MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 KUNDENSERVICE 0 8 0 0 / 9 3 5 8 5 3 7 ** D 2,50 E URO E THEMEN SPORT Sieg bei den US Open: Angelique Kerber ist auf dem Gipfel Seite 22 POLITIK Wenn die Kandidatin zweimal klingelt Seite 10 WIRTSCHAFT Eine Million Leiharbeiter in Deutschland Seite 12 FINANZEN Zwei Herrchen teilen sich einen Hund Seite 15 KULTUR Ein neuer Konzertsaal für Berlin Seite 25 LOTTO: 1 – 3 – 6 – 11 – 24 – 43 Superzahl: 0 Spiel77: 1 4 9 3 6 8 1 Super6: 6 9 4 0 4 8 ohne Gewähr ANZEIGE DEUTSCHLAND IM GLUTRAUSCH GRILLEN EXTREM HEUTE UM 22.05 UHR Wir twittern Diskutieren live aus dem Sie mit uns Newsroom: auf Facebook: twitter.com/welt facebook.com/welt „Die Welt“ digital Lesen Sie „Die Welt“ digital auf allen Kanälen – mit der „Welt“-App auf dem Smartphone oder Tablet. Attraktive Angebote finden Sie auf welt.de/digital oder auch mit den neuesten Tablets auf welt.de/bundle Nr. 214 Grundrechte statt Blutsrechte F AP/MARK LENNIHAN in alter Menschheitstraum wird wahr. Ab 2017 gibt es endlich ein Gütesiegel für Milch. Damit der Verbraucher weiß, aus welcher Kuh der lebenspendende, kalziumhaltige Saft gemolken wurde. Wie immer bei solchen Siegeln orientiert man sich am Ei. Die „3“ auf der Milchverpackung bedeutet, wir haben es mit Milch aus Käfighaltung zu tun, wo die Tiere mit Waffengewalt zur Milchabgabe gezwungen werden. Die Kühe hatten keinen Platz, sich umzudrehen, und noch nicht einmal eine Sitzstange. Um das auch für den Kunden deutlich zu machen, muss diese Milch im Regal besonders eng stehen. Die „2“ weist auf Bodenhaltung hin, die „1“ auf Freilandhaltung, das heißt, die Kühe hatten Platz zum Scharren. Am tierfreundlichsten und natürlich auch am wertvollsten ist Milch mit der Kennziffer „0“. Hier muss es streng ökologisch zugehen. Die Kühe werden nur auf Wunsch gemolken, sie haben mindestens einen Kilometer Auslauf, bis 18.00 Uhr Freigang und wurden ausschließlich mit homöopathischen Mitteln behandelt. Der Verbraucher erkennt diese Milch nicht nur an der Zahl „0“, sondern vor allem am Preis und daran, dass die Flaschen im Kühlregal stehen dürfen, wo sie wollen. B KOMMENTAR Zippert zappt Sieg über die Finsternis Ein junges Paar küsst sich auf der Promenade in Brooklyn. Gegenüber in Manhattan beleuchten zwei vertikal gestellte Scheinwerfer den Nachthimmel. Die Installation „Tribute in Light“ erinnert jedes Jahr an den Terroranschlag auf die Zwillingstürme des World Trade Centers am 11. September 2001. Bei Tageslicht halten Tausende Men- schen um 8.46 Uhr am New Yorker Ground Zero inne – genau zu dem Zeitpunkt, als Terroristen vor 15 Jahren ein entführtes Flugzeug in den Nordturm steuerten. US-Präsident Barack Obama sagt in Washington, die USA dürften sich durch den Terror nicht ihre Identität als eine Nation der Einwanderer nehmen lassen. Seite 8 Koalition hat einen Plan – aber nicht für die Flüchtlingspolitik D Parteichefs einigen sich auf Agenda für Sachthemen, klammern aber Zuwanderung aus. SPD wirft Union Wettstreit mit AfD vor und geißelt „folgenlose Symboldebatten“. CSU besteht auf Obergrenze ie Parteichefs der großen Koalition haben sich auf einen Fahrplan zur Lösung von noch strittigen Sachthemen geeinigt. Es habe Übereinstimmung gegeben, die strittigen Punkte etwa bei der Erbschaftsteuer, der Entgeltgleichheit von Männern und Frauen sowie der Angleichung von Ost-West-Renten in den kommenden Wochen zu lösen, hieß es am Sonntag nach dem Treffen der Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) aus Teilnehmerkreisen. Beim größten Streitthema aber wurde keine Einigung erzielt: in der Frage nach dem künftigen Kurs in der Flüchtlingspolitik. Bei Fragen der Zuwanderung und Integration offenbarten sich denn auch am Wochenende tiefgehende Verwerfungen zwischen den Partnern. „Ich rate der Union dringend, zur Sacharbeit zurückzukehren – statt permanent folgenlose Symboldebatten zu führen“, sagte der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, im Interview der „Welt“. „Die Menschen wissen: Die Burka ist kein Problem der inne- D ren Sicherheit.“ Die CSU und Teile der CDU lieferten sich einen Wettbewerb mit der AfD um eine „möglichst aggressive Haltung gegen Flüchtlinge“, sagte Oppermann. Das sei der falsche Weg. „Die demokratischen Parteien sollten für Augenmaß, Vernunft und Entschlossenheit stehen.“ Hintergrund für Oppermanns Kritik bildeten die Beschlüsse der CSU-Vorstandsklausur vom Wochenende für eine härtere Gangart in der Zuwanderungspolitik – mit Burka-Verbot, Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft, härteren Abschieberegeln und einer gesetzlichen Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr. Diese Forderung sei wichtig für die Glaubwürdigkeit der CSU, betonte dagegen Seehofer. „Das, was zur DNA einer Partei gehört, darf man nicht zur Disposition stellen.“ Deshalb könne man nicht um jeden Preis Harmonie üben. In der CDU wird die Forderung nach einer Obergrenze aber zurückgewiesen. Bei der Frage der doppelten Staatsbürgerschaft und der Obergrenze habe man „einen Dissens“, sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber der „Welt am Sonntag“. Er bemühte sich aber darum, den Eindruck zu verwischen, dass die beiden Schwesterparteien „völlig gegensätzliche Vorstellungen“ hätten. „Die CSU geht in einigen Punkten vielleicht weiter als wir – aber wir gehen in die gleiche Richtung.“ SPD-Chef Sigmar Gabriel sprach im „Tagesspiegel“ von einer „Banalisierung Sympathie für Seehofer als Kanzlerkandidat 42 Prozent der Deutschen glauben, CSU-Chef Horst Seehofer wäre als Spitzenkandidat der Union erfolgreicher als Angela Merkel. Das ergab eine Infratest-DimapUmfrage für die „Welt am Sonntag“. 52 Prozent glauben dies nicht. Am meisten Zuspruch hat Seehofer bei AfD-Anhängern und aus dem Lager der SPD. Für eine Kandidatur von Verteidigungsministerin Ursula van der Leyen anstelle Merkels plädierten lediglich 17 Prozent der 1020 Befragten. der Politik“. Die Menschen wollten Politik mit ernsthaften Lösungen und nicht „mit Parolen und schrägen Vorschlägen“. „Wir müssen den Beweis antreten, dass die Koalition den Willen und die Kraft aufbringt, den Zusammenhalt der ganzen Gesellschaft zu festigen“, zitierte die „Bild am Sonntag“ aus einem Brief Gabriels an Merkel und Seehofer. In dem Schreiben stelle der SPD-Chef einen Sechs-Punkte-Katalog auf, den die Koalition abarbeiten müsse: ein Gesetz über Lohngerechtigkeit, Einigung bei der Erbschaftsteuer, Angleichung der Ost-Renten, Neuordnung der BundLänder-Finanzen, Beschluss der Lebensleistungsrente und eine Mietrechtsreform. Oppermann forderte die Union zudem auf, mit der SPD ein Einwanderungsgesetz auf den Weg zu bringen. „Der Bundestag sollte jedes Jahr die Quote für die Einwanderung festlegen, sodass es ein politisch legitimierter und kontrollierter Prozess ist.“ Die CSU forderte bei ihrer Klausurtagung, dabei Menschen aus dem „christlich-abendländischen Kulturkreis“ zu bevorzugen. Seiten 6-7 TORSTEN KRAUEL rauke Petry möchte im Bundestag mit möglichen Koalitionspartnern „mindestens auf Augenhöhe agieren“, wie sie der „Welt am Sonntag“ sagte. Mit wem möchte sie denn vorher auf Augenhöhe kommen? Wenn Petry sagt, das Wort „völkisch“ dürfe nicht immer nur negativ gebraucht werden, oder wenn sie sagt: „Auch Neonazis haben Grundrechte“ – dann lässt sie durchblicken, dass die AfD wirklich nach ganz rechts ausgreifen möchte. Dorthin, wohin aus gutem Grund niemand sonst fischen geht. Selbstverständlich verhält sich das Wort „völkisch“ nicht so zu Volk, wie „musisch“ zu Musik. Selbstverständlich auch haben Neonazis einige Grundrechte. Dafür sorgt beim Thema Versammlungsfreiheit auf öffentlichen Plätzen seit einiger Zeit mit Entschiedenheit der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts. Aber nicht aus Sympathie für deren Weltbild – und keineswegs schrankenlos. Wenn jemand Gewalt propagiert oder das Wort Auschwitz als Synonym für Unwahrheit bezeichnet, hat er etwas weniger Grundrechte als andere, aus gutem Grund und im Einklang mit dem Grundgesetz. Das aber ist ein Thema für die Justiz. Wer wie Petry als Parteichefin Neonazis Grundrechte zuspricht, trifft eine politische, keine juristische Wertung. Wer wie sie behauptet, das Wort „Volk“ dürfe in Deutschland heute so wenig entspannt verwendet werden wie das Wort „Deutschland“ in der DDR, wohnt in einem anderen Land. „Dem deutschen Volke“ steht am Reichstagsgebäude, im Grundgesetz kommt das Wort elf Mal an entscheidender Stelle vor, und das höchste Ziel aller Parteien ist es, Volkspartei zu werden. Frauke Petry zeigt etwas anderes, wenn sie sagt, „völkisch“ müsse positiv besetzt werden. „Völkisch“ ist nicht dasselbe wie Donald Trumps „Amerika zuerst“. Es positiv zu besetzen wäre so, als ob die Linkspartei den Begriff „Diktatur“ rehabilitieren wollte. Nazi-Kampfbegriffe sind nicht resozialisierbar. „Völkisch“ beinhaltet als Kern nicht die Grundrechte, sondern Blutsrechte. Das Wort ist viel zu dicht mit Mordgesellen verknüpft, als dass jemand es heute bei Sinnen in den Mund nähme. Petry zeigt mit solchen Erwägungen die unaufhaltsame und unvermeidliche Drift in Richtung vergangener Zeiten, die sich rechts von der Union vollzieht, sobald dort jemand politisch zu Kräften kommt. Es gehört zur Wirklichkeit, dass Menschen und Parteien, die Begriffe wie „völkisch“ sehnsüchtig im Kopf hin- und herwenden, auf Weggabeln zusteuern, deren vielfältige Konsequenzen sie zu spät erkennen. [email protected] Oben ohne im Stadion Seltsame Szenen beim Heimdebüt von RB Leipzig: Ordner zwingen Fans von Borussia Dortmund, ihre Trikots auszuziehen ie Euphorie war greifbar in Leipzig. Die ganze Stadt fieberte dem ersten Heimspiel des Aufsteigers RB Leipzig entgegen. Trotz der Misstöne im Vorfeld inklusive Boykott der BVBUltras waren auch Tausende Dortmund-Fans angereist; der Klub hat eine große Anhängerschaft in Ostdeutschland. Doch viele von ihnen bekamen ein Problem, als sie die Red-Bull-Arena betreten wollten. VON SIMON PAUSCH Beim Einlass zur Hintertortribüne neben dem Gästeblock (Sektor D) bildeten sich lange Schlangen. Der Grund: Viele BVB-Fans, die bei sommerlichen Temperaturen in schwarz-gelben Trikots ins Stadion wollten, wurden abgewiesen. Erst nachdem sie ihre Hemden bei einer Sammelstelle abgegeben hatten, wurden sie eingelassen. Hunderte Borussia-Anhänger mussten die Partie oben ohne verfolgen. Die Begründung für die ungewöhnliche Maßnahme liefert Paragraf 4 Absatz 3 der Stadionordnung. Dort heißt es: „Die Sektoren B und D sind bei den Fußballspielen von RasenBallsport Leipzig GmbH ein ausschließlicher Heimfanbereich. Es ist verboten, sich als Fan der Gastmannschaft in diesem Bereich aufzuhalten beziehungsweise zu verweilen. Der Kontroll- und Sicherheitsdienst ist angewiesen und berechtigt, Zuschauer, die als Fan der Gastmannschaft zu erkennen sind oder durch ihr Verhalten auffallen, auch wenn sie ein gültiges Ticket für diesen Bereich besitzen, aus diesem zu entfernen, wobei ihnen – soweit dies im Einzelfall möglich ist – ein anderer geeigneter Platz zugewiesen wird.“ Da der BVB-Fanblock trotz des Boykotts der Dortmunder Ultras in Windeseile ebenso ausverkauft war wie der Rest des Stadions, hatten die Ordner beim Einlass keine Wahl: In die sogenannten Heimfanbereiche durfte nur, wer kein schwarz-gelbes Trikot trug. Obwohl bei 28 Grad Celsius niemand frieren musste, sorgte der Vorgang bei vielen Dortmundern für Unmut. Nach dem Schlusspfiff (Endstand: 1:0) DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen. Telefon 030 / 25 91 0 Fax 030 / 25 91 71 606 E-Mail [email protected] Anzeigen 030 / 58 58 90 Fax 030 / 58 58 91 E-Mail [email protected] Kundenservice DIE WELT, Brieffach 2440, 10867 Berlin Telefon 0800 / 93 58 537 Fax 0800 / 93 58 737 E-Mail [email protected] bildeten sich lange Schlangen halb nackter Menschen, die sich ihr Trikot an der Sammelstelle zurückholen wollten. „Das ist bei uns klar in der Stadionordnung verankert und auch gängige Praxis in der Bundesliga“, teilte RB auf „Welt“-Anfrage mit. „Beim Online-Ticketverkauf wird jeder explizit darauf hingewiesen, dass in Block D keine Fans der Gastmannschaft in ihren Fanutensilien Zutritt haben.“ De facto ist der Passus in der Leipziger Stadionordnung jedoch ligaweit einmalig. RB ist nicht nur der einzige Klub, der zwei voneinander separierte „Heimfanbereiche“ für sich proklamiert. Auch das ausdrückliche Verbot von Fanutensilien der Gastmannschaft gibt es bei Klubs wie Hertha, Bayern München oder Schalke nicht. In Leipzig schlichen sich mit fortlaufender Spielzeit dann doch einige schwarz-gelbe Farbtupfer in den „Heimfanbereich“. Offenbar hatten manche BVB-Anhänger ihr Trikot beim Einlass clever verborgen. Gestört hat sich daran niemand. Seite 18 ISSN 0173-8437 214-37 A 3,40 & / B 3,40 & / CH 5,00 CHF / CZ 96 CZK / CY 3,40 & / DK 26 DKR / E 3,40 & / I.C. 3,40 & / F 3,40 & / GB 3,20 GBP / GR 3,50 & / I 3,40 & / IRL 3,20 & / L 3,40 & / MLT 3,20 & / NL 3,40 & / P 3,40 & (Cont.) / PL 15 PLN / SK 3,40 € + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd ZKZ 7109 Foto: © Caio Vilela © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd 4 FORUM LETTER FROM EUROPE DIE WELT ESSAY Leserbriefe spiegeln das wahre Leben I T Der Autor ist Reporter und Kommentator für den „Tages-Anzeiger“ in Zürich. In Kooperation mit „Lena“. V AMIN AKHTAR JEAN-MARTIN BÜTTNER ch habe großen Respekt vor meinen Kolleginnen und Kollegen in Brüssel, die uns die europäischen Umwälzungen übermitteln müssen, aber ich empfinde auch Mitleid. Obwohl die Entscheide der EU immense Folgen haben können, merkt man das der Berichterstattung selten an. Schon vor dem Lesen weiß man, dass der Abstraktheitsgrad der Artikel hoch und die Konkretisierungsdichte vermutlich sehr tief sein wird. „Der Höhepunkt der EU-Skepsis ist vorbei“, lesen wir da, „Frankreichs Ansprüche an die EU“ oder „Für die EU gibt es Schlimmeres als den Brexit“. Und das sind nur die Titel der Artikel, also der aufregendste Teil. Natürlich braucht es den Journalismus als Kontrolle der Macht. Aber am liebsten haben wir es konkret. Der israelische Satiriker Ephraim Kishon erzählte von einem Telefonat, das er mit seiner Gattin tätigen musste. Unglücklicherweise befand sich Kishon zur Anrufzeit in New York. Internationale und erst recht transatlantische Gespräche waren damals kompliziert und teuer. Vor allem aus einer Telefonkabine wie jener, in der er sich befand. Erschwerend kam hinzu, dass nicht die beste Ehefrau von allen das Telefon in Tel Aviv abnahm, sondern sein jüngster Sohn. Und auch der wollte mit seinem Vater reden, der mit dem Geldeinwerfen in New York fast nicht mehr nachkam. Auf dessen flehende Bitte, jetzt doch bitte die Mutter ans Telefon zu holen, sagte der Bub: „Jossik war heute nicht im Kindergarten.