Univ.Prof. Dr. Józef Niewiadomski ist Dekan der und Professor für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät Innsbruck. Was heiSSt katholisch? 8 „Katholisch? Nein, danke! Bin doch nicht engstirnig. Brauche weder Dogmen, noch den Papst mit seiner verschrobenen Sexualmoral. Außerdem regt mich das Verhältnis der Kirche zu Frauen, zu Wiederverheirateten und Schwulen auf. Von der Missbrauchsaffäre schon ganz zu schweigen.“ Schon immer ging das Staunen über die Eigenart der Katholischen Kirche mit saloppen Urteilen und Vorurteilen Hand in Hand, mit offen gezeigter Aggressivität und dem „antirömischen Affekt“. Meistens trugen die einseitig gestrickten Zerrbilder zur Verstärkung eines „gesunden“ katholischen Selbstbewusstseins bei. Die antikatholische kulturelle Polemik wurde in der Kirche selbst oft gar als notwendiger Kontrapunkt verstanden, der einer gelebten kirchlichen Melodie erst recht zur gesellschaftlich geerdeten katholischen Identität verhalf. Die Spötter und die Gegner sorgen so für eine konturenreiche und kontraststarke Antwort auf die Frage: „Katholisch? Was ist das?“ Von einer derartigen Frontenstellung scheint unsere Gegenwart nichts mehr zu wissen. Oft hat man das Gefühl, dass der Kontrapunkt längst zum Cantus firmus geworden ist. Identität und Medien Die veränderte Frontenstellung hat zum einem mit dem medial konstruierten Kirchenbild zu tun und auch dem – hierzulande – ungebrochenen Vertrauen einiger kirchlicher Kreise in das Projekt: „Reform der Kirche durch Medien“. Deren „normativer“ Fokus liegt naturgemäß nicht in der Pflege einer glaubwürdigen Gestalt der Katholizität, sondern im ungebrochenen Impetus der Nivellierung religiöser und konfessioneller Identitäten zu einem gesichtslosen „modern-spirituellen Eintopf“. Zum anderen stellt die neue Frontenstellung den Ausdruck kultureller – oft auch kirchlicher – Trends zur häretischen Sicht auf die Wirklichkeit dar, einer Sicht, die sich mit Fragmenten und Ausschnitten begnügt und das Ganze erfolgreich verdrängt. So paradox es klingen mag, die modernen Zerrbilder der Katholischen Kirche sind Folgen eines nichtkatholischen Fokus, heißt doch „katholisch“ zuerst nichts anderes als „allumfassend“. Nur Gott ist katholisch Nähert man sich der Frage von der terminologischen Seite an, so wird man festhalten müssen, dass nur Gott was heiSSt katholisch? selber im wahrsten Sinne des Wortes „katholisch“ genannt werden kann. Diese seine „Katholizität“ offenbart sich tagtäglich in seinem universalen Heilswillen, einem Willen, der niemanden ausgrenzt und der sich selber in dieser Welt – oft auf den nur Gott bekannten Wegen – durchsetzt. Dieser wahrhaft katholische Gott lässt nicht nur seine Sonne über Gute und Böse – also auch über uns – aufgehen (vgl. Mt 5,45). Er wendet sich gerade den Ausgegrenzten zu, ja: in seinem Sohn lässt er sich selber ausgrenzen: gar durch den gewaltsamen Tod! Um auf diese Weise die Ausgrenzungen zu wandeln und unser aller Identitätsmarke: „Grenze“ zur verbindenden Brücke zu transformieren. Es ist nicht alles egal Als vom Tode Auferweckter bleibt Christus kraft des göttlichen Geistes in der jeweiligen Gegenwart anwesend. Anwesend dort, wo Menschen aufeinander zugehen, wo sie Gemeinschaften bilden („wo zwei oder drei in meinem Namen ...“), aber auch dort, wo sie einander ausgrenzen, sich voneinander distanzieren, gar einander töten (alles, was dem Geringsten angetan wird, wird ja ihm angetan: vgl. Mt 25,31-44). Deswegen kann man auch unmöglich sagen, diese Art von Katholizität sei den liberalen Schlagwörtern: „anything goes“ oder aber „I love you all“ vergleichbar. Sie sei identisch mit einer undifferenzierten – im Grunde doch vom Geist der Indifferenz – infizierten Haltung. Nein! „Katholisch“ hat genauso wenig mit Gleichgültigkeit wie mit Engstirnigkeit zu tun. Es ist ein dynamisch an gelegter Weg zur wirklichen Gemeinschaft, zur Communio, ein Weg, den ja zuerst Gott selber geht und den wir: die Menschen glauben, bezeugen, feiern, damit auch selber mitgehen können. Diese Dynamik der transformierenden Gegenwart Christi in der Geschichte beschreibt die Theologie mit dem Begriff „Kirche“. Und das Zweite Vatikanische Konzil vertraut Acryl-VGZ2.5 9 was heiSSt katholisch? nicht nur, dass sie „verwirklicht“ ist in der Römisch-Katholischen Kirche, sondern auch, dass andere Kirchen und kirchliche Gemeinschaften, Menschen anderer Religionen und auch Gottesdienst in Tamil Nadu (Südindien) 10 jene Menschen, die zur Erkenntnis Gottes noch nicht gelangt sind, von dieser Katholizität nicht ausgeschlossen sind. Vielmehr bleiben sie auf diese hin geordnet. Weil die Zugehörigkeit zur Kirche eine „gestufte“ sei, stellen die Grenzen nicht Abgrenzungen dar, sondern Brücken, die zur Begegnung einladen. Nähert man sich der Frage aus einer derart dogmatischen Perspektive, so wird jede faktisch vollzogene Ausgrenzung zur offenen Wunde oder aber zumindest zu einer Narbe, die auf dem Leib der Kirche sichtbar bleibt. Die Sorge der Hierarchie um die Einheit der „sichtbaren Kirche“ müsse deshalb auf die Bemühung um Integration fokussiert bleiben, nicht aber auf den Willen zur Grenzziehung. Der Katholik par excellence Menschen, die an den Rändern der Kirche leben, stellen den Prüfstein unseres Katholisch-Seins dar. Katholizismus ist schon immer ein „bunter Gemüsegarten“ gewesen und muss es auch bleiben. Selbst Unkraut hat dort einen Platz. Sollte in unserer Gegenwart der Kontrapunkt einer „unkatholischen“, weil fragmentierten Sicht der Kirche – gar in der Kirche – Oberhand gewinnen, wären wir gut beraten, mit aller Demut beim „Katholiken par excellence“ in die Schule zu gehen: bei jenem Gott, dessen Heilswille keine Grenzen kennt. Wie gesagt: die Zerrbilder des Katholischen gehörten schon immer zu unserer Identität. Vorausgesetzt, wir selber begreifen diese als das, was sie sind: Bloß Kontrapunkte zu einer wahrhaft katholisch gelebten Melodienführung. Möge die göttliche Grenzüberschreitung, die wir zu Weihnachten feiern, unseren Fokus neu justieren. Auf dass wir uns von der „häretischen“ zur wahrhaft katholischen Sicht unserer Welt und auch unserer Kirche bekehren. £
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