36 Wes ist Seelsorge? Isolde Kerle . IsoIde Karle Was ist Seelsorge? Eine professionstheoretische Betrachtung Die Individualisierungs- und Pluralisierungsprozesse der letzten Jahrzehnte haben zu tiefgre·ifenden Wandlungen in der modernen Gesellschaft gefuhrt . Mehr als jemals vorher ist der oder die einzelne dazu herausgefordert, sich im Kontext pluralistischer We ltund Lebensdeutungen eine Identität selbst zuzuschreiben . Nicht mehr die Herkunft oder stabile äußere gesellschaftliche Rahmenbedingungen geben verbindlich vor, w ie das eigene Leben zu gestalten ist und an welchen Normen man sich zu orientieren hat. Jeder und jede muß grundsätzlich selbst entscheiden, welchen Beruf er oder sie ergreifen möchte, welche Lebensform zu wählen ist und wie man sich selbst und seine eigene Identität, als Mann oder als Frau, im Kontext der pluralistischen Gesellschaft verstehen will. Diese Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf die Definition eigener Identität geht zugleich mit erhöhten persönlichen Risiken und sozialen Belastungen einher. So wird erst im Nachhinein deutlich, ob es klug war, diesen oder jenen Ausbildungs- oder Studiengang zu wählen. Gesellschaftlich bedingte Probleme und Widersprüche müssen individuell verkraftet und gelöst werden. Die Komplexität biographischer Selbststeuerung stellt damit hohe Ansprüche an die Individuen der pluralistischen Gesellschaft. Individuen müssen mit einer höheren Kontingenz zurechtkommen, das heißt, sie müssen damit leben lernen, daß alles auch anders sein könnte, daß letztlich nichts in ihrem Leben völlig unverrückbar stab il ist und letzte Tragfähigkeit und Orientierung garantieren kann. Für viele Men- schen ist es belastend, ganz auf sich selbst zurückgeworfen zu sein und die Ängste und Risiken ungewisser Zukunfts erwartungen individuell tragen und verantworten zu müssen. Auf dem Hintergrund dieser Entwicklung ist die außergewöhnliche Konjunktur zu verstehen, die die Seelsorge in der kirchlichen Praxis und in der theologischen Diskussion in den letzten Jahrzehnten erfahren hat. Mit dem Zwang zur Entscheidung und zur Dauerreflexion hat der Bedarf an individueller Lebensbegleitung stark zu- 37 genommen . Die Seelsorgebewegung der sechziger und siebziger Jahre hat sich in ihrer Theorie und Praxis dabei vor allem am therapeutischen Modeli der Psychoanalyse orientiert. Paradoxerweise hat die psychoanalytische Orientierung der Seelsorge an der individuellen Vergangenheit und der Thematisierung und Rekonstruktion von Lebensgeschichte das moderne Problem der Selbstzentrierung, der Zerrüttung stabiler Sozialformen u·nd der Vereinsamung jedoch vielfach eher verschärft als behoben. Das liegt vor allem daran, daß die psychoanalytisch orientierte Seelsorge die soziale Bedingtheit moderner Identitätsprobleme verkannte und sich ganz auf das Individuum und sein Seelenleben konzentrierte. Denn: "Eine psychoanalytische Orientierung faßt die Lebensftihrung als Variation eines Grundthemas auf, das in der Kindheit komponiert worden ist. "I Das psychoanalytische Paradigma hat mit dieser Fixierung auf das Individuum und sein psychisches Innenleben die moderne Fixierung·auf die eigene Person verstärkt, ohne die sozialen Bedingungen individuellen Lebens realistisch ' in den Blick zu bekommen. Gleichzeitig hat das psychoanalytische Paradigma die Suggestion genährt, die Identität eines Menschen könnte durch den Blick in die eigene Psyche wie ein verborgener Schatz ' gefunden ' werden . Menschliche Identität wächst aber nicht gleichsam naturwüchsig von innen nach außen, sondern von außen nach innen.' Denn keine Selbsterfahrung ist unmittelbar. So wie wir unser Gesicht immer nur im Spiegel betrachten können, können wir auch unser Selbst nur im Umgang mit anderen Menschen wahrnehmen - anhand der sozialen Resonanz, die wir, erfahren, der Erwartungen, die andere an uns richten, und der Verpflichtungen, die sich daraus ergeben. Jede Persönlichkeitsentwicklung ist deshalb auf differenzierte Deutungsmuster und Formgebungen, auf eine fördernde Gemeinschaft und die lebendige Pflege gemeinsamer Erinnerungen und Traditionen angewiesen. Durch ihre Individuumzentrierung konnte die psychoanalytisch orientierte Seelsorge diese anspruchsvollen Bedingungen menschlicher Identitätsentwicklung nicht angemessen I W. Fuchs, Biographische Forschung. Eine E in ftihrung in Pra.'Xi s und Me- thoden, Opladen 1984, 198 . Z Vgl. , auch zum fo lgenden: J. Assmann, Das kulturelle Gedächtni s. Schrift. Erinnerung und politi s c~e Identität in frühen Hochku lturen. München 1999. 