BUNDESARCHIV, BILD 183-1987-1230-017 / CC-BY-SA 3.0 VEB Robotron Digitale Revolution im Sozialismus: 1976 versuchte die SED, ihre Wirtschaftspolitik in Sachen Mikroelektronik zu korrigieren. Über ein vergessenes Kapitel der Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik. Von Jörg Roesler SEITEN 12/13 GEGRÜNDET 1947 · DIENSTAG, 13. DEZEMBER 2016 · NR. 291 · 1,50 EURO (DE), 1,70 EURO (AT), 2,20 CHF (CH) · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT WWW.JUNGEWELT.DE Dulden Kungeln Profitieren Langweilen 3 4 6 11 Brauner Freistaat Sachsen: Neonazisti- Gesprächsrunde fortgesetzt: SPD, sche Gewalt weiter auf dem VorLinke und Grüne loten mögliches marsch. AfD und CDU hetzen mit Bündnis auf Bundesebene aus U-Boot-Deals: Ägypten, Israel, SaudiArabien – BRD liefert unverdrossen Waffen in Krisengebiete Musikalischer Stillstand: »Blue and Lonesome«, das neue Album der Rolling Stones Papst ruft zu Frieden in Syrien auf EPA/SANA/DPA-BILDFUNK Schützenhilfe aus Berlin TOBIAS SCHWARZ/REUTERS Türkische Regierung holt zum finalen Schlag gegen die demokratische Opposition aus. Bundeskanzlerin Merkel sichert Ankara Unterstützung zu. Von Peter Schaber Recep Tayyip Erdogan und Angela Merkel 2014 in Berlin N ach dem Attentat auf Polizeikräfte im Istanbuler Stadtteil Besiktas am vergangenen Samstag zeichnet sich in der Türkei eine Verschärfung der Hetzjagd auf Oppositionelle ab. Bei dem Anschlag kamen Regierungsangaben zufolge 44 Menschen ums Leben, darunter 36 Polizisten. In einem am Sonntag verbreiteten Bekennerschreiben erklärten die »Freiheitsfalken Kurdistans« (TAK), dass »nicht das türkische Volk« Ziel der Aktion gewesen sei. Allerdings könne niemand ein »komfortables Leben« erwarten, solange der Kurdenführer Abdullah Öcalan inhaftiert sei und der »türkische AKP-Faschismus« seine Massaker im kurdischen Südosten der Türkei fortsetze. Obwohl umstritten ist, in welchem Verhältnis die TAK zur Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) stehen, beschuldigte Ankara unmittelbar nach dem Attentat letztere der Urheberschaft. Es könne »keinen Zweifel geben«, dass die PKK hinter dem Anschlag stehe, erklärte Ministerpräsident Binali Yildirim. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan kündigte an: »Es ist unsere Aufgabe, nun Rache zu nehmen.« Das AKP-Regime nutzte die Gunst der Stunde, um die Repression gegen die legale demokratische Opposition auszuweiten. Büros der linken, prokurdischen Partei HDP wurden von Spezialeinheiten gestürmt und verwüstet, an den Wänden ließen Polizisten nationalistische Schmierereien zurück. Zwar hatte die HDP unmittelbar nach den Explosionen in Besiktas die Tat deutlich verurteilt und den Opfern ihr Beileid ausgesprochen, doch verfolgen Staatspräsident Erdogan und Ministerpräsident Yildirim seit längerem das Ziel, die Partei zu kriminalisieren. In den vergangenen Wochen waren bereits die Parteivorsitzenden der HDP, Selahattin Demirtas und Figen Yüksedag, festgenommen worden, gegen nahezu alle Parlamentsabgeordnete der Partei laufen Ermittlungsverfahren. »Allein von Sonntag bis heute wurden 238 unserer Mitarbeiter festgenommen«, erklärte der HDP-Parlamentarier Ziya Pir am Montag gegenüber junge Welt. »In den vergangenen zwölf Monaten waren es etwa 10.000 Menschen, davon sind mehr als 5.000 immer noch im Gefängnis. Das, was hier geschieht, ist schlimmer als ein Parteiverbot. Würde nur die Partei verboten, könnte man eine neue gründen. Aber wenn diese Verhaftungswellen so weitergehen, werden wir irgendwann einfach keine Mitarbeiter mehr haben.« Die Partei, so Pir, könne in der momentanen Situation nicht ihrer eigentlichen Arbeit nachkommen. »Es ist eine sehr schlimme Zeit. Momentan versuchen wir zu überleben. Aber wir werden uns nicht ergeben. Wir werden den Repressalien standhalten.« Unterstützung erhält Ankara von den Kräften, die mitschuldig an der militärischen Eskalation im Südosten der Türkei sind. NATO-Generalse- kretär Jens Stoltenberg verurteilte die »furchtbaren Terrorakte« und sicherte der türkischen Regierung die »Solidarität« des Militärbündnisses zu. