Damit ausländische Ärzte langfristig bleiben

Personal & Führung
Personalrekrutierung
Damit ausländische Ärzte
langfristig bleiben
Für viele Kliniken in Deutschland hat der Bewerbermangel im ärztlichen Dienst ein bedrohliches Ausmaß erreicht.
Die gezielte Anwerbung von Medizinern aus dem Ausland ist ohne ein funktionierendes Integrationskonzept aber
oft zum Scheitern verurteilt.
Nach Schätzungen der Bundesärztekammer waren Ende 2012 bundesweit mehr
als 6.000 Arztstellen nicht besetzt. Hochrechnungen für die Jahre 2020 und 2030
zeichnen ein noch düstereres Bild von
33.000 bzw. 76.000 unbesetzten Arztvollzeitstellen. Viele deutsche Krankenhäuser
müssen ihre unbesetzten Arztstellen zunehmend mit Bewerbern aus dem europäischen und nicht-europäischem Ausland
füllen. Nach Mitteilung der Bundesärztekammer waren im Jahr 2012 etwas mehr
als 28.000 Ärzte aus dem Ausland in
Deutschland tätig.
Einrichtungen, die sich zur gezielten
Anwerbung ausländischer Mediziner entschließen, sollten in einem zweiten Schritt
aber auch darum bemüht sein, Ärzte aus
dem Ausland dauerhaft an das eigene Haus
bzw. den Träger zu binden.
Anwerbungs- und
Rekrutierungsaktivitäten
Der Ärztemangel zwingt Krankenhäuser, ihren Nachwuchs auch im Ausland zu suchen. Doch ohne
funktionierendes Integrationskonzept können diese nicht lange an ein Haus gebunden werden.
Im Rahmen der Aktivitäten zur Rekrutierung ausländischer Mediziner kommen
klassische und moderne Verfahren der
Personalwerbung zum Einsatz. Klassische
Personalwerbungsverfahren erfordern in
der Regel eine physische Präsenz. Demgegenüber stehen internetbasierte Verfahren, die häufig mit dem Einsatz sozialer
Netzwerke einhergehen. Private Arbeitsvermittler, die Zentrale Auslands- und
Fachvermittlung der Bundesagentur für
Arbeit sowie einzelne Kliniken und Klinikträger wenden verschiedene Verfahren
an, die letztlich den Schwerpunkt auf die
Personalgewinnung legen, die Auswahlkriterien, sprich die Eignung des Bewerbers für die zu besetzende Stelle aber vernachlässigen. Genau hierin liegt aber ein
HCM 6. Jg. Ausgabe 3/2015
Foto: michaeljung Fotolia.com)
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entscheidendes Problem. Passen Bewerber und Arbeitgeber
nicht zusammen, sind Enttäuschungen für beide Seiten vorprogrammiert. Jede Klinik, die Mediziner aus dem Ausland einstellen
will, sollte deshalb ihr Stellenangebot mit der Möglichkeit zu einer mehrtägigen oder mehrwöchigen Hospitation verknüpfen.
Auf diese Weise ist ein Kennenlernen unter realen Arbeitsbedingungen im klinischen Alltag möglich.
Fachliche Anforderungen
Die wesentlichen fachlichen Bedingungen, die zur Ausübung des
ärztlichen Berufs in Deutschland berechtigen, sind in der Bundesärzteordnung zusammengefasst. Prinzipiell werden im Aus-
„Ein erfolgreicher Studienabschluss in
Medizin alleine berechtigt noch nicht
zur Ausübung des ärztlichen Berufes.“
Dr. med. Dr. phil. Rolf Glazinski
land erworbene Studienabschlüsse in Deutschland anerkannt.
Ein erfolgreicher Studienabschluss in Medizin alleine berechtigt
aber noch nicht zur Ausübung des ärztlichen Berufes. Um ohne
Einschränkungen ärztlich tätig werden zu können, müssen sämtliche Absolventen eines Medizinstudiums die Approbation als
Arzt beantragen. Diese Regelung gilt unabhängig davon, ob das
Medizinstudium im Inland oder Ausland absolviert worden ist.
