Seite 1 von 5 FDP-Landtagsfraktion NRW Düsseldorf, 5. Februar 2015 Fiskalische Auswirkungen eines schrittweise auslaufenden Solidaritätszuschlags Gutachten des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) Solidaritätszuschlag abschaffen – schrittweise und gerecht I. Mehr Respekt vor der individuellen Arbeitsleistung der Bürgerinnen und Bürger – für einen steuerlichen Entlastungs-Impuls Deutschland verfügt über so viel Steuereinnahmen wie noch nie. Bund und Länder weisen Rekord-Steuereinnahmen aus. Auch in den kommenden Jahren sprudeln die Steuerquellen weiter. Freie Demokraten wollen einen handlungsfähigen Staat, der seine Aufgaben erfüllen und ohne zusätzliche Schulden finanzieren kann. Die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte zeigen aber: Die Bürgerinnen und Bürger werden von einer hohen und weiter steigenden steuerlichen Belastung erdrückt. Politikerinnen und Politikern der sozialdemokratisierten Parteien von den Linken bis hin zur CDU gehen die Ideen nicht aus, wofür der Staat zusätzlich Geld ausgeben soll. Freie Demokraten arbeiten für einen bescheidenen Staat, der seine Aufgaben effizient erfüllt und die Geldbörsen seiner Bürgerinnen und Bürger schont. Fakt ist, dass die Gesamtbelastung der Bürgerinnen und Bürger mit Steuern und Abgaben seit Jahrzehnten steigt und dass die Deutschen im internationalen Vergleich mehr als die meisten anderen Menschen in der OECD an den Staat abgeben müssen. Das Institut des Bunds der Steuerzahler hat dargelegt, dass verschiedene Einkommensgruppen und Haushaltstypen über 60 Prozent ihres Einkommens an Steuern sowie direkten und indirekten Abgaben aufbringen müssen.1 Im letzten Jahr ist die Steuerbelastungsquote weiter gestiegen. Das spiegelt die Entwicklung der vergangenen Jahre wider: Die Steuerquote steigt von 38,3 (2004) auf 39,2 Prozent (2014), die Abgabenquote von 20,6 auf 22,6 Prozent.2 Die Freien Demokraten wollen diese Entwicklung stoppen und korrigieren. Wir halten es nicht für gerecht, dass ein zunehmender Anteil unserer Arbeit und unseres Einkommens nicht mehr bei den Bürgerinnen und Bürgern, sondern im Staatsapparat landet. Wir wollen in einer Gesellschaft leben, die sich ein selbstbestimmtes Leben erhält und nicht einer allumfassenden Fürsorge des Staates unterworfen wird. 1 2 Vgl. Deutsches Steuerzahlerinstitut. Vgl. Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, Januar 2015. Seite 2 von 5 In Zeiten von Rekord-Steuereinnahmen und einer steigenden steuerlichen Belastung brauchen wir endlich einen Entlastungs-Impuls: Raus aus der Steuer-Spirale. Mehr Respekt vor der Arbeitsleistung der Bürgerinnen und Bürger. II. Solidaritätszuschlag abschaffen – schrittweise und gerecht Freie Demokraten arbeiten dafür, den Solidaritätszuschlag abzuschaffen. Er ist als zeitlich befristete Ergänzungsabgabe eingeführt worden, um die Überwindung der deutschen Teilung finanziell zu ermöglichen. Es ist weder gerecht noch richtig, eine Ergänzungsabgabe für alle Zeit fortzuführen oder ihren Zweck auszuweiten. Es ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit unseres politischen Systems: Den Bürgerinnen und Bürgern wurde versprochen, dass der Solidaritätszuschlag nicht dauerhaft erhoben wird. Die Politik steht nun in der Verantwortung, Wort zu halten. Spätestes mit dem Auslaufen des Solidarpaktes, aus dem die neuen Bundesländer Finanzmittel