Editorial | BZB Oktober 16 Gröhes durchwachsene Bilanz Sehr verehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege, die politische Landschaft in Deutschland ist im Umbruch. Seit den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin ist klar, dass das Erstarken der AfD kein kurzfristiges Phänomen ist. Die neue Partei sitzt mittlerweile in zehn Landtagen und wird aller Voraussicht nach auch in den nächsten Bundestag einziehen. Die „etablierten“ Parteien wissen nicht, wie sie mit der Konkurrenz am rechten Rand umgehen sollen. Vor allem in der Flüchtlingspolitik herrscht Chaos. Weshalb erwähne ich das im Bayerischen Zahnärzteblatt? Die Antwort ist einfach: Angesichts der Flüchtlingsdebatte besteht die Gefahr, dass andere politische Themen in den Hintergrund treten. Die Zukunft unseres Gesundheitswesens ist mir aber mindestens genauso wichtig, wie die Frage nach einer „Obergrenze“ für Asylbewerber. Und sie ist sogar damit verknüpft. Denn schließlich ist auch die „Ressource“ medizinische Versorgung nicht unbegrenzt verfügbar. Ich darf an dieser Stelle erneut meinen Dank an alle Kolleginnen und Kollegen zum Ausdruck bringen, die sich den Herausforderungen stellen, die die Versorgung von Migranten mit sich bringt. Seitens der KZVB haben wir vor gut einem Jahr rasch gehandelt und mit dem bayerischen Sozialministerium die sogenannte „Positivliste“ vereinbart, die Rechtssicherheit für die Praxen geschaffen hat. Doch mittlerweile ist ein Großteil der Asylbewerber länger als 15 Monate in Deutschland. Sie haben damit Anspruch auf Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und deren Leistungskatalog. Die meisten Flüchtlinge sind zudem aufgrund ihres niedrigen Einkommens Härtefälle, denen gemäß § 55 SGB V der doppelte Festzuschuss zusteht. Die Krankenkassen verweisen zu Recht darauf, dass der staatliche Beitrag von rund 90 Euro im Monat in den wenigsten Fällen kostendeckend ist. Merkels „Wir schaffen das“ muss auch für die Krankenversicherung gelten. Die medizinische Versorgung der Asylbewerber ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die durch Steuern gegenfinanziert werden muss. Sie darf nicht den Beitragszahlern in der GKV aufgebürdet werden. Das wäre Wasser auf die Mühlen rechter Demagogen. Dr. Janusz Rat Vorsitzender des Vorstands der KZVB Doch nicht nur die Asylbewerber stehen auf der gesundheitspolitischen Agenda. Mitte September fand das Gesundheitspolitische Oktoberfest von Kassenärztlicher und Kassenzahnärztlicher Vereinigung im Zahnärztehaus München statt (siehe Seite 8). Leider sind dieses Jahr nur zwei Abgeordnete unserer Einladung gefolgt. Ich gehe davon aus, dass es 2017 deutlich mehr sein werden, denn dann ist Wahljahr. Die gesundheitspolitische Bilanz der Großen Koalition ist durchwachsen. Eine Umfrage des RheinischWestfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung hat kürzlich ergeben, dass 62 Prozent der Ärzte unzufrieden mit der Arbeit von Hermann Gröhe sind. 45 Prozent der Krankenhausärzte haben aus Budgetgründen auf medizinisch angeratene Behandlungen verzichtet. Vor zwei Jahren waren es nur 27 Prozent. Auch wir Zahnärzte wissen, was es heißt, wenn das Budget einer Krankenkasse ausgeschöpft ist. Über die Rückbelastungen bei der AOK Bayern für das Jahr 2015 haben wir Sie im letzten Rundschreiben informiert. Ich bedauere sehr, dass die schwarz-rote Regierung trotz eindringlicher Appelle der zahnärztlichen Körperschaften dieses Problem nicht angegangen ist. Wir werden im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 allen Parteien die Frage stellen, wie sie die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen wollen und darüber auch im Bayerischen Zahnärzteblatt berichten. Übrigens muss jeder Politiker auch einmal zum Zahnarzt. Fragen Sie ihn doch, wie er es mit der Gesundheitspolitik hält. Ihr | 3
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