Entscheidend für ausländische Mediziner ist, ob der im Ausland
erworbene Abschluss einem in Deutschland erworbenen Abschluss des Medizinstudiums gleichwertig ist. Abschlüsse aus
einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union, des europäischen
Wirtschaftsraumes und der Schweiz werden ohne weitere Prüfung als gleichwertig anerkannt. Abschlüsse aus sogenannten
Drittstaaten werden anerkannt, wenn die zuständigen Behörden
„Bisher genügte als sprachlicher
Kompetenznachweis ein
B2-Zertifikat.“
Dr. med. Dr. phil. Rolf Glazinski
die Gleichwertigkeit des Studiengangs festgestellt haben. Bei
wesentlichen Abweichungen müssen dem deutschen Studienabschluss vergleichbare Kenntnisse in einer Gleichwertigkeitsprüfung nachgewiesen werden.
Sprachliche Anforderungen
Gemäß Bundesärzteordnung müssen Ärzte aus dem Ausland,
die eine deutsche Approbation erhalten wollen, hinreichende
Kompetenzen in der Beherrschung der deutschen Sprache nachweisen. Bisher genügte als sprachlicher Kompetenznachweis ein
B2-Zertifikat. Nun mehren sich aber diejenigen Stimmen, die
darauf hinweisen, dass ein B2-Zertifikat keineswegs hinreichenHCM 6. Jg. Ausgabe 3/2015
-KOLUMNE
Die Generation Y
Im Rahmen von Employer Branding-Konzepten beschäftigen
sich die Unternehmen verschiedener Branchen zunehmend mit
der Generation Y. Welche Merkmale des Arbeitgebers sind für
diese Generationen besonders attraktiv? Viele Studien und Publikationen beschreiben und bewerten die Generation Y mit
ihren Vorstellungen bezüglich Führungsverhalten sowie Anforderungen an Arbeitgeber und verweisen auf die veränderten
Anforderungen dieser Generation bezüglich ihrer Arbeitsumwelt und ihren Arbeitsbedingungen. Wissenschaftlich auffällig
ist, dass es zwar Studien zur Arbeitgeberattraktivität gibt, jedoch bisher keine generationenübergreifende Studien, außer
im medizinischen Bereich (Studie BDC: Pippi Langstrumpf im
OP). Diskussionen über die verschiedenen Generationen sind
nicht neu. Bereits in den 90er Jahren, als erstmals die Generation X Einzug in die Literatur gefunden hatte, gab es sehr zutreffend fast die gleichen Fragen, wie heute zum Generationenwechsel. So schreibt Douglas Coupland, Autor der Generation X, anlässlich seines 50. Geburtstages: „There was a lot of
absurd stuff that went on during that decade. I think most
everyone remembers the endless articles on Generation X as
an idea... what is it? Who are they? Does Generation X even
exist? If so, how can we make money from it? Are they boomers
or are they different? Do this require a different management
style? And on and on.“ (Financial Times, 30./31. März 2013)
Die BDC Studie, an der sich 2.600 Ärzte aller Generationen beteiligt haben, zeigt deutlich, dass es einen unterschiedlichen Stellenwert von Entgelt und Work-Life-Balance gibt. Für
jüngere Mitarbeiter ist es wichtig, dass es eine strukturierte
Weiterbildung gibt. Alle Generationen erwarten ein gutes Führungs- und Arbeitsklima. Die Arbeitsplatzsicherheit ist ebenfalls
allen wichtig. Interessant ist, dass die Unternehmen, die international aufgestellt sind, bereits adäquate Arbeitsbedingungen, wie z.B. Arbeitszeitflexibilisierung, Betriebskindergärten,
ambulante Tagespflegeeinrichtungen und die Beteiligung an
Corporate-Social-Responsibility-Konzepten aufweisen. Eine
zielgerichtete Führungskultur ist erforderlich, um Mitarbeiter
erfolgreich zu führen und somit ein wichtiger Bestandteil in
einer umfassenden Unternehmenskultur.
Das Personalmanagement steht vor neuen Herausforderungen. Der HR-Bereich muss seine Unterstützungs- und
Dienstleistungsfunktion weiter ausbauen. Leistungsorientierte Vergütung, Ausbau familienorientierter Konzepte, Weiterentwicklung in der Qualifizierung im Bereich der Management-,
Methoden- und Sozialkompetenzen sind nur einige Handlungsfelder. Das Arbeitsklima ist künftig mitentscheidend, um
alle Mitarbeiter aller Generationen zu binden.
