verfügung zu stellen, die es
für den Rest des Autolebens braucht. Es muss deshalb eine Verpflichtung der Autoindustrie geben,
für jedes (in Deutschland) verkaufte Elektrofahr-
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zeug, das über einen Anschluss für das Stromnetz
verfügt (Elektrofahrzeuge, Plug-in-Hybride) die
Jahresproduktion an Strom aus Erneuerbaren Energien in das Netz einzuspeisen, die für ein durchschnittlich gefahrenes Fahrzeug benötigt wird. Die
Industrie kann dieser Verpflichtung entweder nachkommen, indem sie eigene Anlagen errichtet oder
aber Verträge mit Anlagenbetreibern schließt, die
sich verpflichten, diese Kapazitäten zusätzlich (!)
aufzubauen.
Die Angaben für den Jahresstromverbrauch eines
durchschnittlichen Elektro-Pkw bei ebenso durchschnittlicher Nutzung schwanken. Sie reichen von
2.000 bis 3.000 kWh pro Jahr. Geht man von
2.500 kWh aus, so müsste für 4.000 verkaufte
Fahrzeuge eine Windkraftanlage mit der Leistung
von 4,5 MW errichtet werden. Damit verbunden ist
ein Investitionsvolumen von rund 4 Mio. €. Dies
würde sich jedoch nicht (!) als Aufpreis auf den
Fahrzeugpreis niederschlagen, da sich die Anlage
über die durch das EEG garantierten Einnahmen
aus dem von ihr produzierten Strom finanziert und
somit nicht über den Fahrzeugpreis abgedeckt werden muss.
Diese Regelung muss eingepasst werden in das von
EU-Rat und -Parlament beschlossene Regelwerk
zu den CO2-Grenzwerten für Neufahrzeuge. In vier
Schritten wird von 2012 (65 % aller Neuwagen) bis
2015 (100 % aller Neuwagen) die Emissions-Obergrenze von 120 g CO2 pro Kilometer (Durchschnitt
Neuwagenflotte) verbindlich werden. Ab 2020 gelten dann 95 g. Ein Elektrofahrzeug, das beispielsweise ausschließlich mit Strom aus Windkraftanlagen fährt, reduziert seine CO2-Emission je zurückgelegtem Kilometer auf 3 bis 4 g. In diesem speziellen Fall gilt sogar, dass der Windstrom durch
den Einsatz in der Mobilität mehr CO2 einspart, als
wenn er nur im Stromnetz verwendet würde.
Die Emissionswerte von Elektrofahrzeugen sollten
deshalb danach berechnet werden, welchen Strom
sie beziehen. Das bedeutet auch, dass sichergestellt
werden müsste, dass für die von der Autoindustrie
unter der oben vorgeschlagenen Regelung verkauf-
ten Elektrofahrzeuge nicht der derzeit vorhandene
Strommix in Deutschland zur Berechnung der
CO2-Emissionen herangezogen wird. Das würde
bedeuten, dass auch Kohlekraftwerke und deren
Emissionen hinzugezählt würden. Vielmehr muss
die Berechnung berücksichtigen, dass für das verkaufte Elektrofahrzeug Erneuerbare Energien
bereitgestellt werden und deshalb deren (sehr niedrige) CO2-Emissionen zum Tragen kommen. Eine
solche Herangehensweise entspräche auch den ausdrücklichen Zielen der beschlossenen EU-Regelung, denn im entsprechenden Text des Parlaments
heißt es „The development of innovative propulsion technologies should particularly be promotet,
as they cause significantly lower emissions than
traditional passenger cars.“.
Auf diese Weise erhält die Autoindustrie die Möglichkeit mit jedem verkauften Elektrofahrzeug ihre
Flotten-Emissionswerte massiv abzusenken und so
die EU-Ziele leichter zu erreichen. Denn in der
EU-Regelung ist vorgesehen, dass jeder neue Pkw,
der weniger als 50 g CO2 pro km emittiert, dreieinhalbfach zu zählen ist (der Faktor wird abgeschmolzen bis auf 1,5 im Jahr 2015 und schließlich
1 im Jahr 2016).
Von diesem Modell würden alle Beteiligten profitieren: Die Fahrzeugindustrie würde den Erneuerbaren Energien einen weiteren Wachstumsschub
verschaffen, während diese der Fahrzeugindustrie
helfen könnten, die Klimaschutzziele zu erreichen.
