GEMEINDEPASTORAL Projekt Seelsorge Ehrenamtliche in der Pfarrleitung Hören, was der Geist den Gemeinden sagt Die Beteiligung Ehrenamtlicher an der Pfarrleitung in der Diözese Linz Gemeinden sollen leben, Gemeinden sind Subjekte der Seelsorge, Gemeinden stehen in Beziehung : Die Diözese Linz spricht sich auf dem Hintergrund eines umfassenden Struktur- und Leitbildprozesses dafür aus, dass Gemeinden als kleinere und eigenständige Seelsorgeeinheiten erhalten bleiben sollen und dass von Pfarrzusammenlegungen abgesehen wird . Doch wie soll das gehen, bei immer knapper werdenden finanziellen und personellen Ressourcen? Die Berufung von Ehrenamtlichen als Gemeindeleiterinnen in Verbindung mit der Stärkung des Pfarrgemeinderats sind dabei zukunftsträchtige Antworten . Gabriela Broksch und Monika Heilmann B isheiige Erfahrungen zeigen, dass es bei Wegfall oder gravierender Arbeitsreduzierung der hauptamtlichen Seelsorgerinnen mit entsprechender theologischer Ausbildung am Ort leicht zur Verengung des Seelsorgeverständnisses kommt : Die verbleibende Energie wird auf den Erhalt der Sonntagsmesse und der Bauten reduziert. Fehlende Leitung erzeugt ein Vakuum : Orientierungslosigkeit und längerfristig der Zerfall der Gemeinschaft sind die Folge . Das Wegbrechen bisheriger pastoraler Inhalte und Strukturen löst bei den Menschen in den Gemeinden existenzielle Betroffenheit aus und weckt gleichzeitig Kräfte. Gespeist werden diese Kräfte aus der Sehnsucht der Menschen und der Zusage Gottes, Leben und Zukunft auch hier und heute zu eröffnen . Engagierte Christinnen wollen das bestehende Gemeindeleben auch auf Zukunft hin erhalten und/oder neu zum Aufleben bringen und damit auch ein „kulturelles Grundgerüst" (Ökumenischer Rat, 52) von Gemeinschaft, Nachbarschaftshilfe, Verbindlichkeit und Alltagsfröm- 38 Lebendige Seelsorge 59 . Jahrgang 1/2008 (S . 38-43) migkeit sichern . Sie sind bereit, sich und ihre geistgeschenkten Charismen in den Dienst der Menschen und der Seelsorge zu stellen . PASTORALTHEOLOGISCHE ÜBERLEGUNGEN Christliche Gemeinde zeichnet sich durch das Leben der vier Grundvollzüge Verkündigung, Diakonie, Liturgie und Koinonia aus (vgl. Karrer) . Die Leitung einer Gemeinde hat dafür zu sorgen, dass Seelsorge in dieser Ganzheit prak- Gabriela Broksch Dipl . Päd ., Erwachsenenbildnerin, Meditationsleiterin ; als Bildungsreferentin in der Abteilung Pfarrgemeinde und Spiritualität zuständig für Gemeindliche Mitarbeiterlnnenentwicklung . Monika Heilmann Mag, theol ., seit 2006 Leiterin der Abteilung Pfarrgemeinde und Spiritualität im Pastoralamt der Diözese Linz. Die vier Grundvollzüge Diakonie, Verkündigung, Liturgie und Koinonia tiziert wird. Dieses Selbstverständnis zeigt sich auch in unserer bildlichen Darstellung des Seelsorgeteam-Modells . Gemeindeleitung ist seelsorglicher Dienst (vgl . Udeani) . Sie hat gemäß der Rolle von „Prophetln, Königin, Priesterln" die Aufgabe, die Botschaft vom Reich Gottes in der Gemeinde wach zu halten . Darüber hinaus muss sie andere ermutigen und ermächtigen, die je eigenen Begabungen für die Gemeinde einzubringen und die Möglichkeit schaffen, die Beziehung zu Gott und zu den Menschen zu leben und zu feiern. Im Blick auf die Seelsorge in Pfarrgemeinden stellt sich die Frage : „Was brauchen Gemeinden, um lebendig zu sein und wie bzw. von wem kann Leitung in diesem Sinn geleistet werden?" Während es bei den Grundvollzügen der Kirche um wesentliche Aspekte der pastoralen Arbeit Lebendige Seelsorge 1/2008 Hören, was der Geist den Gemeinden sagt 39 Selbstverpflichtung und Auftrag der Kirche(n) für die Gestaltung der Lebensräume Das ökumenische Sozialwort betont die Verantwortung der Kirchen für die Lebensräume der Menschen. Die Kirchen haben die wesentlichen Aufgaben, die Beziehungsfähigkeit der Menschen und den sozialen Zusammenhalt zu fördern. „Die Kirchen unterstützen in ihrem eigenen Bereich die Suche nach neuen Formen von Gemeindeleben und Gemeindeleitung ." (Ökumenischer Rat, 52) Vor allem im ländlichen Raum ist diese Funktion der Kirche wichtig : „Die Kirchen stützen das kulturelle Grundgerüst' des ländlichen Raums, vor allem durch die Feier des Sonntags, der kirchlichen Feste und des religiösen Brauchtums. Sie sind bereit, die dafür notwendigen personellen und materiellen Ressourcen bereit zu stellen." (ebd.) DIE KONKRETE GESTALT Seit Jahren reflektieren und begleiten die MitarbeiterInnen der Abteilung Pfarrgemeinde und Spiritualität des Pastoralamtes der Diözese Linz die Situation und die Entwicklung von Pfarren ohne „eigenen Pfarrer", bzw . ohne Priester am Ort. Unter Berücksichtigung der diözesanen Möglichkeiten und der kirchenrechtlichen Rahmenbedingungen wurde aus diesen Wahrnehmun-, gen u.a. das Seelsorgeteam-Modell entwickelt und seit 2003 umgesetzt . Daneben gibt es noch das Modell der Pfarrgemeinderäte, an die spezielle Leitungsaufgaben delegiert werden und das Modell eines/einer einzelnen ehrenamtlichen Pfarrverantwortlichen . Die hier vorliegende Beschreibung konzentriert sich auf das Modell „Seelsorgeteam", weil es durch die dezidierte Ausrichtung an den Grundaufträgen belebende Impulse auch für die anderen zwei Leitungsmodelle gibt und zur Zeit das am häufigsten gewählte und gelebte ist . Das Ziel sind lebendige christliche Gemeinden, die sich durch die Aufmerksamkeit auf Seelsorge in ihrer Ganzheit auszeichnen . Die Ausrichtung an den Grundfunktionen Liturgie, Diakonie, Verkündigung, Koinonia, die Sicherung örtlich zuständiger Leitungskompetenz und der hochmotivierte und qualitätsvolle Einsatz von ehrenamtlichen Frauen und Männern tragen dazu bei, dass sich alle Beteiligten an einer lebendigen Kirche freuen können . KENNZEICHEN DES SEELSORGETEAMMODELLS Dem Seelsorgeteam gehören die ehrenamtlichen Grundbeauftragten und der zuständige Pfarrprovisor an . Die ehrenamtlichen Seelsorgeteam-Mitarbeiterinnen werden gezielt gesucht, angefragt, ausgebildet und befristet für fünf Jahre beauftragt. Der Pfarrgemeinderat trägt die Verantwortung für die Suche nach geeigneten Personen . Durch MitarbeiterInnen der Abteilung Pfarrgemeinde und Spiritualität werden sie ausgebildet und begleitet. Die Ausbildung ist Teil der offiziellen Beauftragung. Sie umfasst vier Wochenenden sowie fachspezifische Schulungen im Umfang von rund sechzig Stunden . Die Ausbildung hat das Ziel, die Seelsorgeteam-MitarbeiterInnen zu befähigen, zu ermutigen und zu bestärken, als Team die Seelsorge aus der Perspektive der Grundaufträge zu gestalten . Von bischöflichen Vertretern und vom Pfarr- Lebendige Seelsorge 1/2008 Hören, was der Geist den Gemeinden sagt 41 GEMEINDEPASTORAL Projekt Seelsorge Ehrenamtliche in der Pfarrleitung gemeinderat werden die Seelsorgeteams schließlich in einer offiziellen Feier vor Ort eingesetzt. GEMEINDE-LEBEN IM GEISTE JESU Die Seelsorgeteam-Mitarbeiterinnen sind jeweils für einen bestimmten Grundauftrag (Diakonie, Koinonia, Verkündigung, Liturgie) verantwortlich. Als Team sorgen sie sich um das Gesamt der Seelsorge in einer Pfarre . Fallweise erweitern MandatsträgerInnen für Personal, Finanzen, Verwaltung das Seelsorgeteam. Leitung wird partizipativ, d .h. in gemeinsamer Verantwortung wahrgenommen (mit dem zuständigen Pfarrgemeinderat, Priester, Diakon, Pastoralassistenten, der zuständigen Pastoralassistentin) . Zum Austausch und für Kooperationen vernetzen sich Seelsorgeteams örtlich, regional und diözesan. Der zeitliche Vorlauf von den ersten Überlegungen einer Pfarre, eines Pfarrgemeinderates bis zu Installation des Seelsorgeteams dauert mindestens ein Jahr, meist länger und erfordert eine intensive, kontinuierliche, persönliche Beratung und Begleitung durch diözesane Mitarbeiterinnen . Eine gute Einbindung der Pfarrbevölkerung ist für eine breite Akzeptanz von Modell und MitarbeiterInnen notwendig. zen die Beteiligten in ihrem konkreten Handeln vor Ort. „Hören" als Lernprinzip fördert das achtsame Wahrnehmen der unterschiedlichen Bedürfnisse, Anforderungen und Möglichkeiten. „Hören, was der Geist den Gemeinden sagt" stärkt das Vertrauen in Gottes Führung und das Zutrauen in die eigene seelsorgliche Kompetenz. DIE