So_TOU_1 27 REISEN Sonntag | Nr. 52 | 28. Dezember 2008 Seite 27 BILD: CL EIN TAG IN HAARLEM Übersichtlich und kaum Touristen. Noch besser als Amsterdam 9 UHR: DER SÜSSE DUFT DER WAFFELN Samstagmorgen, auf dem Groten Markt vor dem Hotel Amadeus herrscht Hochbetrieb: Heute ist Markt. Betörend ist der Duft der frisch gemachten «Stroopwapels»: dünnen Waffeln, gefüllt mit Karamell. Süss und lecker. Ideal nach dem Frühstückskaffee im Hotel. www.amadeus-hotel.com Einst Schutzwall, heute beliebtes Touristenziel: Die Berliner Mauer. BILD: HO 10 UHR: SHOPPING IN KLEIN-AMSTERDAM Was von der Mauer übrig blieb Im November 1989 fiel die Berliner Mauer und vereinte Ost und West. Das wird nun, zwanzig Jahre später, hüben wie drüben im grossen Stil gefeiert. Ein Augenschein vor Ort VON ANGELA ALLEMANN Sie konnte gar nicht schnell genug zerstört werden, die 168 Kilometer lange Mauer, die von August 1961 bis November 1989 die westlichen Sektoren der Stadt von Ostberlin und der DDR trennte. Bereits am 13. Juni 1990 hatte in der Bernauer Strasse der offizielle Abriss begonnen, der am 30. November endete. Übrig blieben sechs Abschnitte, die als Mahnmal erhalten werden sollten. Der Rest des damals schwer bewachten Grenzsystems aus doppelten Mauern, Stacheldraht, Sperrgebiet und Todesstreifen verschwand bis Ende 1991. BEMALTE MAUERSEGMENTE mit künstlerisch wertvollen Motiven wurden in Auktionen in Berlin und Monte Carlo versteigert, sie befinden sich heute in aller Welt. «Mauerspechte», wie sie genannt wurden, taten ein Übriges und schnappten sich ein grösseres oder kleineres Stück als Andenken. «Es ist grotesk, heute müssen die Mauerreste mit Stacheldraht geschützt werden», sagt der Kunsthistoriker Martin von Ostrowski, als wir am Potsdamer Platz mitten im brodelnden Verkehr stehen – mit Blick auf eine wieder aufgebaute Ampel aus dem Jahr 1924. Doppelreihige Pflastersteine und schlichte Metalltafeln und -bänder auf dem Trottoir weisen auf den ehemaligen Eisernen Vorhang hin, den «antifaschistischen Schutzwall», wie er im DDR-Jargon hiess, wo 100 Menschen ihr Leben liessen beim Versuch, in den Westen zu flüchten. Die grossformatigen Informationsplakate und bunt bemalten Mauerreste am Potsdamer Platz sind gut besucht. «Wir haben ja gar keine Ahnung», meint die 22-jährige Studentin Susanne betroffen. DER EHEMALIGE GRENZÜBERGANG für Ausländer, Checkpoint Charly, wo sich US- und Sowjetpanzer gegenüberstanden, ist wohl die symbolträchtigste Gedenkstätte mitten in Berlin. Eine riesige Tafel mit je einem Porträt eines sowjetischen und eines US-amerikanischen Grenzsoldaten erinnert an die Vergangenheit. Händler mit russischen Pelz- mützen stehen herum und verramschen östliche Memorabilien. Sie sind nicht mehr im Trend, das Geschäft läuft schlecht. Zur Geschichte der Mauer und zum internationalen Kampf für Menschenrechte informiert das vollgestopfte Mauermuseum am Checkpoint. «Der Mauerfall bedeutet für uns Berliner Aufbruch zu Neuem», erklärt Ostrowski, während wir in Richtung Brandenburger Tor laufen, direkt an der Grenze gelegen, einst Symbol der Teilung, heute Zeichen der Wiedervereinigung von Deutschland und Europa. schönem Wetter den Aussichtsturm. Die East Side Gallery, mehr als einen Kilometer lang zwischen Ostbahnhof und Oberbaumbrücke in Friedrichshain, ist hingegen das längste Stück bemalter Hinterlandmauer, die eigentliche Grenze verlief entlang der Spree. 118 Künstler aus 21 Ländern stellten in über hundert Gemälden die Situation nach dem Mauerfall dar. Rund um die Stadt führt die Geschichtsmeile Berliner Mauer, die man per Velo, zu Fuss oder auch als Bustour Stück für Stück erkunden kann. Neue, moderne Gebäude säumen den Weg. «Allein über 400 Galerien in Mitte liessen Berlin zur Kunsthauptstadt der Welt werden», weiss Ostrowski. Internationale Künstler machen Berlin seitdem zu ihrem Domizil. An der Bernauer Strasse im unspektakulären Arbeiterviertel am Wedding ist das längste Stück Mauer erhalten, 1,5 Kilometer lang, grau, trist, mit allen Grausamkeiten der gesamten Sperranlagen versehen. Mehr als 2000 Interessierte besuchen täglich das informative Dokumentationszentrum und erklettern bei VON DER 168 KILOMETER langen Grenze Am 9. November 1989 feierten Tausende den Berliner Mauerfall. Reiseinformationen – 20 Jahre Mauerfall Anreise: Die Lufthansa fliegt mehrmals täglich von Zürich nach Berlin, www.lufthansa.com Hotel: Im Schloss Cecilienhof in Potsdam kann man auch übernachten (www.relexa-hotels.de), DZ ab 80 Euro pro Person. Sehr feine Küche im