Zur 100. Programmbeschwerde

Zur 100. Programmbeschwerde
Wer sich beschwert macht nichts verkehrt
Autor: U. Gellermann
Datum: 19. September 2016
Jetzt kommt sie bald raus, die 100. Programmbeschwerde der
ARD-Beobachtungsstelle Bräutigam & Klinkhammer. Noch ist kein
Pulitzerpreis in Sicht, auch der Medien-Nobelpreis wurde bisher nicht
angekündigt. Aber jede Menge ARD-Zuschauer preisen die beiden Autoren.
Weil sie für sauberen Journalismus sind. Weil sich die beiden ? die selbst
lange beim NDR, dem Haus-Sender der TAGESSCHAU gearbeitet haben ?
ernsthaft um journalistische Standards kümmern: Um jenes Salz, ohne das die
Nachrichtensuppe sauer aufstößt: Fakten, Objektivität und Ehrlichkeit.
Zudem sorgen sich Bräutigam & Klinkhammer um die Demokratie. Um jenes
verwitterte Wesen, dass sich im Keller der TAGESSCHAU aufhält und mit dem
düsteren Ruf: ?Mehr Nachricht!? manchmal zu hören ist ohne erhört zu
werden. Programmbeschwerden sind demokratische Instrumente der
Zuschauer-Mitbestimmung, Wenn man Instrumente nie nutzt, dann rosten sie.
Also beschweren sich die beiden. Auch im Namen von Millionen
Medienkonsumenten, die ihrer Kritik zustimmen. Wie man aus Umfragen
ablesen kann. Deshalb handeln Bräutigam & Klinkhammer nach dem
Grundsatz: Wer sich beschwert macht nichts verkehrt.
WIR BOHREN DICKE BRETTER
?Werden eure Programmbeschwerden vom NDR überhaupt noch gelesen? Oder
landen sie gleich im Papierkorb? Liebe Beschwerdeführer Klinkhammer und
Bräutigam, werden wir gefragt, hegt ihr tatsächlich noch Hoffnung, dass eure
Proteste etwas bewirken??Auch in den Kommentarspalten der Rationalgalerie
tauchen dergleichen Fragen regelmäßig auf. Manchmal ? hocherfreulich! ?
kombiniert mit der Aufforderung, auf jeden Fall weiter zu bohren. Genau: die
bekannten dicken Bretter.Wir adressieren den Intendanten des NDR, Lutz
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Marmor. Manchmal zusätzlich Rundfunkrat und Verwaltungsrat des NDR. Sie
alle sind, das gebietet der Staatsvertrag über den NDR, verpflichtet, unsere Post
zu lesen und Stellung zu nehmen. Die Fähigkeit, zu verstehen und zu
berücksichtigen, ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Deshalb kriegen wir
unverständige Stellungnahmen.Ansonsten passierte nichts ? wenn wir uns
damit abspeisen ließen. Das kommt nicht infrage.Wir setzen bei der
Chefredaktion ARD-aktuell nur äußerst unauffällige Portionen journalistisches
Ethos, fachliches Können und Empathiefähigkeit voraus. Der NDR-Leitung und
den Rundfunkräten glauben wir nicht, dass sie sich den
demokratienotwendigen Werten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
verpflichtet fühlen. Rädchen im wichtigsten politischen Herrschaftsinstrument
Rundfunk sind diese kaum 70 Figuren. Pardon, Qualitätsjournalisten und ihre
Vorturner in der Intendanz und in den Aufsichtsgremien. Sie allesamt und ihre
Ansichten sind uns schnurz.Konservativ geschätzt erreichen wir mit der
Veröffentlichung unseren Beschwerden pro Monat mehr als eine Million
Menschen. Diese Leser aufmerksam zu machen, ihre Nachdenklichkeit
anzusprechen und ihr kritisches Bewusstsein als eine wachsende
Gegenöffentlichkeit zu unterstützen, das erscheint uns wünschenswert. Und
lohnend. 43% der Befragten misstrauen den TV-Nachrichten, weist eine neuere
Studie aus. Das ist steigerungsfähig.Der Rundfunkrat sollte von Gesetzes wegen
die Erfüllung des Programmauftrags und die Einhaltung der
Programmrichtlinien in den Sendungen der ARD-aktuell überwachen. Eine
Beschwerde wegen Defiziten und Fehlern sollte er eigentlich aus eigener
Kompetenz beraten und bescheiden. Tut er aber nicht. Er gibt erst mal dem
Intendanten Gelegenheit, Stellung zu nehmen. Der delegiert das an die
Chefredaktion ARD-aktuell.Wenn man nach dem Verzehr einer verdächtigen
Semmel zunächst den Bäcker früge, ob sie in Ordnung war, wäre das nicht
weniger beknackt. Wer so gefragt wird, stellt sich natürlich ein
Unschuldszeugnis aus.Beschwerdeführer müssen solche chefredaktionellen
Persilscheine ausdrücklich zurückweisen, erst dann kommt der Rundfunkrat
nicht mehr umhin, selbst tätig zu werden. In dieser bleiernen Zeit ist jede
öffentliche Widerrede notwendig. Regelmäßig geruht der Rundfunkrat
allerdings, nur abzunicken, was das NDR-Management ihm zur eigenen
Entlastung reinschob. Darüber bekommt der Beschwerdeführer nach einem
halben Jahr oder noch später einen Bescheid. Ein Begründung, warum die Räte
auf Spätkonfirmand machten, bekommt er nicht.Und dann? Ist das Ende der
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Fahnenstange erreicht. Von da oben hat man aber klare Sicht darauf, wie
versaut unser öffentlich-rechtliches Informationswesen mittlerweile ist.An die
hundert Ablehnungsbescheide haben wird auf unsere Beschwerden erhalten.
Nicht eine einzige war nachvollziehbar begründet, die meisten ganz frei von
Argumenten.Den nächsten derartigen Brief der Rundfunkratsvorsitzenden
Thümler (FDP) werden wir beantworten, wie Johannes Brahms einst einem
Kritiker herausgab: ?Werte Frau Thümler, ich sitze hier im kleinsten Zimmer
meiner Wohnung. Noch habe ich Ihr Schreiben vor mir. Gleich werde ich es
hinter mir haben.?
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