30. Sonntag im Jahreskreis C Lesung aus dem Buch Jesus Sirach (35, 15b-17.20-22a) Der Herr ist der Gott des Rechts, bei ihm gibt es keine Begünstigung. Er ist nicht parteiisch gegen den Armen, das Flehen des Bedrängten hört er. Er missachtet nicht das Schreien der Waise und der Witwe, die viel zu klagen hat. Wer Gott wohlgefällig dient, der wird angenommen, und sein Bittruf erreicht die Wolken. Das Flehen des Armen dringt durch die Wolken, es ruht nicht, bis es am Ziel ist. Es weicht nicht, bis Gott eingreift und Recht schafft als gerechter Richter. Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas (18, 9-14) In jener Zeit erzählte Jesus einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten, dieses Beispiel: Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stellte sich hin und sprach leise dieses Gebet: Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort. Ich faste zweimal in der Woche und gebe dem Tempel den zehnten Teil meines ganzen Einkommens. Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wagte nicht einmal, seine Augen zum Himmel zu erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig! Ich sage euch: Dieser kehrte als Gerechter nach Hause zurück, der andere nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden. Das Beispiel vom Pharisäer und vom Zöllner wird denen erzählt, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt sind. Es geht dabei nicht darum, das praktizierte Christsein in Form des Fastens oder Spendes (heute vielleicht das Zahlen des Kirchenbeitrags) per se schlecht zu machen. Es geht darum, an die innere Haltung zu erinnern, die vor Gott ausschlaggebend ist und die zu guten Werken antreiben soll. Deswegen steht Gott auf der Seite der Armen, die sich auf ihre Leistungen nichts einbilden können, sondern dankbar vieles in die Hände Gottes und anderer Menschen legen können und müssen. Käme er heute Er hätte es auch nicht leichter Mit seinen langen Haaren Hätte man ihn schnell verstaut In dieser Schublade Und mit seinem weiten Hemd und den Sandalen Würde man ihn glatt für einen Penner halten Oder für einen zwielichtigen Abgesandten der Konkurrenz Jehova oder Hare Krishna oder Bhagwan Würde er Kranke heilen, ohne die ganze Pharmaindustrie Käme er am Ende gleich ins Gefängnis Als Scharlatan und Aufwiegler Als Ketzer würden sie ihn bezeichnen Als Narren auslachen Als Spinner verteufeln Und am Ende wäre er der größte Außenseiter von allen Und glauben würde keiner an ihn Damals haben sie ihren Wunderglauben an den Nagel Und ihn ans Kreuz gehängt Und heute würden sie es wieder tun Genau wie damals Denn eher hängen sie die Kreuze ab Als den Gekreuzigten Aus: „Saisonschluß“, Andrea Sailer (geb. 1972, Schriftstellerin) Immer wenn ich das Evangelium lese oder höre, stockt mir kurze Zeit der Atem und ich denke mir dann: „Und wie gehe ich oft mit meinen Mitmenschen um? Werte ich nicht auch hin und wieder Menschen ab aufgrund ihres äußeren Aussehens usw.? Denke ich nicht auch manchmal so ähnlich wie dieser Pharisäer im Evangelium? Rede ich nicht auch manchmal schlecht über andere hinter ihrem Rücken?“ Was denken Sie, wenn Sie einen Punk mit einem Stachelhalsband sehen? Was denken Sie, wenn Sie in der Fußgängerzone von einem Bettler angesprochen werden? Was denken Sie, wenn Sie einem andersfarbigen Menschen auf der Straße begegnen? Gerade im Jahr der Barmherzigkeit sind wir eingeladen, unser Denken und Reden über unsere Mitmenschen zu überdenken. „Ich rede gut über Dich“ heißt eines der neuen, aktuellen „Werke der Barmherzigkeit“, die Bischof Joachim Wanke für unsere heutige Zeit formuliert hat. Jeder von uns hat wohl schon selbst einmal erlebt, wie gut es tut, wenn Menschen in einem Gespräch, in einer Sitzung, in einem Telefonat oder sonst wo das Gute und Positive an mir, meine Talente und Fähigkeiten schätzen und erwähnen. Oft fehlt es aber an einer grundsätzlichen Wertschätzung des anderen, ein grundsätzliches Wohlwollen für ihn und seine Anliegen und die Achtung seiner Person. Gut über den anderen zu reden und dem anderen das Gute auch ehrlich ins Gesicht zu sagen, das ändert auch das Klima zum Positiven hin – in der Familie, im Beruf, in der Pfarre oder anderswo. Ich lade Sie heute ein, sich in der vor uns liegenden Woche nicht die selbstgerechte Haltung des Parisäers zu eigen zu machen, sondern bewusst zu versuchen, gut über andere (und mit anderen) zu reden. Aber Vorsicht: Diese Haltung kann auch Wunder bewirken!
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