erhalten, muss der Solidaritätszuschlag abgeschafft werden. Dies ist im Jahr 2020. Es bietet sich deshalb an, ab dem Jahr 2016 den Solidaritätszuschlag schrittweise abzuschmelzen, sodass er im Jahr 2020 vollständig entfällt. Die finanziellen Auswirkungen der schrittweisen Abschaffung des Solis hat das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung in einem aktuellen Gutachten dargestellt. Berechnet werden sowohl die Entlastungseffekte für die Steuerzahler als auch die Belastungen für den Bundeshaushalt. Tabelle 1 Reformschritte zum Abbau des Solidaritätszuschlags Zeitpunkt Inhalt Auswirkung 1 2 3 Januar 2016 Januar 2017 Januar 2020 Erhöhung der Freigrenze auf 10.692 Euro (von 972 Euro). Senkung des Zuschlagssatzes auf 2,5% (von 5,5%). Soli-Zahlungen erst ab einem Bruttoeinkommen über 50 000 €: Gut 50% der Steuerzahler werden zusätzlich vom Soli befreit, sodass rund 80 Prozent der Steuerzahler keinen Soli mehr zahlen. Erste Entlastung von mittleren und höheren 3 Einkommensbeziehern. Entlastung Bürger/Belastung Bund 6,17 Milliarden Euro 3,95 Milliarden Euro Abschaffung des Solidaritätszuschlags Alle Steuerzahler werden vollständig von der Zahlung 4,42 Milliarden Euro des Solis befreit. A Summe 16,08 Milliarden Euro A Quelle: RWI 2015, Die tatsächliche Entlastung/Belastung wird etwas höher ausfallen, da das RWIModell weder die Ergänzungsabgabe zur Kapitalertragsteuer noch zur Körperschaftsteuer berücksichtigt. Das Schaubild 1 stellt die relativen Entlastungen für drei Einkommensgruppen dar. Die Prozentangaben sind in Relation zu den voraussichtlichen Soli-Zahlungen ohne Reform im Jahr 2020 zu verstehen. Der erste Reformschritt entlastet alle Steuerzahler mit einem Bruttoeinkommen von unter 50.000 Euro pro Jahr im Reformjahr 2016 vollständig.4 80 Prozent der 3 Oberhalb eines Gesamtbetrags der Einkünfte (GdE) von 50.000 Euro ist die Höhe der steuerlichen Abzugsmöglichkeiten sowie die Veranlagungsart ausschlaggebend, ob eine Entlastung stattfindet. Der erste Reformschritt entlastet auch Gruppen mit einem GdE von mehr als 50.000 Euro, da diese ihr zu versteuerndes Einkommen pro Kopf auf unter 50.000 Euro reduzieren können. Seite 3 von 5 Einkommensbezieher sind nach diesem Reformschritt vom Solidaritätszuschlag befreit. Die Einkommensgruppe von 50.000-90.000 Euro wird um 56 Prozent und die darüber um 6 Prozent entlastet. Der zweite Reformschritt bringt für die Gruppe mit einem Jahresbruttoeinkommen von 50.000-90.000 Euro eine relative Entlastung von weiteren 23 Prozent sowie eine Entlastung von rund 50 Prozent der Gruppe mit einem Einkommen höher als 90.000 Euro. Der dritte Reformschritt entlastet die Einkommensgruppen von 50.000-90.000 Euro um erneut 20 Prozentpunkte sowie die Einkommensgruppen über 90.000 Euro mit 44 Prozent. Mit dem dritten Reformschritt sind letztlich alle Steuerzahler zu 100 Prozent vom Solidaritätszuschlag befreit. Schaubild 1 Relative Entlastung der Reformschritte nach heutigen Einkommensgruppen Quelle: RWI 2015, in Prozent bezogen auf Soli-Zahlungen ohne Reform im Jahr 2020. III. Soli abschaffen – wann, wenn nicht jetzt? Der Staat verfügt über stark steigende Steuereinnahmen. Der Arbeitskreis Steuerschätzung rechnet im Status-Quo mit Mehreinnahmen von über 100 Milliarden Euro für den Gesamtstaat im Zeitraum 2015-2019. Allein der Bundeshaushalt wird um über 40 Milliarden