Judith Alder Frauenklinik und Brustzentrum Universitätsspital Basel [email protected] Übersicht • Krebserkrankungen in der Schweiz • Psychosoziale Belastungen durch Krebs • Psychoonkologische Versorgung – 1950 – 2012 – 2015? 2 Inzidenz, Mortalität und Prävalenz insgesamt (Schweiz) Anzahl Neuerkrankungen pro Jahr (Inzidenz) Männer Frauen 20’004 16’913 Anzahl Sterbefälle 8’756 pro Jahr (Mortalität) 5-Jahres Prävalenz www.nicer.org 59’838 7’066 53’378 4 Von akuter, schnell zum Tod führender Krankheit zu… Erstdiagnose Kurativer Verlauf Chronischer Verlauf Überlebende Chronisch Kranke Progredienter / pallliativer Verlauf Sterbende Übersicht • Krebserkrankungen in der Schweiz • Psychosoziale Belastungen durch Krebs • Psychoonkologische Versorgung – 1950 – 2012 – 2015? 6 Belastungsfaktoren bei Krebspatienten Relevante Themenbereiche für die Versorgung Hohes Lebensalter Multimorbidität Polypharmazie Soziale Isolation, u.a. Existenzielle Belange Folgen und Begleitsymptome der Krebstherapie Fatigue und Schlafprobleme Kognitive Einschränkungen Funktionseinschränkungen Fertilitätsaspekte, u.a. Lebenssinn Lebensziele Lebensperspektiven, u.a. Partnerschaft und Familie Beziehung und Intimität Belastung der Angehörigen Genetische Prädisposition, u.a. Arbeit und Beruf Berufliche Reintegration Soziale Belastungen Juristische Rechte, u.a. Patient Emotionale Belastung Psychische Komorbidität Psychosoziale Belastung Emotionale Adaptation Versorgungsbedarf und Versorgung Supportive Care Needs/ Screening Leitlinien und Versorgungsstandards Arzt-Patient-Kommunikation, u.a. Sekundärprävention und Rehabilitation Patientenedukation Gesundheitsverhalten Inanspruchnahme: Nachsorge, CAM Distress / Belastung Distress ist definiert als ... ein breites Spektrum von unangenehmen emotionalen Erfahrungen psychischer, sozialer oder spiritueller Art, das von normalen Gefühlen der Verletzlichkeit, Traurigkeit und Angst bis hin zu stark einschränkenden Problemen wie Depression, Angststörungen, Panik, sozialer Isolation und spirituellen Krisen reicht (National Comprehensive Cancer Network NCCN, 2003) Prävalenz psychischer Störungen bei Krebs Störungen können vorbestehend, eine Begleiterkrankung bei vorbestehender Vulnerabilität (i.S. Diathese-Stress-Modell) oder eine Folgeerkrankung sein • Prävalenz psychischer Störungen (Depression, Angst- und Anpassungsstörungen) aus Metaanalysen – Kuratives Stadium: 32% 1, 2 • Punktprävalenz liegt tiefer! (11.1% bzw. 10.2%)3 • Partner und Care Givers: ca. 10% – Palliatives Stadium: 29%2 • Partner und Care Givers: ca. 30% 1Singer et al., 2009, Annals of Oncology 2Mitchell et al., 2011, Lancet Oncology 3Vehling et al., 2012, Psychother Psych Med Wirksam... • Vermutlich kein Überlebensvorteil • Psychosoziale Interventionen1 – Lebensqualität als emotionale oder funktionelle Adaptation – ES=0.65 • Kognitive Verhaltenstherapie2 – Depression: – Angst: – QOL: ES=1.2 ES=1.99 ES=0.91 • MBSR3 – Stress: 0.71 – Depression: 0.57 – Angst: 0.73 1Rehse & Pukrop, 2003, Pat Educ Couns et al., 2006, Int J Psychiatric Med 3Zainal et al., 2012, Psycho-Oncology 2Osborn 10 ... und vermutlich mehr als kostenneutral • Medical cost offset: Kostenreduktion durch geringere Inanspruchnahme medizinischer Leistungen aufgrund der Wirksamkeit einer (psychosozialen) Intervention • bei Patienten mit körperlichen Krankheiten in psychologischer Betreuung: geschätze Kostenreduktion von $1,759 USD / Person (gepoolt über 91 Studien)1 • Krebserkrankungen: – Brustkrebs: 23.5%-50% Kostenreduktion über 2 Jahre nach kognitivverhaltenstherapeutischer Intervention und 70-317$ cost offset / Patientin2 – Prostata-Ca: Über 6 Monate Arztbesuch-Reduktion von 10 auf 4.4 im Vergleich zu keiner Veränderung in der Kontrollgruppe nach psychologischer Intervention3 – Metastasierte Mamma-Ca, supportiv-expressive Gruppenintervention. Kostenreduktion (cost-minimization analysis) von 3’911$ (ns)4 1Chiles et al., (1999) Clin Psychol: Sci Pratice 6: 204–220. et al., (2001) Cancer Practice, 9: 19–26. 3Rosenberg et al. (2002) Int J Psychiat Med 32:, 37–53 4Lemieux et al., (2006), Breast Cans Res Treat 100(2):183-90. 2Simpsons Übersicht • Krebserkrankungen in der Schweiz • Psychosoziale Belastungen durch Krebs • Psychoonkologische Versorgung – 1950 – 2012 – 2015? 13 1950 Memorial-Sloan Kettering Cancer Center, NY 1960 St. Christopher’s Hospice, London 1970 Erster wissenschaftl. Kongress Konsiliar- und Geburtsjahr Liaisondienste Beginn Entwicklung von Guidelines sdf 1980 Hildegard Hospiz, Basel Gründung der IPOS Palliative.ch 1990 2000 2012 Qualitätssicherung und – managementsysteme Förderung der Interdisziplinarität DRG in CH Schweiz. Gesellschaft für Psychoonkologie, Weiterbildung Oncoreha.ch NKP 2005-2010 NKP 2011-2015 Nationale Strategie Palliative Care http://wegweiser.krebsliga.ch/ Pos. FA: Mammographie jährlich Prävention Früherkennung Primärprävention Screeningprogramme Diagnostik Unsystematische Einbindung des Psychoonkologe am Zentrum Therapie Stationär: Konsiliar- und Liaisondienste Ambulant: Psychoonkologie im Zentrum, Praxen Krebsligen andere EG nach OP Ambulante POT Krebsliga Maltherapie Gruppenkurse Tumorfreies Überleben Vorwiegend stationäre Reha Ambulante Psychoonkoolgie Lebenszeitverlängerung Lebensende Stationäre Reha Stationäre und ambulante Palliativversorgung Ambulante Psychoonkologen Reha? selfmade Ambulante POT Paarberatung bzgl. genetischem Risiko Kontakt mit Arbeitgeber 16 Psychoonkologie und Psychosoziale Versorgung in der Schweiz – Wichtigste Lücken 2012 • Versorgungsunterschiede zw. städtischen und ländlichen Gebieten • Standards und Leitlinien fehlen, u.a. mangelnde systematische Erfassung psychosozialer Bedürfnisse • Finanzierung ist nicht geklärt • Vernetzung mit allen an einer Behandlung Beteiligten über alle Krankheitsstadien als entscheidende strukturelle Voraussetzung für psychoonkologische Angebote ist oft nicht erfüllt Mängel in Koordination und interdisziplinärer Zusammenarbeit • lückenhaften Information über psychosoziale Angebote • Lücke von Akutphase zu Rehabilitation und Wiedereingliederung • Umsetzung der Nationalen Strategie Palliative Care 17 Übergeordnete Ziele: • niedriges Krebsrisiko durch Vorbeugung und Früherkennung • sinnvolle Diagnostik und Behandlung nach neuesten Erkenntnissen • psychosoziale und palliative Betreuung Vorschläge als Grundlage für politische und gesellschaftliche Entscheidungen 18 19 Prävention Früherkennung Aktuelle Probleme (u.a.) Ein Drittel bis die Hälfte der Krebsfälle werden durch Lebensstil- und bedingungen mit verursacht wirksamste Prävention: ausgewogenes Gesundheitsverhalten Empfehlungen: u.a. Verbesserung der Förderung der psychischen Gesundheit 20 Allgemeine formale und strukturelle Empfehlungen Defizite in der Behandlungskoordination und klaren Patientenpfaden unter Berücksichtigung der Interdisziplinarität Formale und Strukturelle Empfehlungen • Formulierung von verbindlichen