historischen Restaurant. Zum Jubiläum: Eine grosse Anzahl Museen, Sehenswürdigkeiten und Gedenkstätten sind im Jubiläumsjahr zu besichtigen, zahlreiche Veranstaltungen sind geplant. Vom 7. Mai bis zum 9. November findet etwa eine Open-Air-Ausstellung auf dem Alexanderplatz statt. Am 9. November, dem Tag des Mauerfalls, wird das historische Ereignis symbolisch am Brandenburger Tor inszeniert, Konzerte und ein Strassenfest bilden das Rahmenprogramm. Am 10. November findet ein Volksfest auf der Glienicker Brücke statt. www.mauerfall09.de DDR-Alltagskultur: Im DDR-Museum Berlin direkt an der Spree ist der Alltag einer Diktatur interaktiv und lebendig nachzuvollziehen, KarlLiebknecht-Strasse 1, www.ddr-museum.de Ein Ausflug nach Eisenhüttenstadt, in die erste sozialistische Planstadt, lohnt sich schon allein wegen der Architektur. Das Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR zeigt eine grosse Sammlung damaliger Objekte im DDR-typischen Design. Erich-Weinert-Allee 3, www.alltagskultur-ddr.de Weitere Infos: www.visitBerlin.de, www.potsdamtourismus.de, www.reiseland-brandenburg.de, www.deutschland-tourismus.ch BILD: REUTERS Berlin steht 2009 ganz im Zeichen des Mauerfalls. Zahlreiche Museen und Events locken zum Jubiläum, mit Einblicken in alte DDR-Zeiten. um Westberlin lagen 45 direkt in Ostberlin, die restlichen im ostdeutschen Potsdam, wo ein wichtiges Kapitel deutsch-deutscher Geschichte geschrieben wurde: Im Schloss Cecilienhof, von Kaiser Wilhelm II. für seinen Sohn Kronprinz Wilhelm und dessen Gemahlin Cecilie im englischen Landhausstil errichtet, wurde anlässlich der Potsdamer Konferenz von 1945 die Teilung Deutschlands in vier Besatzungszonen beschlossen. Die Gästeführerin Regina Ebert klappert mit dem grossen Schlüssel, zeigt den dunkelrot möblierten Tagungsraum und die stilvollen persönlichen Wohnräume des Kronprinzenpaares. Sie weiss Geschichten zu erzählen über den damaligen Verlauf der Mauer rund um Potsdam, wo sie die Gärten am Heiligen See durchschnitt, wo Stacheldraht direkt vor den Augen der Brauereibesucher hing, wo Schiffe umkehren mussten, weil mitten in der Havel eine Boje mit der Aufschrift «Zonengrenze» schaukelte und wo die letzten Mauerreste in der Langhansstrasse stehen. «Potsdam besteht aus Villen und Kasernen», sagt sie über das heutige Unesco-Weltkulturerbe, während wir am einstigen KGB-Hauptsitz, jetzt wieder eine prächtige Villa, entlangfahren. Ein Gesamtkunstwerk und auch ein bisschen Disneyland mit seinen vielen Stilarten, mit Altem neben Neuem, pastellfarbenen Plattenbauten neben Schlössern, dem pittoresken Holländerviertel, den vielen Parks und Seen. Wir laufen über die Glienicker Brücke, wo zu DDR-Zeiten Spione ausgetauscht wurden, von Potsdam nach Berlin, einfach so, ungehindert. Von der Teilung ist nur noch der unterschiedliche Grünanstrich geblieben, heller im Osten, dunkler im Westen. Grachten, Windmühlen, Hausboote und Tausende Fahrradfahrer, die einem rechts und links um die Ohren flitzen: Haarlem ist ein bisschen wie Amsterdam – bloss besser. Es hat kaum Touristen, ist kleiner, übersichtlicher und man findet hier alles, was das ShoppingHerz begehrt. Nicht umsonst wurde die Stadt von den Holländern selbst zur besten Einkaufsstadt des Landes erkoren. Im «Kunstboer» unweit des Botermarkts hats Kitsch, so weit das Auge reicht. www.dekunstboer.nl 14.30 UHR: AB AN DEN STRAND Elegantes Eisenfachwerk, schmucke Wartsäle aus Holz, schwungvoll beschriftete Schilder – am Haarlemer Bahnhof sieht es aus wie einst in der Belle Epoque. Von hier aus gehts mit dem Zug ab ans Meer nach Zandvoort. An den Strand im Winter? Ja, schön ist es da zu jeder Jahreszeit. Der frische Atlantikwind bläst einem ins Gesicht, die Wellen rauschen. Autofreaks und Hobbyrennfahrer können in den Dünen die Piste besuchen, wo einst Formel-1-Piloten ihre Runden drehten. www.zandvoort.nl 21 UHR: HOLLÄNDISCHES DINER Auch typisches holländisches Essen kann gut sein: im «Eetcafé» bei Jacobus Pieck. Mit etwas Fantasie hat man schnell entziffert, was die Gerichte bedeuten. Ich lasse mich vom «Dagschotel», dem täglich wechselnden Menü, überraschen. Gut so, das Beefsteak mit Kartoffeln schmeckt ausgezeichnet (www.jacobuspieck.nl). Auf dem Weg zurück ins Hotel ein letztes Bier im Café Studio. Kerzen auf den dunklen Holztischen, viel lautes Gequatsche, viel Gelächter und schon nach fünf Minuten fragen uns ein paar Holländer, woher wir kommen. www.cafestudio.nl CLAUDIA LANGENEGGER Inserat
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