2. Sonntag im Jahreskreis A

Sonntag, 15. Jänner 2017
2. Sonntag im Jahreskreis A
Jes 49, 3.5-6, 1 Kor 1-3, Joh 1, 29-34
VA 18.00 Straning, 8.30 Wartberg, 10.00 Grafenberg
Liebe Schwestern und Brüder,
verstehen Sie, wenn ich Ihnen vor der Kommunion das gebrochene Brot zeige und dabei
zu Ihnen sage: Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt? Verstehen
Sie das, was es zu bedeuten hat, wenn uns dann die Antwort des „Herr, ich bin nicht
würdig“ wie selbstverständlich über die Lippen kommt? Weil wir es so gelernt haben?
Und wir es einfach so gewohnt sind? Sind wir nicht alle irgendwie mit solch einer
Bildersprache manchmal überfordert? Übersteigt es nicht letztlich unser Verstehen?
Und verleitet uns die „Rätselhaftigkeit“ derartiger Ausdrucksweisen nicht eher dazu, sie
einfach nur „zur Kenntnis zu nehmen“, ohne uns darüber klar zu sein, was damit
tatsächlich gemeint ist? Finden wir uns deshalb nicht auch oft in der Reihe sogenannter
religiöser Analphabeten wieder?
Wozu sagt dieser Täufer Johannes, der JESUS auf sich zukommen sieht, solch ein Wort
über IHN? Was will er uns letztlich damit sagen? Dass JESUS hier vom Täufer „LAMM
GOTTES“ genannt wird, mag uns wahrscheinlich nicht sonderlich irritieren oder aus der
Fassung bringen. Sondern wird uns vielleicht denken lassen, dass es schon seinen
tieferen Sinn haben wird, warum Johannes das sagt. Aber was soll´s, sich darüber
unnötigerweise den Kopf zerbrechen? Wir haben wahrlich andere Sorgen!
Und doch sagt es uns etwas. Vor allem über diesen JESUS, den der Täufer Johannes als
„Lamm“ bezeichnet. Kenntnisse darüber sind uns vermutlich nicht ganz fremd:
Herrscher oder Völker wurden oft durch Tiere dargestellt. Das Lamm ist das friedfertige
und noch dazu besonders wehrlose Tier. Als seine Farbe gilt im antiken Verständnis das
makellose Weiß, zugleich die Farbe des Friedens und international ist das Zeichen des
äußersten Friedenswunsches. Das Lamm ist im buchstäblichen Sinn fleckenlos und
daher Symbol des Schalom, des allumfassenden Friedens schlechthin, der Verbindung
von Unschuld, Gerecht-Sein und Friedfertigkeit.1 Der erklärende Zusatz „das die Sünde
der Welt trägt“ wird hier im Sinne der stellvertretenden und sündentilgenden Fürbitte
1
Vgl. Klaus Berger, Kommentar zum Neuen Testament, 331.
eines Gerechten vor GOTT verstanden.2 Und das gilt allemal für JESUS! Weil ER, der
absolut Gerechte, durch seine ganze Existenz alle Schuld der Welt trägt und beseitigt.
Wenn man das einmal verstanden hat, dann weiß man doch, worum es hier geht!3
Aber der sogenannte „moderne“ Mensch weiß es wahrscheinlich nicht. „Stellvertretung“
ist und bleibt unser christliches Lebensgesetz. Denn keiner von uns steht alleine vor
GOTT, weil einer für den anderen sehr wohl etwas bei GOTT bewirken kann.4 Und deshalb
ermutige ich immer wieder Eltern, die in Beichtgesprächen darüber klagen, dass ihre
Kinder fern der Kirche ihren Weg gehen, stellvertretend für sie zu gehen und sie durch die
Mitfeier der Eucharistie zu GOTT hin „mitzunehmen“, weil es dabei um Liebe geht.5
Und noch ein anderer zusätzlicher Aspekt ergibt sich für uns alle aus dem eben gehörten
Evangelium: uns als Christen der Rolle bewusst zu werden, die wir in unserem Leben zu
spielen haben. So wie der Täufer Johannes seine Berufung darin gesehen hat, auf JESUS,
den er noch nicht kannte, hinzuzeigen und IHN zu bezeugen, sollen auch wir Zeugen sein!
Viele Darstellungen des Täufers Johannes zeigen ihn als den, der mit ausgestrecktem
Finger auf JESUS als das „LAMM GOTTES“ hinweist. Und der Täufer, der ohne
Kompromisse Zeugnis abgelegt hat, ist ein großer Zeuge, von dem zu lernen uns als
Christen allemal gut ansteht. Denn das ist und bleibt das Entscheidendste: Menschen mit
JESUS bekannt zu machen und uns dabei selbst nicht allzu wichtig zu nehmen. Sondern
uns darum zu bemühen, IHN kennenzulernen und mit IHM zu gehen.
Denn hinter den oft verdrängten, abgestumpften und biederen Lebensformen unseres
Daseins eröffnet sich dadurch eine Wirklichkeit, die uns zeigt, wie wir offen und ohne
Scheu auf IHN zeigen und Zeugnis von IHM geben können.
Unser Leben und unsere Freude am „Mensch-sein-Dürfen“6 wird nur dann gelingen,
wenn wir einander das Leben nicht durch „Sündenfixiertheit“ und „Fake News“
vermiesen, sondern, indem wir uns selbst an IHM messen und mit IHM gehen, dem
Dasein durch das Zeigen auf JESUS eine neue Dimension geben.
Denn wenn unser Glaube bezeugt und erfahren hat, dass ER der SOHN GOTTES ist, und
er eingebettet bleibt in die Konkretheit unseres Lebens, dann wird unser Leben und
auch das all der anderen Menschen, die wir stellvertretend mitnehmen auf den Weg hin
zu GOTT, heil!
2
Vgl. ebd., 331.
3
Vgl. Klaus Berger, Meditationen zu den Sonntagsevangelien, Lesejahr A, 133.
4
Vgl. ebd., 133
5
Vgl. ebd., 134
6
Vgl. Johanna Rahner, in: „In mir ist nichts, was erlöst werden muss; ich fühle die culpa nicht“, Referat
bei der Österreichischen Pastoraltagung 2017.