Behandlungsrichtlinien und Patientenpfade für die häufigsten Krebskrankheiten • Flächendeckende Etablierung von regionalen Kompetenzzentren und Netzwerken 21 Onkologische Zentren und Zertifizierung • Zusammenschluss zu interdisziplinären Zentren für eine hochwertige, qualitätsgesicherte und wirtschaftliche onkologische Versorgung • Einheiten eines „Onkologischen Zentrums“ Leitungsgremium und koordinierende Zentrale. Zentrale stationäre Versorgungseinheit für Patienten mit Systemtherapie Ambulante Versorgungseinheit für Patienten mit Systemtherapie Weitere Abteilungen, falls nicht zum Zentrum gehörend assoziiert als Kooperationspartner, bspw. – Palliative ambulante und stationäre Versorgung einschließlich Hospiz – Einheit für Stammzell- und Knochenmarktransplantation – Universitäre Abteilung für Grundlagenforschung – Rehabilitationsmedizin 22 Beispiel Deutschland Psychoonkologische Betreuung • Im Onkologischen Zentrum muss eine angemessene psychoonkologische Versorgung entsprechend den folgenden Kriterien sichergestellt sein: – – – – – – Psycho-Onkologie - Qualifikation Angebot und Zugang Angemessene Psycho-Onkologie-Ressourcen Dokumentation Angemessene Räumlichkeiten Organisationsplan (definiert Zusammenarbeit mit allfälligen externen Kooperationspartnern. Bedingung: örtliche Präsenz sichtbar) – Fort-/Weiterbildung/Supervision . 23 Beispiel Deutschland Ziele und Aufgaben der Betreuung: • Vorbeugung/Behandlung von psychosozialen Folgeproblemen • Aktivierung der persönlichen Bewältigungsressourcen • Erhalt der Lebensqualität • Berücksichtigung des sozialen Umfeldes • Organisation der ambulanten Weiterbetreuung durch Kooperation mit ambulanten psychoonkologischen Leistungsanbietern • Öffentlichkeitsarbeit (Patientenveranstaltung o.ä.) • Leitung des psychosozialen Qualitätszirkels 24 Beispiel Schweiz • „Es muss eine institutionalisierte, vertraglich geregelte Zusammenarbeit mit einem Psychiater oder Klinischen Psychologen bestehen“ 25 Übersicht • Krebserkrankungen in der Schweiz • Psychosoziale Belastungen durch Krebs • Psychoonkologische Versorgung – 1950 – 2012 – 2015? 26 Psychologische Behandlungsmodelle der Zukunft: Onkologische Kompetenzzentren / Netzwerke 27 Diagnosestellung Assessment: Screening auf psychosoziale Belastung, Ressourcen, Lebensstilfaktoren u.a. Translationale Forschung Patientencoach Vorschlag über medizinische Therapie und unterstützende Massnahmen Fachdisziplinen am Kompetenzzentrum / im Netzwerk Psychoonkologie und psychosoziale Betreuung Kooperationsvereinbarungen Setting Therapeutische Ansätze Neue Medien Qualitätsgesicherte Beratungshilfen Ambulante + stationäre Rehabilitation Palliative Angebote Sozialversicherungen Integration in Grundversorgung in allen Stadien Gemeinsame Dokumentation Leitlinien + Standards 28 Pendenzen • Interprofessionelle Weiterbildung in Psychoonkologie, Möglichkeit der Schwerpunktsetzung (Reha, Palliativ) – Koordinierte Fortbildung • Definition von Qualifikationskriterien Psychoonkologischer Therapeut, Psychoonkologischer Berater • Gesicherte Finanzierung von psychoonkologischer Therapie und Beratung, Rehabilitation und Palliative Care als Teil der Grundversorgung • Gewährleistung verschiedener Behandlungsangebote von Diagnose bis Lebensende • Translationale Forschung: „Psychoonkologisches Forschungsnetzwerk Schweiz“: Förderung von multizentrischen (psycho)onkologischen Projekten, Schwerpunkte 29 30
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