“ Für Kishon in New York mochte es Wichtigeres gegeben haben, aber auf Kindergartenhöhe waren es Breaking News, die sein Sohn ihm exklusiv mitteilte: Jossik, der gestern noch da war, ist heute nicht gekommen, und niemand im Kindergarten weiß warum. Ich habe Kishons Anekdote nicht vergessen, weil sie etwas über den Journalismus sagt, wie wir ihn häufiger betreiben sollten. Denn ich möchte wissen, warum Jossik nicht im Kindergarten war. Wann er wieder zurückkehren wird. Und welche Erklärung er bei seiner Pressekonferenz über die Absenz verlesen wird. Denn wir alle wissen, dass das Leben erst im Detail konkret wird. Und damit auch die Berichterstattung. Wer sich für lokale Breaking News interessiert, findet sie vor allem in jenem Teil der Zeitung, der kein hohes Standing hat, aber eine wichtige Funktion: der Leserbriefseite. Selbst wenn die Briefe sehr alt sind und die Zeitung im Archiv liegt, klingen die Sorgen der Leser echt und wirkt ihr Zorn bis heute nach. Und die Leute werden konkret, egal aus welchem Land sie der Zeitung schreiben. In Nairobi kritisiert ein anonym gebliebener Lastwagenfahrer die Bestechungspraxis der Polizei. Ein pensionierter argentinischer Brigadegeneral rügt den Unwillen seines Landes, die Armee zu reformieren. Aus Buenos Aires erzählt José Maria Branca von der Frau mit dem verletzten Kind, die der Busfahrer nicht einsteigen lassen wollte und die dann von einem jungen Taxifahrer gratis ins Spital gebracht wurde. Und was denkt der Hotelier aus Bangor im nordwestlichen Wales heute über sein Ja zum Brexit? Wird Jossik morgen wieder in den Kindergarten kommen? MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 Die Autorin (r.) mit dem afghanischen Flüchtlingsmädchen Modina beim jüngsten Bürgerfest von Bundespräsident Joachim Gauck or genau einem Jahr habe ich mich nach dem Spruch von Kanzlerin Merkel „Wir schaffen das“ als ehrenamtliche Deutschlehrerin in ein Flüchtlingsheim in Berlin begeben. Wie viele Helferinnen habe ich beim Deutschunterricht und bei der Betreuung einzelner Familien einige tief berührende, schöne, witzige, aber auch mich schwer verunsichernde Momente erlebt. Es kostet ungeheuer viel Zeit, Nervenkraft und Geduld, sich auf Lernbeziehungen mit Migranten einzulassen. Auch da gibt es Grenzen und muss es Grenzen geben. Meine Geschichte mit Modina, einem vierjährigen Mädchen aus Afghanistan, das seine sehr junge Mutter auf der Flucht verloren hat, kann vielleicht anderen Mut machen, sich auf einen Menschen oder eine Familie einzulassen. Sie fiel mir sofort auf. Denn sie schaute nicht unterwürfig, sondern war neugierig. Als ich sie anlachte, turnte sie vor mir herum und sprang in die Luft. Da war es um mich geschehen. Sie und ihr Vater, der erst 21 Jahre alt ist und meist für ihren Bruder gehalten wird, gehören zur Hazari-Minderheit in Afghanistan, die nicht nur von den Taliban schwer bedroht ist. Der alleinerziehende Vater scheint an seinem afghanischen Milieu in Hamburg und Worms zu hängen, mit dem er ständig telefoniert. Er hatte schon im Iran ein Auto und wundert sich, wie lange es dauert, bis man in Deutschland mehr Geld verdienen kann. Kaum ein Flüchtling hat in der damaligen Willkommenseuphorie daran gedacht, wie schwer es sein wird, Deutsch zu lernen. Manchmal, wenn ich mit Modina ihre ersten Sätze wiederhole, klingt die Nachricht in mir nach, wie Hazari in Afghanistan auf einer Demonstration für ihre Rechte erschossen und unter welch furchterregenden Schreien ihre Särge getragen wurden. Fast täglich lese ich E-Mails über Kinderehen, Missbrauch von Mädchen und Frauen auf der Flucht, weil ich seit Jahren in einem globalen Frauennetzwerk arbeite und mich schon lange mit dem fundamentalistischen Islam beschäftige. Da erscheint mir vieles, was Modina und ich zusammen erleben, wie Luxus. Doch es muss Einzelne geben, die anderen später helfen können, sich zu befreien, so wie die Mädchenrechtlerin Malala aus Afghanistan, von der Modina noch nichts weiß. Im Berliner Grunewald habe ich im Sommer ein Holzhaus mit ihr gebaut. Da fing sie an, Krieg zu spielen, bekam Lust, etwas kaputtzumachen, hatte aggressive Anfälle, die ich sonst nur von gestörten Jungen kenne. Frieden braucht seine Zeit, Wunden heilen langsam. Ein wenig haben wir es bei einem Konzert gespürt, bei Liebesliedern, die sie mitsummte oder beim Konzert: „Bach in Aleppo“ mit einem christlichen Sänger aus Syrien. Sie scheint vor allem bei gutem Essen an Frieden zu denken, oder wenn sie spielen kann, was sie will, und mit mir „Ferien machen“, das neu gelernte Wort des Sommers. Wir haben alle vier Jahreszeiten, auch die fünfte, den Fasching, miteinander erlebt. Ich durfte mit ihr die Freude teilen, im Herbstlaub Modinas Gespür für Freiheit Seit einem Jahr kümmere ich mich um ein afghanisches Flüchtlingsmädchen. Während der 21-jährige Vater noch den Werten des Klans verhaftet ist, lernt Modina die Freuden eines freiheitlichen Lebens EVA QUISTORP oder im Schnee zu toben. Ich konnte mit ihr die Namen der ersten Frühlingsblumen üben, dann beim Schaukeln das Lied „Summ, summ, summ, Bienchen summ herum“ und „alle meine Entchen“ üben. „Hoppe, hoppe Reiter“ habe ich ihr unter den erstaunten Blicken arabischer Mütter vorgesungen. Sie liebt Lautmalerei. „Matschepatsche“ zum Beispiel, seitdem sie die verschiedensten Springbrunnen der Stadt ausprobieren durfte und wir so ungefähr 20 Spielplätze getestet haben. Überglücklich war ich, als ihr das Lied „Der Mond ist aufgegangen“ gefiel, ein Lied von Paul Gerhardt, der seine Tochter im Dreißigjährigen Krieg verloren hat. Es erinnert mich an meine Mutter. Erinnert sie sich an ihre tote Mutter? In bestem Hochdeutsch artikuliert sie „die goldnen Sternlein prangen“ und „der weiße Nebel wunderbar“. Im Laufe unserer Beziehung hat ihr Wortschatz einen enormen Sprung getan. Manchmal überrascht sie mich mit einem neuen Wort, einem, das ich ihr vielleicht vor Wochen klar und langsam vorgesagt habe. Doch es gibt immer wieder Rückfälle mit der, die, das und der Grammatik, da sie mit dem Vater Farsi spricht, im Heim Kauderwelsch und in der Kita die Ellbogensprache: „Mach das, lass das, geh weg, ich will das nicht, ich sag das meinem Vater.“ Für mich macht sie nun Slam-Poetry: „Lola bellt, das Schaf schläft, es donnert, der Blitz kommt und dann ein Regenbogen.“ Dazu spielt sie auf einer alten Elektrogitarre, doch ohne Batterien, da fürchten der Vater und ich den Lärm und die Security im Heim. Unsere schönste Zeit ist die im Wald, mit Tieren, beim Vorlesen, beim Musikmachen und am Wasser, das sie liebt. Ihre Flucht ging über Land, aber sie liebt das Wasser. Zuerst übte sie im Halensee, mit Schwimmflügeln zu strampeln. Einige junge zarte Eritreer aus dem Heim halfen uns, die Schwimmflügel aufzublasen. Seitdem haben wir die Enten im Schlachtensee kennengelernt und Seen in der Uckermark, wo sie sich bei kleinen Jungen das Tauchen abguckte. Die kurze Reise an die Ostsee werden wir lange erinnern, Wellen springen, unendlich viel Sand zum Spielen, leckerer Fisch, die Töchter meiner Freundin, die mit ihr spielten, auch der kleine Lukas mit Eltern aus Vietnam, fast einziger anderer „Farbiger“ zwischen den Strandkörben. Manchmal bin ich verwirrt, wie schnell sie mir etwas nachplappert, bis in den Klang hinein. In ihrer Gegenwart kontrolliere ich meine Sprache enorm, was und wie ich etwas sage, denn sie soll frei sprechen können, gute Voraussetzungen für Schule und vielleicht die Uni von mir mitbekommen, Gefühle der Freude und Trauer klar artikulieren können, auch der Wut und Versöhnung. Worte und Gesten, die ihr helfen, die Konflikte als Mädchen gegenüber ihrem Vater, dem nah-fernen Klan übers Handy und auf der Straße, in Kita und Schule bewältigen zu können. Sie braucht seelische Reserven durch Musik, Schwimmen und Waldspaziergänge, wie wir es in einer Kunstschule und in Kursen für Flüchtlingskinder erlebten. Wir mussten eine große Leere an Worten und Gesten überwinden, sie langsam füllen, eine eigene Welt zwischen uns beiden erschaffen, der Außenwelt widerstehen, mit Fantasie aus dem Alltag fliehen, viel praktisch improvisieren. Uns beide und auch den Vater verbinden weniger Worte und Erinnerungen als andere. Wir betreten Neuland, müssen in unserer Verschiedenheit und Fremdheit Missverständnisse ertragen. Manchmal strapazieren der Vater und die wilde Tochter die Grenzen meiner Geduld. Was er von seiner Tochter denkt, kann ich nicht wissen, da er kaum Deutsch spricht und sowieso ungern mit einer Frau wie mir oder der Sozialarbeiterin. Das Wichtigste vor unserer Reise ans Meer war für ihn, dass Modina immer die Unterhose anhat. Doch sie ist so gern wie andere Kinder am Strand „nackig“, ein Wort das sie liebt. Die Beziehung zu Modinas Vater hat sich enorm verbessert, seit ich ihm zum Deutschkurs und vor allem einem Praktikumsplatz bei einem Fahrradhändler verhalf. Seitdem kann Modina stolz zu Fremden sagen: „Mein Vater arbeitet!“ Doch die Deutschkurse sind viel zu wenig differenziert und spezialisiert auf Analphabeten, wenig Gebildete aus dem Baugewerbe, junge Väter, auf verschiedene Ethnien oder Religionsströmungen, die ja auch in den Heimen oft miteinander konkurrieren, streiten, sich gegenseitig diskriminieren oder beklauen. Diese Männer können sich nicht gegenseitig motivieren. Eher bringen sie sich Tricks bei, wie man Ausreden erfindet, Deutsch zu pauken. Da muss ich langsam von der Großzügigkeit und Barmherzigkeit auf notwendige Strenge umschalten. Im Praktikum ist der Vater von Modina fleißig und handwerklich begabt. Doch Verabredungen, das Gefühl für Termine, ist sehr schlecht ausgeprägt. Außer es geht um Ämter, wo es Stempel und Geld gibt. Das belastet die Geduld der Helfer und Helferinnen, wozu auch ein iranischer Bioladenbesitzer gehört, enorm. Modina versuche ich ein Minimum an Pünktlichkeit und das Uhrlesen beizubringen. Beim Reisen mit dem Zug in die Ferien habe ich mich extra laut gefreut, wenn wir nicht zu spät kamen. „Wir haben es geschafft!“ Auch eine Orientierung gegenüber zu dogmatischer Religion versuche ich ihr zu geben. In einer Kirche in Stettin haben wir Kerzen angezündet. Manchmal bete ich mit ihr für ihre Mutter im Himmel. Nach dem Ramadan versuchte ich, unserer Freundin Soraya, die ihr lange wie eine Amme war, zu erklären, dass der schwarze Vollschleier mich an Trauer und Beerdigung erinnere, dass sie da einem Zwang ihres Mannes nicht folgen müsse, sie sei doch jetzt in Deutschland. Darauf Modina klar und deutlich:„Wir sind doch jetzt in Deutschland!“ Sie riecht mit allen Sinnen, dass es um Freiheit geht. Sie will schon die Haare wachsen lassen, so wie meine. Doch sie ist unzähligen Einflüssen ausgesetzt, wozu auch all die Kinder im Heim gehören oder die verschleierten Frauen aus Somalia, die Werbefotos auf der Straße, die Handy-Reklame mit Blondinen, mit Tätowierungen oder Burkinis. Wie sollen die Kinder sich in der Medienwelt von heute zurechtfinden? Ein Gerüst und eine Grundschicht für ihr neues Leben sind die Erinnerungen an den Anblick des ersten Storches, die Waldspaziergänge mit Himbeeren und dem Hund, den sie an der Leine halten durfte, das Lagerfeuer auf dem Bauernhof in Polen, die Kinderspiele in der Jurte dort, das Ausbuddeln von Möhren, das Sammeln von Äpfeln, die Eva zu Apfelmus machte, die Gutenachtgeschichte, die ich ihr inzwischen mit wenigen Worten erfinden kann. Unser größtes Abenteuer war, als der Hund Lola sich plötzlich von der Leine losriss und anfing, die frei laufenden Hühner zu jagen. Modina staunte, wie ich einen Hahn rettete, der viele Federn bei dem wild gewordenen Haushund gelassen hatte. Genauso aufregend war der Moment, als sie bei einer Nachbarin Pferde mit Äpfeln füttern und auf einen großen Gaul aufsteigen durfte. Das hat ihr Lebens- und Selbstwertgefühl unendlich erhöht – und das Gefühl, angekommen zu sein. Beim Bürgerfest des Bundespräsidenten, zu dem ich wie andere Bürgerrechtler und Ehrenamtliche eingeladen war ins schöne Bellevue, habe ich Modina und ihren Vater mitgenommen. Er hat sich dafür einen schwarzen Anzug gekauft, und Modina wollte unbedingt neue weiße Glitzerschuhe, die ihr dann aber nach einer Weile wehtaten. Der Vater schaffte es, ein Selfie mit sich und Merkel zu machen und lächelte dabei wie im siebten Himmel. Modina war mehr an der Gebärdendolmetscherin interessiert. Ich hatte ein Gedichtheft von jungen Afghanen aus Berlin als Geschenk für Joachim Gauck ausgesucht. Modina hat noch viele Herzen reingemalt. Doch in dem Moment, als wir im Gewühl auf Gauck trafen, wollte sie weder die Hand geben noch das Buch verschenken. Sie ist eben gern mal trotzig. Gauck entpuppte sich als erfahrener Großvater und blieb heiter. Da kriegte er das Buch mit den Herzen von Modina dann doch noch. Wir trafen wieder Eritreer, einen kurdischen Jungen, einen jungen Sudanesen, der bei einer älteren Goldschmiedin wunderbar Deutsch