130ff. 38 Isolde Karle Was ist Seelsorge? reflektieren. Gleichzeitig hat sie damit die eigenen, spezifisch religiösen Ressourcen und Sprachformen christlicher Seelsorge fur den Aufbau und d ie Strukturänderung von Identität radikal unterschätzt. determinierenden Ursachen individuellen Verhaltens zugleich ihren Sinn. System ische Therapieformen konzentrieren sich deshalb nicht auf die Vergangenheit und auch nicht auf Einzelpersonen und ihre innerpsychische Eiltwicklung, sondern auf die sozialen Bezie hungen und ihre Regeln und Verhaltensmuster und zwar so, wie sie in de r Gegenwart funktionieren. Systemische Therapieformen versuchen dabei, durch gezielte Interventionen und Störungen Veränderungen im sozialen System zu provozieren und es den beteiligten ' Spielern ' dadurch zu ermöglichen, sich anders als bislang zu verhalten und zu verstehen 4 Es ze igt sich, daß system ische Therapieformen erkenntnistheoretisch anspruchsvoller und damit zu gleich zutreffender die Realität von psychischen und sozialen Prozessen zu beschreiben vermögen als die psychoanalytische Denktradition. Die psychoanalytische Denktradition setzt voraus, daß die Vergangenhe it eines Menschen rekonstruiert und authentisch erinnert werden kann, daß direkte Verbindungen von der individuellen Vergangenheit zu gegenwärtigen Problemen herzustellen sind und daß es Menschen entscheidend weiterhilft, sich mit sich selbst und ihrer Vergangenheit zu beschäftigen, die Gründe ihres Verhaltens zu verstehen und damit zu einer Änderung ihres Verhaltens zu kommen. Diese Grundannahmen werden von systemtheoretischer und systemischer Seite grundlegend in Frage gestellt. Kybernetische Denkmodelle machen deutl ich, daß die monokausale und ichzen trierte Vorstellung von den klar zu rekonstruierenden Folgewirkungen eines bestimmten Ereignisses in 'der Vergangenheit der Komplexität psychischer und sozialer Prozesse nicht gerecht wird. Es können von einem bestimmten Ereignis in der Vergangenheit ganz verschiedene, sogar gegensätzl iche Wirkungen ausgehen. Darüber hinaus gleicht die Erinnerung von Lebensgeschichte nicht etwa einer Fotographie gelebten Lebens. Erinnerung ist ein sehr komplexer und selektiver Vorgang. Was wir erinnern , hängt wesentlich von den jeweiligen Mustern und Regeln ab, mit denen wir dem eigenen Leben Sinn und Ordnung zu verleihen suchen. Jede Ordnung aber basiert auf Auswahl und Vereinfachung. Jede erzählte Lebensgeschichte ist mithin eine mögliche Lesart von, Lebensgeschichte, niemals aber die Lebensgeschichte selbst. Erinnerung bildet demnach biographische Realität nicht einfach ab, sondern entwirft das gelebte Leben in jeder Gegenwart und in jedem sozialen Kontext neu 3 . Erweist sich die psychoa~alytische Vorgehensweise, zwischen einem gegenwärtigen Problem und einem frühen Konflikt lineare Kausalbeziehungen herzustellen, als' zu naiv und zu sehr an mechanistischen Vorstellungen orientiert, verliert die Frage nach den 3 Vgl. zu dieser Kritik ausfuhrlieh: 1. Karle, Seelsorge in der Moderne. Eine Kritik der psychoanalytisch orientierten Seelsorgelehre. Mit einem Geleitwort von 1. Scharfenberg, Neukirchcn-Vluyn, 1996, 129- 156. Vgl. a.a.O., 156ff. auch zum folgenden. 39 Doch stellt sich spätestens hier die grundsätzliche Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, Seelsorge am Leitmodell der Therapie zu orientieren. Ist Seelsorge tatsächlich dasselbe wie Therapie? Die folgenden Überlegungen gehen dieser Fragestellung nach und versuchen zu zeigen, daß sich die kirchliche Seelsorge durch Überlegungen und Erfahrungen systemischer Therapieformen anregen lassen kann, daß sie dabei aber niemals ihre eigene religiöse Leit.orientierung und ihren eigenen sozialen Kontext aus dem Blick verlieren darf. Nur, wenn sich Seelsorge reflektiert als Teil des Religionssystems versteht, kann sie ihre spezifische Funktion in der funktional differenzierten