AKTUELL R o l a n d R e c k Zum Schämen NEW YORK / BERLIN. Es ist schon gute Sitte, dass wenn BLIX über den großen Teich blickt und Fragen zum Weltgeschehen hat, auf der anderen Seite Lia Petridis nach Antworten sucht. So auch in diesem Fall. Der Unterschied, die Journalistin ist vor kurzem nach Berlin umgezogen, nach 12 Jahren New York. Doch den Aufstieg Donald Trumps zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner hat sie noch hautnah miterlebt und auch seinen Wahlkampf gegen Hillary Clinton verfolgt, so dass die 42-Jährige als profunde Kennerin der US-amerikanischen Politik und Kultur die kompetente Ansprechpartnerin für BLIX ist. Frau Petridis, ist es europäischer Snobismus, wenn man mit Abscheu und blanken Entsetzen den US-amerikanischen Wahlkampf verfolgt? Ich stelle fest, dass die Hysterie um den US-Wahlkampf hierzulande teils größer ist als drüben. Was ich daran festmache, dass man in Deutschland Politik oftmals sehr pessimistisch kommentiert. Das Glas ist halb leer, bei den Amerikanern ist es meistens halb voll, was im Übrigen eine ausgesprochen wohltuende Lebenseinstellung ist. Es wird meiner Meinung nach generell weniger genörgelt und dafür mehr zugepackt, im Sinne von Eigeninitiative zeigen, auch das mag ich ausgesprochen gern. Ist die Berichterstattung der deutschen Medien voreingenommen? Ich glaube teilweise ja, aber ich glaube nicht, dass das Vorsatz ist, sondern in der Natur der Sache liegt. Manche Journalisten oder Korrespondenten kommen mit einem sehr gefestigten Weltbild, das manchmal, je nach politischer Ausrichtung, auch durchaus anti-amerikanische Züge haben kann, und bleiben dann natürlich auch nicht lang genug, um sich tatsächlich umfassend über Land und Leute zu informieren. Oder lassen sich auch nicht genug auf das Land ein. Ich glaube, man sollte sich zu einem gewissen Grad integrieren, um wirklich die Essenz einer Kultur erfassen zu Ein Wahlkampf zum Abgewöhnen, dessen unterirdisches Niveau zwar von Donald Trump bestimmt wird, aber Hillary Clinton gilt nur als Notlösung, „um das Schlimmste zu verhindern“. Nun sind die Dinge, die Trump sagt und tut zum Teil entsetzlich und auch die Nominierung von Hillary Clinton als demokratische Präsidentschaftskandidatin ist für einen Bernie Sanders Fan starker Tobak, aber ich gehe natürlich davon aus, dass Trump diese Wahl nicht gewinnen wird. Da bin ich Optimistin. Deshalb muss man die Wahlen meiner Ansicht nach weder mit ‚Abscheu‘ noch ‚blankem Entsetzen‘ verfolgen, sondern eher mit ‚gespannter Erwartung‘. 6 können. Wenn man das denn möchte. Ich hatte oft den Eindruck, während ich für verschiedene Medien aus den USA berichten durfte, dass deutsche Redakteure oftmals mehr Wert darauf legten, ihre vorgefasste Meinung bestätigt zu sehen, als sich tatsächlich mal auf neue Perspektiven einzulassen. Abgesehen von der Tatsache, dass es viele Missstände in den USA gibt, die kritikwürdig sind, aber die gibt es in jedem Land, nehmen die USA durch ihre Rolle als Supermacht einen Lia Petridis ist mit griechischen Wurzeln in Hannover geboren und ging nach Studium und Volontariat bei der Schwäbischen Zeitung als freie Journalistin nach New York, wo sie für viele deutsche Medien gearbeitet hat. Im Sommer zog die 42-Jährige nach Berlin, wo sie nun als stellvertretende Fraktionssprecherin der Linken arbeitet. Sonderstatus ein, der mit einer großen Verantwortung gepaart ist. Ich finde es auf jeden Fall fragwürdig, sich als Deutsche(r) moralisch über die USA zu erheben. Wird in den USA darüber diskutiert, dass bei diesem Wahlkampf auch das Image des demokratischen Musterlandes, das im Selbstverständnis und nach außen den Führungsanspruch legitimiert, lächerlich gemacht wird? Schämt man sich in den USA für diesen Wahlkampf? Meine größtenteils liberalen und sehr Europafreundlichen Freunde schämen sich tatsächlich über die Dinge, die Donald Trump sagt. Ich sage dann, dass wir in Europa mit Frauke Petry, Pegida, Geert Wilders, Nigel Farage, Viktor Orban, Marine Le Pen, Tausenden Wutbürgern und einer stetig anwachsenden Zahl an Übergriffen auf Wehrlose in Deutschland und Europa ebenfalls ganz gut bedient sind. Ich bin im Übrigen begeistert, wie die US-amerikanische Öffentlichkeit mit AntiTrump-Aufmärschen und in Zusammenarbeit mit den Medien und sehr oft auch mit einer großartigen Portion Humor an der Demontage des republikanischen Präsidentschaftskandidaten mitwirkt. Damit kommt man dem „Image des demokratischen Musterlandes“ doch schon sehr nah, wie ich meine. Ist dieser Wahlkampf eine Gefahr für die Demokratie oder womöglich gar ein Indiz für deren Untergang, weil er das Gegenteil von Aufklärung ist? Nein. Was ist geblieben von dem „Yes we can!