gelernt hat. Wie schön Deutschland, wie heiter Deutschland an diesem Sommerabend sein konnte! Wie beglückend, unter vielen engagierten Bürgerinnen und Bürgern „ein freier Mensch unter Freien“ zu sein. Es wurde eine wunderbare Nacht mit Mond und Sternen, Tanzen mit bayerischen blondzopfigen Mädchen in ihren Trachten, am Schluss ein Feuerwerk, wo Modina und ich uns ab und zu die Ohren zuhielten, doch das Farbenspiel genossen. Zwischen uns beiden ist wohl eine Liebesgeschichte gewachsen, anstrengend, aber schön. T Die Autorin (70) ist Mitbegründerin der Grünen. Die Pazifistin und Feministin engagiert sich für Flüchtlinge. IMPRESSUM Verleger AXEL SPRINGER (1985 †) Herausgeber: Stefan Aust Chefredakteur: Dr. Ulf Poschardt Stellvertreter des Chefredakteurs: Oliver Michalsky, Arne Teetz Stellvertretende Chefredakteure: Beat Balzli, Dr. Marius Schneider (Geschäftsführender Redakteur) Chefkommentator: Torsten Krauel Redaktionsleiter Digital: Stefan Frommann Leitender Redakteur: Matthias Leonhard, Stv. Henning Kruse; Christian Gaertner, Philip Jürgens, Lars Winckler Creative Director: Cornelius Tittel Artdirektion: Juliane Schwarzenberg Politik: Marcus Heithecker, Dr. Jacques Schuster, Lars Schroeder, Stv.: Claudia Kade Forum: Andrea Seibel, Stv. Rainer Haubrich Deutschland Hintergrund: Wolfgang Büscher, Claus Christian Malzahn Außenpolitik: Dr. Sascha Lehnartz, Stv. Silke Mülherr Wirtschaft/Finanzen: Thomas Exner, Olaf Gersemann, Stv. Jan Dams, Dietmar Deffner, Michael Fabricius Kultur: Andreas Rosenfelder, Stv. Elmar Krekeler, Lucas Wiegelmann Literarische Welt: Ri- chard Kämmerlings Stil/Reise/Motor: Adriano Sack, Stv. Sönke Krüger, Inga Griese (Senior Editor) Sport: Stefan Frommann, Stv. Sven Flohr, Christian Witt, Volker Zeitler Leben/Wissen: Wolfgang Scheida, Heike Vowinkel, Stv. Dr. Pia Heinemann CvD Produktion: Patricia Plate, Stv. Dr. Jörg Forbricht Foto: Michael Dilger, Stv. Stefan A. Runne Infografik: Sandra Hechtenberg, Karin Sturm Nachrichtenchef: Falk Schneider Social Media: Niddal Salah-Eldin Managing Editor Digitalteam: Sebastian Lange, Stv. Caroline Turzer Video: Martin Heller Chefkorrespondentin Wirtschaftspolitik: Dr. Dorothea Siems Korrespondenten Politik/ Gesellschaft: Ulrich Exner, Dr. Richard Herzinger Chefkorrespondent Wissenschaft: Dr. Norbert Lossau Korrespondentin: Jennifer Wilton Leiten- der Redakteur Zeitgeschichte: Sven Felix Kellerhoff Ständige Mitarbeit: Prof. Michael Stürmer Autoren: Henryk M. Broder, Dr. Susanne Gaschke, Alan Posener, Dr. Kathrin Spoerr, Benjamin von Stuckrad-Barre, Hans Zippert Auslandskorrespondenten: Brüssel: Dr. Christoph Schiltz, Andre Tauber Budapest: Boris Kalnoky Istanbul: Deniz Yücel Jerusalem: Gil Yaron Kapstadt: Christian Putsch London: Stefanie Bolzen, Thomas Kielinger, Nina Trentmann Madrid: Ute Müller Marrakesch: Alfred Hackensberger Moskau: Julia Smirnova New York: Michael Remke, Hannes Stein Paris: Martina Meister Peking: Johnny Erling Prag: Hans-Jörg Schmidt Singapur: Sophie Mühlmann Warschau: Dr. Gerhard Gnauck Washington: Ansgar Graw, Stephan Strothe, Clemens Wergin + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd DIE WELT FORUM 5 MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 * KOMMENTAR LEITARTIKEL Eine neue Realpolitik 10.09.16 Samstag, 10. September -Belichterfreigabe: :Z eit: 2016 Belichter: Farbe: KUNDENSERVICE Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin distanzierte. Auch Vizekanzler Sigmar Gabriel tutete ins selbe Horn mit dem Ergebnis, dass sich die SPD von etwas über 20 Prozent, die ihr beim Umfragetief prognostiziert wurden, auf über 30 Prozent am Wahltag steigern konnte. Aber es gibt noch zwei weitere Gründe. Innenminister Lorenz Caffier, der bereits 2011 das bis dahin schlechteste Wahlergebnis für die CDU erzielte, war trotz guter Arbeit bei der Integration von Flüchtlingen und im Bereich Innere Sicherheit/Polizei meiner Meinung nach nicht der richtige Spitzenkandidat. Er hat leider zu wenig Charisma und wirkt bei öffentlichen Auftritten und in den Medien nicht souverän genug – im medialen Zeitalter ein schweres Handicap. Ganz anders AfD-Spitzenmann Leif-Erik Holm, der seine Partei zur zweitstärksten Kraft Verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes: Seite 1: Henning Kruse Deutschland: Marcus Heithecker Ausland: Oliver Michalsky Forum: Rainer Haubrich Wirtschaft/Finanzen: Thomas Exner Sport: Jens Bierschwale Wissen: Heike Vowinkel Feuilleton: Matthias Heine Panorama: Oliver Michalsky Sonderthema: Astrid Gmeinski-Walter Alle: c/o WeltN24 GmbH, 10888 Berlin. Hamburg: Claudia Sewig, «Axel- as neue iPhone 7 kann vorbestellt werden. Allerdings ist nur eine begrenzte Stückzahl verfügbar. Die genaue Zahl kennt aber Insider vermuten, niemand, sehr begrenzte Mengen dass es unterhalb einer zweistelligen Milliardenmarke sein werden. Interessenten an dem pfiffigen schnurlosen Telefon für unterwegs müssen einen Antrag auf Erteilung Vorbestellungserlaubnis einer Apple-Firmenzentrale an die Dort wird überprüft, stellen. ob die Voraussetzungen zur Erteilung einer Vorbestellungserlaubnis sind. Man sollte lückenloserfüllt weisen, dass man innerhalbnachder vergangenen zehn Jahre das neuste iPhone-Modellimmer gekauft hat, vorzugsweise in der Plusversion. Auch sonst sollte der Antragsteller durch einen vorbildlichen Lebenswandel wozu der Besitz von überzeugen, iPad, MacBook und Apple Watch gehört. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, erhält der Interessent Formular zur Vorbestellung das des iPhone 7. Das Gerät bekommt aber nur, wer sich verpflichtet, die Versionen 8 bis 22 ebenfalls zu erwerben sowie jeden anderen Digitalquatsch, den Apple in den nächsten zehn Jahren Markt werfen wird. auf den SAMSTAG, 10. SEPTEMBER orst Seehofer läuft auf Hochtouren. Arbeitete er sich zuletzt vor allem an der Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin ab, hat er nun quasi im Vorübergehen verkündet, die CSU wolle die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ARD und ZDF zusammenlegen. Die Grundversorgung der Zuschauer könne auch von einer Fernsehanstalt geleistet werden. Bei ARD und ZDF, so war am Sonntag zu erfahren, wolle man sich zurückhalten. Klar zielt Seehofers Vorstoß in das Herz des historisch gewachsenen Rundfunksystems. Doch man müsse ja nicht über jedes Stöckchen springen. Der Fusionsplan, der im neuen Grundsatzprogramm der CSU stehen soll, ist im Detail bisher nicht bekannt. Auch die FDP verfolgte schon einmal solche Absichten. Und ginge es nach der AfD, würden die Sendeanstalten brachial umgebaut. Bei den ÖffentlichRechtlichen selbst ist die Erkenntnis angekommen, dass es mit Sparreförmchen nicht getan sein könnte. Aus- gerechnet Ulrich Wilhelm, der Intendant des Bayerischen Rundfunks, sagte kürzlich in einem Interview: „Wenn man noch einmal neu anfinge, würde man sicher nicht ARD und ZDF getrennt aufbauen, sondern eine Anstalt für ganz Deutschland.“ Richtig ist, dass es angesichts eines aufgeblähten Apparates und zunehmender Kritik am „Zwangsbeitrag“ auch aus der Mitte der Gesellschaft dringend angezeigt ist, das öffentlichrechtliche Rundfunksystem neu zu denken. Sich nicht mit den historischen Gegebenheiten zufriedenzugeben und darum nur an kleinen Stellschrauben zu drehen. Und tatsächlich überprüft derzeit eine Arbeitsgruppe der Medienpolitiker den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Allerdings wirkt der nun lancierte Fusionsplan aber auch arg populistisch und kaum konstruktiv. Medienpolitik ist Ländersache, abgestimmt scheint Seehofers Vorgehen aber nicht zu sein. Zufällig gewählt ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung indes nicht. In dieser Woche tagen die Intendanten der ARD in Berlin. Ihre Aufgabe ist es, auch wenn es ihnen vermutlich schwerfallen dürfte, den CSU-Vorstoß nicht nur als Provokation abzutun. Selbst wenn er so gemeint ist. [email protected] DIE STRENGE STAUSBERG Brasilien ohne Frauen S HILDEGARD STAUSBERG eit ein paar Monaten hat Brasilien eine Übergangsregierung, die das Land bis zur Wahl 2018 führen soll. Die seit sechs Jahren regierende Präsidentin Dilma Rousseff, eine Sozialistin, wurde nach einem langwierigen Verfahren abgesetzt. Man kann zum neuen Präsidenten Michel Temer, bis vor Kurzem Vizepräsident, stehen wie man will: Der 75-Jährige ist kein „Greenhorn“, sondern seit mehr als 40 Jahren im politischen Geschäft. Und wenn man sich seine Regierung ansieht, dann sind dabei ein paar versierte Politiker und erfahrene Fachleute. So ist der neue Außenminister José Serra ein echtes Schwergewicht, dessen einziges Manko darin besteht, nicht fotogen zu sein – fast ein Todesurteil in unserer Zeit. Im Bereich der Finanzen hat kaum jemand in Brasilien – oder ganz Lateinamerika – so viel Erfahrung wie der von Temer ernannte Minister Henrique Meirelles. Was braucht ein Land, das seit mehr als drei Jahren in einer tiefen Rezession steckt, das eine Inflationsrate hat, die sich der Zehn-Prozent-Marke nähert, dessen Staatsfinanzen überhaupt nicht mehr unter Kontrolle sind? Es braucht Fachleute. Nun ist das deutsche Wort „Leute“ ja zum Glück neutral. Richtiger hätte man mit Blick auf das Kabinett Temer schreiben müssen: Es ist ein Kabinett der Fachmänner. Darüber ist eine Kontroverse entbrannt, die es sogar auf Seite eins der „International Herald Tribune“ schaffte. Da greift man die in Brasilien geschürten Ängste auf, dass nach dem Ausscheiden Rousseffs Frauen nun um ihren Einfluss bangen müssten. Was für eine verquere Welt: Man kritisiert das Kabinett Temer für die Tatsache, dass es für die Herkulesaufgabe der Sanierung der Staatsfinanzen einen Fachmann wie Mireilles nominierte – und dafür nicht eine Frau aussuchte. Gab es die überhaupt? So oder so: Hier geht es nicht in erster Linie um eine echte Auseinandersetzung mit Sachfragen, sondern um die künstliche Aufregung über die Tatsache, dass es in diesem Kabinett keine nennenswerten weiblichen Mitglieder gibt. So als ob das Heil Brasiliens von einer geschlechtsspezifischen Zusammensetzung seiner Regierung abhinge! Dabei ist die Wahrheit doch diese: Weder Rousseff in Brasilien noch die bis Ende 2015 in Argentinien regierende Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner haben ihren Ländern Glück gebracht. Frau allein reicht eben auch nicht. 2016 ** D 2,70 E URO B Nr. 213 KOMMENTAR Zäsur 11. September im Schweriner Landtag machte. Er ist als ehemaliger Moderator des Radiosenders Antenne MV landesweit bekannt, rhetorisch begabt, und er nutzte seine immer noch vorhandene Popularität, indem er sich als Stimmenfänger für die AfD betätigte. JACQUES SCHUSTER D 22 CDU nennt Seehofer Vorschläge grundges s etzwidrig MANFRED H. OBLÄNDER, KÖNIGSWINTER V Rotes Tuch G Ihre Post an: DIE WELT, Brieffach 2410, 10888 Berlin, Fax: (030) 2591-71606, E-Mail: [email protected] Zu: Merkel-Berichterstattung Kampfansage an Briten und Rosinen auf allen Kanälen – mit der „Welt“-App auf dem Smartphone oder Tablet. Attraktive Sie auf welt.de/digital Angebote finden oder auch mit den neuesten Tablets auf welt.de/bundle H CHRISTIAN MEIER ** Unsere neue Nummer eins Angelique Kerber ballt die Faust nach ihrem überzeugenden Sieg im Halbfinale der US Open in New York. Knapp zwei Jahrzehnte nach Steffi Graf steht mit der 28-Jährigen wieder eine deutsche Spielerin an der Spitze der Tennisweltrangliste. Wir erklären die wichtigsten Stationen im Leben der Nummer eins. Seite ie meisten Epochengrenzen sind künstlich gesetzt. Begann die Moderne 1789 mit der Französischen Revolution oder mit der Erfindung der Dampfmaschine fast 80 Jahre früher? Endete das 19. Jahrhundert am 31. Dezember 1899 oder erst mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges? Diese merten die ZeitgenossenFragen kümwenig. Die Menschen stehen im eignisse; erst später Strom der ErSinne Kierkegaards schauen sie im zurück: „Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.“ Doch es gibt Augenblicke, die alles bisher Dagewesene jäh verändern, zumindest in ein anderes Licht rücken. Der 11. September 2001 war ein solcher Augenblick. Er beendete nicht nur die Jubelepoche nach dem Fall des Eisernen Vorhanges, sondern machte auch vielen am selben Tag klar, Menschen noch dass nach den Anschlägen von New York und WashingTHEMEN ton kaum etwas so sein würde, wie es gewesen war. Der Glaube an das „Ende der Geschichte“ wich der Erkenntnis, Opfer in einem Krieg sich nicht allein gegen zu sein, der die USA richtete, sondern gegen den Westen insgesamt. Die Überzeugung, im dauerhaften Frieden zu leben, zerbarst innerhalb von Tagen. An ihre Stelle trat die Einsicht, gegen einen Feind ohne REISE Aussicht auf Versöhnung kämpfen zu müssen, weil dieser Gegner sich dem Marbellas Altstadt, Todestrieb verschrieben Christen dürften hatte: „Ihr bei Zuwanderung liebt das Leben. Wir neu entdeckt lieben nicht besser behandelt Ministerpräsidentin Darüber hinaus mussten den Tod.