Gesellschaft erftillen. Christliche Seelsorge ist grundlegend durch den Erwartungszusammenhang kirchlicher Praxis geprägt. Nur im Kontext dieses spezifischen Erwartungszusammenhangs kann die Seelsorge ihre Stärke und ihre spezifische Funktion für die Menschen in der modernen Gesellschaft entfalten. .; Beispielhaft fUr die Theorie und Praxis systemischer Therapie sei verwiesen auf: H. StierIin, Ich und die anderen. Psychotherapie in einer sich wandelnden Gesellschaft, Stuttgart 1994; F. 8. Simon, Unterschiede, die Unterschiede machen. Klinische Epistemologie: Grundlagen einer system ischen Psychiatrie und Psychosomatik, Berlin/Heidelberg 1988 ; P. Watzlawick. Münchhausens Zopf oder Psychotherapie und 'Wirklichkeit', München 1988. 40 Isolde Korle Abschied vom therapeutischen Leitmodell der Seelsorge Mit dem Umbau von einer nach Ständen zu einer nach Funktionen differenzierten Gesellschaft wird in jedem Teilsystem der Gesellschaft eine Funkiion fur das Gesamtsystem ausdifferenziert. So orientiert sich beispielsweise das Medizinsystem an der Funktion 'Gesundheit' und versucht, soweit möglich, Menschen von einem kranken in einen gesunden Zustand zu überfuhren. Auch das Rel igionssystem ist i; dieser Weise an se iner religiösen Funktion ori: entiert und versucht, das Leben des Menschen in seinem Bezug zu Gott zu deuten.' Würde der Arzt versuchen, seine Patientin über den christlichen Glauben zu unterrichten oder sie von e iner bestimmten politischen Partei zu überzeugen, empfande diese das zu Recht als Anmaßung und taktlose Grenzüberschreitung. Ebenso problematisch ist es, wenn sich die Seelsorge als Teil des Religionssystems nicht an ihrer religiösen Aufgabe orientiert, sondern sich als Therapie dem Gesundheits- oder Hilfesystem zuordnet . Seelsorge kann therapeutische Wirkungen haben, sie ist ihrem Selb.stverständnis nach aber nicht Therapie, sondern christliche Lebensbegleitung. Sie ist Teil des Religions- und nicht des Gesundheitssystems. Ihr primäres Ziel ist es nicht, die Gesundheit eines Menschen zu erreichen,' sondern Menschen im Horizont christlicher Welt- und Lebensdeutung und damit im Vertrauen auf eine letzte Geborgenheit in Gott sensitiv und kompetent zu begleiten. Seelsorge hat es deshalb auch nicht mit 'Klienten' oder 'Kranken' zu tun, sondern mit 'Brüdern' und 'Schwestern', mit Menschen, die. sich der Kirche mehr oder weniger eng verbunden füh len. Seelsorge ist deshalb auch nicht wie die The rapie nur defizitund krisenorientiert, sondern ' hält religiöse Sprachformen bereit, die auch dem Dank und der Freude und nicht nur dem Leid und dem Konflikt Ausdruck geben können . Das Gespräch mit dem Pfarrer oder der Pfarrerin kann in der Seelsorge gezielt gewünscht werden und existentielle Dimensionen gewinnen. Dies ist vielfach in der Kasualienseelsorge an den biographisch wichtigen Knotenpunkten des Lebens der Fall. Das see 1sorgerliche Gespräch kann sich aber auch zwischen Tür und Angel Was ist Seelsorge? 41 und damit rein zufallig ergeben. Gerade diese Alftagsseelsorge S wurde durch die Orientierung der beratenden Seelsorge an therapeutischen Denk- und Praxisformen stark vernachlässigt. Als 'echte' Seelsorge galt ihr nur die Ich-Du-Kommunikation unter vier Augen in einem therapieartigen Setting. Der ganz normale, meist kasuell veranlaßte Hausbesuch , bei dem oft mehrere Personen anwesend sind und nicht nur existentielle Lebenskrisen, sondern auch der Dank über das gelebte Leben oder einfach nur das Gespräch über Gott und die Welt im Vordergrund stehen können, wurde damit nicht erfaßt und imp lizit abgewertet. Die Orientierung der beratenden Seelsorge am therapeutischen Setting hat zu einer erheblichen Vernachlässigung der spezifischen Ressourcen und Möglichkeiten geme indlicher Seelsorgepraxis, insbesondere in der Kasualien- und Jubilarseelsorge geführt. Besonders prekär ist dabei , daß die pastoral psychologische Seelsorgebewegung eine professionelle Orientierung an den therapeutischen Berufen auslöste und damit die eigene, pastorale Professionalität weitgehend aus den Augen verlor. Professionssoziologisch betrachtet gehört der Pfarrberuf zusammen mit den Medizinern, Juristen und Lehrern zur Berufsgruppe der Professionen.' Alle