Spiel, Spaß, Ausbeutung Schafft mehr Wissen Montclair wehrt sich Bei der Ü-Ei-Produktion in Rumänien soll es ziemlich übel zugehen. Seite 9 Seit 70 Jahren forscht das WSI zu Themen abhängig Beschäftigter. Seite 10 Trumps Sieg weckt Ängste – und Widerstand. Seite 3 Foto: imago/STPP Foto: Max Böhnel Freitag, 25. November 2016 STANDPUNKT Zögerlich in der K-Frage 71. Jahrgang/Nr. 276 Sich wehren ist weiblich Frauen demonstrieren gegen Gewalt an Frauen und fordern mehr Schutzräume Bundesausgabe 1,70 € www.neues-deutschland.de Martin Schulz wechselt in die Bundespolitik Aert van Riel über den Wechsel von Martin Schulz in die Bundespolitik Präsident des Europaparlaments ist als Außenminister im Gespräch In der SPD klären sich schrittweise die offenen Personalfragen. Martin Schulz wird von der Europa- in die Bundespolitik wechseln und dort wahrscheinlich die Nachfolge von Frank-Walter Steinmeier als Außenminister antreten. Letzteres ist aber ebenso wenig endgültig entschieden wie die Frage, wer im kommenden Jahr als Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten gegen Amtsinhaberin Angela Merkel antreten wird. Dies will die Partei im Januar verkünden. Angeblich sollen erst der inhaltliche Kurs bestimmt und dann Personalfragen erörtert werden. Allerdings gewinnt man den Eindruck, dass Parteichef Sigmar Gabriel deswegen zögert, weil er noch immer darüber grübelt, ob er sich den wenig aussichtsreichen Wahlkampf als Spitzenkandidat antun will. Letztlich wird es wohl keine Rolle spielen, ob der Anwärter Gabriel, Schulz oder Olaf Scholz heißt. Alle verkörpern keine Erneuerung der Sozialdemokratie. Sie sind vielmehr Männer der Großen Koalitionen in Deutschland und Europa sowie mitverantwortlich für den dortigen Sozialabbau. Ihnen dürfte es entsprechend schwerfallen, sich glaubwürdig von der Union im Wahlkampf abzugrenzen. Der schleswig-holsteinische SPD-Regierungschef Torsten Albig hat einmal die Frage aufgeworfen, ob seine Partei noch einen Kanzlerkandidaten brauche oder vielleicht doch besser lediglich eine Regierungsbeteiligung anstreben sollte. Obwohl dieses Zitat mittlerweile 16 Monate alt ist, hat es nicht an Aktualität eingebüßt. Brüssel. Nach 22 Jahren in der Europapolitik gibt Martin Schulz (SPD) seinen Posten als EU-Parlamentspräsident auf und tritt im kommenden Jahr bei der Bundestagswahl an. Der Wechsel in die Bundespolitik befeuerte am Donnerstag in Berlin Spekulationen, dass Schulz neuer Außenminister oder gar Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten werden könnte. Zu Einzelheiten seiner politischen Zukunft äußerte sich der 60-Jährige nicht. Künftig wolle er »von der nationalen Ebene aus für das europäische Projekt kämpfen«, erklärte Schulz. Er wird voraussichtlich Anfang kommenden Jahres seinen Posten als Parlamentspräsident aufgeben. Der europapolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Norbert Spinrath, zeigte sich im Gespräch mit AFP überzeugt, »dass wir Martin Schulz dann in Zukunft in einer herausragenden Rolle in der Bundespolitik erleben werden«. AFP/nd Seite 5 UNTEN LINKS Streiken finde ich super. Nur damit erreicht man was, bei denen da oben. Also von dem bisschen, was möglich ist. Das hat schon Engels gesagt. Und Marx bestimmt auch. So ist das, liebe Leute. Auch bei Piloten. Obwohl die gar nicht so schlecht verdienen. Also vergleichsweise sogar gut. Gerade bei Lufthansa. Apropos, mit welcher Gesellschaft fliegen wir? Lufthansa? Oh. Und wann noch gleich? Schon nächste Woche? Ach. Vielleicht streiken sie dann nicht mehr. Wäre echt blöd, gerade wenn wir mal frei haben. Vielleicht streiken sie nur ein bisschen. Oder nicht gerade in Berlin. Hoffentlich ist’s dann vorbei. So lange kann Lufthansa ja nicht stur bleiben. Und die Piloten erst recht nicht. 