“ werden als Muslime, die meisKramp-Karrenbauer. ten Menschen im Beilage Westen mit einem sagt Saarlands Forderungen in der Schlag zur Kenntnis CDU, endlich „zurückzuschlagen“ nehmen, dass sie or einem Koalitionsgipfel es mit einer Gefahr Auch die Forderung zu über die Zuwanderungspolisie gestern noch für tun hatten, die nach einem „EinPOLITIK wanderungsbegrenzungsgesetz“, mumienhaft vertik am Sonntag eskaliert gangen gehalten hatten. der hofer beschließen die SeeStreit zwischen den Hinter den Kulissen lassen will, lehnt Hitlers frühere de des Dreißigjährigen Seit dem EnUnions- CDU schon wächst in der CDU die „Das schadet dem parteien Krieges war der Unmut über jetzt das Bewusstsein verschwunden, die Raketenbasis ist politik. Die CSU will über die Flüchtlings- einem isoliertenab: „Wer behauptet, mit einer internen TagungCSU-Attacken. Auf heute heute auf einer Vordass Ansehen Deutschlands“ Einwanderungsgesetz eine Religion fanatisiert standsklausur ein der Generalsekrekäme kein einziger eine Hochburg der und mördetäre und Geschäftsführer fünfseitiges Papier Flüchtling mehr, risch werden kann. beschließen, indem ein AfD aller LandesverbeDer 11. September bände wurde der härterer Kurs gefor- lügt die Leute“, schimpft Kramp-Karrenbrachte es wieder dert wird. In der Generalsekretär bauer. „Dafür müssten an die Oberfläche. Seite 8 Luxemburgs Außenminister der Bundespartei, Peter Beschlussvorlage Diese Einsicht hat wir zum Beispiel heißt es: „In Zukunft muss Tauber, Jean auch die InnenAsselborn hat die merangaben aufgefordert, laut Teilnehgelten: Vorrang für die Genfer Flüchtlingskonvention und Gesellschaftspolitik Vorschläge der Zuwanderer aus kündiCSU scharf kritisiert. rückzuschlagen“, nachdem „endlich zuunserem christlich- gen und das Asylrecht im Grundgesetz Sie führte zur Erkenntnis,verändert. „Die neuesten abendländischen abschaffen.“ der bayerische Forderungen der dass der Ministerpräsident MOTOR Multikulturalismus CSU in Horst Seehofer Die Schwesterpartei lehntKulturkreis“. Allerdings gestand schädlich ist, lingspolitik und Parolen der Flüchtund sein Finanzminister das vehement ab. wenn er über den die Ministerpräsiwie dentin, die auch westlichen Mit diesem SUV ‚Deutschland muss terviews erneut die Markus Söder in Inim Präsidium der steht. Die Gegenbewegung, Werten will Deutschland Flüchtlingspolitik Bundes-CDU ist, Diskussionsbedarf VON ROBIN ALEXANDER bleiben‘ führen zu der Bundeskanzlerin der zuVolkswagen in Amerika nehmende Druck einer Abschotkritisiert hatten. zu: „Wir müssen schon eine der Integration und tung gegenüber Die CDU-Spitze scheut Debatte führen, Assimilation auf Flüchtlingen“, sagte aber den öffentlichen „Bei der Aufnahme wieder Fuß fassen Ausländer, ist ohne Asselborn der „Welt“. Konflikt, sie will vor von Verfolgten un- che Zuwanderung wir bei uns haben welden 11. September „Sie schaden terscheidet unser nicht zu erklären. dem Ansehen Deutschlands Berlin am Sonntag der Landtagswahl in Grundgesetz gerade len und in welchem Rahmen wir wolGenauso wenig wie Seite 16 nicht, ob jemand in einer Woche kein gleichin der zeitig unseren humanitären Welt und lösen im zerstrittenes Unionslager als Christ, Jude, der Überfremdung die Furcht vor Ausland IrritatioVerpflichtunMoslem, Mann oder präsentieren. in den Tagen der nen und Sorge über Frau oder aus anderen gen nachkommen können.“ Die Christsozialen Flüchtlingskrise. den künftigen Die erneute Gründen verfolgt nehmen darauf nach Kurs der Bundesregierung der CDU-Wahlniederlage wird“, sagte die Mini- Forderung der CSU, der Bundestag Hinzu kommt schließlich sterpräsidentin des in der FEUILLETON möge in MecklenMigrationspolitik burg-Vorpommern das BeSaarlandes, Annegret eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlinwusstsein, in einem aus.“ Er glaube, keine Rücksicht mehr. Kramp-Karrenbauer gen pro Jahr gesetzlich Konflikt zu stedass die CSU damit CSU-Chef Horst cken, der nicht Warum eigentlich der AfD auf die Seehofer äußerte Sie fragt: „Wie soll (CDU), der „Welt“. wirft die Schwesterparteibeschließen, verbeendet ist. Der Sprünge hilft: „Die sich am Freitag zwar etwas geht dieser Vorschlag Kampf gegen den hingegen kateChristsozialen der gorisch. „Der CSU denn in die moderater im Ton, Terror wird weiteres nur um die Ängste aus Bayern können blieb aber in der Praxis Streit über die Obergrenze gehen. Können wir noch so scharf Sache hart. „Wir den? Bei der Zuwanderungumgesetzt wer- ist angesichts ihn gewinnen? schießen, sie werden brauchen jetzt klare, der aktuellen Situation, der Rechtspopulisten? in den ArbeitsKönnen wir auch verlässliche Regeln die AfD nicht markt kommt es doch der deutlich weniger scheitern? Die Antin überholen. Aber die Zuwanderung, für wort mag in Samuel Flüchtlinge neu ansie verbiegen das auch für die Zukunft“, fikation an statt auf eher auf die Quali- kommen, eine Becketts ErzähBild von Deutschland, sagte er im oberpfälzischen die Religion.“ ziemliche PhantomdiskusSeite 25 lung „Aufs Schlimmste das sion“, sagte Kramp-Karrenbauer. SchwarzenJahr 2015 als solidarischessich im zu“ liegen: feld. „Ohne Begrenzung „Immer versucht. und werden wir es Immer gescheitert. menschliches Land nicht schaffen – das Einerlei. Wieder gezeigt hat.“ cbs ist meine tiefe Überversuchen. Wieder zeugung.“ scheitern. Besser PANORAMA scheitern.“ Seite 4 [email protected] uy Verhofstadt personifiziert Die große Leere, die Lust am powenn litischen Streit wie kaum ein anderer. BLICK AUS BRÜSSEL das Kind auszieht Der belgische Ex-Premierminister marktes für ein starkes soll künftig im men des Europaparlaments politisches Ziel und über die Bedingungen Nadass die EU-Seite Seite 32 erwarten, Brexit verhandeln des es in den Verhandlungen „Er hasst und die Abgeordneten quent verfolgt. In fenden halten, was konse- tekt Nigel alles, wofür wir stehen“, sagte Brexit-Archiauf dem Laueinem noch unveröffentlichten Kommission und Farage über den Belgier. pier mit dem Titel Rat mit den Briten aushecken. Seine Pa- der EU Zorn Farage unterstellt „Brexit und die Zukunft und Eifer in der haben sie die Verhandlungsstrategien Europas“ Aber an die Briten — und Ernennung ist eine Kampfansage Verhandlungsführung. DAX ein Zeichen des Parlaments spieltheoretisch beider Seiten blicktauch wenn man so kühl auf die Optionen anderen beiden EU-Institutionen: an die betrachtet und eingeordnet. wie die Ökonomen der EU Fortbestand der Union Wir schauen euch um Hüther, ergibt Im Minus auf die Finger. Den Handlungsanweisung: sich eine les, was dies gefährdensehen sie als essenziell an: „Al„Langfristig ist die Verhandeln im eigentlichen wort optimale der EU unabhängig kann, wird für die AntSeite 19 Sinne müssen verhandelbar sein.“ von der Verhandlungsposition EU nicht der britischen sion und Rat, die beide VerhandlungsführerKommisRegierung eine kompromisslose Und die Union, so haben. Im Zweifel Dax handlungsführung“, geht der Common müssen sie in mühevoller ernannt Euro Versel, würde zerbröckeln, schreiben sie — die Dow Jones Sense beit Zehntausende Schluss DetailarEU stelle sich EZB-Kurs wenn der Briten-Deal in Brüs- damit in jedem Falle ökonomisch Rechtsvorschriften 17.40 Uhr spiel setzt und sich FLORIAN EDER 10.573,44 1,1268 klauben. Verhoftstadt ein Bei- die Briten auseinanderbesser, egal, ob sich jeder 18.293,05 kompromissbereit hat deutlich gemacht, Punkte die ihm gerade gefallen. die Teile aussuchen könnte, US-$ Parlament kein Ergebnis Punkte dass das Das werden die Brüsseleroder bockig geben. –0,95% ↘ –0,24% Zugang zum Markt mittragen werde, Arbeitnehmerfreizügigkeit, ↘ –1,01% ↘ nur gegen freut Grundfreiheiten des das die vier zur Kenntnis nehmen. Verhandlungsteams erdie Kommissionspräsident das ist also die rote Linie, Rosinen macht, von europäischen Binnenmarktes zu Denn die britische rung hat sich bald Jean-Claude Regiedenen London sich drei Monate nach mende Woche in aussucht. die schönsten Diskutieren dem Referendum seiner Rede zur Lage Juncker kom- noch längst nicht Wir twittern Sie mit uns sortiert. Von Straßburger Plenum der Union im strategie Ökonomen um den live aus dem auf Facebook: für die kommenden einer VerhandlungsNewsroom: wollen sie mit einer ziehen will. Die Abgeordneten facebook.com/welt Hüther, halten den Direktor des IW Köln, Michael Jahre ist sie weit fernt. Sie weiß noch twitter.com/welt eigenen Resolution Erhalt der Einheit entDass kurzfristige Kompromisslösungen nicht verstärken. tritt des Binnenformell erklären will. einmal, wann sie den Ausüber hehre Prinzipien nicht am Ende „Die Welt“ digital Auftrag an sich selbst obsiegen, wird Verhofstadts T Jeden Samstag Lesen Sie „Die Welt“ sein. DIE WELT, Axel-Springer-Straße digital hier: 65, 10888 Berlin, Telefon 030 / 25 91 0 Fax 030 / 25 Redaktion: Brieffach Kundenservice 91 DIE WELT, Brieffach 71 606 E-Mail [email protected] Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. 2440, 10867 Berlin Anzeigen: 030 Telefon 0800 / / A 3,80 & / B 3,80 9 35 85 37 Fax 080058 58 90 Fax 030 / 58 58 91 E-Mail Pflichtblatt an allen deutschen & / CH 5,20 CHF Wertpapierbörsen. / 9 35 87 37 E-Mail [email protected] / CZ 107 CZK / GB 3,30 GBP / CY 3,80 & / DK [email protected] GR 3,60 & / I 3,80 29,00 DKR / E 3,80 & / L 3,80 & / MLT & (Cont.) / I.C. 3,60 & / NL 3,80 3,80 & / F 3,80 & / P 3,80 & / PL &/ 16,00 PLN / SK 3,60 & verschafft ihnen Wir sind der Bundeskanzlerin noch nicht überdrüssig, auch wenn viele Leserbriefe das Gegenteil suggerieren. Und deshalb schafft sie das – die erneute Kanzlerschaft. Sie wird nicht „wie Schröder enden“ und auch nicht wie Horst „Hybris“ Seehofer. Gefährlich werden kann ihr nicht etwa die Flücht- Florian Eder von „Politico“ Einblick in die europäische Innenpolitik Leserbriefe geben die Meinung unserer Leser wieder, nicht die der Redaktion. Wir freuen uns über jede Zuschrift, müssen uns aber das Recht der Kürzung vorbehalten. Aufgrund der sehr großen Zahl von Leserbriefen, die bei uns eingehen, sind wir leider nicht in der Lage, jede einzelne Zuschrift zu beantworten. ??/DW/DWBE-HP 10.09.16/1/TIBE AARAVENA ARD und ZDF fusionieren? DWBE-HP 0800/935 85 37 Zippert zappt Viele Punkte in der Analyse des Landtagswahlergebnisses von MecklenburgVorpommern sind richtig; ich kann Robin Alexander darum weitgehend beipflichten. Vor allem trifft es zu, dass die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel eine der wesentlichen Ursachen für das relativ gute Abschneiden der SPD und für den Erfolg der AfD, aber auch für das schlechte Abschneiden der CDU war. Erschwerend kommt hinzu, dass SPD-Landeschef und Ministerpräsident Erwin Sellering wenige Wochen vor dem Wahltag unter dem Eindruck schlechter Umfrageergebnisse in eben dieser Frage eine Kehrtwende vollzog und sich deutlich von der Regionalredaktion Hamburg: Jörn Lauterbach, Stv. Claudia Sewig 1 D Zu: „Merkel braucht eine neue Antwort auf die AfD“ vom 6. September Die WELT-Gruppe kooperiert mit „El País“ (Spanien), „La Repubblica“ (Italien), „Le Figaro“ (Frankreich), „Le Soir“ (Belgien), „Tages-Anzeiger“ und „Tribune de Genève“ (beide Schweiz) ǑǑ [email protected] Die Europäer haben ihre Sicherheit, murrend und zahlungsunwillig, gern den USA überlassen ROGER CRACKNELL SPD-Kehrtwende MICHAEL STÜRMER GETTY IMAGES/ LESERBRIEFE Angesichts der Krisen und Kriege in der Welt besteht existenzieller Bedarf an einer Kooperation mit Russland. Das gemeinsame Vorgehen von Washington und Moskau in Syrien zeigt, was möglich ist AP/ DARRON CUMMINGS; D er Atlantik wird breiter, und die Europäer im Allgemeinen, Deutschland im Besonderen müssen etwas dagegen tun – wenn sie denn wüssten, was. Mehr Nationalfarben denn je zuvor flattern vor dem NatoHauptquartier am Brüsseler Boulevard Leopold III, und ähnlich sieht es aus vor dem Berlaymont, wo die Europäische Union ihr Zentrum hat. Aber man soll sich nicht täuschen: Ohne die Letztgarantie durch die Vereinigten Staaten von Amerika würde das europäische Schachbrett erst langsam und dann immer schneller in Schieflage geraten. Die europäische Konstruktion ruht nicht in sich selbst. Russland ist der Machtfaktor, der nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion noch keine dauerhaft stabile, damit berechenbare und voraussagbare Rolle gefunden hat – ob es um die Annexion der Krim geht, den Hybridkrieg im Osten der Ukraine, den Druck auf Georgien und die gefrorenen Konflikte an der unteren Donau. Vieles erinnert heute wieder an das mahnende Wort von George Shultz, Reagans weltweisem Außenminister, der warnte, Russland gleiche einem schwer verwundeten Grizzlybären: stark, unberechenbar und mit langem Gedächtnis. Dass die westlichen Sanktionen als Mittel der Kommunikation ausreichen, kann niemand ernsthaft glauben. Wer auch immer, Hillary Clinton oder Donald Trump, im November gewählt wird und im Januar ins Weiße Haus einzieht und aus dem Oval Office mit der Welt kommuniziert – die Vereinigten Staaten werden die in ihren historischen Genen angelegte Wendung nach innen und zum Pazifik fortsetzen. Sie bleiben zwar mutmaßlich Weltmacht noch auf lange Zeit in allen Dimensionen, von der Popkultur und Cyberspace bis zu den Flugzeugträgern und der Fähigkeit, Raketen durch Raketen zu zertrümmern. Aber um die Europäer vor selbst gewählter Schwäche und weltpolitischen Abhängigkeiten zu bewahren, fehlt es an Kraft und Bereitschaft. Das alte Sendungsbewusstsein, das zuletzt noch als Hybris den Einmarsch in den Irak des Saddam Hussein beflügelte, ist verloren, die „manifest destiny“ im innenpolitischen Grabenkampf zerrieben. Der amerikanische Anspruch auf Besonderheit – „exceptionalism“ – erweist seine gefährliche Doppeldeutigkeit: Führungsanspruch und Rücksichtslosigkeit. Jene „partnership in leadership“, die George Bush der Ältere in Mainz am Vorabend der großen Umbrüche den Deutschen anbot, blieb damals unbeantwortet und offen, reichte aber noch, die deutsche Einheit gemeinsam ins Trockene zu bringen. Aber würde sie, jenseits von G 8 und G 20, heute noch einmal wiederholt? Europa ist nicht mehr die „Central Front“ des Kalten Krieges – und man beeilt sich, ein „Gott sei Dank“ hinzuzufügen. Aber Europa ist auch nicht der starke, verlässliche atlantische Partner, den die USA brauchen, Präsident John F. Kennedys niemals realisierte „zweite Säule“. Dass weitere dramatische Kündigungen nach dem Modell Brexit bisher ausblieben, ist erfreulich, aber keine Garantie, dass der Status quo stabil, verlässlich und prägend für die Zukunft wäre. Das stellt die Europäer vor Aufgaben, namentlich in Fragen der Sicherheit, die sie über viele Jahrzehnte, mitunter murrend und zahlungs- unwillig, gern den Vereinigten Staaten und ihrer Steuerung überließen. Am meisten galt dies nach dem Fall der Berliner Mauer, als die „lone surviving superpower“ omnipotent