Professionen beziehen sich auf elementare, menschliche Fragen und Probleme wie Krankheit, Schuld, Erziehung und Seelenheil. Der Hauptgrund für die besondere Hervorh ebung der Professionsberufe liegt in der besonderen gesellschaftlichen Relevanz der Sachthematiken, die sie repräsentieren. Damit ist ihre spezifische Funktion schon angedeutet: Die zentrale Funktion der Professionen in der modernen Gesellschaft ist es, in der persönlichen Begegnung mit anderen Menschen kulturelf relevante Sachthematiken zu vermitteln. Den Professionen geht es demzufolge nicht nur um das Gelingen von Beziehungen in existentiellen Situationen, sondern immer auch darum, eine Distanzüberbriickung im Verhältnis zur repräsentierten Sachthematik zu erreichen. 7 S Vgl. dazu die umfangreiche Studie von: E. Hauschildt, Alltagsscclsorge. Eine sozio-linguistische Analyse des pastoralen Geburtstagsbesuches. Göttingen 1996. 6 Vgl. , auch zum folgenden, ausführlich: R. Stichweh, Wissenschaft Universität Professionen. Soziologische Analysen, Frankfurt a. M. 1994, 362ff und: I. Karlc, Was heißt Profess ion.alität im Pfarrberuf?, DtPfB'l 99 (1999), 5-9. 7 Vgl. Stichweh. Wissenschaft Universität Professionen, 372ff. U.Ö. 42 Isolde Karle In der Konzentration auf pastoralpsychologische Zusatzqualifikationen und einer Professionalisierung, die sich als Ausdifferenzierung eigener, gemeindeferner seelsorgerlieher Praxisformen begriff, hat die beratende Seelsorge ihre spezifisch eigene, pastorale Professionalität, die sich auf die"Vermittlung einer kulturell tragfähigen Sachthematik bezieht, marginalisiert und damit ihre spezifisch religiöse, inhalliiche Bestimmtheit verloren. Der Professionssoziologe Rudolf Stichweh bemerkt treffend: " Wenn die Vermittlung des Kontakts zu kulturellen Thematiken zentral fur die Professionen ist, kann es gerade auch zum Problem für professionelle Gruppen werden, daß ihre eigene Stellung zu den jeweils relevanten Thematiken zu marginal ist.'" Nicht wenige Pfarrerinnen und Pfarrer, deren eigene Stellung zu den relevanten religiösen Themen und Fragen nicht zuletzt durch die Fremdorientierung an der Therapie zu marginal geworden ist, fuhlen sich deshalb in bezug auf ihre eigene Seelsorgepraxis 'inkompetent' und verunsichert, solange sie nicht eine pastoralpsychologische Zusatzausbil dung absolviert haben. Pfarrerinnen und Pfarrer sind aber keine Therapeutinnen und Therapeuten, sondern Seelsorgerinnen und Seelsorger. Ihre Kompetenzen sind pastoraler, nicht therapeutischer Natur. Sie haben es primär mit Fragen des Glaubens, Fragen über Gott, Tod und ewiges Leben angesichts von Leid und Sterben, Fragen der ethischen Orientierung beim Erwachsenwerden, Fragen christlicher Verantwortung angesichts von neuem Leben oder dem Wechsel einer Lebensform zu tun . Sie begleiten andere Menschen im Horizont christlicher Lebens- und Weltdeutung von der Geburt bis zum Tod. Sie können für andere Menschen beten, sie segnen oder ihnen ein Wort zum Nachdenken geben. Nur auf dem Hintergrund ihres kulturell -semantischen Schwerpunkts' gewinnt die christliche Seelsorge kulturelle und persönliche Relevanz. s A.a.O ., 373. 9 VgL R. Stichweh, Professionen in einer funktional differenzierten GeseI!schaft, in: A. Combe/W. Helsper (Hg.), Pädagogische Professionalität, Frankfurt a. M. 1997,49-69,66" Wos ist Seelsorge? 43 Seelsorge als prod uktiv störende und stärkende Lebensbegleitung Indem Pfarrerinnen und Pfarrer die fundierenden Geschichten des christlichen Glaubens, die christlichen Glaubenssymbole, Deutungsmuster und Rituale zu vermitteln und verständlich zu machen suchen, leisten sie einen unverzichtbaren Beitrag zur Kultur unserer Gesellschaft. Als religiöse Kommunikation dient die Seelsorge der Überlieferung und Vergegenwärtigung von kulturellem Sinn. Sowohl Individuen als auch ganze Gesellschaften sind auf kulturellen Sinn angewiesen . Erst die Auseinandersetzung mit überindividuellen Deutungs- und Verhaltensmustern ermöglicht es Indivi duen, psychische Komplexität aufzubauen . Alle Menschen leben in diesem Sinn aus fundierenden Geschichten, "aus denen sie die Ordnung und Richtung ihres Handeins beziehen"", aus Geschichten , die Erwartungen strukturieren und ein neues Licht auf ihre Gegenwart und Zukunft werfen. Kultureller Sinn aber "zirkuliert und reproduziert sich nicht von selbst. Er muß zirkuliert und inszeniert ".werden."