lebenslust 01_Layout 1 - Schülerlesetage Göttingen

24 LITERATUR lebenslust:gö
Dr. Ruth Cornelie Hildebrandt, Jahrgang 65, war und ist im höchsten Maße literaturbegeistert, außerdem hat sie die „Autorensucht“, das heißt, dass sie die Begegnung mit schreibenden Menschen liebt.
Nach ihrem Studium in Göttingen, Toulouse und Bonn (Germanistik und Kunstgeschichte) promovierte sie über bürgerliche Frauenschicksale in der deutschen Literatur des letzten Jahrhunderts. Seit 2004
ist Frau Dr. Hildebrandt im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur tätig. Durch die Organisation und
Durchführung der „Schülerlesetage Göttingen“ hat sie sich als Fachfrau für Kinder- und Jugendliteratur einen Namen gemacht. In ihrer Freizeit ist sie Gärtnerin aus Leidenschaft, kocht, richtet gerne
ein und ist dem Familienhund Anton ein aufopferungsvolles Frauchen.
SABINE LUDWIG
»Am Ende der TREPPE, hinter der Tür«
eichnen und Malen, das kann Martha
richtig gut – viel besser als ihre dominante Freundin Jill, der sie sich ansonsten hoffnungslos unterlegen fühlt.
Und als sie das Bühnenbild für die Aufführung der Theater AG ihrer Schule bauen
darf, ist sie in ihrem Element, auch deswegen, weil sie sich so ihrem attraktiven
Englischlehrer Alexander Miller endlich in
einem besonderen Licht zeigen kann.
Besonders die Treppe, auf der die entscheidende Szene von „Endstation Sehnsucht“
spielt, gelingt ihr besonders. Und auch in
dem Haus, in dem Martha seit kurzem mit
ihrer Mutter lebt, spielt die Treppe eine
wichtige Rolle, denn sie führt zur Wohnung
der Psychologin Dr. Dernburg, die ermordet
wird. Unglücklicherweise wird Martha, versteckt in einem Schrank, zur Zeugin dieses
Mordes und beschließt auf Anraten ihrer
Freundin Jill, dieses Wissen für sich zu nutzen und den Mörder zu erpressen.
Z
Sabine Ludwig legt mit diesem Jugendbuch
einen Krimi vor, in dem es um Erpressung,
Mord, Entführung und versuchten Kindesmissbrauch geht. Doch für mich ist dieses
Buch eigentlich in erster Linie ein Beziehungsoman, der von den Schwierigkeiten
einer Patchworkfamilie handelt. Aus Sicht
der 16-Jährigen Martha vermitteln sich eindrücklich die Probleme, die sich aus dem
Zusammenleben von zwei unterschiedlichen Familienteilen ergeben. Der Leser versteht den unglücklichen Trotz und die
aggressive Abwehr, mit der sich Martha
gegen Johannes, den neuen Freund ihrer
Mutter, und dessen kleine Tochter Poppy
stellt. Vor allem spürt er aber auch, dass
Martha sich letztlich selbst im Wege steht,
denn eigentlich sind Johannes und Poppy
eine echte Bereicherung und bieten eine
Form von intaktem Familienleben, das
Martha und ihre Mutter so bislang kaum
kannten.
Und noch eine weitere Beziehungsgeschichte steht im Zentrum dieses vielschichtigen Romans der Erfolgsautorin die Freundschaft zwischen Martha und Jill, die eigentlich gar keine Freundschaft ist. Dass
Mädchen in diesem Alter oft auch unfreundlich und gemein miteinander umgehen können, ist bekannt. Doch wie sehr es hier auch
um Machtgelüste, um Manipulation und
Suggestion gehen kann, stellt Sabine Ludwig glaubhaft dar, ohne in eine platte TäterOpferzuschreibung zu verfallen. Dass Martha sich schließlich aus ihrer unwürdigen
Abhängigkeit zu Jill ebenso wie aus ihrer
blinden Verliebtheit in ihren Lehrer aus eigener Kraft befreien kann, ist das Ergebnis
eines schmerzhaften Reifeprozesses, der aus
dem pubertierenden Mädchen eine junge
Frau werden lässt.
Sabine Ludwig, die bislang im Bereich Kinderbuch außerordentlich erfolgreich ist und
2010 zur „Lesekünstlerin des Jahres“ gekürt
wurde, hat nun mit „Am Ende der Treppe,
hinter der Tür“ ein Buch geschrieben, das
gleichermaßen für jugendliche Leser pakkend ist und für Erwachsene einen wichtigen Einblick in die Gefühlswelt Heranwachsender liefert. Wir haben es hier mit einem
Roman zu tun, der einen mit seiner großer
Intensität und mitreißender Spannung nicht
so schnell loslässt.
Sabine Ludwig,
„Am Ender der TREPPE, hinter der Tür“,
rowohlt 2013, 9,99 €