Euro bis zum Jahr 2019 anwachsen (vgl. Tabelle 2). Tabelle 2 Entwicklung der Steuereinnahmen 2012 bis 2019 2012 Steuern insgesamt vH gegenüber Vorjahr Bund vH gegenüber Vorjahr Solidaritätszuschlag 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 600.046 619.708 640.870 660.200 683.677 707.835 734.619 760.277 4,7 3,3 3,4 3 3,6 3,5 3,8 3,5 256.303 259.866 268.939 278.041 289.999 299.346 310.956 322.312 3,1 1,4 3,5 3,4 4,3 3,2 3,9 3,7 13.624 14.378 14.850 15.400 16.050 16.750 17.500 18.250 vH gegenüber Vorjahr 6,6 5,5 3,3 3,7 4,2 4,4 4,5 4,3 Quelle: Ergebnis der 145. Sitzung des Arbeitskreises "Steuerschätzungen", 2012/2013 = Ist-Ergebnis, 2014-2019 = Schätzung, in Mio. Euro. 4 Zu beachten ist, dass die Gruppen in Schaubild 1 nach heutigen Einkommen gebildet sind. Einzelne Einkommensbezieher, die heute noch unter 50.000 Euro liegen, haben durch die simulierten Einkommenszuwächse im Reformjahr 2016 Einkommen von über 50.000 Euro und unterliegen somit dem Solidaritätszuschlag. Seite 4 von 5 IV. Soli abschaffen – nicht umwandeln, keine Kompensation durch andere Steuererhöhungen Die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen Hannelore Kraft und weitere Ministerpräsidenten rot-grün regierter Ländern haben im vergangenen Jahr mehrfach gefordert, den Solidaritätszuschlag über das Jahr 2019 hinaus zu verlängern und in den Einkommensteuertarif einzuweben. Wir lehnen diese Forderung ab. Der ursprünglich befristete Steuerzuschlag darf keine Ewigkeitsgarantieerhalten. Wer behauptet, ein solcher Schritt wäre keine Steuererhöhung, der widerspricht auch der These, die Farbe der Zitrone sei Gelb. Die Abschaffung des Solidaritätszuschlages soll aus unserer Steuererhöhungen an anderer Stelle erfolgen – aus drei Gründen: Sicht ohne Erstens: Die Entlastung der Bürger vom Solidaritätszuschlag zum Jahr 2020 ist ein Gebot der Fairness. Fast drei Jahrzehnte nach Einführung dieser befristeten Sonderabgabe muss Schluss sein. Eine Gegenfinanzierung an anderer Stelle durch Steuererhöhungen würde keine Entlastung, sondern eine Umverteilung der Belastung bedeuten. Zweitens: Die Entlastung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen vom Soli wird Wachstumseffekte auslösen. Teile der staatlichen Mindereinnahmen werden durch ein stärkeres Wirtschaftswachstum sowie höhere Beschäftigung und einen höheren privaten Konsum kompensiert. Diese positiven Effekte würden durch eine Gegenfinanzierung, z.B. durch Steuererhöhungen an anderer Stelle, erstickt. Drittens: Schon heute – also im Jahr 2015 – übersteigen die Einnahmen aus dem Soli die Ausgaben für den Solidarpakt um das Doppelte. Bleibt der Soli erhalten, werden im Jahr 2020 zwar 18,3 Milliarden Euro eingenommen, jedoch nur noch 3,6 Milliarden Euro für den Solidarpakt verwendet. Schaubild 2 Solidaritätszuschlag und Solidaritätspakt Quelle: AK Steuerschätzung und Bund der Steuerzahler. Eigene Darstellung, in Mrd. Euro. Der Staat kann sich die Abschaffung des Solis leisten, wenn er die richtigen Prioritäten setzt. Die Bundesregierung hat zu Beginn der Legislaturperiode ein Rentenpaket eingeführt, das den Staatshaushalt bis zum Jahr 2030 rund 230 Milliarden Euro kosten wird. Bezahlt wird dies durch die aktuellen Beitragszahler der Rentenversicherung, jetzige und die überwiegende Mehrheit künftiger Rentner sowie die Steuerzahler insgesamt. Seite 5 von 5 Das Rentenpaket