Krieg üben EPA/ADAM WARZAWA/DPA-BILDFUNK Vor mehr als fünf Jahren begann die NATO, im Ostseeraum die militärische Konfrontation mit Russland zuzuspitzen. Die Staaten Nordeuropas begleiten das mit Militarisierung und einem propagandistischen Trommelfeuer. Von Gregor Putensen SEITEN 12/13 GEGRÜNDET 1947 · FREITAG, 3. FEBRUAR 2017 · NR. 29 · 1,60 EURO (DE), 1,80 EURO (AT), 2,30 CHF (CH) · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT WWW.JUNGEWELT.DE Offene Fragen Schleichende Offensive Leichte Hoffnung Billige Streikbrecher 2 3 5 9 Das Komitee für Grundrechte veranstaltet am Wochenende einen antirassistischen Ratschlag Die Feuerpause im Donbass wurde Der insolvente Fahrradhersteller Mifa nach kurzer Zeit von Kiews Streitwill Produktion wieder aufnehkräften erneut gebrochen men. Von Susan Bonath Kaffeekette Starbucks wirbt in Polen »Aushilfen« für deutsche Filialen an. Von Reinhard Lauterbach Sioux leisten Widerstand VAHID REZA ALAIE/IDM/EPA/DPA USA drohen Iran nach Raketentest PICTURE ALLIANCE/ZUMA PRESS USA: Polizeiaktion gegen Indigene und Umweltschützer in North Dakota. Baustopp von Pipeline aufgehoben. Von Jürgen Heiser »Ich stelle sicher, dass unser Volk, unser Land und unser Wasser nicht verletzt werden«, erklärte der Sioux Nick Pioche am 21. November in North Dakota D er Kampf der indigenen Bevölkerung und von Umweltschützern gegen die »Dakota Access Pipeline« (DAPL) im US-Bundesstaat North Dakota tritt in eine entscheidende Phase. Am Mittwoch nachmittag (Ortszeit) nahm die Polizei 76 Aktivisten fest, die zusammen mit Hunderten weiteren Menschen ein neues Widerstandscamp auf dem Baugelände der Pipeline nahe dem Reservat der Standing Rock Sioux errichtet hatten. Sie waren auf das Gelände vorgedrungen, das vom Betreiber der Pipeline, dem Konzern Energy Transfer Partners (ETP), beansprucht wird. Mit ihrer Aktion reagierten die Umweltschützer auf die offizielle Ankündigung, für die seit Monaten umkämpfte Rohölleitung werde nun der nächste Bauabschnitt in Angriff genommen und die Pipeline unter dem Missouri River sowie dem Trinkwasserstausee Lake Oahe hindurchgeleitet. Die DAPL-Gegner warnen, dass ein Leck in der Pipeline die Trinkwasserreserven der gesamten Region verseuchen würde. Gegen die Bauplatzbesetzer nahe dem Ort Cannon Ball rückten Polizei und Nationalgarde mit schwerem Räumgerät, Schützenpanzern und Lärmkanonen vor. »Viele Wasserschützer sahen die Notwendigkeit, jetzt Widerstand zu leisten und uns auf unsere alten Vertragsrechte zu berufen«, sagte Linda Black Elk von der Catawba Nation dem britischen Guardian. »Wir sahen, wie die Polizei aus allen Himmelsrichtungen in unsere Richtung marschierte.« Daraufhin hätten sich viele Aktivisten noch rechtzeitig von dem besetzten Gelände zurückgezogen, »damit nicht alle im Polizeigewahrsam landen«, so Black Elk. Die anderen hätten sich entschieden, dass der Kampf um die durch den Pipelinebau verletzten Vertragsrechte der indigenen Bevölkerung in den Reservaten es wert sei, dafür verhaftet zu werden. Die zunehmenden Spannungen am Baugelände sind eine Folge der energiepolitischen Entscheidungen, die US-Präsident Donald Trump unmittelbar nach der Übernahme seines Amtes getroffen hatte. Bereits an seinem zweiten Arbeitstag im Weißen Haus hatte er per Dekret den Bau der von der Obama-Regierung nicht genehmigten »Keystone XL Pipeline« und die Wiederaufnahme der ruhenden Arbeiten des DAPL-Projekts angeordnet. Das für die Baugenehmigung zuständige Ingenieurskorps der US-Armee leistete dem Befehl des neuen Machthabers im Weißen Haus Folge. Von einem vorläufigen Stopp der Arbeiten am Missouri River, einem Umweltverträglichkeitsgutachten und einer Suche nach Alternativen zum geplanten Leitungsverlauf, wie es die Obama-Administration im Dezember bestimmt hatte, ist keine Rede mehr. North Dakotas republikani- scher Senator John Hoeven verkündete vor der Presse, der amtierende Armeestaatssekretär Robert Speer, der im Verteidigungsministerium für sämtliche administrativen und technischen Fragen der US-Armee verantwortlich ist, habe das Ingenieurskorps angewiesen, ETP die Genehmigung für die Bohrarbeiten unter dem Missouri River zu erteilen. Anwälte der Sioux erklärten dazu, es sei »illegal, den im Dezember verhängten Baustopp zu ignorieren«. Dagegen würden sie nun »den Kampf vor den Gerichten aufnehmen«. Die Fortsetzung des Pipelinebaus sei »eine Kriegserklärung«, hatte vergangene Woche die indigene Aktivistin Winona LaDuke von der Organisation »Honor the Earth« erklärt. Sie richte sich jedoch nicht nur an die Ureinwohner, »sondern an jeden hier, der sauberes Trinkwasser braucht«, sagte sie im Interview mit dem Fernsehmagazin »Democracy Now!