22 Prozent, also bitte. Schon ein bisschen übertrieben. Andere dagegen ... Also wir zum Beispiel. Da lachen die drüber, diese Piloten. Gerecht ist das nicht. Eigentlich voll ungerecht. Geradezu unverschämt! Was bilden die sich ein, die da oben? Die sollen gefälligst mal richtig arbeiten gehen!!! rst ISSN 0323-3375 EU-Parlament verlangt Eiszeit Beitrittsgespräche mit der Türkei sollten ausgesetzt werden Demonstration für Opfer häuslicher und sexualisierter Gewalt wie die Studentin Özgecan Aslan (vorderes Foto) 2015 in Ankara Berlin. »Lauf, Tayyip, die Frauen kommen«, skandierten in diesem Jahr Zehntausende auf den Straßen Istanbuls. Sie protestieren gegen die stark steigende Gewalt gegen Frauen in der Türkei. Dort werden immer mehr Frauen von ihren Ehemännern oder anderen Familienmitgliedern ermordet, Hunderte im Jahr. Jedes Opfer ist zuviel, riefen Hunderttausende Frauen im Oktober auch in Argentinien, nachdem eine 16-Jährige an den Folgen einer Vergewaltigung gestorben war. Hunderte Femizide (Frauentötungen), Tausende Vergewaltigungen werden in dem lateinamerikanischen Land jährlich bei der Polizei angezeigt. Nach UN-Angaben wurden 35 Prozent aller Frauen weltweit schon einmal vergewaltigt, geschlagen oder sexuell genötigt. Anlässlich des »Internationalen Tags zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen« wollen auch an diesem Wochenende Zehntausende in Lateinamerika gegen dieses Ausmaß von Gewalt gegen Frauen auf die Straße gehen. Auch in Deutschland erlebt Studien zufolge jede dritte Frau körperliche oder sexualisierte Gewalt. Wie groß die Dunkelziffer ist, bleibt unklar. »Die Datenlage ist unbefriedigend, es müsste dringend mehr Forschung geben«, beschwert sich Katja Grieger, Spreche- Foto: AFP/Adem Altan rin des Bundesverbands der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe. Terre des Femmes kritisiert die mangelnde Finanzierung von Frauenhäusern. Tausende Frauen müssten jährlich abgewiesen werden, weil es nicht genug Plätze gebe. 1981 wurde der Aktionstag gegen Gewalt erstmals von Feministinnen in Lateinamerika ausgerufen. Sie gedachten damit dreier Schwestern, die am 25. November 1960 in der Dominikanischen Republik verschleppt, vergewaltigt und ermordet worden waren. Die Vereinten Nationen erkannten den Tag gegen Gewalt an Frauen 1999 an. ek Seite 2 Seehofers Regelwerk CSU-Chef macht Obergrenze für Flüchtlinge zur Bedingung künftiger Zusammenarbeit mit der CDU Horst Seehofer droht damit, dass seine CSU sich ab 2017 nicht an einer Bundesregierung beteiligen werde, wenn die Zuwanderung nicht auf 200 000 Menschen pro Jahr begrenzt wird. Von Uwe Kalbe Horst Seehofer ist noch nicht zufrieden. Mehr noch: Der CSU-Chef ist so unzufrieden mit der Zuwanderungspolitik Angela Merkels, dass er nun droht, die CSU werde 2017 »nur dann in Berlin mitregieren«, wenn eine Begrenzung der Zuwanderung durchgesetzt werde. »Diese Garantie gebe ich für meine Partei ab.« Gerade erst, keine Woche ist es her, hatte die CDU-Führung einen Leitantrag beschlossen, der als Grundlage für ein Regierungsprogramm nach der Bundestagswahl dienen soll. Parallel hatte Horst Seehofer die Forderung seiner CSU wiederholt: »Wie wird real erreicht, dass sich das letzte Jahr bei der Zu- wanderung nicht wiederholt ...« Dazu wolle die CSU ein »ganz konkretes Regelwerk« vereinbaren. In den Leitlinien der CDU heißt es nun, ohne dass die Quelle direkt genannt ist: »Die Ereignisse des vergangenen Jahres dürfen sich nicht wiederholen.