Vorwort von Präsident Leitl

UDW Spezial 2016
VORWORT
Liebe Leserinnen und Leser!
NACH DEM PARISER KLIMAVERTRAG:
CHANCEN DER WIRTSCHAFT NUTZEN!
Die Wirtschaft ist Problemlöser – gerade
auch bei Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes. Das ist die eine Botschaft
dieses Hefts. Dabei gilt das Diktum
„tausend Wege führen nach Rom“. Wir
präsentieren nicht die eine Lösung des
Klimaproblems, sondern einen bunten, üppigen Strauß vielversprechender Entwicklungen. Die Palette der Beiträge
reicht von der Gewinnung von Algen als neue Rohstoffbasis
bis zur optimierten Zementproduktion.
Ohne diese unternehmerischen Anstrengungen blieben politische Beschlüsse Makulatur. Die Wirtschaft erfüllt sie mit
Inhalt und Leben. Unternehmen entwickeln praktikable Geschäftsmodelle.
Das zweite Statement ist: Die klimapolitisch bedingten Einschränkungen, die auf die Wirtschaft zukommen, erzeugen
Chancen für Technologieanbieter und -entwickler. Einschränkungen erzeugen Bedürfnisse, die früher oder später
als Nachfrage auf dem Markt wirksam werden. Viele Technologien, viele Branchen und noch viel mehr Unternehmen
werden gefragt sein, wenn sie sich einmal am Markt bewähren konnten. Ein Entdeckungswettbewerb großen Stils ist
damit eröffnet.
Dabei muss man nicht nur in den gewohnten Bahnen, also
Energieeffizienz und erneuerbare Energien, denken. Eine
ganz wesentliche Rolle spielt die Speicherung von Energien.
Sie ist oft das missing link. Produktion von Energieträgern
findet zu Zeiten und an Orten abseits des Verbrauchs statt,
Energie zu konservieren und transportfähig zu machen, ist
sicherlich ein Schlüssel der Energiewende.
Die Erforschung und die optimale Nutzung neuer Werkstoffe
ist ein zweiter ganz wesentlicher Erfolgsfaktor. Sie kann
auch zur Verringerung der Gestehungskosten beitragen. Dass
die Digitalisierung als Erfolgsfaktor Nummer 3 über allem
schwebt, zeigt das Thema Synchronisierung von Verbräuchen und Erzeugungen durch IKT-Systeme oder Tools (Stichwort Smart Meter).
„Job“ ist es ja, Bedürfnisse zu erfüllen. Das frühzeitige Erkennen neuer Bedürfnisse vermittelt Wettbewerbsvorteile.
Auch die Vermutung, die energieintensive Industrie bremse
die Entwicklung, ist abwegig, weil durch Bremsen noch nie
Wettbewerbsvorteile erarbeitet werden konnten. Wer es zuerst schafft, auf CO2-Emissionen zu verzichten, ist der Champion. CO2-arme Papier-, Zement- oder Stahlerzeugung sind
Megathemen für die österreichischen Industriebetriebe.
Der Auftrag des Pariser Klimavertrages ist es, die Treibhausgasemissionen weltweit zu reduzieren. Die österreichischen
Unternehmen werden an vorderster Front Schrittmacher des
technologischen Fortschritts sein. Auch dies unterstreicht
dieses Heft eindrucksvoll.
Ganz ein anderes Thema ist, dass unsere Unternehmen nicht
dafür bestraft werden dürfen, dass sie einen Teil des Weges
als Vorreiter in ihren Bereichen schon zurückgelegt haben,
während andere noch nicht damit begonnen haben. Daher
wenden wir uns gegen unausgewogene Reduktionsverpflichtungen, die ihnen die Existenzgrundlage unter den Füßen
wegziehen.
Das ist aber auch klimapolitisch der falsche Weg, wie dankenswerter Weise auch das Umweltbundesamt festgehalten
hat (Jürgen Schneider: „Ein Klimaschutz, der darin besteht
die Industrie aus Europa zu vertreiben, ist kein Klimaschutz“). Intelligente Klimapolitik nutzt die Chancen und
räumt Risiken aus. Das ist kein Widerspruch, wir brauchen
beides.
Erhalten wir uns die wettbewerbsfähige Wirtschaft, setzen
wir auf Innovationsdynamik, Modernisierung der Infrastruktur und einen kraftvollen Technologiepush. Eine starke Wirtschaft ist die beste Voraussetzung dafür, damit Europa seinen Beitrag zur Bewältigung des globalen Klimaproblems
leisten wird. Dass in China die Einführung des Emissionshandels vor der Türe steht, gibt Anlass zur Hoffnung, dass Europa nicht allein bleibt.
Die Meinung, die Wirtschaft verdiene an der Klimaerwärmung und könne sich daher nicht von der Treibhausgasintensität lösen, ist damit zu widerlegen.
Wenn sich ein System rasch an neue Gegebenheiten und Anforderungen anpassen kann, dann ist es die Wirtschaft. Ihr
2
Dr. Christoph Leitl
Präsident der Wirtschaftskammer Österreich