Stresstest für die US-Demokratie

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Ausgabe 10 | 14. Dezember 2016
Stresstest für die US-Demokratie
Gunther Schilling
Leitender Redakteur
­ExportManager,
FRANKFURT BUSINESS MEDIA
Die Nachricht vom Wahlsieg Donald Trumps war gerade einmal zwölf Stunden alt, als sich die Teilnehmer am Vorabendempfang
der „10. Transatlantischen Jahreswirtschaftskonferenz“ im Commerzbank-Tower versammelten. In der Jubiläumsveranstaltung von
AmCham Germany und FRANKFURT BUSINESS MEDIA am 9. und 10. November 2016 überwog vorsichtiger Optimismus, dass die
Checks and Balances zu einer pragmatischen Anpassung der Wahlkampfaussagen des zukünftigen US-Präsidenten führen.
gunther.schilling@
frankfurt-bm.com
TTIP rückt in den Hintergrund
Prof. James D. Bindenagel, ehemaliger USBotschafter in Deutschland und derzeit
Henry-Kissinger-Professor an der Universität Bonn, hielt eine neue Variante der
transatlantischen Handelsabkommen
parat: den Beitritt Großbritanniens zur
NAFTA. Auch dadurch würden die beiden
Handelseuropa Europa und Nordamerika
verbunden. Und Donald Trump hätte eine
© mj0007/iStock/Thinkstock/Getty Images
Majorie A. Chorlins, Vice President European Affairs bei der U.S. Chamber of Commerce, begann die Diskussion am Vorabend mit der beruhigenden Einschätzung, die Wahl Donald Trumps sei kein
Referendum über den freien Handel
gewesen. Sie sei lediglich Ausdruck der
Unsicherheit über dessen Auswirkungen.
Es sei derzeit schwer, mit Argumenten pro
TTIP bei der Bevölkerung durchzudringen. Daher solle man das Thema besser
nicht ansprechen. Derzeit werde eher
über das transpazifische Abkommen TPP
diskutiert, dessen Ratifizierung anstehe.
Auch NAFTA sei ein Thema, da Trump das
Abkommen in Zweifel gezogen habe.
hätte eher auf TTIP setzen sollen. Nun
stehe man vor der Frage, ob Donald
Trump auf dem Treffen der G20 im Juli in
Deutschland eher den Kontakt zu autoritären Regierungen suchen werde oder ob
sich die USA sogar zunehmend isolieren
werden.
Das Kapitol in Erwartung politischer Weichenstellung – am Ende dürfte sich der Pragmatismus durchsetzen.
Möglichkeit, seine Ablehnung gegen
NAFTA zu relativieren. Bindenagel forderte im Gegensatz zu Chorlins dazu auf,
mit den Bürgern über TTIP zu sprechen.
Die Bürger müssten besser informiert
werden. Sie fühlten sich wirtschaftlich
abgehängt.
Dr. Josef Braml, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Programms USA/Transatlanti-
sche Beziehungen der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, wies darauf
hin, dass auch der Kongress protektionistische Maßnahmen vorantreiben könne.
Im Übrigen nütze es nur China, wenn das
transpazifische Abkommen TPP nicht ratifiziert würde. Es sei schließlich von den
USA deshalb vorrangig verhandelt worden, um China auszugrenzen und den
Marktzugang in Asien zu erhalten. Man
Geopolitische Verschiebungen
Bereits Michael Reuther, Mitglied des Vorstands der Commerzbank, hatte in seiner
Eröffnungsansprache von dem Zurückdrängen der USA in Asien berichtet. So
habe der chinesische Plan der neuen Seidenstraße (One Belt, One Road) jüngst auf
der Asien-Pazifik-Konferenz des APA in
Hongkong im Zentrum der Diskussion vor
allem mit Vertretern südostasiatischer
Länder und Australiens gestanden. Die
transatlantische Perspektive sei für die
USA viel lohnender als die Orientierung
nach Asien.
Bindenagel hob die Checks and Balances
auch in der Außenpolitik hervor. Man
müsse sehen, welche Personen in die entscheidenden Funktion berufen würden.