\\ Dazu leistet die Seelsorge als christliche Lebensbe.gleitung einen spezifischen Beitrag. Seelsorge ist eine spezifische Kommunikationsform der christlichen · Kirche. Seelsorge deutet das Leben dabe i nicht nur mit Hilfe "des Gesprächs, sondern mit den vielfältigen und komplexitätsreichen Medien- religiöser Kommunikation: mit Gebeten und Liedern, mit der Poesie der Psalmen und den fundierenden Geschichten des christlichen Glaubens, mit religiösen Gesten und Symbolhandlungen. Christliche Sinnformen wie Gebete, Psalmen, Lieder stellen eine poet·ische, anschauliche und erfahrungsgesättigte Sprache zur Verfugung, die individuelle Erfahrung interpretiert und zugleich über sie hinausgeht: Individuelle Erfahrungen werden mit überindividuellen Sinnzusammenhängen verknüpft. Der eigene Lebenshorizont wird erweitert durch die Erinnerung an die Erfahrungen von Menschen zu anderen Zeiten, aus anderen Kulturen und in anderen Weltgegenden. Viele der überlieferten Gebete, Psalmen und Lieder haben sich über Jahrhunderte bewährt. Durch ihre Gediegenheit und Geformtheit wirken sie als Sprachformen des Glaubens 10 1I Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, 296. Aa.O ., 143. 45 Isolde Korle Was ist Seelsorge? verläßlich und glaubwürdig. Sie vermitteln eine Atmosphäre des , Vertrauens und der Geborgenheit, sie geben der Klage und selbst dem Zorn und der Bitterkeit Raum. Sie stellen das Individuum hin- nikationsschleifen und festgefahrene Teufelskreise in einem sozialen System durch Einfuhrung neuer 'Spie lregeln ' zu unterbrechen und ' zu 'stören ', um dadurch neue Verhaltensweisen oder Einsichten zu p·rovozieren . Die Seelsorge kann von der system ischen Therapie lernen, sich in ihrer Praxis nicht auf das empathische und verständnisvolle Zuhören zu beschränken, sondern gegebenenfalls 44 ein in eine gemeinsam bewohnte Vergangenheit, die Kraft und Hoffnung, Orientierung und Sinn vermittelt. Sie leihen Trauernden oder Kranken eine Sprache in Lebenssituationen, in denen die eigenen Worte kraftlos sind oder gänzlich versagen." , Das Evangelium wirkt als umfassender Verständnishorizont, der das seelsorgerliche Gespräch und die Zuwendung zu den Menschen mit ihren konkreten Erfahrungen, Ängsten und Envartungen prägt. Dabei stellen vor allem religiös-poetische Texte durch ihre Fremdheit und ihre Distanz zur Alltagssprache ein "semant isches Störungspotential,,13 dar. Die christliche Symbolsprache verfremdet und 'stört' die eigene Welt, sie erschließt neue Formen der Selbstund Fremdwahrnehmung. Sie erhellt den im Alltag ausgeblendeten Hinterg,und des Daseins und relativi ert den gegenwärtigen Lebensort durch die Vergegenwärtigung eines anderen Ortes. Fulbert Steffensky formuliert: Ich lerne sehen, indem "m ir etwas Neues und Fremdes gegenübertritt, in ungewohnter Sprache und in noch nicht gelernten Bildern. [ ... ] Die fremde Sprache verhält sich störend zu mir selbst. Sie stört meine geläufigen Selbstwiederholungen in der eigenen Sprache. [ ... ] Die fremde Sprache ist eirte Unterbrechung meiner selbst, und sie ist ein Heilmittel gegen die Selbstprovinzialisierung. Sie enthält störende Geschichten gegen' das, was ich immer schon von der Welt und mir selbst gewußt habe."I' Systemische Therapeutinnen und Therapeuten bedienen sich einer solch störenden Intervention vor allem dann , wenn das Zusammenleben mit anderen, z. B. in einer Familie, schwierig oder unerträglich geworden ist. Sie versuchen, destruktive Kommu12 Vgl. dazu ausflihrlieh: P. Bukowski , Die Bibel in s Gespräch bringen. Erwägungen zu eine r Grundfrage der Seelsorge, Neuki rchcn-Vluyn 31996. 70ff. und: 1. Karlc, Seelsorge in der modemen Gesellschaft . Spezifische Chancen, Ressourcen und Sinnformen der seelsorgerlichen Kommunikation, erscheint in EvTh 59 (1999), Heft 3. \J Vgl. zu diesem Begriff: Gerd Theißen . Zeichensprache des Glaubens. Chancen der Predigt heute, Gütersloh 1994, 20. I~ F. Steffensky, Wo der Glaube wohnen kann, Stuttgart 1989,. 