Die Kunden würden profitieren, weil dieses
Modell mit dem wenigsten Zusatzaufwand für sie
verbunden ist. Sie müssen sich schlicht keine
Gedanken um die Versorgung ihres Fahrzeuges mit
Erneuerbaren Energien machen, weil schon beim
Kauf für das gesamte Autoleben sichergestellt ist,
dass das entsprechende Stromäquivalent eingespeist wird. Das Auto bringt bereits seine Fahrenergie mit.
Die Notwendigkeit, Elektroantriebe unbedingt mit
regenerativ erzeugtem Strom zu verbinden, wird
auch in der Automobilbranche selbst bestätigt. So
hat Daimler Entwicklungsvorstand Thomas Weber
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in einem Interview Mitte 2008 in Bezug auf die
Elektro- und Wasserstofftechnologie gesagt: „Bei
der Erzeugung von Strom und Wasserstoff entsteht
auch CO2. Beide Energieformen sollten daher
regenerativ erzeugt werden.“
Investitionsvolumen
Ausgehend von der Annahme, dass die Umstellung
der Pkw-Flotte auf Rein-Elektroantrieb 17 %
Mehrverbrauch an Strom verursacht, die ausschließlich aus heimischen Erneuerbaren Energien
erzeugt werden sollen, müssten 1.344 Kleinwasserkraftanlagen (alternativ zehn Großwasserkraftwerke), 5.712 Windenergieanlagen, 2.592 Solarparks,
4.197 Biogasanlagen und 445 industrielle Geothermiekraftwerke errichtet werden. Damit wäre ein
Investitionsvolumen von 78,7 Mrd. € (heutige Preise) verbunden.
Maßnahmenprogramm
fahrzeug ergeben sich bei einem Durchschnittsverbrauch von 2.500 kWh pro Jahr und Bezug des
Stroms über einen Anbieter, der ausschließlich aus
Erneuerbaren Energien erzeugt, Kosten von
4.743,20 €. Dies ergibt eine Ersparnis bei den
Treibstoffkosten von 4.112,80 €, die mit dem
Preisaufschlag von 5.300 € beim Kauf zu verrechnen ist. Die übrigen Mehrkosten von rund 1.200 €
sollten dem Autokäufer über ein Marktanreizprogramm (analog zum bestehenden Marktanreizprogramm für die Nutzung Erneuerbarer Energien im
Wärmemarkt) als Zuschuss der öffentlichen Hand
beim Kauf eines Elektrofahrzeuges ausbezahlt
werden. Nimmt man das Ziel der Bundesregierung,
wonach bis 2020 insgesamt eine Million Elektrofahrzeuge in Deutschland zugelassen sein sollen,
und definiert man diese als Rein-Elektrofahrzeuge
(keine Hybride), so ergäbe sich ein Subventionsbedarf der öffentlichen Hand von 1,2 Mrd. € verteilt
auf rund 10 Jahre, also 120 Mio. € pro Jahr. Frankreich übrigens gewährt im Rahmen eines
Bonus/Malus Systems, das an die CO2-Emissionen
gekoppelt ist, für Elektrofahrzeuge sogar einen
Zuschuss von 5.000 €.
Marktanreizprogramm
Die Anschaffungskosten für Elektrofahrzeuge werden noch für längere Zeit über denen für vergleichbare Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor liegen. Für
ein Stadtfahrzeug geht man im Jahr 2030 von
einem Preisaufschlag von 5.300 € aus. Dies relativiert sich durch die geringeren Unterhaltskosten,
vor allem im Hinblick auf die Treibstoffkosten. Um
welche Summen es sich dabei handelt, soll hier in
einer groben Berechnung (ohne Inflation und
Preissteigerung) dargestellt werden. Der Durchschnittsverbrauch eines Pkw mit Otto-Motor liegt
heute bei 8,3 l pro 100 km und seine durchschnittliche Fahrleistung bei 10.500 km pro Jahr. Daraus
ergibt sich ein jährlicher Kraftstoffbedarf von rund
872 Litern. Bei Kosten von 1,27 € pro Liter (Stand
2006) ergeben sich pro Jahr Kraftstoffausgaben
von 1.107 €. Das Durchschnittsalter eines Pkw
beträgt derzeit 8 Jahre, womit von Gesamttreibstoffkosten von 8.856 € für die durchschnittliche
Nutzungsdauer auszugehen ist. Für ein Elektro88
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Die Gewährung eines Zuschusses ist kundenorientierter und marktwirtschaftlicher als direkte
Forschungszuwendungen an die Industrie. Die
Abwrackprämie (die übrigens 5 Mrd. € innerhalb
eines Jahres gekostet hat) hat deutlich gezeigt, wie
attraktiv direkte Zuschüsse für Autokäufer sind.
