Europäisches Parlament 2014-2019 Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit 2015/2352(INI) 12.7.2016 STELLUNGNAHME des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit für den Rechtsausschuss zu Haftung, Schadenersatz und Deckungsvorsorge für Offshore-Erdöl- und -Erdgasaktivitäten (2015/2352(INI)) Verfasser der Stellungnahme: Nikos Androulakis AD\1100260DE.doc DE PE575.123v02-00 In Vielfalt geeint DE PA_NonLeg PE575.123v02-00 DE 2/2 AD\1100260DE.doc VORSCHLÄGE Der Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit ersucht den federführenden Rechtsausschuss, folgende Vorschläge in seinen Entschließungsantrag zu übernehmen: 1. erinnert an die durch den Unfall auf der Bohrplattform Deepwater Horizon verursachten Umweltschäden; weist außerdem darauf hin, dass das Castor-Projekt 2013 annähernd 500 Erdbeben in den Küstenregionen der Provinzen Tarragona und Castellón ausgelöst hat, von denen Tausende Bürger Europas unmittelbar betroffen waren; 2. gedenkt der 167 Ölarbeiter, die am 6. Juli 1988 bei der Piper-Alpha-Katastrophe vor der Küste von Aberdeen (Schottland) auf tragische Weise ums Leben kamen; 3. stellt fest, dass es seit 1988 zu keinem schweren Offshore-Unfall in der EU gekommen ist und dass 73 % der Erdöl- und Erdgasförderungen in der EU von an die Nordsee angrenzenden Mitgliedstaaten getätigt werden, die anerkanntermaßen bereits die weltweit besten Offshore-Sicherheitsvorkehrungen anwenden; betont, dass die Küste der EU etwa 68 000 Kilometer lang ist und dass die Zahl der Offshore-Anlagen vermutlich vor allem im Mittelmeer und im Schwarzen Meer deutlich zunehmen wird, weshalb die Richtlinie 2013/30/EU unbedingt zügig vollständig um- und durchgesetzt und dafür gesorgt werden muss, dass es einen geeigneten Rechtsrahmen für sämtliche OffshoreAktivitäten gibt, bevor es zu einem schweren Unfall kommt; stellt fest, dass die Umweltpolitik der Union gemäß Artikel 191 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung beruhen muss; 4. bedauert, dass in der Richtlinie 2013/30/EU und in der Richtlinie 2004/35/EG Unfälle nur dann als „schwer“ bezeichnet werden, wenn sie mit Todesfällen oder schweren Personenschäden einhergehen, wobei nicht auf die Umweltschäden Bezug genommen wird; unterstreicht, dass ein Unfall aufgrund seines Ausmaßes oder wenn er beispielsweise geschützte Gebiete, geschützte Arten oder besonders empfindliche Lebensräume in Mitleidenschaft zieht, äußerst schwerwiegende Auswirkungen auf die Umwelt haben kann, auch wenn es nicht zu Todesfällen oder schweren Personenschäden kommt; 5. weist darauf hin, dass die Zahl der Unfälle im Erdöl- und Erdgassektor in der Europäischen Union in mehreren Studien – unter anderem einer Studie des Wissenschaftlichen Diensts des Europäischen Parlaments und einer Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle – mit mehreren Tausend – 9 700 zwischen 1990 und 2007 – angegeben wird; stellt fest, dass die kumulierten Auswirkungen dieser für sich genommen meist weniger gravierenden Unfälle das marine Umfeld dauerhaft und in hohem Maße schädigen und in der Richtlinie bedacht werden sollten; 6. begrüßt den Erlass der Richtlinie 2013/30/EU über die Offshore-Sicherheit, mit der die Umwelthaftungsrichtlinie 2004/35/EG und die Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung 2011/92/EU ergänzt werden, und die Ratifizierung des Offshore-Protokolls zum Übereinkommen von Barcelona durch den Rat als erste Schritte für den Schutz der Umwelt und der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer; weist darauf hin, dass die Frist für die Umsetzung der Richtlinie am 19. Juli 2015 AD\1100260DE.doc 3/3 PE575.123v02-00 DE verstrichen ist; stellt fest, dass die meisten Mitgliedstaaten die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie über die Offshore-Sicherheit noch nicht umgesetzt haben; fordert die Kommission auf, für die eingehende Überwachung der Umsetzung der Richtlinie zu sorgen und dabei zu bewerten, ob die Einführung zusätzlicher harmonisierter Bestimmungen über Haftung, Schadenersatz und Deckungsvorsorge angebracht ist, um die Einhaltung der Richtlinie über die Offshore-Sicherheit so schnell wie möglich zu verbessern, sodass Unfällen in der Zukunft wirksam vorgebeugt wird; 7. bekräftigt, dass regelmäßig Risikoanalysen und Umweltverträglichkeitsprüfungen für jede