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von einer »menschenverachtenden« Tat und garantierte der Türkei, »die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus zu intensivieren«. Schon jetzt verfolgen deutsche Behörden kurdische Exilaktivisten, der Krieg gegen die kurdische Bewegung im Südosten der Türkei und im Norden Syriens wird mit deutschen Waffen und deutscher Munition geführt. Kritisch äußerte sich dagegen gegenüber jW die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke (Linke): »Jede Stützung des Erdogan-Regimes führt zu einer Vertiefung der Spaltung der Türkei und damit zu noch mehr Blutvergießen. Die Waffenlieferungen müssen daher genauso aufhören wie jegliche polizeiliche, militärische und geheimdienstliche Zusammenarbeit.« Siehe Seite 2 Amtliche »Schattenfinanzplätze« Entwicklungsorganisation Oxfam präsentiert Liste mit »schlimmsten Steueroasen« D ie Niederlande und die Schweiz gehören nach einem Bericht der internationalen Entwicklungsorganisation Oxfam zu den »schlimmsten Steueroasen« der Welt. Oxfam veröffentlichte am Montag unter der Überschrift »Steuerkämpfe« einen Bericht mit einer Liste von 15 Staaten und Gebieten. Diesen wird vorgeworfen, Unternehmen aktiv bei der Umgehung von Steuergesetzen zu helfen. Unter den 15 sind auffällig viele neokoloniale Gebilde Großbritanniens zu finden. Den ersten Platz auf der Liste belegen dessen »Überseegebiete« Bermuda und Cayman-Inseln. Es folgen die Niederlande, die Schweiz, Singapur, Irland, Luxemburg, Curaçao (Niederlande), Hongkong (VR China), Zypern, die Bahamas, Jersey (britischer Kronbesitz), Barbados, Mauritius und die Britischen Jungferninseln. Die genannten Länder und Gebilde würden arme Staaten jährlich um Einnahmen von mindestens 100 Milliarden US-Dollar (rund 95 Milliarden Euro) bringen. Das wäre laut Oxfam genug, um den 124 Millionen Mäd- chen und Jungen der Welt, die nicht zur Schule gingen, Bildung zu bieten, und jedes Jahr den Tod von sechs Millionen Kindern durch medizinische Versorgung zu verhindern. Die Organisation mit Sitz im britischen Oxford forderte von den »führenden Industrie- und Schwellenländern« (G20) schärfere Maßnahmen gegen Steuervermeidung. »Steueroasen stehen im Zentrum eines ruinösen Steuerwettlaufs. Sie müssen dringend trockengelegt werden«, sagte ein Sprecher der Hilfsorganisation. »90 Prozent der 200 weltgrößten Konzerne« hätten dort »Ableger«. Nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) macht die Liste deutlich, dass es »Schattenfinanzplätze längst nicht nur in der Karibik gibt«. Die Bundesregierung müsse dringend ihren Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Steuerumgehung nachbessern. Kriterien für die OxfamRangliste waren den Angaben zufolge unter anderem extrem niedrige oder keine Unternehmenssteuersätze und die Gewährung unverhältnismäßiger Steueranreize. (dpa/jW) Damaskus. Das Oberhaupt der katholischen Kirche, der Argentinier Jorge Mario Bergoglio, hat einen Brief an den syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad (Foto, r.) geschrieben. Das Schreiben wurde am Montag in Damaskus vom neu berufenen apostolischen Nuntius in Syrien, Kardinal Mario Zenari (l.), übergeben, wie die syrische Nachrichtenagentur SANA berichtete. Der Vatikan wollte zum Inhalt des Briefs keine Angaben machen, wie der österreichische Rundfunk ORF meldete. Bergoglio, auch bekannt als Papst Franziskus, bekundet laut SANA in der Botschaft seine tiefempfundene Sympathie mit Syrien und seinem Volk. Gleichzeitig verurteile der Vatikan alle Formen von Extremismus und Terrorismus. Alle Kräfte müssten gebündelt werden, um den Krieg in dem Land zu beenden und Frieden wiederherzustellen. Der Papst hatte am Sonntag erneut zu einem Waffenstillstand aufgerufen. (jW) Siehe Seite 2 Bundesregierung will Mali-Einsatz ausweiten Berlin. Der Bundeswehreinsatz zur angeblichen Überwachung des Friedensprozesses im westafrikanischen Mali soll ausgeweitet werden und künftig auch Hubschrauber umfassen. Das neue Mandat gelte für maximal 1.000 Soldaten statt bisher 650, teilte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Montag mit. Zudem sei an bis zu vier Rettungs- und Unterstützungshubschrauber gedacht. Der Bundestag müsse darüber im Januar entscheiden. In der Wüstenstadt Gao im Norden Malis hat die Bundeswehr zur Zeit etwa 550 Soldaten stationiert. Die Deutschen sind Teil des etwa 15.000 Soldaten und Polizisten umfassenden UN-Einsatzes »Minusma« zur Überwachung eines Friedensabkommens zwischen der Regierung und Rebellen.(Reuters/jW) wird herausgegeben von 1.967 Genossinnen und Genossen (Stand 6.12.2016) n www.jungewelt.de/lpg
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