Forschungszuwendungen sind tendenziell immer
mit planwirtschaftlich anmutenden Strukturen ausgestaltet und bergen deshalb die Gefahr, wenig
kundenorientiert zu sein und an den Märkten vorbei zu planen. Deshalb kann durchaus erwogen
werden, das hier vorgeschlagene Marktanreizprogramm über eine Reduzierung der Forschungsausgaben des Bundes für die Elektromobilität teilzufinanzieren.
Entfernungspauschale
Es ist zu prüfen, auch vor dem Hintergrund des
Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom 9.
Dezember 2008, ob die Entfernungspauschale
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dahingehend weiterentwickelt werden kann, dass
sie bei allen Neuwagen nur noch dann in Anspruch
genommen werden kann, wenn diese einen CO2Grenzwert von 140 g pro Kilometer einhalten.
Damit wäre sichergestellt, dass sie nur bei Neufahrzeugen mit vergleichsweise niedrigen Emissionen und Elektroneufahrzeugen in Anspruch
genommen werden kann, was ein weiterer Kaufanreiz für solche Fahrzeuge wäre.
Kredite
Über die KfW sollten zinsverbilligte Kredite für
die Anschaffung von Elektrofahrzeugen zur Verfügung gestellt werden.
Steuerliche Behandlung
Die Steuerbefreiung für Elektrofahrzeuge von der
Kraftfahrzeugsteuer muss noch auf längere Frist
beibehalten werden. Es darf nicht derselbe Fehler
wie bei den Biokraftstoffen gemacht werden, wo
die Steuerbefreiung just zu dem Zeitpunkt aufgehoben wurde, als sich ein relevanter Markt zu entwickeln begann.
Die derzeit geltende Regelung stellt Elektrofahrzeuge fünf Jahre vollständig von der KfzSteuer frei und gewährt danach einen ermäßigten
Steuersatz. Der ermäßigte Steuersatz muss jedoch
überprüft werden, da es nach Verbandsangaben
Fälle gibt, in denen ein Pkw mit konventionellem
Antrieb weniger Steuern bezahlt als ein Elektro-
fahrzeug, das mit Strom aus Erneuerbaren Energien versorgt wird.
Die vollständige Umstellung ist
möglich
Ernst zu nehmende Szenarien besagen, dass eine
fast vollständige Substitution des konventionellen
Pkw-Fuhrparks durch Hybrid- und Elektrofahrzeuge bis 2050 denkbar und möglich ist. Beachtet werden muss und kann, dass auch Biotreibstoffe als
weitere, zusätzliche Mobilitätsbasis (z.B. auch in
Hybridfahrzeugen und in Lkw eingesetzt) eine
Rolle spielen können, so dass ein weitgehend klimaneutraler Fuhrpark im Jahr 2050 möglich ist.
Bei erfolgreicher Umsetzung des „Better Place“Projektes in Israel kann sogar auf Hybridfahrzeuge
als Übergangstechnologie verzichtet werden. Dies
deshalb, weil dann bewiesen wäre, dass Batterietauschstationen, wie von Better Place vorgesehen,
die Reichweite von Elektrofahrzeugen genauso
komfortabel erhöhen, wie es Hybridfahrzeuge
durch ihren zusätzlichen Verbrennungsmotor tun.
Voraussetzung für alle Umstellungsszenarien ist
selbstverständlich ein entsprechendes Engagement von Politik und Wirtschaft. Übrigens ist die
Zielmarke 2050 nicht nur möglich, sondern auch
nötig, angesichts der Tatsache, dass die statistische
Reichweite der Reserven des sogenannten konventionellen Erdöls noch lediglich 42 Jahre beträgt.
Ein Quellenverzeichnis zum vorliegenden Artikel
kann bei EUROSOLAR angefordert werden.
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