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Ausgabe 10 | 14. Dezember 2016
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Impulse für die Binnenwirtschaft
Vor allem die versöhnliche Antrittsrede
des zukünftigen US-Präsidenten sowie die
angekündigten Steuersenkungen und
Investitionen in die Infrastruktur wurden
von den Rednern des Vorabends positiv
hervorgehoben. Majorie A. Chorlins
brachte die pragmatische Läuterung
eines jeden amtierenden US-Präsidenten
auf den Punkt: „Wenn man im Oval-Office
sitzt, sieht die Welt anders aus.“
Trump habe eine binnenorientierte
Agenda, er werde aber nicht die Wirtschaft durch Handelsbeschränkungen
schwächen, sagte Chorlins. Handelsfragen würden auch durch die US-Handelskammer auf die Agenda gesetzt. Die
Republikaner im Kongress seien eigentlich für freien Handel und gegen staatliche Inverventionen. Auch die Bürger
seien trotz Skepsis europafreundlich.
Ian Lesser, Senior Director for Foreign
Policy, The German Marshall Fund oft the
United States, wies auf die begrenzten fiskalischen Möglichkeiten des Präsidenten
hin. Die Republikaner im US-Kongress
könnten sich einer höheren Verschuldung
zur Finanzierung der Investitionen und
der Steuersenkungen verweigern.
In der Eröffnungsdiskussion der Tagesveranstaltung betrachtete Kemal Sahin, CEO
der Sahinler Group Europe, Donald Trump
zunächst als Geschäftsmann, der die Voraussetzungen für das Wachstum nicht
schwächen werde – schon um das Ziel
einer Verdopplung der Wachstumsrate
während seiner Amtszeit zu erreichen. Er
werde aber möglicherweise Importe aus
Mexiko und China erschweren, um durch
den Ersatz der Importe Arbeitsplätze in
den USA zu schaffen.
Herausforderung Digitalisierung
Prof. Stephan Reimelt, Präsident, GE
Deutschland und Österreich, hob die
Bedeutung der lokalen Rahmenbedingungen für internationale Geschäfte hervor. So müssten auch die Vorteile der EU
an der Basis vermittelt werden. Jacqueline
Fechner, Vorsitzende der Geschäftsführung der Xerox GmbH, bezog diesen
Gedanken auf die technologische Entwicklung. Globale Forschung brauche
globale Standards, diese müssten aber
lokal adaptiert werden. Die Digitalisierung habe schon die meisten Menschen
erreicht. Nun müsse man die positiven
Aspekte verbreiten, um den digitalen
Wandel zu vermitteln.
Im anschließenden Themenforum zur
Digitalisierung der Wirtschaft erinnerte
Heinz Posterer, Leiter Standardisierung
und IPR Management der Deutschen Telekom, an die weltweite Durchsetzung des
europäischen Mobilfunkstandards GSM,
die der politischen Kooperation in der EU
zu verdanken sei. Dadurch sei ein sehr auf
Sicherheit bedachter Standard verbreitet
worden. Allerdings würden nun zunehmend Patentklagen gegen einzelne Elemente der Technologie gerichtet.
„Globale Forschung braucht
globale Standards, diese müssen
aber lokal adaptiert werden.“
Kerstin Jorna, Generaldirektorin der Europäischen Kommission, bemängelte das
geringe Vertrauen europäischer Unternehmen in die Vorteile der Digitalisierung.
Es würde zu wenig investiert und auch die
Konsumenten wären digitalen Geschäften gegenüber noch zurückhaltend. Die
EU wolle eine „Partnership for Leadership“
mit den Unternehmen, um die Digitalisierung voranzutreiben.
Detlef Tenhagen, Senior Consultant –
Technology Projects bei Harting, berichtete von seinen aktuellen Eindrücken in
China, das mit der Initiative „Made in
China 2025“ auf die Verbreitung chinesischer Standards setze. Dr. Michael Hoffmeister, Portfolio Manager Software bei
Festo, wies auf die Zusammenarbeit mit
China, Japan, Frankreich, Italien und den
USA bei der Vereinheitlichung der Semantik auf Innovationsplattformen hin.
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Klar sei, dass die USA nicht länger allein
für die Sicherheit verantwortlich sein wollen. Deutschland habe bereits erklärt,
mehr Verantwortung übernehmen zu
wollen. Donald Trump brauche auch wirtschaftliche Argumente für eine weiterhin
enge Zusammenarbeit mit Europa.
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