« Gemeint ist der Zuzug Hunderttausender Flüchtlinge, der bekanntlich inzwischen vorbei ist, weil die Menschen auf ihrer Flucht vor Bürgerkrieg und Not inzwischen wieder an den EU-Außengrenzen oder schon vorher aufgehalten werden. Die CDU verweist auf eine Fülle von ergriffenen Maßnahmen der Bundesregierung, die dazu führten, »dass die Zahl der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge drastisch zurückgegangen ist«. Am Donnerstag nun erschien die »Augsburger Allgemeine« mit einem Interview, in dem Seehofer – was fordert? Genau: »Ein Regelwerk, das gewährleistet, dass sich das, was nach dem 5. September 2015 geschehen ist, in den nächsten Jahren nicht wiederholt.« Im selben Interview weist Regelwerker Seehofer zwar darauf hin, dass Merkel und die CDU ihm und seiner Partei mittlerweile längst gefolgt sind, dass sie sich »bewegt« hätten, wie er sagt. »Ohne die CSU gäbe es bis heute keine Grenzkontrollen und keine Verschärfung des Asylrechts.« Doch dann nennt Seehofer seine alte Forderung nach einer Obergrenze von »maximal 200 000 pro Jahr«; auf dieser Zahl von Flüchtlingen werde er bestehen. Längst schien die Zahl in der Versenkung verschwunden. Erstens, weil Merkel hier bisher Standhaftigkeit bewies – was Wunder, schließt das Asylrecht eine Obergrenze doch aus. Und weil die »ergriffenen Maßnahmen«, auch anderer EU-Länder, inzwischen dafür gesorgt haben, dass eine Obergrenze von 200 000 Menschen ohnehin nicht erreicht wird. Zugleich demonstriert die CDU in ihrem Leitantrag Härte. Abschiebehindernisse konsequent aufzuarbeiten und zu beseitigen, verspricht sie und »falls erforderlich, weitere Maßnahmen, wie etwa Transitzonen«. Außerdem droht sie: »Wer sich der Integration verweigert und unsere Rechtsund Werteordnung missachtet, muss mit Sanktionen bis hin zu Leistungskürzungen und Ausweisung rechnen.« Doch was nun? Seehofer ist noch nicht zufrieden. } Lesen Sie morgen im wochen-nd Fotoprojekt: Unterwegs in Griechenland TV-Serien: Unendliche Geschichten Begräbnis: Marcos und die Philippinen Straßburg. Mit breiter Mehrheit hat das Europaparlament am Donnerstag in Straßburg ein vorübergehendes Einfrieren der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei gefordert. Von 623 Parlamentariern stimmten 479 für die Resolution und 37 dagegen. Die EU-Abgeordneten verlangten von der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten, nicht weiter mit Ankara über offene Verhandlungskapitel zu sprechen und keine neuen zu eröffnen. Sie reagierten damit auf die Verhaftungswelle in der Türkei nach dem Putschversuch Mitte Juli. Rechtlich bindend ist die Aufforderung allerdings nicht. Die türkische Führung konnten die Abgeordneten damit nicht beeindrucken. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte bereits am Mittwoch den Beschluss für wertlos erklärt. Ministerpräsident Binali Yildirim bekräftigte dies am Donnerstag. »Die Beziehungen mit der Europäischen Union sind ohnehin nicht so eng«, sagte er in Ankara. Der türkische EU-Minister Ömer Celik nannte die Entscheidung »kurzsichtig«. dpa/nd Kein Fährverkehr in der Ägäis Protest in Griechenland gegen Rentenkürzungen und Kurzarbeit Athen. Tausende Griechen haben am Donnerstag aus Protest gegen die harten Sparmaßnahmen der Regierung unter Alexis Tsipras gestreikt. Seeleute und Staatsbedienstete traten für 24 Stunden in den Ausstand. Wichtigste Auswirkung: Seit 5 Uhr früh lief keine Fähre aus Piräus und den anderen Häfen der Ägäis aus. Die Fähren sollten erst am heutigen Freitag wieder ablegen. Die Seeleute protestierten ihrer Gewerkschaft zufolge gegen Rentenkürzungen und die in der Branche weit verbreitete Kurz- und Schwarzarbeit. Auch die Gewerkschaft der Staatsbediensteten streikte für 24 Stunden. Wichtigste Auswirkung hier: Die Ärzte in staatlichen Krankenhäusern behandelten nur Notfälle. Die Staatsbediensteten fordern mehr Geld und die Einstellung zusätzlichen Personals. Um die Mittagszeit gingen nach Schätzungen der Polizei rund 4000 Menschen in Athen auf die Straße. Sie skandierten: »Es reicht, keine Kürzungen mehr«, wie Reporter vor Ort berichteten. dpa/nd
© Copyright 2025 ExpyDoc