Prof. Dr. Margit Geiger, Professorin für
Betriebswirtschaftslehre und Personalmanagement
an der Fachhochschule Bochum, und InPak-Miglied
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KOLUMNE
Wertschätzung macht
den Unterschied
Die Arbeit in der Pflege, insbesondere in der Altenpflege, ist
weitestgehend standardisiert. Die Einhaltung der Standards
wird von den Qualitätsmanagementbeauftragten, dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen und der Heimaufsicht
penibel überwacht. Aus dieser Tatsache zu schließen, dass in
allen Pflegeeinrichtungen die Bewohner gleich gut betreut
werden, wäre aber nicht korrekt. Die Einhaltung der Pflegestandards ist die Pflicht. Die Kür macht den Unterschied, sie
bestimmt nicht unerheblich das Profil, den Ruf – auf neudeutsch
das Image – der Einrichtung am Markt.
Der Umgang der Führungs-, Pflege- und Servicekräfte
mit den Bewohnern, das Akzeptieren ihrer Individualität, ihrer
Persönlichkeit und die Wertschätzung ihnen gegenüber, macht
den Unterschied. Sie entscheidet nicht zuletzt, ob eine Einrichtung unzufriedene oder zufriedene Bewohner bzw. Patienten
hat, ob sie gut belegt und wirtschaftlich erfolgreich ist, ob sie
als Arbeitgeber gute Zukunftsperspektiven hat.
Wertschätzung – so erleben wir es in vielen Einrichtungen in Mitarbeitergesprächen und Führungsworkshops – kann
nur derjenige täglich weitergeben, ohne auszubrennen, der
auch selbst Wertschätzung erfährt. Wertschätzung durch die
Leitungskräfte, die Kollegen, die Bewohner bzw. Patienten
und deren Angehörige, aber auch durch die Gesellschaft. Der
Führungsstil der Leitungskräfte, ihr Vorbild, der Umgang der
Kollegen miteinander im Team, aber auch teamübergreifend
bestimmen den „Ton des Hauses“, der sich auch im Betriebsklima niederschlägt.
Die faire gegenseitige Berücksichtigung von persönlichen Bedürfnissen der Mitarbeiter, die sich auch in akzeptierten Dienstplänen durch die Führungskräfte widerspiegelt, ist
ein Indikator für die gegenseitige Wertschätzung. Ein Dienstplan, der den Krankenstand nicht erhöht und die Belastungen
der Mitarbeiter fair verteilt, ist ein Kunstwerk. Führungskräfte
verbessern so auch den Ruf ihrer Einrichtung, nicht zuletzt unter den potenziellen Mitarbeitern. Regelmäßige Mitarbeitergespräche, verbunden mit einem Feedback, sind ein wichtiges
Instrument damit auch die „stillen Mitarbeiter“ eine Rückmeldung erhalten und sich nicht immer alles um die lauten Mitarbeiter und „Problemfälle“ dreht.
„Der Ton macht die Musik“, sagt der Volksmund. Dieser
Ton, der den kleinen Unterschied ausmacht, spüren auch die
Angehörigen und kommunizieren ihn – nicht zuletzt gegenüber Dritten.
Eckhard Eyer, Unternehmensberater
de Sprachkompetenzen im Hinblick auf die geplante ärztliche
Tätigkeit in Deutschland garantiere. Auch Ärzte mit abgelegter
B2- oder C1-Prüfung seien oft nicht in der Lage, ein Anamnesegespräch mit einem Patienten zu führen. Der Nachweis eines
C1-Zertifikates wird bisher zwar nur in einzelnen Bundesländern, z.B. in Hessen, zwingend verlangt, die Bundesärztekammer
fordert jetzt aber die Ablegung einer zweiten fachspezifischen
Sprachprüfung, die als „telc Deutsch B2-C1 Medizin“ bezeichnet
wird und fachspezifische mündliche und schriftliche Sprachkompetenzen umfasst. Die Abkürzung TELC steht für „The European
„Den Ausbau der Sprach- und Fach-
kenntnisse gilt es nicht nur sporadisch,
sondern kontinuierlich zu fördern.“
Dr. med. Dr. phil. Rolf Glazinski
Language Certificates“, einem Unternehmen, das europaweit in
insgesamt sieben Sprachen standardisierte Sprachtests durchführt.