Offshore-Tätigkeit angefertigt und veröffentlicht werden müssen, die an andere EUVorschriften angeglichen sind und Themen wie die biologische Vielfalt, den Klimawandel, die nachhaltige Nutzung des Bodens, den Schutz der marinen Umwelt und die Anfälligkeit und die Widerstandsfähigkeit mit Blick auf Unfälle und Naturkatastrophen aufgreifen, und fordert, dass das Personal vor der Vergabe einer Lizenz für eine Aktivität angemessen geschult wird; fordert die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs auf, der Kommission und den Mitgliedstaaten bei der Ausarbeitung von Noteinsatzplänen Unterstützung zu leisten; begrüßt, dass von der Industrie vier Bohrlochverschlussvorrichtungen gebaut wurden, mit denen bei Unfällen die Menge des austretenden Öls verringert werden kann; 8. fordert eine eigens auf die Arktis zugeschnittene Umweltverträglichkeitsprüfung für sämtliche Tätigkeiten in der Arktis, deren Ökosysteme besonders empfindlich sind und mit der globalen Biosphäre in Zusammenhang stehen; 9. betont, dass sämtliche Opfer von Verschmutzung und anderen Umweltschäden infolge von Offshore-Unfällen gemäß dem Verursacherprinzip kurzfristig einen wirksamen Zugang zu Rechtsbehelfen haben und angemessen entschädigt werden müssen; 10. betont, dass Offshore-Aktivitäten einer ständigen Aufsicht durch Sachverständige der Mitgliedstaaten mit Blick auf die Einhaltung des EU-Rechts unterworfen sein müssen, damit wirksame Kontrollen eingerichtet sind, mit denen schwere Unfälle verhindert und die Auswirkungen solcher Unfälle auf Menschen und auf die Umwelt begrenzt werden; 11. stellt fest, dass die Richtlinie über die Offshore-Sicherheit zwar konkrete Bestimmungen über mit Haftung und Schadenersatz verbundene Belange enthält, jedoch keinen umfassenden EU-Haftungsrahmen schafft; betont, dass für gleichberechtigten Zugang zur Justiz und Schadenersatz gesorgt werden muss, wenn es zu Unfällen mit grenzübergreifenden Folgen kommt, wobei dem Umstand Rechnung zu tragen ist, dass gemäß Artikel 41 Absätze 3 und 5 der Richtlinie über die Offshore-Sicherheit für manche Mitgliedstaaten eine teilweise Befreiung gilt; 12. bedauert, dass die Bestimmungen über die strafrechtliche Haftung bei Verstößen gegen die Offshore-Sicherheit in der EU nicht harmonisiert sind; fordert die Kommission auf, einen Vorschlag für die Aufnahme von Verstößen gegen die Richtlinie über die OffshoreSicherheit in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/99/EG über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt vorzulegen, da hierdurch eine zusätzliche abschreckende Wirkung erzielt werden könnte; 13. weist darauf hin, dass die Kommission beabsichtigt, über die EU-Gruppe der für Offshore-Aktivitäten zuständigen Behörden (EUOAG) regelmäßig Daten zu erheben, um PE575.123v02-00 DE 4/4 AD\1100260DE.doc die Wirksamkeit und den Umfang der einzelstaatlichen Haftungsvorschriften umfassender analysieren zu können; 14. bedauert, dass die Haftung für Schäden und wirtschaftliche Verluste, die ein unverzichtbares Instrument für die Sicherstellung wirksamer Offshore-Sicherheit in der EU sein wird, in den Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelt ist; ersucht die Kommission, der Frage nachzugehen, ob es in Anbetracht des grenzübergreifenden Charakters dieser Aktivitäten einer Harmonisierung der Haftungsregelungen auf Unionsebene bedarf; 15. vertritt die Ansicht, dass stringente Vorschriften über die zivilrechtliche Haftung bei Offshore-Unfällen eingeführt werden sollten, damit der Zugang von Opfern (juristischen und natürlichen Personen) von Offshore-Unfällen zur Justiz erleichtert wird, da dies ein Anreiz für die Betreiber von Offshore-Anlagen sein kann, die Betriebsrisiken ordnungsgemäß zu handhaben; ist der Auffassung, dass es keine finanziellen Obergrenzen für die Haftung geben sollte; 16. vertritt die Auffassung, dass sämtliche Fälle, in denen die Haftung nachgewiesen ist, und alle Einzelheiten der verhängten Sanktionen veröffentlicht werden sollten, um für umfassende Transparenz hinsichtlich der wahren Kosten von Umweltschäden zu sorgen; 17. fordert die Mitgliedstaaten auf, aufgeschlüsselte Daten über die Inanspruchnahme von Finanzierungsinstrumenten und über die angemessene Deckung bei – auch den kostspieligsten – Offshore-Unfällen zur Verfügung zu stellen; 18. bedauert, dass