GELEBTE PRAXIS IST ERMUTIGEND 22 Pfarrgemeinden, in der Größenordnung von 470 bis 5000 Katholikinnen, werden zurzeit von Seelsorgeteams geleitet . Die Teams setzen sich aus drei bis acht Personen zusammen . Rund hundert Frauen und Männer, im Alter von 2770 Jahren sowie aus unterschiedlichen Berufsfeldern, stellen Führungsqualitäten, Teamfähigkeit, fachliche, soziale und spirituelle Kompetenzen für den Aufbau lebendiger Gemeinden zur Verfügung. Sie fördern die Selbstständigkeit und das „Überleben" der Pfarrgemeinden, die Vernetzung von Personen und Gruppen innerhalb der Gemeinden und darüber hinaus das soziale Leben vor Ort . Die Aufgabe ist herausfordernd und bringt teilweise eine hohe zeitliche Belastung mit sich . Hinzu kommt, dass Seelsorgeteam-MitarbeiterInnen an sich und ihre Arbeit oft sehr II Hören" als Lernprinzip fördert das achtsame hohe Ansprüche Wahrnehmen der unterschiedlichen Bedürfnisse, stellen. Teamarbeit Anforderungen und Möglichkeiten . und Leitung im Team werden als Die Ausbildung ist praxisbegleitend . Prozess- Gewinn erfahren . Sie schaffen einen breiten orientiertes, personen- und themenzentriertes Zugang zur Pfarrbevölkerung. Unterschiedliche Lernen und Reflektieren stärken und unterstüt- Fähigkeiten und geteilte Verantwortung berei- 42 Lebendige Seelsorge 1/2008 Hören, was der Geist den Gemeinden sagt chern und entlasten . Die Erfahrung, nahe an der biblischen Vision von Gemeinde (Apg) zu sein, birgt eine große Erneuerungskraft in sich . Die Zusammenarbeit mit den zuständigen Priestern funktioniert dann gut, wenn der Blick aller auf Christus und die Gemeinde gerichtet ist, wenn eine der Situation und den Personen angemessene Organisations- und Kommunikationsform gefunden wird ; zum Gelingen trägt ferner bei, wenn die aus dem priesterlichen Charisma erwachsende Sichtweise und Deutungskompetenz des pfarrlichen Alltags vom Priester eingebracht wird . Sie wird erschwert, wenn Priester sich durch das Modell in Identität und Berufsverständnis in Frage stellen oder gestellt fühlen . Die Akzeptanz in der Pfarrbevölkerung ist hoch, wenn integrative, im Ort anerkannte und authentische Personen als Seelsorgeteam-Mitarbeiterlnnen gewonnen werden, wenn die Zuständigkeiten für die Pfarrbevölkerung transparent sind und die Seelsorgeteam-Mitarbeiterlnnen gut erreichbar sind. Einbindung und Transparenz bei der Suche der jeweiligen Personen und die offizielle Beauftragung sind in gleicher Weise wichtig. Um die Ehrenamtlichen in dieser herausfordernden Aufgabe zu unterstützen, ist eine kontinuierliche Begleitung zu sichern . Dazu gehören diözesane Jahrestreffen der Seelsorgeteams, regionale Grundauftragstreffen, fallweise Einzelbegleitung und Supervision, Weiterbildungsangebote und eine gute theologische und spirituelle Begleitung vor Ort. Der Aufbau eines unterstützenden Netzwerkes von Hauptamtlichen-Teams auf Dekanats- bzw . Seelsorgeraum-Ebene und eine intensive Öffentlichkeitsarbeit von diözesaner Seite sind weitere wichtige Eckpunkte. „GEMEINDEN SOLLEN LEBEN" Um diesen Leitsatz zu verwirklichen, braucht es das Zusammenhören aller Beteiligten, örtlich, regional und diözesan. So gesehen ist das Seelsorgeteam-Modell Teil der lernenden und sich entwickelnden Organisation Kirche in Oberösterreich . Es ist der konkrete Versuch einer geistvoll-lebendigen, wechselweisen Weiter-Entwicklung von Menschen, MitarbeiterInnen und Organisation : ein gemeinsames Voranschreiten als pilgerndes Volk Gottes in der Nachfolge Jesu Christi. a LITERATUR Karrer, Leo u.a., Handlungsvollzüge, in : Haslinger, Herbert (Hg .), Handbuch Praktische Theologie . Band 2 Durchführungen, Mainz 2000, 379510 . Ökumenischer Rat der Kirchen in Österreich (Hg .), Sozialwort des Ökumenischen Rates der Kirchen Österreichs, Wien 2003 . Udeani, Monika, Auferbauung - eine vergessene Dimension der Gemeindeleitung . Einem alten Begriff neu auf der Spur, in : Diakonia 37 (2006), 355-361 . Lebendige Seelsorge 1/2008 Hören, was der Geist den Gemeinden sagt 43
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