13 0. gez!elt :zu intervenieren und religiöse Deutungsangebote zu ma- chen, .d ie das Selbstverständliche in Frage stellen, neue Wahrnehmungsformen . und Sinnhorizonte eröffnen und ungewohnte Perspektiven der 'eigenen Welt und des eigenen Lebens vermitteln. Bib lische Metaphern, christliche Symbole und Geschichten stören in diesem- Sinn die alltäglichen Wahrnehmungsmuster, Zuordnungen und "Sp iele ohne Ende" (Watzlawick). Sie lassen das eigene Leben'in einem neuen Licht sehen . In dieser Differenz der Perspektiven liegt ihre kreative Kraft. Damit erweist sich nun gerade das Fremdartige und Anachrone der christlich-biblischen Sprachformen als eine spezifische Chance fur die Seelsorge. Durch die Religion gewinnt das menschliche Leben eine Zweidimensionalität oder Zweizeitigkeit. 15 Die anachrone Struktur der Religion ermöglicht es Menschen mithin, in zwei Zeiten zu leben und sich dadurch kritisch vom Absolutismus der Gegenwart zu distan zieren . Doch liegt die Funktion der Seelsorge nicht nur in ihrem Störungspotential. Seelsorge versteht sich als christliche Begleitung des ganzen Lebens_ Sie ist damit nicht nur auf Krisen, Brüche und Probleme fixiert - dies unterscheidet sie ganz prinzipiell von der Therapie . In der Seelsorge geht es nicht nur um Infragestellung und Kritik, sondern auch darum, Menschen zu stärken und zu stabilisieren, sie zu ermutigen und zu stützen. Dies geschieht beim Jubilarbesuch schon allein durch die Zeit, die sich die Pfarrerin für den Hausbesuch, für das aufmerksame Zuhören, für die Würdigung und das sensible Deuten der erzählten Lebensgeschichte nimmt. Der Jubliar fühlt sich dadurch nicht vergessen. Er wird besucht in sei15 Vgl. Assmann , Das kulturelle Gedächtnis, 57, 84, 227 und zum folgenden: 86. Jan Assmann resüm iert: '·Nach wie vor abcr scheint die Herstellung und Vermittlung von Ungleichzeitigkeit das Wesen der Religion auszumachen, mit deren Verblassen in .der westlichen Welt ja auch ein unverkennbarer Trend zur 'Eindimensionalität' verbunden ist." A.a.O., 84. 46 47 Isolde Korle Was ist Seelsorge? ner Einsamkeit ' und taucht wenigstens einmal im Jahr aus der Anonymität der Kirchengemeinde auf. Seine nicht selten reduzierte soziale Identität wird bewußt gewürdigt, gestärkt und erweitert. Ihm wird Achtung und Zuwendung vermittelt und damit zugleich Kraft gegeben, das Alter mit seinen vieWiltigen Einschränkungen . zu akzeptieren. Auch die Kasualienseelsorge ist nicht einseitig aus .der Perspektive der Krise zu interpretieren. Bei Tauf- und Traubesuchen steht zumeist 'die Freude und Dankbarkeit im Vordergrund. Darin gilt es, nicht nur mit den Weinenden zu weinen, sondern sich auch mit den Fröhlichen zu freuen und nicht zwanghaft eine existentielle Gesprächssituatiön - sei es über das Seelenleben oder über den Glauben - herbeizufuhren. 'Am Kranken- und Sterbebett ist die tröstende und stärkende Dimension der Seelsorge völlig ohne funktio nales Äquivalent. Hier wird besonders offensichtlich, was fur die Seelsorge generell gilt: Sie ist primär christliche Lebensbegleitung, nicht Lebensveränderung. Sie wendet sich den Verängstigten und Mutlosen , aber auch den Starken zu und begleitet sie umsichtig und taktvoll im Zeichen der Liebe Gottes . Sie läßt sie auch in der Stunde des Sterbens nicht allein. selbst. " Menschliche Kontakte brauchen, wenn sie sich befriedigerio abwickeln sollen', eine Fülle von sozialen Mechanismen der wechsel seitigen Verständigung, um die beiderseitige Erwartungsbildung zu lenken ." '· Manche dieser Mechanismen sind rollengebunden, andere wiederum beziehen sich auf ganz elementare Verhaltenserwartungen, die nicht nur für die seelsorgerliche Kommul)ikation gelten. Da sie im allgemeinen wenig reflektiert und in aller Regel unterschätzt werden , gilt ihnen abschließend die Aufmerksamkeit. . Seelsorge hat als christliche Lebensbegleitung eine störende und stärkende Dimension. Indem sie die spezifischen Sinnformen und Ressourcen religiöser Kommunikation sensibel 'und differenziert nutzt, vermittelt sie kulturellen Sinn. Sie belebt den christlichen Glauben und trägt damit zugleich zum Aufbau psychischer Komplexität bei. In all dem verm ittelt Seelsorge die evangelische Sachthematik. Gerade dadurch ist sie professionell. Seelsorge als Kommunikation unter Anwesenden Ein wichtiges