die Deckungsvorsorgeinstrumente in der EU nicht ausreichend für die Deckung der von den teuersten Offshore-Unfällen verursachten Schäden genutzt werden; merkt an, dass dies möglicherweise unter anderem daran liegt, dass in bestimmten Mitgliedstaaten der Umfang der Schadenshaftung nicht so beschaffen ist, dass derlei Instrumente erforderlich sind; 19. stellt fest, dass es in zahlreichen Mitgliedstaaten keine regulatorischen Anforderungen für konkrete Deckungsgrade gibt; ist zwar der Ansicht, dass die Festlegung konkreter Beträge auf EU-Ebene nicht zweckdienlich wäre, hält jedoch eine EU-weit angewandte Methode zur Berechnung der von den nationalen Behörden verlangten Beträge für erforderlich, die den besonderen Umständen der Aktivitäten, den Betriebsbedingungen vor Ort und dem Umfeld der Anlage Rechnung trägt, sodass eine angemessene Deckung für Unfälle mit grenzübergreifenden Auswirkungen zur Verfügung steht; 20. räumt ein, dass hinsichtlich der Art der Deckungsvorsorgeinstrumente für hinreichende Flexibilität gesorgt werden muss, betont aber, dass besser harmonisierte Bestimmungen für Prüfungen erforderlich sind, mit denen beurteilt wird, inwieweit Art und Umfang der angebotenen Deckungsvorsorge angemessen sind, um den potenziellen Schaden zu decken, und ob Deckungsvorsorgeunternehmen dem Bedarf an Deckung entsprechen können, sodass dazu angehalten wird, derlei Instrumente auf angemessene Weise in Anspruch zu nehmen; fordert die Kommission auf, aufgrund der großen Bedeutung dieses Sachverhalts mit Blick auf den grenzübergreifenden Charakter solcher Unfälle Vorschläge vorzulegen; 21. stellt fest, dass eine Vielzahl von Deckungsvorsorgeprodukten verwandt werden kann, um die Risiken der kostspieligsten und seltensten Offshore-Unfälle abzusichern; fordert die AD\1100260DE.doc 5/5 PE575.123v02-00 DE Mitgliedstaaten auf, den Anwendungsbereich der für die Genehmigung und den Betrieb von Offshore-Anlagen zugelassenen Deckungsvorsorgeprodukte auszuweiten und dabei sicherzustellen, dass die Deckungshöhe diesem Anwendungsbereich angemessen ist; 22. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, zumindest in den Sektoren, die – wie die Fischerei, der Küstentourismus und weitere Zweige der blauen Wirtschaft – in hohem Maße von Offshore-Unfällen betroffen sein können, die Einführung eines gesetzlich geregelten Entschädigungsmechanismus für solche Unfälle ähnlich dem im norwegischen Erdölaktivitätengesetz festgelegten Mechanismus zu erwägen; 23. fordert die Kommission auf, bei der Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen einen Mitgliedstaat das Verfahren und die von dem betreffenden Staat zu ergreifenden Abhilfemaßnahmen vor dem Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit des Europäischen Parlaments zu erläutern. PE575.123v02-00 DE 6/6 AD\1100260DE.doc ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM MITBERATENDEN AUSSCHUSS Datum der Annahme 12.7.2016 Ergebnis der Schlussabstimmung +: –: 0: Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder Marco Affronte, Margrete Auken, Pilar Ayuso, Zoltán Balczó, Catherine Bearder, Ivo Belet, Simona Bonafè, Biljana Borzan, Lynn Boylan, Cristian-Silviu Buşoi, Soledad Cabezón Ruiz, Nessa Childers, Alberto Cirio, Birgit Collin-Langen, Mireille D’Ornano, Miriam Dalli, Seb Dance, Jørn Dohrmann, Ian Duncan, Stefan Eck, Bas Eickhout, Eleonora Evi, José Inácio Faria, Karl-Heinz Florenz, Francesc Gambús, Elisabetta Gardini, Gerben-Jan Gerbrandy, Jens Gieseke, Julie Girling, Sylvie Goddyn, Françoise Grossetête, Andrzej Grzyb, György Hölvényi, Anneli Jäätteenmäki, Jean-François Jalkh, Karin Kadenbach, Kateřina Konečná, Giovanni La Via, Peter Liese, Norbert Lins, Valentinas Mazuronis, Susanne Melior, Miroslav Mikolášik, Massimo Paolucci, Gilles Pargneaux, Piernicola Pedicini, Pavel Poc, Frédérique Ries, Michèle Rivasi, Annie Schreijer-Pierik, Renate Sommer, Dubravka Šuica, Tibor Szanyi, Nils Torvalds, Jadwiga Wiśniewska, Damiano Zoffoli Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter Nikos Androulakis, Paul Brannen, Nicola Caputo, Martin Häusling, Merja Kyllönen, Christel Schaldemose, Keith Taylor Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 200 Abs. 2) Jiří Maštálka, Maurice Ponga AD\1100260DE.doc 58 7 0 7/7 PE575.123v02-00 DE
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