dastand, der Aufstieg Chinas zur Weltmacht sich noch hinter dem Horizont abspielte und Russland mit sich selbst beschäftigt war und mit der Suche nach dem verlorenen Imperium. Mit einem Wort: Die Sicherheitsarchitektur Europas gibt es nur noch auf dem Papier. In der realen Welt ist darauf nicht mehr viel Verlass. Der viel gepriesene Artikel fünf des Nordatlantischen Vertrages ist nicht die „eisenharte Garantie“ der Sicherheit Europas vor russischen Abenteuern, wie der amerikanische Präsident, auf Abschiedsreise durch die baltischen Staaten es noch unlängst formulierte. Artikel fünf gibt ein Beistandsversprechen unbestimmten Inhalts – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Dass Kandidat Donald Trump das auch noch für die Bündnispartner von pünktlich gezahlten Rechnungen abhängig machen will, zur Freude der Kremlgewaltigen, zeigt, wie schwankend der Boden ist, auf dem das atlantische System steht. Die vertraglichen Stationierungsverzichte im Verlauf der Nato-Osterweiterung seit 1997 – keine Nuklearwaffen, keine substanziellen Truppen, keine Raketenabwehr – geben nicht nur den Russen einen Rechtsanspruch, in Nato-Fragen mitzusprechen, sondern öffnen auch viel zu schnell das Dilemma, ins Nukleare zu eskalieren oder aufzugeben. Die Europäer werden in den Krisen und Kriegen der Gegenwart erbarmungslos getestet. Es sind, fast auf den Tag genau, 70 Jahre, dass der amerikanische Außenminister „Judge“ Byrnes im Stuttgarter Landtag den Nachkriegsdeutschen bessere Zeiten versprach und den Nachkriegseuropäern die Zusicherung gab, Amerika würde solange in Europa bleiben, wie es die Lage erfordere und die Europäer es wünschten. Aus der doppelten Eindämmung, der deutschen Vergangenheit und der sowjetischen Zukunft, entstand in schneller Folge ein Weltentwurf, dessen Eckwerte Marshallplan und Nordatlantikpakt waren, und jenes atlantische System, dessen Anziehungskraft am Ende ausreichte, die Sowjetmacht zu überwinden. Was nicht gelang, aus amerikanischen wie aus russischen Gründen, war die dauerhafte Kooptation Russlands in einem europäischen Friedens- und Sicherheitsverbund. Es ist spät, aber nicht zu spät, daran zu arbeiten. Ausmaß und Gewicht der gemeinsamen Interessen sind nicht gering, von Rauschgiftbekämpfung bis zur nuklearen Proliferation, Terror und Kriegen im islamischen Krisenbogen bis zu den anschwellenden Völkerwanderungen. Die aktuelle Einigung zwischen Washington und Moskau in Sachen Syrien zeigt, was möglich ist. Nichts davon ist zu bewältigen ohne ernsthafte, auf Dauer angelegte Kooperation zwischen Russland und dem Westen. Jenes Kriegsvermeidungskartell der Nuklearmächte, welches die letzten Jahre des Kalten Krieges berechenbar machte und das Management des Endspiels entschärfte, kam nicht aus Erhebung der Herzen, sondern war das Ergebnis von Furcht und Vernunft. Wer wollte angesichts der Krisen und Kriege in der Welt heute sagen, dass nicht existenzieller Bedarf besteht an einer kühnen neuen Realpolitik? Es gibt keine größere Aufgabe. ISSN 0173-8437 213-36 ZKZ 7109 + Springer-Platz 1, 20355 Hamburg Anzeigen: Silvana Kara, Axel Springer SE, 10888 Berlin WeltN24 GmbH: Verlagsgeschäftsführung: Dr. Stephanie Caspar, Dr. Torsten Rossmann; Mitglied der Geschäftsführung: Christian Fuhrhop General Manager: Johannes Boege Gesamtanzeigenleiter: Silvana Kara Handel: Peter M. Müller 5% 25% 50% 75% 95% Redaktion Sonderthemen: Astrid Gmeinski-Walter Verlag: WeltN24 GmbH Druck: Axel Springer SE, Berlin; beide: 10888 Berlin, Axel-Springer-Str. 65. Tel.: 030 / 259 10. DIE WELT wird als Zeitung und digital vertrieben. Alle Rechte vorbehalten. Die Rechte für die Nutzung von Artikeln für elektr. Pressespiegel erhalten Sie über PMG Presse-Monitor GmbH, Tel.: 030/28 49 30 lingskrise, denn die wird sich in der erlebten chaotischen Weise sicher nicht wiederholen. Stattdessen scheint mir die Erdogan-Türkei das neue rote Tuch der Deutschen zu sein. So könnte die Visafreiheit tatsächlich zur tsunamiartigen Ablehnung von Merkel führen. Sie sollte und wird das wissen. MICHAEL MEINSEN, HANNOVER Akademikerflut Zu: „Hitler? Gründete die DDR“ vom 5. September Meine Mutter, Oberstudienrätin und Jahrzehnte an einem Schulversuch Niedersachsens aus dem Jahre 1952, genannt „Differenzierter Mittelbau“, beschäftigt, sagte immer wieder: „Es wird kein Unfug in der Pädagogik aus- oder www.presse-monitor.de. Für Syndication-Rechte wenden Sie sich an [email protected]. Abonnementspreis in Deutschland monatlich 52,90 Euro; das Kombi-Abonnement mit der „Welt am Sonntag“ monatlich 54,90 Euro; Versandzusatzkosten im Ausland: Europa 19,40 Euro; weltweit 83,70 Euro. Das Abonnement kann zum Monatsende beendet werden, Abbestellungen müssen dem Verlag schriftlich sieben gelassen, um ihn an den Schülern auszuprobieren.“ Ich kann das nur bestätigen, weil ich als Beamter des Bundesfinanzministeriums mit Fachschulstudium die Entwicklung der Wirtschaft seit 1962 miterlebt habe. Die wichtigste „Sozialreform“ der Nachkriegszeit war die schleichende Akademisierung der Arbeitswelt. Normale Lehrberufe wurden zu „Studiengängen“ an Hochschulen und Universitäten hochgestylt, um für diese Neuakademiker eine Verbesserung der Arbeitsentgelte zu erreichen. Und es ist genau diese Akademikerschwemme, die heute die Flure so vieler Arbeitsvermittlungsbehörden verstopft. Eine der Nebenwirkungen ist außerdem, dass wir für den Niedriglohnsektor keine Arbeitskräfte auf dem Inlandsarbeitsmarkt mehr haben. Tage vor Monatsende vorliegen. Kundenservice: Tel. 0800 / 935 85 37. E-Mail: [email protected] ISSN 0173-8437. DIE WELT, USPS No. 0603-590. Es gilt die Preisliste der WELT-Gruppe Nr. 94, gültig ab 1.1.2016, sowie die Preisliste Märkte, Ergänzung zur Preisliste der WELT-Gruppe Nr. 94, gültig ab 1.1.2016. E-Mail: [email protected]. Fax: 030 / 58 58 91. Amtliches Publikationsorgan aller deutschen Wertpapier- UWE HUNTENBURG, REINBEK börsen. 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Mit ihren Forderungen nach Obergrenzen für Flüchtlinge und einer Bevorzugung von Einwanderern aus dem christlich-abendländischen Kulturkreis trage die Partei zu noch größerer Polarisierung bei und betreibe das Geschäft der Rechtspopulisten von der AfD. „Ich halte nichts davon, das nachzubeten, was andere falsch vorgedacht haben“, sagte Woelki dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Wenn die CSU das Grundgesetz ernst nimmt, kann sie keine Obergrenze verlangen. Das lässt das Asylrecht nicht zu. Mehrheit will Diesel-Fahrverbote Die Mehrheit der Deutschen unterstützt nach Angaben von Greenpeace Fahrverbote für Diesel-Autos mit hohem Schadstoffausstoß. Wie die Umweltschutzorganisation mitteilte, bejahten in einer repräsentativen Umfrage 59 Prozent eine entsprechende Frage. Das Meinungsforschungsinstitut TNS-Emnid erstellte die Umfrage im Auftrag von Greenpeace. Dabei fiel die Zustimmung zu Fahrverboten in Ostdeutschland mit 64 Prozent höher aus als in Westdeutschland (58 Prozent). Auch sprachen sich Frauen (63 Prozent) häufiger dafür aus als Männer (54 Prozent). Vor allem junge Menschen zwischen 14 und 29 Jahren können sich mit 66 Prozent Zustimmung Fahrverbote gut vorstellen. GreenpeaceEnergieexperte Niklas Schinerl sagte, viele deutsche Städte litten seit Jahren unter gefährlich hohen Stickoxidwerten. Der giftige Luftschadstoff stamme größtenteils aus Dieselmotoren und verstärke Asthmafälle sowie HerzKreislauf-Erkrankungen. Stickoxide führten in Deutschland zu 10.000 vorzeitigen Todesfällen pro Jahr. FRANKREICH Valls warnt: Maximale Terrorbedrohung Nach dem vereitelten Autobombenanschlag in Paris warnt der französische Premierminister Manuel Valls die Franzosen vor der Gefahr weiterer Angriffe. In Frankreich seien 1350 Personen von Ermittlungen betroffen und befänden sich in Haft, 293 ständen in Verdacht, in direktem Kontakt mit einer terroristischen Vereinigung zu stehen, sagte er. Die Bedrohung Frankreichs durch Terrorangriffe sei maximal, wie man gesehen habe. Erst am Donnerstag hatte die Polizei drei Frauen festgenommen, die mit einer Autobombe ein Blutbad anrichten wollten. SYRIEN 20 IS-Kämpfer bei Luftangriffen getötet Türkische Kampfflugzeuge haben im Norden Syriens Stellungen der Terrormiliz Islamischer Staat angegriffen und 20 Extremisten getötet. Das türkische Militär meldete, die Angriffe vom hätten sich auf drei Gebäude gerichtet, die zum IS gehörten. Wo genau die Bombardements stattfanden, gab das Büro des Generalstabschefs nicht bekannt. Von Montagabend an soll im Bürgerkriegsland Syrien landesweit eine von den USA und Russland ausgehandelte Waffenruhe in Kraft treten. GROSSBRITANNIEN Arbeitserlaubnis für EU-Bürger geplant EU-Bürger, die in Großbritannien einen Job annehmen wollen, brauchen möglicherweise demnächst eine Arbeitserlaubnis. Die britische Innenministerin Amber Rudd kündigte an, die Einführung eines entsprechenden Systems zu prüfen, um die Einwanderung aus Ländern der Europäischen Union zu begrenzen. Damit solle dem Wunsch der Wähler beim Brexit-Votum nach engeren Grenzkontrollen entsprochen werden. Ziel der britischen Regierung ist es, die jährliche Zuwanderungsrate von 327.000 Menschen auf unter 100.000 zu drücken. MARTIN U. K. LENGEMANN GREENPEACE Thomas Oppermann ist seit Dezember 2013 Fraktionsvorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, zuvor war er Erster Parlamentarischer Geschäftsführer „Jährlich QUOTE für Einwanderung festlegen“ Z usammen mit der Kanzlerin hat die SPD Flüchtlinge aus Ungarn nach Deutschland geholt. Gemeinsam beschloss man anschließend, die Grenzen offen zu halten. Über Gemeinsames und Trennendes in der Flüchtlingspolitik sprach die „Welt“ im Interview mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann. Was die Union derzeit macht, nennt er „grotesk“. VON MANUEL BEWARDER UND DANIEL FRIEDRICH STURM DIE WELT: Es vergeht kaum ein Tag, an dem die SPD nicht Angela Merkel attackiert … THOMAS OPPERMANN: Wir sind in einer gemeinsamen Regierung, aber nicht in einer gemeinsamen Partei. Die SPD achtet auf ihre Eigenständigkeit und hat in wichtigen Fragen Differenzen zu ihrem Koalitionspartner. Das wollen wir nicht verschweigen. Es ist völlig legitim, auf Unterschiede hinzuweisen, solange man gleichzeitig gut regiert. Immer wieder ist zu hören, die SPD kritisiere die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Exekutiert Merkel Politik, ohne Sie zu fragen? In der Flüchtlingspolitik haben SPD, CDU und CSU unterschiedliche Akzente gesetzt. Uns ging es stets darum, die außergewöhnliche Situation gut zu bewältigen, ohne die anderen Probleme zu vergessen. Wir haben früh gesagt: Wir müssen die Aufnahme von Flüchtlingen in geordnete Bahnen lenken. Wir haben die Fluchtursachen zu bekämpfen, brauchen sichere Außengrenzen – und dürfen nicht kriminellen Schleppern die Entscheidung überlassen, wer zu uns kommt und wer nicht. Wir wollen Flüchtlinge mit Bleiberecht integrieren, die anderen rasch abschieben. Um all das zu erreichen, mussten wir mit der Union hart ringen. Was hat die Regierung konkret falsch gemacht? Auf die große Zahl von Flüchtlingen waren wir denkbar schlecht vorbereitet. Aber es hilft nicht, permanent rückwärts zu schauen. In einer historischen Situation haben wir humanitäre Entscheidungen getroffen, zu denen wir stehen. Jetzt kommt es doch darauf an: Was lernen wir für die Zukunft? Die Aufnahme von Flüchtlingen muss sich ändern: keine kriminellen Schlepper, keine Balkanroute, keine Schlauchboote. Wir müssen zu einer kontrollierten Form der Aufnahme kommen über verabredete Kontingente und sichere legale Wege. Und in Deutschland darf nicht der Eindruck entstehen, die berechtigten Interessen der Bürger würden unter die Räder kommen. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann dringt auf ein Einwanderungsgesetz mit jährlicher Obergrenze. Bei Flüchtlingen hingegen müsse es zu einer kontrollierten Aufnahme kommen entschieden, nachdem er Frau Merkel immer wieder von rechts kritisiert hat. In Berlin wirbt Ihre Partei für Multikulti. Welche Strategie fährt denn nun die SPD? Mecklenburg-Vorpommern und Berlin sind sehr unterschiedliche Bundesländer – mit sehr unterschiedlichen Menschen und Mentalitäten. Da gibt es natürlich unterschiedliche Probleme und jeweils entsprechende Lösungen, aber immer auf sozialdemokratischer Basis. Und was tut die Bundes-SPD? Gilt hier Sellerings oder Müllers Formel? Die SPD im Bund macht sozialdemokratische Politik für ganz Deutschland, die gilt von Vorpommern bis Oberbayern, von Sachsen bis NRW. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sagt, sie sei froh, „dass die Grenzen erst mal dicht sind“. Alle in der SPD wollen die geordnete Aufnahme von Flüchtlingen. Aber unser Ziel ist nicht, dass möglichst viele Menschen kommen, sondern dass möglichst wenig Menschen fliehen müssen. Spitzensteuersatz ist für Spahn nicht tabu In der unionsinternen Debatte über Steuersenkungen für Gering- und Mittelverdiener warnt das CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn seine Partei vor Denkverboten wie einer gleichzeitigen Anhebung des Spitzensteuersatzes. „Wir sollten nicht schon im Vorfeld Tabus aufbauen“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium in einem „FAS“Interview: „Das Ziel muss sein, die hart arbeitende Mittelschicht zu entlasten“, sagte Spahn: „Man muss schauen, welche Kompromisse dafür nötig sind.