der Bundesregierung ist ungerecht, weil es die Beschäftigten von heute sowie die Kinder- und Enkelgeneration in der Zukunft belastet. Hier sind die Prioritäten falsch gesetzt. Wir wollen das ändern. Statt die konsumtiven Staatsausgaben heute und die staatliche Umverteilung zu befördern, wollen Freie Demokraten mehr Eigenverantwortung möglich machen, den Beschäftigten mehr Raum für eigene Entscheidungen überlassen: Runter von der Steuerlast. Mehr Selbstbestimmung durch steuerliche Entlastung. V. Schluss mit staatlichem Lohnklau – auch die „kalte Progression“ muss jetzt schleunigst abgeschafft werden Trotz leichter Anpassungen des Tarifverlaufs bei der Einkommensteuer im letzten Jahrzehnt sowie eine im Vermittlungsausschuss erreichte Anpassung des Grundfreibetrags in den Jahren 2013 und 2014 blieben die Tarifanpassungen insgesamt deutlich hinter den zum Ausgleich der Inflation notwendigen Korrekturen zurück.5 Mit dem Ergebnis, dass von den Lohnerhöhungen der Beschäftigten der Staat immer mehr profitiert hat, als ihm zusteht. Bei den Beziehern niedriger und mittlerer Einkommen ist der Verlauf der kalten Progression besonders steil: Allein die Bevölkerungsgruppe mit einem Einkommen bis zu 20.000 Euro im Jahr zahlte 2014 4,4 Prozent mehr Steuern als bei einem fairen Steuertarif.6 Wir Freie Demokaten arbeiten seit Jahren dafür, diesen staatlichen Lohnklau abzuschaffen. In der vergangenen Legislaturperiode ist ein Gesetzentwurf der schwarz-gelben Koalition zum Abbau der kalten Progression am Widerstand der rotgrün geführten Länder im Bundesrat gescheitert.7 Gerade vor dem Hintergrund der niedrigen Inflationsrate bietet sich eine politisch einmalige Gelegenheit, den Einkommensteuertarif anzupassen. Ziel muss es sein, dass der Steuertarif regelmäßig um die Auswirkungen der Inflation verschoben wird. D.h. der Grundfreibetrag und die Progressionsstufen müssen inflationsbedingt steigen, um somit „systemfremde“ Steuererhöhungen auszuschließen. Berechnungen des RWI verdeutlichen, dass die Einführung eines „Tarifs auf Rädern“ unter den gegenwärtigen makroökonomischen Bedingungen nur mäßige Mindereinnahmen zur Folge hätte: In den Jahren 2015 und 2016 müsste der Staat auf Steuereinnahmen von durchschnittlich jeweils knapp 3,8 Mrd. Euro verzichten. Da der Grundfreibetrag ohnehin an die Entwicklung des Existenzminimums angepasst werden muss, würden die Mindereinnahmen mit 2,2 Mrd. Euro pro Jahr sogar deutlich geringer ausfallen. Die Rahmenbedingungen zur Abschaffung der kalten Progression sind mit hohen Steuereinnahmen und niedrigen Inflationsraten denkbar positiv. Die Politik darf diese einmalige Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen. Das RWI-Gutachten Fiskalische Auswirkungen eines schrittweise auslaufenden Solidaritätszuschlags finden Sie auf unserer Website: fdp-fraktion-nrw.de 5 RWI 2014, Günstige Gelegenheit: Jetzt die kalte Progression abschaffen. Verzicht auf heimliche Steuererhöhungen würde den Staat nur 3,8 Milliarden Euro pro Jahr kosten, RWI Position 60. 6 Deutsches Steuerzahlerinstitut, Fünf Argumente gegen die kalte Progression und eine echte Lösung, 2014. 7 Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zum Abbau der kalten Progression, 2014, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/086/1708683.pdf (September 2014).
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