Kultur Montag, 9. Februar 2015 / Nr. 32 Neue Zuger Zeitung 21 Heiteres Lustspiel mit Liebe zum Detail CHAM Mit «Martha» gastierte die Volksoper Zürich im Lorzensaal. Hervorragende Stimmen und eine authentische Aufmachung: Das war Musiktheater auf hohem Niveau. ANDREAS FAESSLER [email protected] «Wenn man bei uns von Volksoper spricht, erwartet man die Aufführung eines Laienensembles», meinte ein Zuschauer aus Stuttgart an der gestrigen Aufführung von «Martha». Doch was die Volksoper Zürich in Cham zeigte, schien den sichtlich begeisterten jungen Mann eines Besseren zu belehren. Tatsächlich hatte die Inszenierung der komischen Oper aus der Feder von Friedrich von Flotow (1812–1883) rein gar nichts mit Laientheater gemein: Die fünf Hauptrollen waren allesamt besetzt mit erfahrenen Bühnenprofis – starke Stimmen, überzeugendes Schauspiel. Sopranistin Michelle Chang als Martha meisterte ihren Part souverän, obschon zu Beginn um allfällige Nachsicht gebeten worden war, da sie erkältet sei. Davon war aber kaum etwas zu spüren. Schwierige akustische Verhältnisse Ebenso professionell wie die Sänger war das Orchester unter der Leitung von Kelly Thomas. Für «Martha» spielte ein zwölfköpfiges Ensemble der Camerata Cantabile. Lupenrein und perfekt intoniert. Doch erwies sich an dieser Stelle die Akustik des Lorzensaals als etwas schwierig für Musiktheater dieser Art. Einerseits musste das Orchester seitig positioniert werden und nicht wie üblich direkt vor der Bühne, andererseits dürfte der Holzboden des Saales für eine verstärkende Resonanz gesorgt haben. Als Folge übertönte das Orchester die Stimmen für gewisse Zuschauerreihen etwas zu stark. Dem musikalischen Genuss vermochte dies jedoch kaum einen Abbruch zu tun. Ein wahrhaftiger Augenschmaus: die Kostümierung. Auch hier hat die Volksoper Zürich keine Mühe gescheut. Mit grösstem Aufwand haben Vittoria Michel (Kostüme) und Sonja Büchli (Maske) die Darsteller mit authentischen Gewändern NACHRICHTEN Wichtiger Preis für «Birdman» KINO sda. Zwei Wochen vor den Oscars hat die Komödie «Birdman» einen weiteren Schritt zu den wichtigsten Filmpreisen der Welt gemacht. Der Film des Mexikaners Alejandro Iñárritu gewann in Los Angeles den Filmpreis der Vereinigung der US-Regisseure. Dieser gilt als wichtiges Barometer für die Oscars. Im letzten Jahr gewann Iñárritus Landsmann Alfonso Cuarón mit «Gravity» – der dann auch den Oscar als bester Regisseur erhielt. «Birdman» handelt von einem alternden Filmstar, gespielt von Michael Keaton, der nicht mehr zwischen Rolle und realer Welt unterscheiden kann. Antonio Banderas kriegt Ehren-Goya KINO sda. Hollywoodstar Antonio Banderas hat den Ehren-Goya der spanischen Filmpreise erhalten. Dem 54-Jährigen wurde die Trophäe von seinem Entdecker, Regisseur Pedro Almodóvar, überreicht. «Alles, was ich habe und was ich bin, verdanke ich meinem Beruf», sagte der mit Tränen der Rührung kämpfende Banderas in seiner Dankesrede. Wenn er auf seine 35-jährige Karriere zurückblicke, fühle er sich alt. «Aber wenn ich nach vorne schaue, fühle ich mich immer noch jung.» In den fünf Hauptrollen (von links): Charne Rochford (Lyonel), Andreas Dick (Plumkett), Michelle Chang (Lady Harriet, «Martha»), Erich Bieri (Lord Tristan), Amanda Schweri (Nancy, «Julia»). und Frisuren ausgestattet. Dabei ist ihnen eine perfekte