“ In dieser Wahlperiode hatte die Union Steuererhöhungen auch bei Gutverdienern ausgeschlossen. Finanzminister Wolfgang Schäuble hatte den Steuerentlastungsspielraum in der nächsten Wahlperiode auf rund 15 Milliarden Euro beziffert. Zudem will er die Bürger bereits Anfang 2017 im Volumen von zwei Milliarden Euro von schleichenden Steuererhöhungen nach Lohnzuwächsen entlasten. Dazu will er die Inflation in den Steuertarif einarbeiten und die steuerfreien Freibeträge sowie das Kindergeld erhöhen. Anders als in der Union wird bei möglichen Koalitionspartnern, SPD und Grünen, offen über eine stärkere Belastung von Spitzenverdienern diskutiert, um die Entlastung geringer und mittlerer Einkommen gegenzufinanzieren. Der Bund verlangt nun ein Durchgreifen bei Abschiebungen. Bislang sind die Länder verantwortlich. Sollte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) diese Zuständigkeit an sich reißen? Die Zahl der Rückführungen steigt deutlich. In verschiedene Herkunftsländer können wir jedoch schlecht rückführen, weil deren Regierungen nicht mit uns kooperieren. Es ist die Aufgabe des Bundesinnenministers, die Abkommen so zu verhandeln, dass abgelehnte Asylbewerber etwa in Nordafrika auch ohne Probleme zurückgenommen werden können. Muss Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) auch mehr unternehmen, damit die Maghrebstaaten ihre Bürger auch wieder zurücknehmen? Natürlich geht es auch um auswärtige Beziehungen, die hat Steinmeier im Griff. Operativ aber ist es Sache des Innenministers. Ihr Koalitionspartner CSU hat abermals die Themen Burkaverbot und Nein zum Doppelpass aufgegriffen … Die CSU macht einen schweren Fehler. 80 Prozent der Deutschen lehnen wie die SPD die Burka ab, sie passt nicht zu einer freiheitlichen, toleranten Gesellschaft. Aber die Menschen wissen: Die Burka ist kein Problem der inneren Sicherheit. Mit derlei Themen Angst zu verbreiten und Probleme herbeizureden, spielt der AfD in die Hände. Die Union hat innerhalb eines Monats vier verschiedene Papiere zur inneren Sicherheit vorgelegt. Das ist grotesk und zeigt das Ausmaß der eigenen Zerrissenheit und Verunsicherung. Ich rate der Union dringend, zur Sacharbeit zurückzukehren – statt permanent folgenlose Symboldebatten zu führen. Wie bewerten Sie diese Neiddebatte? Gibt es Gründe, die Flüchtlinge zu beneiden? Ich habe noch niemand getroffen, der mit den Flüchtlingen tauschen möchte. Aber es gibt Ängste und die Sorge, dass immer mehr Flüchtlinge kommen. Darauf müssen wir vernünftige Antworten geben. Blicken nicht Politiker aller Parteien, auch Ihrer, viel zu sehr auf die zehn, 15, 20 Prozent AfD-Anhänger, und zu wenig auf die restlichen 80 bis 90 Prozent? In der Tat sollte sich niemand von der AfD die Themen diktieren lassen. Die Vor einer Woche hat MecklenburgVorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) die Wahl für sich CSU und Teile der CDU liefern sich leider gerade einen Wettbewerb mit der AfD um eine möglichst aggressive Haltung gegen Flüchtlinge. Das ist der falsche Weg. Die demokratischen Parteien sollten für Augenmaß, Vernunft und Entschlossenheit stehen. Klar ist: Integration funktioniert nur mit Regeln. Das Integrationsgesetz fördert und fordert. Wir müssen die Flüchtlinge fordern, das wollen sie selbst. Sie wollen lernen, arbeiten, ihren Lebensunterhalt verdienen, und nicht Objekt staatlicher Fürsorge werden. Halten Sie an Ihrer Idee eines Einwanderungsgesetzes fest? Mit einem Einwanderungsgesetz wollen wir die Einwanderung von Arbeitnehmern vernünftig steuern. Weil wir kein Einwanderungsgesetz haben, kommen viele, die politisch nicht verfolgt sind, aber in Deutschland Arbeit und ein besseres Leben anstreben, als Asylbewerber. Das ist der falsche Weg. Überzeugen Sie die Union von Ihrem Vorhaben? Auch die Union kann an der demografischen Entwicklung nicht vorbei: Wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen, brauchen wir Einwanderung, weil uns die Arbeitskräfte ausgehen, allerdings eine genau definierte, gesteuerte Einwanderung. Anders als im Asylrecht geht es hier nicht um Schutz für politisch Verfolgte, sondern um unsere wirtschaftlichen Interessen. Da darf der Staat fragen: Wen brauchen wir? Wen wollen wir? Dafür werden wir genaue Kriterien definieren. Der Bundestag sollte jedes Jahr die Quote für die Einwanderung festlegen, sodass es ein politisch legitimierter und kontrollierter Prozess ist. Wann beginnt eigentlich der Bundestagswahlkampf? Im August 2017. Wir arbeiten bereits jetzt an unserem Wahlprogramm, die Kandidaten werden aufgestellt und dann auch unser Kanzlerkandidat. Gibt es überhaupt noch realistische Alternativen zu einem SPD-Kanzlerkandidaten Sigmar Gabriel? Darüber entscheiden wir Anfang 2017. Der Parteivorsitzende hat immer den ersten Zugriff. Erst einmal muss Gabriel den SPDParteikonvent am 19. September für das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen Ceta überzeugen. Scheitert Ceta, scheitert Gabriel, oder? Ich freue mich auf diesen Konvent in Wolfsburg. Wir werden über den Sinn und Nutzen von Freihandel diskutieren, und unter welchen Voraussetzungen dieser im Abkommen mit Kanada gut gelingen kann. Wir werden klären, wie wir Ceta in der parlamentarischen Beratung präzisieren und verbessern können. Es geht am 19. September nicht um die Zukunft Sigmar Gabriels. Aber wer gegen den Leitantrag der SPD-Spitze stimmt, düpiert Ihre gesamte Führung, oder? Ja, aber nicht nur die. Wer gegen den Antrag stimmt, fällt auch all den Ceta- Kritikern in den Rücken, die mit sachlicher und konstruktiver Arbeit für Verbesserungen gesorgt haben. Deren Erfolge wären mit einem Mal zunichtegemacht. Der Beschluss im Parteivorstand mit nur einer Gegenstimme und drei Enthaltungen kommt ja nicht von ungefähr. Die gesamte Partei- und Fraktionsspitze steht hinter diesem Antrag. Außerdem die Führungen des DGB, der IG Metall und der IG Bergbau, Chemie, Energie. Wie erklären Sie die großen Vorbehalte gegen Ceta in der Bevölkerung? Es gibt nur wenige gute Freihandelsabkommen weltweit. Ceta könnte das beste Freihandelsabkommen der Welt werden. Die kanadische Regierung ist in vielen politischen, sozialen, ökologischen Fragen ganz nahe bei unseren europäischen Werten. Die Chance, solch ein Abkommen zu erzielen, das weltweit Maßstäbe setzt, dürfen wir nicht leichtfertig vertun. Die Union hat schon für 2017 ein Wahlkampfthema gefunden: Steuersenkungen. Tappen Sie abermals, wie 2009 und 2013, in die Falle und verlangen Steuererhöhungen? Die SPD wird sehr genau überlegen, was wir in unser Wahlprogramm schreiben. Die Steuersenkungsversprechen der Union sind nicht seriös. Wir werden solider rechnen und mit einem Teil der Einnahmeüberschüsse kleine und mittlere Einkommen entlasten. Steuerlich, oder eher mit einem Freibetrag in der Rentenversicherung? Wir wollen gezielt normale Arbeitnehmer und ihre Familien entlasten. Das gelingt mit der Schaffung eines Freibetrags in der Sozialversicherung am besten. Davon profitieren alle. Wollen Sie eine neue Reichensteuer schaffen? Ich rate in Zeiten von Rekordüberschüssen davon ab, mit einem Bündel an Steuererhöhungs-Ideen in den Wahlkampf zu ziehen. Wir sollten uns auf die Frage konzentrieren, wie wir Beund Entlastungen neu und gerecht justieren. Untere und mittlere Einkommen werden wir entlasten und nicht belasten. Ist die Aussicht auf eine rot-rot-grüne Regierung für Sie Grund zur Freude? Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch hat Ihnen ja erst neulich wieder eine Kooperation angeboten. Ich freue mich über die Verantwortungsbereitschaft des Kollegen Bartsch. Dafür aber wird er noch manchen in seiner Partei und Fraktion überzeugen müssen. Die Linke spürt, wie sehr sie Protestwähler an die AfD verliert. Das Modell linke Protestpartei könnte schon in Kürze ausgedient haben. Vielleicht ist es deshalb für die Linke jetzt der richtige Zeitpunkt, politisch Verantwortung zu übernehmen – wie sie es auf Landesebene überall im Osten außer Sachsen schon getan hat. Macht die AfD Rot-Rot-Grün also möglich? Wir sind derzeit von Rot-Rot-Grün noch weit entfernt – auch inhaltlich. + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd POLITIK 7 er Name ist programmatisch. In Schwarzenfeld ist die CSU für knapp zwei Tage zusammengekommen, um sich hinter verschlossenen Türen starkzureden. Hier, in der tiefen Oberpfalz, macht ihr niemand das Terrain streitig. Der Plan gelingt offenbar. VON PETER ISSIG Ein Minister aus der CSU-Riege stuft die Klausurtagung als parteihistorisches Ereignis ein, bei dem der Parteichef einen erneuten Höhepunkt seiner internen Macht erreicht: „Ich kann mich nicht erinnern, dass Horst Seehofer seit dem Wahlerfolg 2013 jemals so viel Applaus bekommen hat.“ 2013 war ein Schicksalsjahr für die CSU, Seehofer war es damals gelungen, bei den Landtagswahlen wieder die absolute Mehrheit zu erringen. Einige in der CSU-Riege haben aber wohl auch etwas geschluckt, als Seehofer in seiner Grundsatzrede seine Partei – einen Tag vor dem Koalitionsgipfel mit Angela Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel – nicht nur mit einem scharf formulierten Papier zur Flüchtlingspolitik und mit einem Grundsatzprogramm zum bayerischen Verständnis von Leitkultur und Integration positionierte. Der CSU-Chef befeuerte zudem mit allerlei Andeutungen zur personellen Aufstellung der CSU auch die schon fast erlahmte Diskussion um seine Nachfolge und sein Verhältnis zu Markus Söder. Seehofer sieht es offenbar wieder an der Zeit, seine Chefposition zu betonen. Nach den „tektonischen Verschiebungen“ in der Parteienlandschaft durch die Etablierung einer rechten Partei rechts von der CSU müsse die Partei „mit dem besten Team“ für Berlin antreten, „mit Männern und Frauen, bei denen man keine feuchten Hände bekommt, wenn sie auftreten“, wie Seehofer sagt. Diese Vorgabe überraschte noch niemanden im CSU-Vorstand. Aber Seehofer legte nach: Niemand werde sich der Verantwortung entziehen können, wenn es um eine Aufgabe in Berlin gehe. Er werde deswegen in den kommenden Wochen und Monaten entsprechende Gespräche führen, entschieden werde im ersten Quartal 2017. Damit waren die Personalspekulationen befeuert – allen Beteuerungen des Parteichefs zum Trotz, dass bis zum Parteitag von CSU und CDU im November beziehungsweise Dezember es ausschließlich um Sachfragen und Inhalte gehen werde. Ex-Generalsekretär und Verkehrsminister Alexander Dobrindt lieferte am Rande der Tagung die Interpretation des Parteivorsitzenden nach: Wenn die beste Mannschaftsaufstellung gewählt werde, „geht es nicht um Spezialwünsche und Eitelkeiten. Jeder hat die Verantwortung zu übernehmen, für die er eingeteilt wird.“ Es ist also klar: Die Mannschaftsaufstellung macht allein der Vorsitzende, der Wahlkampf ist dann wieder Team-Sache. Pikant sind Seehofers Aussagen in mehrfacher Hinsicht: Die aktuellen Repräsentanten der CSU in Berlin müssen sich fragen, ob sie zu diesem Team ge- Genüßlich ärgert Seehofer seine Freunde Der CSU-Chef befeuert auf der Klausurtagung seiner Partei die Spekulationen um seine Nachfolge und Spitzenposten in Berlin Horst Seehofer verlässt nach dem Spitzentreffen das Kanzleramt in Berlin Seehofer will ARD und ZDF zusammenlegen Der CSU-Chef äußerte sich deutlich zu den Plänen seiner Partei bezüglich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. „Wir streben langfristig die Beseitigung von Doppelstrukturen und die Zusammenlegung von ARD und ZDF unter einem Dach an“, sagte Seehofer der „Bild am Sonntag“. „Wir sind der Auffassung, dass die Grundversorgung auch von einer Fernsehanstalt geleistet werden könnte.“ In einem vom Parteivorstand gebilligten Entwurf für das neue CSU-Grund- hören oder etwas falsch gemacht haben. Seehofer sprach von seiner Zeit als Bundeslandwirtschaftsminister von einem „Teilzeit-Job“, obwohl direkt neben ihm der amtierende Landwirtschaftsminister Christian Schmidt saß. Außerdem ist die Bereitschaft der Münchner CSU-Größen gering, in die Bundeshauptstadt zu wechseln, wo unklare Machtverhältnisse und ungeliebte Koalitionen drohen könnten. Den Widerwillen vor Berlin hat ausgerechnet der Favorit für die Seehofer Nachfolge erst vor wenigen Tagen deutlich gemacht: „Ich persönlich bin in satzprogramm steht, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk sich auf seine Kernaufgaben rückbesinnen solle. Das ZDF kommentiere die Pläne der CSU nicht, sagte ein Sprecher am Sonntag. Ein Sprecher der ARD ergänzte: „Wir nehmen das zur Kenntnis, kennen aber noch keine Details. Daher können und wollen wir das zum jetzigen Stand auch gar nicht kommentieren.“ Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), Frank Überall, wies den CSU-Vorschlag zurück. „Ich sehe auch keine realistische Chance auf dessen Umsetzung“, sagte Überall am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. „Ein solcher Vorstoß würde auf jeden Fall zu einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht führen.“ Schließlich gebe es nach geltender Rechtslage eine Bestandsund Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der CSU-Vorschlag gehöre deshalb in den Spamordner der Medienpolitik. Bayern und bleibe in Bayern“, sagte Markus Söder. „Ich schließe das für mich komplett aus.“ Söder sieht keinen Grund, davon etwas zurückzunehmen: „Es ist alles gesagt“, sagte Söder der „Welt“. Söder, der am zweiten Tag der Klausur nicht mehr teilnahm und zum Bad Hindelanger Viehscheid abreiste, wird wohl vorerst bei dieser Position bleiben. Er hat zumindest mit Seehofer schon darüber gesprochen. Aber es ist ein Zeichen, dass der Waffenstillstand, den Seehofer und Söder offenbar geschlossen hatten, labil ist. Die Bedingungen will noch immer Seehofer diktieren. „Es ist grotesk zu glauben, in München eine bedeutende Rolle zu behalten, wenn man nicht bereit ist, in Berlin Verantwortung zu übernehmen“, sagte Seehofer. Es gab allerdings in der CSU eine Bewegung, die Seehofer selbst gerne nach Berlin wegloben würde, entweder als Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl oder so gar als Kanzlerkandidat der CSU. Söder und andere „Prinzlinge“ (Seehofer) hätten durchaus ein Motiv. Seehofer wäre sicher der durchsetzungsstärkste CSUler. Er würde in Bayern, wo die CSU nicht mit Merkel-Plakaten in den Wahlkampf ziehen will, am meisten Stimmen ziehen. Und sollte Seehofer tatsächlich nach Berlin zurückkehren, in welcher Position auch immer, wäre der Weg in Bayern zu den höchsten Ämtern schneller geebnet als erwartet. Dieser Weg scheint nun aber verbaut. Denn eine Variante schließt Seehofer jedenfalls aus. Er habe seinen Parteifreunden erklärt, dass „die Kanzlerkandidatur eines CSU-Mannes, einer CSUFrau und von mir persönlich nicht zu meiner Gedankenwelt gehört. Es gab keinen Widerspruch.