“ eines Barack Obama vor acht Jahren? AKTUELL Eine Gesundheitsreform und im Ergebnis eine Basis-Krankenversicherung für jeden Amerikaner. Nachhaltiger, wirtschaftlicher Aufschwung in den USA, ein Nuklear-Deal mit dem Iran, die Öffnung zu Kuba, die Einführung der Homo-Ehe, die Gleichbezahlung von Frauen und sehr deutliche Stellungnahmen zur Rassismus-Debatte in den USA, seitens des Präsidenten. Basis weiter bei Laune halten will. Er plant gerade ein Volksbegehren, um ein universales Gesundheitssystem nach europäischem Vorbild einzuführen und hofft natürlich, dass sich diese Initiative auch national durchsetzen könnte. Wir werden sehen. Ich bin einfach erfreut, dass er nach wie vor versucht, seine Ideen umzusetzen, steter Tropfen höhlt ja bekanntlich den Stein. Hillary Clinton wird aller Voraussicht nach, nach dem ersten schwarzen Präsidenten, die erste Frau in diesem Amt sein. Aber keine Spur von Begeisterung – auch nicht von Frauen. Warum? Hillary Clinton führt bei den jüngsten Umfragen mit 50 zu 38 Prozent Zustimmung. Sie liegt damit um zwölf Prozent vor Donald Trump. Am 18. Oktober veröffentlichte das Brookings Institut eine Studie, dass voraussichtlich weiße US-Amerikanerinnen mit Uni-Abschluss der Hauptwählerblock für Hillary Clinton sein werden. Es scheint, dass sich die US-amerikanische Öffentlichkeit damit abgefunden hat, dass es mittlerweile erstmal nur darum geht, das Schlimmste zu verhindern. Welche Ursachen werden in den USA für das Phänomen Trump genannt? Gibt es eine schlüssige Erklärung, die auch uns Europäern einleuchtet? Ja, ich glaube schon. Denn ich denke, der von der Globalisierung und fortschreitender Technologisierung sowie dem Klimawandel und der Migration sich bedroht fühlenden Wutbürger findet sich leider in zunehmender Zahl sowohl in den USA als auch in Europa. De facto ist es ja auch so, dass die Menschen mit einer ganzen Reihe neuer Probleme konfrontiert sind, was aber nicht heißt, dass Frustration ein Lösungsansatz ist. Es geht um Leute, die meinen, sie seien zu kurz gekommen, die Existenzängste haben und im Gegenzug Institutionen und Eliten misstrauen. Das ist auch angebracht, wie ich finde, aber die teilweise martialisch anmutende Rhetorik Einzelner und auch die Übergriffe auf Minderheiten als Ergebnis dieser Frustration sind teilweise schon beängstigend. Welche Rolle spielt Bernie Sanders noch bei den Demokraten? Wie verhält er sich zu Clinton, die er ja im Vorwahlkampf auch hart kritisiert hat wegen ihrer angeblichen Abhängigkeit von der Wall Street? Was Trump ihr ja auch vorwirft. Ich vernahm, dass Bernie Sanders nach wie vor sehr aktiv ist. Im Augenblick in Colorado. Es hat den Anschein, dass er dort nicht nur versucht Hillary Clinton im Wahlkampf zu unterstützen, sondern dass er zudem auch seine eigene Arb e itsgrupp e Was kommt nach dieser Wahl? Präsident Barack Obama hat angekündigt, zwei Wochen zu schlafen, und ich bin froh, sehr wahrscheinlich erstmal eine lange Zeit nichts mehr von Donald Trump zu hören. G e s c h l e c ht e r G e r e c ht Einblicke in die Situation der Frauen weltweit BIBERACH. Auch heute noch zählen Rechte und Gleichberechtigung der Frau zu den wichtigsten und am häufigsten diskutierten Themen. Die Lokale Agenda 21 der Stadt Biberach, Arbeitsgruppe Geschlechter Gerecht, hat für den Herbst mehrere Veranstaltungen zum Terre des Femmes Tag geplant und gibt damit einen tiefgreifenden Einblick in die aktuelle Situation der Frauen weltweit. So findet am Sonntag, den 20. November um 17 Uhr in der Kirche zur Heiligsten Dreifaltigkeit in Biberach eine Frauenpredigt unter dem Titel „Gotteskünderinnen“ zum Thema „zuMutungen - Frauen leben global“ statt. Die Predigt hält Manuela Waitzmann, Theologin und Geschäftsführerin beim Oikocredit Förderkreis Baden-Württemberg e.V. in Stuttgart. Desweiteren findet eine Wanderausstellung mit dem Titel „Ohne Glanz und Glamour – Prostitution und Frauenhandel im Zeitalter der Globalisierung“ statt. Die Ausstellung ist vom 22. November bis 2. Dezember im Foyer der vhs zu sehen. Am Samstag, den 26. November gibt es um 11 Uhr eine Führung mit Solveig Senft vom Terre des Femmes e.V.. Ebenfalls auf dem Programm steht ein Vortrag von Manfred Paulus am Mittwoch, den 23. November um 19.30 Uhr in der vhs Biberach. Das Thema lautet „Zur Wirklichkeit des Frauenhandels und der Prostitution“. Manfred Paulus war 25 Jahre lang Kriminalhauptkommissar und Leiter des Dezernates zur Bekämpfung von Sexualdelikten bei der Kriminalpolizei in Ulm. Infos/Fragen: Stadtverwaltung Biberach, Rouven Klook, Tel. 07351-51818, E-Mail: [email protected] 7
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