«. Siehe Seite 7 Zu Gast beim NATO-Partner Mahnen und Kooperieren: Merkel bekräftigt »Terrorbekämpfung« mit Erdogan B undeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat erstmals nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei deren Staatschef Recep Tayyip Erdogan besucht. Nach einem zweieinhalbstündigen Treffen mit Erdogan sprach sie laut Nachrichtenagentur dpa am Donnerstag in Ankara von einer engen Zusammenarbeit beider Staaten bei der Terrorbekämpfung. Die Kanzlerin habe aber auch betont, dass in der entscheidenden Phase der Aufarbeitung des Umsturzversuches durch Militär Meinungsfreiheit und Gewaltenteilung wichtig seien. Ohne nähere Details zu nennen, erklärte sie laut Agenturbericht mit Blick auf verschiedene Fälle im Umgang mit Journalisten, sie mache sich »Sorgen«. Auch soll sie die Türkei davor gewarnt haben, Anhänger des Predigers Fethulla Gülen in Deutschland zu bespitzeln. »Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass es dort Bespitzelungen gibt, sondern der deutsche Rechtsstaat geht gegen Rechtsverletzungen vor«, zitierte die dpa Merkel mit Blick auf das Umfeld Gülens, den Erdogan als Strippenzieher des Putschversuchs bezichtigt. Als offenes Geheimnis gilt, dass Erdogan beim Stichwort Terrorbekämpfung zuerst an die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) denkt – und Mitglieder der Oppositionspartei HDP (Demokratische Partei der Völker) als mutmaßliche PKK-Unterstützer verfolgen lässt. Dass zur Zeit elf Abgeordnete der HDP-Fraktion des türkischen Parlaments inhaftiert sind, kritisierte Merkel diplomatisch: »Opposition gehört zu einer Demokratie dazu. Das erfahren wir alle miteinander jeden Tag in demokratischen Staaten.« Zur Beobachtung des Referendums über ein Präsidialsystem in der Türkei empfahl Merkel Experten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Sie habe mit Erdogan darüber gesprochen, »dass es gut wäre«, wenn solche bei der Abstimmung dabei sein könnten. Die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht (Linke) hatte Merkel im Gespräch mit der Rheinischen Post (Donnerstagsausgabe) vorgeworfen, mit ihrem Türkeibesuch einen »islamistischen Autokraten« zu hofieren. (dpa/jW) Siehe Gastkommentar Seite 8 Washington. Nach dem jüngsten Test einer ballistischen Rakete durch den Iran schlagen die USA drohende Töne an. Das US-Präsidialamt erklärte am Mittwoch (Ortszeit), man prüfe, wie reagiert werden solle. »Von heute an warnen wir den Iran offiziell«, sagte der nationale Sicherheitsberater Michael Flynn. Der Test sowie der Angriff auf ein saudiarabisches Marineschiff durch die angeblich von Teheran unterstützte schiitische Ansarollah-Miliz vor der Küste Jemens unterstrichen »das destabilisierende Verhalten des Irans im Nahen Osten«. Anstatt dass der Iran den USA wegen des Atomabkommens von 2015 dankbar sei, fühle er sich nun ermutigt, monierte Flynn. Trump bezeichnete das von seinem Amtsvorgänger unterzeichnete Abkommen auf Twitter am Donnerstag als »fürchterlichen Deal«. Es sei eine »Rettungsleine« für den Iran gewesen. (Reuters/jW) Warnstreiks bundesweit im öffentlichen Dienst Potsdam. In mehreren Bundesländern haben die Gewerkschaften Beschäftigte des öffentlichen Dienstes zu weiteren Warnstreiks aufgerufen. In Hamburg beteiligten sich am Donnerstag nach ver.di-Angaben in mehreren Schulen Pädagogen, Verwaltungsangestellte sowie Reinigungskräfte und Hausmeister an den Aktionen. In SchleswigHolstein waren die insgesamt 1.400 Beschäftigten des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr aufgerufen, nicht zu arbeiten. Auch in Niedersachsen streikten die Straßenwärter. Eine Protestkundgebung fand am Nachmittag in Erfurt statt. Die Gewerkschaften fordern für die Landesbeschäftigten bundesweit insgesamt sechs Prozent mehr Lohn. Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) lehnt dies ab. Die dritte und vorerst letzte Verhandlungsrunde beginnt am 16. Februar wieder in Potsdam. (dpa/jW) wird herausgegeben von 1.998 Genossinnen und Genossen (Stand 26.1.2017) n www.jungewelt.de/lpg
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