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Ein leichtes Buch mit schwerer Kost
Uitikon Zwei Autorinnen, viele berührende Schicksale, ein
Werk: «Die Brückenbauerin»
von Hélène Vuille und Helene
Arnet wurde gestern getauft.
VON FLURINA DÜNKI (TEXT UND FOTO)
Das Buch «Die Brückenbauerin» ist mit
seinen 188 Seiten ein Leichtgewicht.
Dies sagte Max Elmiger, Direktor von
Caritas Zürich, als er das neue Buch
über Hélène Vuilles Erlebnisse im Zusammenhang mit ihrem Anti-Foodwaste-Projekt vorstellte. Der Inhalt jedoch
wiege um einiges schwerer. Nicht nur,
weil es darin um die Schicksale von
Menschen am Rande der Gesellschaft
ginge, denen die Birmensdorferin im
Rahmen ihres Engagements, Tages-
frischprodukte nach Ladenschluss an
Obdachlosenheime zu liefern, begegnet
war. Sondern, so Elmiger, weil auch
sehr viel Weisheit aus diesen Seiten
spreche.
schreiben, werden hauptsächlich in der
Stadt Zürich ausgetragen. Dort, wo Vuille und ihre freiwilligen Helfer seit 18
Jahren Esswaren von Lebensmittelhändler holen und in Obdachlosenheime, Hospize und öffentliche Abgabe-
Keine Weihnachtsgeschichte
Der grosse Saal im Üdiker-Huus, wo
die beiden Co-Autorinnen Hélène Vuille
und Helene Arnet gestern ihr gemeinsames Werk vorstellten, war bis auf den
hintersten Platz gefüllt. Bereits säumten geschmückte Weihnachtsbäume die
Stuhlreihen. Fast wäre der Zuschauer
in weihnachtliche Stimmung eingetaucht, würden die Geschichten von
Vuilles Protagonisten nicht vom nackten Überleben handeln. Die Kämpfe
um eine warme Mahlzeit, um ein Dach
für die nächste Nacht, die Rückgewinnung ihrer Menschenwürde, die die Autorinnen im gestern getauften Buch be-
«Viele Menschen fragen
mich regelmässig, wann ich
ihnen eine Stimme gebe.»
Hélène Vuille
Anti-Foodwaste-Aktivistin
Die Autorinnen Helene Arnet (links)
und Hélène Vuille.
stellen bringen. «Hélène geht, ohne
voreingenommen zu sein, auf jeden
Menschen zu und hört sich mit viel Geduld seine Geschichte an», beschreibt
Co-Autorin Arnet den Abend, als sie
Vuille einst für den Tages-Anzeiger in
ein Hospiz begleitete. Im Buch beschreibt Arnet noch weitere Episoden,
anhand derer der Leser die Aktivistin
und ihr Schaffen kennenlernt. «Viele
der Menschen, die ihr Leben am Rande
der Gesellschaft fristen, fragen mich regelmässig, wann ich ihnen eine Stimme
gebe», sagt Vuille. Denn aufgrund ihres
Status als Ausgegrenzte würde niemand hören, wenn sie versuchen würden, selber ihre Stimme zu erheben.
Vuille sieht ihr Freiwilligenengagement
keineswegs als Opfer: «Diese Menschen
geben mir unglaublich viel zurück»,
sagt sie und erzählt von den 25 handgeschriebenen Seiten, auf denen ihr Fernando seine Geschichte von seiner Zeit
als Verdingbub bis hin zum Leben auf
der Strasse beschreibt. Im neuen Buch
erhält auch er eine Stimme.
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