Verdienst der beratenden Seelsorge war es, auf die Unwahrscheinlichkeit des Gelingens von Kommunikation hinzuweisen und fur die vielfaltigen Gefahren und Mißverständnisse der Kommunikation zu sensibilisieren. Es ist deshalb elementarer Bestandteil professioneller Seelsorge zu reflektieren, welche Gefahren und Chancen die Kommunikation unter Anwesenden mit sich bringt und welche Konsequenzen daraus für das eigene Verhalten zu ziehen sind. Denn Kommunikation versteht sich nicht von Grundlegend ist bei der Kommunikation unter Anwesenden der Tatsache Rechnung zu tragen, daß es bei der persönlichen Kommunikation anders : als beim Briefeschreiben oder beim Telefonieren möglich ist, sich wechselseitig zu beobachten. Durch Wahrnehmung herrschen be i persönlichen Kontakten einzigartige Informationsbedingungen. Dadurch ist die Kommunikation unter Anwesenden mit besonderen Sensibilitäten ausgestattet und zugleich besonders störanfallig. Bei einem Hausbesuch zum Beispiel gewinnt die Pfarrerin innerhalb we niger Sekunden Einblick in die Lebenswelt eines Gemeindeglieds . Eine Fülle von Informationen strömt auf sie ein, die durch die explizite Kommunikation in einem therapeutischen Kontext niemals eingeholt werden könnte. In kürzester Zeit gewinnt die aufmerksame Pfarrerin einen verhältnismäßig präzisen Eindruck vom Leben eines Gemeindeglieds, von seinen Le.bensgewohnheiten, dem familiären Setting und Kommunikationsstil, von den Hobbys, die sich aus den wahrnehmbaren Gegenständen ableiten lassen . Die Pfarrerin hat auf diese Weise eine Fülle von Anknüpfungsmöglichkeiten, die den Beginn des Gesprächs erleichtern können und zugleich für Vertrautheit in der Kommunikation sorgen und damit Unsicherheit absorbieren. Diese Fülle an Informationen durch Wahrnehmung erklärt zugleich, warum manche G~!l1eindeglieder den Pfarrer nicht gern ins Haus lassen bzw. welch großes Vertrauen sie der Pfarrerin entgegenbringen , wenn sie dies tun. \6 N. Luhmann. Funktionen und Folgen fo rmaler Organi sation. Berlin 1972, 333f. Au ch die folgenden Au sftihrun gen zu den Wahrnehmungsprozessen der Inter- aktion nehmen kommunikati onstheorct is chc Überlegungen Niklas Luhmann s auf. Vgl. exemplarisch: N . Luhmann, Die Gesell schaft de r Gesellschaft. 2 Bände, Frank- , furt a. M. 1997, 812ff. 48 49 Isolde Korle Was ist Seelsorge? Auch parallel zum Seelsorgegespräch laufen ständig Wahrnehmungsprozesse ab. So bemerkt die· Jubilarin, wenn die Pfarrerin ihr gar nicht recht zuhört, während sie von ihren Kindern erzählt, sondern hektisch auf die Uhr schaut, aus dem Fenster blickt oder sich nervös die Hände reibt. Nicht nur jedes Wort des Pfarrers, auch seine Gesten, seine Kleidung, seine ungeputzten Schuhe, sein Auftreten, sein Körpergeruch - all dies hat oft entscheidenden Informationswert und wirkt sich er- oder entmutigend fur den Fortgang des Gespräches aus. Bei der Kommunikation unter Anwesenden sind das äußere Erscheinungsbild, Gestik und Mimik mithin von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Aus der system ischen Therapie ist schließlich zu lernen, daß jede . Beobachtung das Gesehene miterzeugt, daß deshalb jede Aussage über das Gesehene immer auch eine Aussage über die eigene PersOfl, ihre Begrenzungen, Strukturen und Verhaltensweisen ist. Die Seelsorgerin ist deshalb genötigt, äußerst vorsichtig bei der Unterstellung von Motivlagen zu sein . Keine und keiner kann in das Herz eines anderen Menschen sehen . Das bedeutet zugleich, daß der Gesprächspartner letztlich intransparent bleibt und die Seelsorgerin sich immer nur an die Kommunikation selbst halten kann. Das Unbewußte bzw. Intransparente ist und bleibt nicht beobachtbar, auch nicht durch gezie ltes Danebenverstehen. Es gibt keine direkte Einsichtnahme in das Seelenleben eines anderen Menschen . Dabei s ind nicht nur im Hinblick auf die Fremderkenntnis Grenzen gesetzt, auch von uns selbst haben wir nur ein sehr unscharfes Bild, selbst wenn wir davon überzeugt sind, uns gut zu kennen. Denn Individuen sind als komplexe Systeme oftmals " alles· andere denn hellsichtig im Umgang mit sich selbst"l'. Sie können sich selbst nicht durchschauen , sie sind sich selbst in entscheidender Hinsicht intransparent. Diese