Schnittmenge zweier Epochen gelungen, welche die Oper selbst in sich vereint: Während die Erscheinung der Herren hauptsächlich der Zeit entsprach, in der die Geschichte der «Martha» spielt, nämlich im frühen 18. Jahrhundert, orientierte sich die überaus vornehme Toilette der aristokratischen Damen eher am Modegeschmack der Entstehungszeit der Oper, dem Spätbiedermeier im zweiten Viertel des 19. Jahr- Bild Thomas Entzeroth hunderts. Sehr schön betonte die Kostümierung auch die Klassenunterschiede der Protagonisten. Dabei wurde nichts dem Zufall überlassen – der ganze Detailreichtum schien genau durchdacht und höchster Authentizität verpflichtet. Das Bühnenbild indes beschränkte sich auf einen bemalten Hintergrund. Doch auch dies war mit grösster Liebe zum Detail ausgeführt worden, sodass es dem eher kleinen Bühnenraum optisch die nötige Tiefe verlieh. Mit «Martha», seiner ersten Produktion, macht der junge Verein Volksoper Zürich seine Ziele deutlich: «Unsere Inszenierungen sollen sich weitgehend an den ursprünglichen Absichten des Komponisten orientieren, statt irgendeiner aufgezwungenen Regie-Idee zu folgen», sagt Präsident Andreas Dick, der Plumkett spielt. Die Volksoper Zürich möchte sich dabei nicht nur an standfeste Opernliebhaber wenden, sondern auch an ein Publikum, das vielleicht zum ersten Mal eine abendfüllende Oper miterlebt, sagt er weiter. Und das ist dem Verein mit «Martha» bestens geglückt. Der Beifall des Publikums sprach für sich. Frauen in grossen Schwierigkeiten Autor und Freund von Mandela tot KINO Die Berlinale ist bisher das Festival der starken Frauen. Diese leiden für ihre Liebe und kämpfen für ein besseres Leben. im Leben liess das Publikum der ersten Pressevorstellung wahlweise ratlos, fasziniert oder gelangweilt zurück. Christian Bale («Batman», «American Hustle») spielt in dem von den inneren Stimmen der Figuren aus dem Off kommentierten Film einen Sinnsucher zwischen zwei Frauen (Natalie Portman und Cate Blanchett). Die 65. Berlinale rückt das Schicksal weiblicher Heldinnen von Guatemala bis Grönland in den Mittelpunkt; gespielt von Schauspielerinnen wie Nicole Kidman, Léa Seydoux, Charlotte Rampling und Juliette Binoche. «Victoria» ohne Schnitt Schwanger vom falschen Mann Erstmals ist ein Film aus Guatemala im Berlinale-Wettbewerb. Jayro Bustamante erzählt in «Ixcanul Volcano» von dem Maya-Mädchen María. Zusammen mit ihren Eltern lebt sie am Fuss eines aktiven Vulkans auf einer Kaffeeplantage. Die junge Frau (beeindruckend gespielt von María Mercedes Coroy) will mehr vom Leben und am liebsten in die USA auswandern. Doch dann wird sie vom falschen Mann schwanger. In der scheinbar geordneten westlichen Welt spielt «45 Years» des Briten Andrew Haigh. Star dieses sehr ruhig erzählten Films ist Charlotte Rampling. Als Ehefrau steckt sie mitten in den Vorbereitungen für ihren 45. Hochzeitstag. Da erreicht sie eine Nachricht, die das Leben mit ihrem Mann plötzlich in Frage stellt. Frankreichs Filmstar Léa Seydoux spielt in «Journal d’une femme de chambre» von Benoît Jacquot eine junge Frau, die aus dem System der Unterwerfung ausbrechen will – und scheitert. María Mercedes Coroy als Maya-Mädchen, das ungewollt schwanger wird. PD Oscar-Preisträgerin Juliette Binoche macht sich in Isabel Coixets sehr gemischt aufgenommenem Eröffnungsfilm «Nobody Wants The Night» auf einen Selbsterfahrungstrip nach Grönland. Regisseur Werner Herzog schickt Nicole Kidman in «Queen Of The Desert» ebenfalls auf eine ähnliche Tour de Force, allerdings in wärmere Wüsten-Gefilde. Malick polarisiert einmal mehr Das scheue amerikanische «RegiePhantom» Terrence Malick war am Sonntag mit seinem Film «Knight Of Cups» in einer Art missionarischer Mission unterwegs. Sein philosophischpoetisches Drama um den rechten Weg Der mit 140 Minuten bislang längste und zugleich stilistisch ungewöhnlichste Film kommt aus Deutschland. Schauspieler, Regisseur und Autor Sebastian Schipper («Absolute Giganten») zeigte mit «Victoria» das atemberaubende Protokoll einer Nacht im Rausch. Die junge Spanierin Victoria trifft vor einem Club vier halbstarke Berliner Jungs. Das Besondere: Schippers Film kommt ganz ohne Schnitte aus, die Kamera ist den Figuren immer ganz dicht auf den Fersen – die Erzählung entwickelt so einen ungeheuren Sog. Schipper drehte den Film dreimal jeweils in einem Stück durch. In der ersten Stunde des Films passiert scheinbar nicht viel. Die Jungs bändeln mit dem Mädchen an. Die fragile Seelenlage der Freunde ist intensiv eingefangen – und wenn die Geschichte ins Rollen gerät, kennt der Zuschauer Victoria und ihre neuen Freunde schon sehr gut. Weil einer der Jungs einem alten Knast-Bekannten noch einen Gefallen schuldet, müssen sie losziehen und vollgepumpt mit Drogen und Alkohol ein krummes Ding drehen – Victoria macht dabei mit. Am nächsten Morgen existiert die bisherige Welt der Jugendlichen nicht mehr. ELKE VOGEL, DPA [email protected] HINWEIS Die Volksoper Zürich führt «Martha» noch drei weitere Male auf: im Kurtheater Baden (Sa, 14.2., 19.30 Uhr), im Dreispitz Kreuzlingen (So, 22.2.,17 Uhr) und im Kultur- & Kongresshaus Aarau (Sa, 28.2., 19.30 Uhr). SÜDAFRIKA sda. Er war eine grosse weisse Stimme gegen die Apartheid in seiner Heimat Südafrika und galt als Kandidat für den Literaturnobelpreis: André Brink. Nun ist der Autor im Alter von 79 Jahren gestorben. Brink war stolz auf die Freundschaft mit Mandela. Sie liess ihn früh zum Gegner der Apartheid werden. Dabei war er tief verwurzelt in der burischen Geschichte: Seine ersten Romane schrieb er in Afrikaans (Burisch), der bei Schwarzen noch heute verhassten Sprache derer, die das rassistische Apartheid-System schufen. Brinks Roman «Blick ins Dunkel» (1973) über die Liebe zwischen einem Weissen und einer Schwarzen war der erste literarische Text auf Afrikaans, der in Südafrika verboten wurde. Er fand internationale Beachtung. In einem seiner jüngeren Romane «Die andere Seite der Stille» befasst er sich mit dem früheren DeutschSüdwestafrika, dem heutigen Namibia. Er handelt von einer jungen deutschen Auswanderin, die naiv in die Kolonie reist, wo sie auf Menschenverachtung und Brutalität trifft. Schlüsselerlebnis als Jugendlicher Sein Schlüsselerlebnis habe er mit 13 Jahren gehabt. Sein Vater, ein Bezirksrichter, sei für ihn gottähnlich gewesen. Das habe sich geändert, «als ein schwarzer Mann blutüberströmt und weinend bei uns zu Hause auftauchte». Er sei geschockt zum Vater gerannt, «aber der hatte kein Interesse, zu helfen, es sei ausserhalb der Dienststunden». Da habe er gewusst, dass etwas falsch laufe in Südafrika.
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