So werden ausländische Mediziner richtig
integriert
Doch auch nach Erhalt einer deutschen Approbation und Antritt
einer Stelle in einem deutschen Krankenhaus bleibt der weitere
Weg für viele ausländische Mediziner oft dornig. Die Aufnahme
einer ärztlichen Tätigkeit in Deutschland markiert in der Regel
nämlich nicht das Ende, sondern den Beginn eines längeren Integrationsprozesses, in dessen Verlauf sprachliche, fachliche und
kulturelle Hürden überwunden werden müssen, um letztlich
auch in der deutschen Gesellschaft anzukommen. Ein Scheitern
in nur einem der drei genannten Bereiche gefährdet häufig bereits den gesamten Integrationsprozess. Um das zu verhindern,
müssen Kliniken und Klinikträger deshalb entscheidende Schritte auf dem Weg zu einer integrationsfördernden Unternehmenskultur einleiten. Hierzu gehören neben den schon erwähnten
Hospitationsmöglichkeiten auch begleitende Sprachkurse und
auf die Bedürfnisse ausländischer Mediziner ausgerichtete praxisrelevante Fortbildungen. Ein Mentorenprogramm mit gemeinsamen Aktivitäten auch außerhalb der Klinik sollte ein Maß-
Buchtipp
Dr. med. Dr. phil. Rolf Glazinski (2014)
“Anwerbung und Integration
ausländischer Ärzte – Strategien zur
Rekrutierung und Einbindung ausländischer Mediziner in das deutsche
Gesundheitssystem“
bei Books on Demand Norderstedt.
(Perspektive Eyer Consulting)
HCM 6. Jg. Ausgabe 3/2015
Foto: Books on Demand Norderstedt
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nahmenpaket abrunden, das die Härten
des Integrationsprozesses deutlich und
nachhaltig abzumildern hilft.
Herausforderungen für das
Personalmanagement
Das Krankenhaus der Zukunft wird in Anbetracht der oben beschriebenen Situation auf dem ärztlichen Arbeitsmarkt auf
absehbare Zeit auf Ärzte aus dem Ausland
angewiesen sein. Das Personalmanagement einer Klinik muss deshalb Anwerbung und Integration einwanderungswilliger Ärzte nicht nur als zwei Seiten einer
Medaille, sondern insbesondere als strategische Aufgaben begreifen, die das
Überleben der jeweiligen Einrichtung erst
sichern. Im Hinblick auf die Anwerbung
werden idealerweise klassische und moderne Methoden der Personalwerbung
kombiniert. Hinsichtlich der Integration
in den klinischen Alltag sollten nach interner Abstimmung zwischen Personalabtei-
HCM 6. Jg. Ausgabe 3/2015
BeitragsSerie
Internationale Fachkräfte
•Fuhrhop T. (2014) Internationale Fachkräfte, Teil 1:
Wir brauchen sie! HCM, 11 (5), 30–31.
•Fuhrhop T. (2014) Internationale Fachkräfte, Teil 2:
Wissenswertes über das Anerkennungsverfahren. HCM, 12 (5), 24–25.
•Fuhrhop T. (2015) Internationale Fachkräfte, Teil 3:
Eine Willkommenskultur gestalten. HCM, 1-2 (6), 26–27.
lung und ärztlicher Leitung ein Integrationsbeauftragter aus dem ärztlichen
Dienst benannt, ein Mentorenprogramm
aufgelegt und ein strukturierter Einarbeitungsplan entwickelt werden. Den Ausbau der Sprach- und Fachkenntnisse gilt
es nicht nur sporadisch, sondern kontinuierlich zu fördern. Anwerbung und Integration ausländischer Ärzte können nur
dann erfolgreich verlaufen, wenn alle ge-
nannten Aspekte berücksichtigt und systematisch miteinander verknüpft werden.
Dr. med. Dr. phil.
Rolf Glazinski
MHBA, leitender Oberarzt, Medical Park Bad Camberg,
Fachklinik für Neurologie,
Kontakt: [email protected]
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