systemtheoretische Skepsis im Hinb lick auf die Möglichkeiten der Selbsterkenntnis nötigt zu Vorsicht und Bescheidenheit, auch und vor allem in der seelsorgerlichen Kommunikation . Die Kommunikation unter Anwesenden basiert auf gegenseitiger Anerkennung und Wertschätzung. Jeder und jede ist darauf angewiesen, daß der oder die andere s ich so verhält, daß das eigene Image und Selbstbild gewahrt oder gefördert wird." Viele elementare Verhaltensweisen , Achtungserweise und Höfl ichkeiten wie Begrüßungs- und Verabschiedungsformen dienen dazu, das Selbstbild des oder der anderen zu unterstützen. Erst auf dieser Grundlage ist es möglich, mit Gefuhlen des Vertrauens und der Sicherheit zu reagieren und sich auf ein Gespräch ohne Angst einzulassen. Takt, Güte und soziale Geschicklichkeit sind deshalb grundlegend für die seelsorgerliehe Kommunikation. Taktvoll ist, wer aufmerksam und interessiert an der Selbstdarstellung anderer Menschen mitwirkt, wer Ausdrucksfehler übersieht und Störungen zu vermei den oder zu ignorieren sucht. Taktvolles Verhalten hilft über spannungsvolle Momente ·in der Kommunikation hinweg und versucht, dem anderen Ver legenheit und Verwirrung zu ersparen. Formen der Ehrerbietung und des Taktes stellen mithin eine wichtige Erleichterung interaktiver und riskanter Kommunikation dar. Sie erweitern den Kommunikationsspielraum beträchtlich. Sie signalisieren dem Gegenüber, daß man bereit ist, an seinem Selbstbild konstruktiv mitzuarbeiten, und sind insofern keineswegs so inhaltsleer, wie sie oberflächlich betrachtet ersche inen mögen . Seelsorge ist keine Therapie. Das gilt auch für die Gesprächsführungsregeln. Es ist für eine kompetente seelsorgerliehe Gesprächsführung nicht erforderlich, eine pastoralpsychologische Zusatzausbildung zu absolvieren. Es genügt und ist anspruchsvoll genug, die grundlegenden Mechanismen der Kommunikation unter Anwesenden, der Höflichkeit und des Taktes zu kennen und zu beherrschen, die eigene Wahrnehmung zu schulen und zu differenzieren und sich sensibel und mit sozial er Geschicklichkeit auf dem riskanten Terrain der Kommunikation zu bewegen. Professionelle Seelsorge Die beiden wesentlichen Bezugsgrößen einer Profession, die Kommunikation unter Anwesenden mit ihren besonderen Anforderungen 17 Vgl. dazu und zum folgenden ausfUhrlieh: E. Gaffmann, Interaktionsrituale. Über Verhalten in direkter Kommunikation. Frankfurt a. M. J996, 1Off.. 54ff. u.106ff. IS P. Fuchs, Blindheit und Sicht. Vo rüberlegungen zu einer Schemarevision, in : P. FuchsIN. Luhmann, Reden und Schweigen, Frankfurt a. M. 1992, 178-208, 206. 50 Isolde Karle an die kommunikative Kompetenz des Seelsorgers und die Vermilliung der Sachthemaiik mit -ihre·n besonderen Anforderungen an die pastorale und theologische· Kompetenz der Seelsorgerin sind für die professionelle Seels.orgepraxis bestimmend. An Seelsorgerinnen und Seelsorger werden andere Erwartungen gerichtet als an Therapeutinnen und Therapeuten. Seelsorgerinnen und Seelsorger sollten deshalb prinzipiell als geistliche Personen ansprechbar und erkennbar sein - ebenso wie die Ärztin auf Fragen der Krankheit ansprechbarist. Gemeindeglieder sollten sicher erwarten können, daß sie mit ihrem Seelsorger oder ihrer Seelsorgerin über ihre Ängste und Identitätsprobleme, über das Altwerden und Sterben, über die Frage nach Gott und der ethischen Orientierung im Leben reden und sich dabei auf ihre Verschwiegenheit verlassen können . Eine interaktiv sensible Seelsorge wird sich als taktvolle Kommunikation niemals aufdrängen und weiß das vertrauenstabilisierende Gespräch zwischen Tür und Angel zu würdigen . Sie zeigt sich kooperativ in bezug auf das Selbstbild anderer Menschen und schützt das ihr entgegengebrachte Vertrauen. Nur wenn Seelsorge im Kontext eines religiös geprägten Erwartungszusammenhangs ihre spezifischen Ressourcen und Sinnformen sensibel und taktvoll, umsichtig und differenziert zu nutzen weiß, wird sie den individualisierten Menschen in der modernen Gesellschaft Trost und Orientierung vermitteln und stärkende und produktiv störende Lebensbegleitung sein können. In dieser Konzentration und Selbstbegrenzung liegt ihre kreative Kraft.
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