“ Ob er vielleicht nicht doch noch den CSU-Spitzenkandidaten macht, lässt Seehofer aber weiter offen. Genauso wie die Frage, ob ein CSU-Spitzenkandidat zwangsläufig nach Berlin wechseln müsse. Er will sich größtmöglichen Handlungsspielraum bewahren. Die Drohung, dass er vielleicht doch wieder in Berlin aufschlägt, kann auch im Unionsstreit über die Flüchtlingspolitik zu seinem Nutzen sein. Aber noch sei nichts entschieden, alles müsse nun ganz genau vorbereitet werden, sagt Seehofer. Aber die Suche nach anderen Schwergewichten, die in die Berliner Regierungspolitik möglichst viel CSU hineinpumpen können, ist schwierig. Denn auch Manfred Weber, Fraktionschef der konservativen EVP und kein Freund von Söder, wird nachgesagt, dass er wenig Lust habe, den Brüsseler Spitzenjob mit Berlin zu tauschen. Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner könnte zwar Hauptstadt-Erfahrung nachweisen. Sie war fünf Jahre Bundeslandwirtschaftsministerin. Aber es wäre eine Überraschung, wenn Seehofer ihr die notwendige Durchsetzungskraft zutrauen würde. Und Verkehrsminister Dobrindt war diese Aufgabe schon zugeteilt worden. Verheddert in Maut- und VW-Debatten, kommt er aber nicht zum Zug. Anders ist die Situation bei Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Er hat sich als ruhiger Sicherheitspolitiker und konsequenter Verfechter der CSUFlüchtlingspolitik profiliert. Er personifiziert den CSU-Markenkern von Law and Order, ist aber in der parteipolitischen Auseinandersetzung eher zurückhaltend. Als Bundesinnenminister könnte er aber die Bedeutung der CSU im Bund deutlich steigern. Allerdings hat Herrmann Seehofer schon einmal einen Korb gegeben. 2011, als die CSU dringend nach einem Nachfolger für Karl-Theodor zu Guttenberg in Berlin suchte, sagten sowohl Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon wie Innenminister Joachim Herrmann aus familiären Gründen ab. Heute wäre das nicht mehr möglich: „Es ist mir noch immer unbegreiflich, wie ich das durchgehen lassen konnte“, sagt Seehofer. Jetzt, wo er vollkommen unbestritten ist in der CSU, will er keinen Widerspruch mehr bei der Personalplanung dulden. Und er freut sich diebisch über die neu ausgelöste Unruhe. Es sei doch interessant zu sehen, wie sich jetzt alle fragten, ob sie zur Spitzenmannschaft gehörten oder nicht. Die Ironie war dabei kaum zu überhören. Es gehörte schon immer zu seinen machterhaltenden Maßnahmen, seine CSU mit vagen Personalplanungen auf Trab zu halten. Frauke Petry weiß nicht, was „völkisch“ bedeutet U Die AfD-Chefin hält das Wort schlicht für eine Ableitung von „Volk“. Die historische Dimension ignoriert sie nwissenheit schützt vor Strafe nicht. Vor allem nicht vorgetäuschte Ahnungslosigkeit. Im Interview der „Welt am Sonntag“ behauptete Frauke Petry, eine der beiden Bundessprecher der Alternative für Deutschland (AfD), „völkisch“ sei „letztlich ein zugehöriges Attribut“ zum Begriff Volk. VON SVEN FELIX KELLERHOFF Das ist einerseits grammatikalisch falsch, denn von der Wortklasse her ist „völkisch“ ein Adjektiv, das wie jedes Adjektiv unter anderem attributiv gebraucht werden kann. Doch Politiker müssen nicht unbedingt die Feinheiten der deutschen Grammatik beherrschen, nicht einmal besonders nationalbewusste Vertreter der AfD. Vor allem aber ist es inhaltlich falsch. Denn „völkisch“ ist eben keine normale adjektivische Ableitung vom Stammwort „Volk“, sondern eine bewusste, politisch motivierte Neuschöpfung, die von Beginn an mit einem bestimmten Inhalt aufgeladen war. Zwar verzeichnet das 32-bändige Wörterbuch der Brüder Grimm auch vereinzelte frühere Belegstellen, etwa 1811 bei Johann Gottlieb Fichte. Doch setzte sich diese Begriffsbildung zu- nächst nicht durch, ebenso wenig wie die Prägung „volkisch“. In Gebrauch kam „völkisch“ erst nach der Neuerfindung des Begriffs um die Mitte der 70er-Jahre des 19. Jahrhunderts. Geprägt hatte es der Offizier und Schriftsteller Hermann von Pfister-Schwaighusen (1836 bis 1916). Er suchte nach einer Eindeutschung des als fremd abgelehnten, nämlich aus dem Lateinischen stammenden Adjektivs „national“. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, an dem Pfister teilgenommen hatte und in dem er zum Halbinvaliden wurde, gab es unter Intellektuellen im neuen Kaiserreich eine Bewegung von Sprachpuristen. Sie wollte das Deutsche möglichst von allen historisch gewachsenen Einflüssen anderer Sprachen befreien. Zu den radikalsten dieser „Eindeutscher“ gehörte Pfister; 1883 gab er eine Broschüre mit dem Titel „Deutsches Wort – Volkes Hort!“ heraus, in deren Vorwort es hieß, die deutsche Sprache gehe, „wenn sie auf dem jetzt betretenen Wege weiter wandelt“, also weiter „fremde“ Wörter aufnimmt, „nicht nur einer Verschlechterung, sondern selbst der Zerrüttung unausweichlich entgegen“. Offensichtlich traf das Wort den Geist der Zeit, denn es breitete sich ra- sant aus – zunächst im alldeutschen Umfeld Österreichs. In seiner Zeitschrift „Die Fackel“ schrieb der scharfzüngige Feuilletonist Karl Kraus 1903: „Wenn ich mich entscheiden sollte, welche Parteipresse ich für die vernageltste halte, so würde ich doch der deutschnationalen den Vorzug geben. Zu ergründen, was in den ,völkischen‘ Gehirnen dieser in den deutsch-österreichischen Provinzen postierten ,Schriftleiter‘ eigentlich vorgeht, wäre von pathologischem Interesse.“ Erst nach diesem Umweg über Deutschösterreich gelangte das Wort „völkisch“ um die Jahrhundertwende ins Deutsche Reich und wurde „zum politischen Schlagwort für einen hybriden, integralen Nationalismus“, schreibt der Berliner Ideenhistoriker Uwe Puschner, der unbestritten beste Kenner aller „völkischen Bewegungen“. Puschner, der an der Freien Universität Berlin lehrt, warnte im „Welt“-Interview davor, die gesamte AfD pauschal als „völkisch“ zu bewerten. Allerdings ähnele die Struktur der PetryPartei den völkischen Bewegungen der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg: „Die AfD ist, wie es die Völkischen waren, eine in hohem Maße von Feind- und Exklusionsdenken geprägte Anti-, eine Gegenbewegung, die sich in erster Linie gegen etwas wendet.“ Zwar wurde das Adjektiv „völkisch“ nie systematisch und allgemein verbindlich definiert – eine Folge der Vielschichtigkeit der „völkischen Bewegung“, die sich bis zum Aufkommen der NSDAP vor allem mit Kämpfen untereinander beschäftigte. Allerdings kann man einen „Gesinnungskern“ beschreiben, wie es der Ideenhistoriker Stefan Breuer getan hat. Demnach gehören zum „völkischen Denken“ einige „charakteristische Grundüberzeugungen, die von allen Anhängern der völkischen Bewegung geteilt wurden“. Wer „völkisch“ denkt, lehnt liberale und kosmopolitische Werte ab. Untrennbar gehört zum „völkischen Denken“ der Rassismus. Puschner schreibt im Standardwerk „Handbuch des Antisemitismus“ prägnant: „Das Fundament der völkischen Weltanschauung bildet die völkische Rassenideologie.“ Demnach gebe es Völker höheren und niedrigeren Wertes; eine Segregation, also Trennung verschiedener Völker sei notwendig. Stets wird das eigene Volk als überlegen wahrgenommen, andere Ethnien dagegen als minderwertig. Ein wichtiges Blatt der „völkischen Bewegung“ in Bayern war seit 1918 der „Völkische Beobachter“, der Ende 1920 von der NSDAP gekauft wurde. Als Parteizeitung, herausgegeben von Adolf Hitler, prägte der „Beobachter“ fortan die inhaltliche Identität der beiden Begriffe „völkisch“ und „nationalsozialistisch“. Im Dritten Reich wurden die beiden Wörter absolut synonym benutzt. So konnte direkt nacheinander vom „nationalsozialistischen Staat“ und vom „völkischen Staat“ die Rede sein – gemeint war erkennbar stets dasselbe. Das hat die Sprachwissenschaftlerin Cornelia Schmitz-Berning in ihrem Standardwerk „Vokabular des Nationalsozialismus“ festgestellt. Nach 1945 nahm der Gebrauch des Wortes „völkisch“ außerhalb der historischen Wissenschaft daher radikal ab; der Begriff galt allgemein als gebrandmarkt. Entsprechend stufte der Duden 1983 „völkisch“ in der allgemeinen Bedeutung von „national“ als „veraltet“ ein. All das hätte übrigens auch Frauke Petry leicht herausfinden können. Dazu hätte sie nur einen der staatlich bezahlten Mitarbeiter der AfD-Fraktion in Dresden in die Bibliothek des Sächsischen Landtages oder in die nur vier Kilometer entfernte, hervorragend sortierte Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek schicken müssen. Linke-Politiker bringt Afrikaner über die Grenze Diether Dehm wertet das als „zivilen Ungehorsam“ V iele Politiker fordern die freie Wahl des Aufnahmelandes für nach Europa eingereiste Asylsuchende, durchsetzen konnten sie sich mit der Forderung bisher nicht. Der Linke-Bundestagsabgeordnete Diether Dehm hat dies nun selbst in die Hand genommen. Der 66-Jährige bestätigte der „Bild am Sonntag“, dass er einen jungen Halbwaisen aus Afrika von Italien aus zu seinem Vater nach Deutschland gebracht hat. „Die Grenzbeamten haben ihn nicht registriert“, sagte Dehm. VON THORSTEN MUMME Auf Dehms Facebook-Profil fand sich bereits vor zwei Wochen der inzwischen wieder gelöschte Eintrag einer Flüchtlingshelferin, die nach eigenen Auskünften für eine „Gesundheitsversorgung für Papierlose“, also illegal aufhältige Ausländer, arbeitet: „Hatte Diether Dehm gebeten, meinen Bekannten ein paar Tage bei sich in Italien aufzunehmen. Er lud ihn kurzerhand in sein Auto und brachte ihn über drei Grenzen nach Deutschland, wo seine Familie lebt. Hatte ich eigentlich nicht erwartet! Wohl auch’n Straftatbestand trotz Immunität? Jedenfalls: Danke, Diether Dehm!“ Unter dem Eintrag waren unter anderem zwei Fotos zu sehen. Das eine zeigt Dehm neben einem jungen, dunkelhäutigen Mann mit Baseballmütze. Das andere einen in einem geöffneten Kofferraum liegenden Mann. Unter dem Post kommentiert als Erster der verlinkte Bundestagsabgeordnete Dehm selbst: „Liebe (...) nein wirklich, da musst Du Dir keine Sorgen machen wenn ich mal einen Anhalter mitnehme ;-) wir haben schon Härteres durchgestanden!“ Dem Bericht der „Bild am Sonntag“ zufolge soll der junge Mann aus einem Bürgerkriegsland stammen und nach PA/ DPA/PETER STEFFEN MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 DPA/RAINER JENSEN D DIE WELT Der Musikproduzent Diether Dehm (66) sitzt für die Linke im Bundestag dem Tod seiner Mutter über das Mittelmeer nach Italien geflohen sein, um von dort aus zu seinem Vater zu gelangen, der bereits seit einiger Zeit in Deutschland lebt. Dehm habe den Afrikaner in seinem Haus am Lago Maggiore beherbergt und schließlich über die Schweizer Grenze nach Deutschland gebracht. Inzwischen soll der Flüchtling wieder mit seinem Vater vereint sein. Dass Dehm durch seine Hilfestellung womöglich gegen geltende Gesetze verstieß, scheint ihm bewusst zu sein. Unter dem Kommentar eines FacebookNutzers, der schrieb, man könne es „von einem Abgeordneten des Deutschen Bundestages“ erwarten, „sich wie jeder andere Bürger an die vom Parlament erlassenen Gesetze zu halten“, schrieb der so Angesprochene: „Zivilen Ungehorsam erwarte ich von allen, statt Menschen dem Erstickungstod und Fußmärschen auszusetzen.“ Der „Bild am Sonntag“ sagte er nun: „Ich bin mit mir im Reinen.“ Der Linke-Politiker muss jetzt mit juristischen Konsequenzen rechnen. Auf „Beihilfe zur unerlaubten Einreise“ im Sinne der Paragrafen 27 des Strafgesetzbuches und 95 des Aufenthaltsgesetzes drohen laut Bundespolizei „mehrmonatige Freiheits- oder Geldstrafen.“ Ob der Afrikaner sich illegal in Italien aufhielt oder dort schon einen Asylantrag gestellt hatte, war bisher nicht in Erfahrung zu bringen. Eine Anfrage der „Welt“ ließ Dehm unbeantwortet. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl warnte im August vor „Zonen des Elends und der Inhaftierung“ für Flüchtlinge in Italien. Das dortige Aufnahmesystem sei „am Kollabieren“. Nach den in der Dublin-Verordnung festgelegten europäischen Asylregeln muss ein Schutzsuchender eigentlich in jenem Land bleiben, in dem er erstmals europäischen Boden betrat. + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd 8 POLITIK P awlo Klimkin, 48, ist seit Juni 2014 Außenminister der Ukraine. Zuvor vertrat der diplomierte Physiker sein Land zwei Jahre lang als Botschafter in Deutschland. Das Interview konnte er daher auf Deutsch führen. Zum Gespräch im Axel-Springer-Haus kam er direkt aus dem Auswärtigen Amt, wo er seinen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier getroffen hatte. DPA/DENNIS BRACK VON RICHARD HERZINGER UND SASCHA LEHNARTZ DIE WELT: Wie ist der Stand der Dinge bei der Gewährung von Visafreiheit für ukrainische Bürger durch die EU? Gibt es da Fortschritte? PAWLO KLIMKIN: Ja, ich glaube schon. Es gab noch eine Bedingung, die dafür zu erfüllen war: die Einführung eines elektronischen Deklarierungssystems für alle Einkünfte und Ausgaben von Staatsbediensteten. Dieses System ist zum 1. September in Betrieb gegangen und funktioniert hundertprozentig. Es ist im Hinblick auf die Transparenz des öffentlichen Bereichs übrigens ohne Beispiel. Wir legen mehr Daten offen als in westlichen Demokratien üblich. Die Daten sind dem von uns eingerichteten Antikorruptionsbüro unmittelbar zugänglich. mer stärker, wir bräuchten ein neues Vertrauensverhältnis zu Russland? Man muss klar zwischen vertrauensbildenden Maßnahmen zur Rüstungskontrolle und einem Vertrauensverhältnis zu Russland unterscheiden. Durch vertrauensbildende Maßnahmen und Rüstungskontrolle im Rahmen der OSZE wird es viel schwieriger, den hybriden Krieg zu führen und einfach 2000 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge in den Donbass zu bringen. Doch ein echtes Vertrauensverhältnis zu Russland ist momentan nicht möglich, nicht nur wegen des aktuellen hybriden Kriegs in der Ostukraine. Zu einem Land mit einer Führung, die sich vorsätzlich an keine Regel hält, kann es für die EU ein solches Verhältnis nicht geben. Gewiss muss man weiter mit Russland sprechen. Russland ist eine Realität – auch wenn man sie, betrachtet man die dortigen Verhältnisse, für eine virtuelle Realität halten könnte. Aber Vertrauen in Russland – das ist für einige Zeit vorbei. Um es wieder aufbauen zu können, muss sich erst Russland ändern. Fürchten Sie, dass nach den kommenden Wahlen in den USA, in Frankreich und Deutschland Regierungen an die Macht gelangen, die mehr oder wenige offen putinfreundlich sind? Das besorgt mich schon. Ich kann aber nicht darüber spekulieren, wer in anderen Ländern Wahlen gewinnen wird. Wir werden weiter dafür kämpfen, dass die Solidarität in EU und G7 erhalten bleibt. Wir werden jedenfalls nicht nachgeben, denn es geht hier um die Zukunft der Ukraine. Wie sähe denn Ihrer Meinung nach eine kohärente Strategie des Westens gegenüber Russland aus? Sicher braucht Russland eine Zukunftsperspektive. Das System Putins ist in dieser globalen Welt ja eigentlich über- Die Ukraine wünscht sich von der EU Waffenlieferungen, was diese ablehnt. Welche Waffen brauchen Sie konkret am dringendsten? Man muss zwischen defensiven und Angriffswaffen unterscheiden. Defensive Waffen brauchen wir unbedingt. Das wird die Lage im Donbass nicht weiter verschärfen, aber uns helfen, dafür zu sorgen, dass sich auch Russland an Grenzen hält. Es geht dabei um elektronische Waffen, Kommunikationstechnik und Panzerabwehrwaffen. Die kann man nicht zum Angriff benutzen, aber wenn man uns attackiert, wären sie für uns schon eine Art Garantie. War es hilfreich, dass die EU die Visafreiheit an Veränderungen in der Ukraine gekoppelt hat? Wir hätten diese Veränderungen sowieso angehen müssen. Aber es ist unter diesem Druck doch etwas schneller gegangen. Zumal von europäischer Seite genau überprüft wurde, ob die Umsetzung der Reformen wirklich funktioniert. Man muss klar sagen, dass das eine willkommene Hilfe war. PA/DPA/BERND VON JUTRCZENKA AFP/SPENCER PLATT AFP/DREW ANGERER genüber Russland fehlt. Dieses Problem geht weit über das hinaus, was im Augenblick im Donbass geschieht. Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin mahnt Europa, gegenüber Russland nicht naiv zu sein Wo sehen Sie noch den größten Nachholbedarf im Hinblick auf das Erreichen europäischer Standards? Nach wie vor in der Korruptionsbekämpfung. Dann in der Reformierung des Justizsystems. Es ist sehr wichtig, dass die ukrainischen Gerichte wirklich transparent und effektiv arbeiten. Mit der Polizeireform sind wir bereits weit vorangekommen und müssen sie zu Ende bringen. Eine ganz vordringliche Aufgabe ist aber die Dezentralisierung. Die politischen Eliten müssen vor Ort entscheiden können, wie die lokale Infrastruktur zu entwickeln ist. Dafür sind die lokalen Haushalte deutlich erhöht worden. Es ist wichtig, dass die Entscheidungen nicht mehr von oben nach unten vorgegeben werden. US-Präsident Barack Obama hat die Opfer der Anschläge vom 11. September 2001 geehrt und die Nation zur Einheit aufgerufen. In einer Rede am Pentagon, einem der Anschlagziele der Terroristen vor 15 Jahren, verwies Obama auf die Fortschritte im Kampf gegen al-Qaida und andere Terrorgruppen. Wichtig sei aber nicht nur ein entschlossener Kampf gegen den Terror, sondern auch, dass die USA ihre Werte bekräftigten. Obama forderte: „Lasst nicht zu, dass andere uns spalten.“ In New York gedachten Angehörige und andere Trauergäste der tausenden Opfer von damals. Genau um 8.46 Ortszeit – zu dem Zeitpunkt, als das erste von den Terroristen entführte Flugzeug vor 15 Jahren in den Nordturm des World Trade Center einschlug – begannen Kirchenglocken zu läuten. Die am Ground Zero versammelte Menge hielt eine Schweigeminute ab. Danach wurden die Namen der fast 3000 Toten verlesen, die im World Trade Center, im Pentagon und in einem Feld in Pennsylvania ums Leben kamen. Auch die beiden Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton und Donald Trump nahmen an der Veranstaltung teil. Clinton musste wegen gesundheitlicher Probleme vorzeitig gehen. Sie habe sich „überhitzt“ gefühlt und sich in die Wohnung ihrer Tochter zurückgezogen, so ihr Sprecher. Es sei ihr aber schnell wieder besser gegangen. MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 „Vertrauen zu Putin ist nicht möglich“ Sie rechnen also mit der Visafreiheit, obwohl die Stimmung in Europa nicht sehr günstig ist, was die größere Durchlässigkeit von Grenzen betrifft ... Ich erwarte, dass noch in diesem Monat oder im Oktober das Europäische Parlament über die Visafreiheit abstimmt und wir eine positive Entscheidung der EU bis November haben. Wir haben ja bewiesen, dass wir alles, was als Vorbedingung für die Visafreiheit an Reformen in der Ukraine durchzuführen war, tatsächlich ernsthaft umsetzen. Und es ist eindrucksvoll, was in letzter Zeit gerade auf dem Gebiet der Korruptionsbekämpfung geschehen ist. Es werden jetzt fast täglich Verhaftungen vorgenommen. Der nächste Schritt wird nun sein, alle Beschuldigten vor Gericht zu bringen. In Gedenken an die Opfer Ist es dann nicht fiktiv, an Minsk festzuhalten? Oder wie wollen Sie aus der Sackgasse herauskommen? Das geht nicht ohne politischen Druck von der EU wie der ganzen zivilisierten Welt. Dazu ist es wichtig, dass die Sanktionen in Kraft bleiben, bis wir wirkliche Ergebnisse der Implementierung des Minsker Abkommens sehen. Wir sind aber nicht naiv und wissen, dass das nicht von heute auf morgen geht. Entscheidend ist dabei auch, dass die Ukraine vorankommt, dass sie sich gesellschaftlich und wirtschaftlich weiterentwickelt. Im Westen wird oft nicht verstanden, dass die Ukraine nicht mehr dieselbe ist wie vor den Protesten auf dem Maidan. Die Ukrainer verstehen jetzt, dass es Unabhängigkeit nicht umsonst gibt, sondern dass Freiheit etwas ist, um das man kämpfen muss. In gewisser Weise hat die russische Aggression die Ukraine somit sogar gestärkt. * DIE WELT Außenminister Pawlo Klimkin ist Diplom-Physiker. Er studierte in Moskau Aerophysik und Weltraumforschung Krimbewohner sollen Duma wählen Wo sich gar nichts tut, ist die Umsetzung des Minsker Abkommens. Ist es überhaupt noch zu retten? Zunächst einmal: Ich bin gegen diese Terminologie, die das Minsker Abkommen in „Minsk 1“ und „Minsk 2“ einteilt. Man muss Minsk in seiner Gesamtheit betrachten. Sonst kommt man Russland entgegen, das immer nur auf Umsetzung bestimmter Teile des Abkommens besteht. Minsk ist ein Friedensplan, der das Ende der Kampfhandlungen, die Kontrolle des Waffenstillstands durch die OSZE und die Freilassung der politischen Gefangenen im Donbass vorsieht. Ob wir damit vorankommen, liegt in der Entscheidung Russlands. Der russische Präsident Putin sieht Minsk jedoch ganz anders, nämlich als Mittel, um die von ihm eingesetzten Machthaber in der Ostukraine zu legitimieren. Er will überhaupt keine Kontrolle der OSZE im Donbass zulassen, keinen Zugang für sie zu den russischen Waffen und zur Grenze zwischen Russland und den okkupierten ukrainischen Gebieten. Sein Ziel ist die Errichtung eines russischen Protektorats, das dann wie ein Trojanisches Pferd für die anhaltende Destabilisierung der gesamten Ukraine sorgt. Für Putin ist das eine Art existenzielle Frage, denn wenn es der Ukraine besser geht, stellt das auch das von ihm in Russland errichtete System infrage. Die bevorstehende Parlamentswahl in Russland hat neuen Streit zwischen Moskau und Kiew um die Schwarzmeerhalbinsel Krim ausgelöst. Die ukrainische Führung protestiert dagegen, dass die Bewohner der Krim am 18. September erstmals seit der Einverleibung durch Russland an einer Dumawahl teilnehmen sollen. Zudem kündigte Kiew an, die Teilnahme an der Wahl für Russen in der Ukraine nicht zuzulassen. In Moskau löste dies mas- Sind Sie sicher, dass dieses neue Selbstbewusstsein nachhaltig ist? Oder droht ein „Rollback“, sollte die Lage der Ukraine noch jahrelang so schwierig bleiben? Nein, diese Entwicklung ist unumkehrbar. Die Alternative ist jetzt: Entweder die Ukraine ist erfolgreich, oder es gibt sie als ein einheitliches, europäisches Land nicht mehr. Das ist für uns tatsächlich eine Existenzfrage. Und auch die EU sollte dies als existenzielle Frage verstehen. Nun bröckelt die Sanktionsfront in der EU aber doch eher. Fürchten Sie nicht, dass die Sanktionen kommendes Jahr aufgehoben oder zumindest abgeschwächt werden? Ich glaube, das ist fundamental für die Zukunft der EU insgesamt. Wenn man jetzt sagt, wir können gegen Russland, das sich an keine Regeln hält, nichts machen, wir geben deshalb nach und kündigen unsere Solidarität auf, wird das Konsequenzen für das Selbstverständnis der EU und für ihre Glaubwürdigkeit vor sich selbst und in der Welt haben. Das Problem ist, dass Europa keine einheitliche Strategie hat und es ihm an gemeinsamem politischem Willen ge- sive Kritik aus. Russland hatte die Krim 2014 unter Protest der Ukraine und Kritik des Westens in sein Staatsgebiet eingegliedert. Auch die Bundesregierung sieht darin einen Völkerrechtsbruch. Eine von Russland organisierte Volksabstimmung auf der Krim wurde international nicht anerkannt, und die EU und die USA hatten Sanktionen gegen Russland verhängt. Bereits 2014 hatte Russland auf der Halbinsel erstmals Regionalwahlen abgehalten. holt, oder sagen wir: Es ist zumindest nicht das effizienteste System. Doch darüber muss in Russland selbst entschieden werden. Der EU aber würde die Entwicklung einer kohärenten Strategie neue Dynamik verleihen. Dazu muss man erst einmal fragen, was man von Russland eigentlich erwarten kann. Es ist ein europäisches Land, aber mit einer anderen Mentalität, einer anderen Gesellschaft und anderen Werten. Das russische Interesse liegt darin, die EU weiter zu schwächen und dann mit einzelnen Ländern parallel zu reden, um sie gegeneinander auszuspielen. Der Kreml unterstützt direkt oder indirekt politische Kräfte von links bis rechts in der EU, um das europäische Wertesystem zu unterminieren oder grundsätzlich zu verändern. Die Propaganda, die aus Moskau herüberdringt, ist ohne Beispiel. Um dem glaubwürdig entgegenzutreten, braucht die EU einen gemeinsamen politischen Willen. Man muss für die Zukunft deutliche rote Linien ziehen, die Russland nicht überschreiten darf. Wie stehen Sie denn zu Initiativen von Frank-Walter Steinmeier wie der für eine neue Rüstungskontrolle? Der deutsche Außenminister betont ja im- Haben Sie noch die Hoffnung auf einen Beitritt zur Nato, oder haben Sie das als Illusion abgeschrieben? Es ist aufschlussreich, dass der russische hybride Krieg gegen die Ukraine die Zustimmung zum Nato-Beitritt in der Ukraine vehement nach oben gebracht hat. Vor drei Jahren waren etwa 19 Prozent der Ukrainer für den Beitritt, heute sind es mehr als 60 Prozent. Sie sehen darin nicht nur die Sicherheitsgarantie, sondern auch die Möglichkeit, dadurch die Nato-Standards für unsere Streitkräfte zu erreichen. Wir haben uns das Ziel gesetzt, diesen Standard bis 2020 zu erreichen. Dann sehen wir weiter. Aber die Nato ist für uns jedenfalls die einzige Allianz, die auf unseren Werten basiert. Die Nato verstärkt gerade ihre Präsenz in Osteuropa und im Baltikum. Halten Sie das für ausreichend? Ich habe oft gesagt, dass die Ukraine eine Art östliche Flanke der Nato ist, wenn auch nicht formell. Entscheidend ist nicht nur die Truppenpräsenz, sondern der Zusammenhalt und die Solidarität. Dass man wirklich mit einer Stimme spricht. Dass man gemeinsame Pläne hat und den Willen, sie zu implementieren. Deutschland wird hierbei eine ganz entscheidende Rolle spielen, nicht nur regional, sondern global. In der Ukraine erfüllt es diese Rolle bereits, aber Deutschland wird noch weiter gehende Verantwortung übernehmen müssen. Wo sehen Sie die Ukraine in zehn Jahren? Was ist das Best-Case- und was ist das Worst-Case-Szenario? Ein Worst-Case-Szenario gibt es für uns nicht. Das Best-Case-Szenario: Da sehe ich die Ukraine als Land mit demokratischen Strukturen, die nachhaltig funktionieren und die wirtschaftliche Entwicklung voranbringen. Aber ich sehe die Ukraine auch als Land, das die europäische Gesellschaft voranbringen kann. Die Ukraine gehört geschichtlich und mental zu Europa. Paradoxerweise ist der Glaube an Europa in der Ukraine stark, während er in der EU selbst immer mehr schwindet ... Fällt Ihnen irgendein anderes Land ein, indem man so engagiert für die Zukunft kämpft, wie die Ukraine? So charismatisch, mit so viel Leidenschaft? Das sind ja nicht nur 2000 oder 20.000 Leute. Es ist wirklich das ganze Land. Diese Energie und diese Bereitschaft, weiterzukämpfen, braucht auch Europa. Die Zukunft mag nicht rosig aussehen, aber Europa hat enorme Chancen. Es liegt an unserer Bereitschaft, was wir daraus machen. Die Ukraine also als Turbo, als Erneuerer der europäischen Werte? Vielleicht nicht ganz. Wir sind aber jedenfalls durch die jüngsten Entwicklungen in der Ukraine in diesen Werten bestärkt worden. Wir verstehen jetzt, was es bedeutet, für etwas zu kämpfen. Diese neue Energie und dieses neue Verständnis für die Zukunft braucht auch Europa insgesamt. + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd POLITIK 9 GETTY IMAGES/KIRILL RUDENKO MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 * F ür Frankreichbesucher war es jahrzehntelang ein schönes Rätsel, wie die Cafés und Geschäfte in den Dörfern überleben konnten. Sie hießen „Bar des Sports“ oder „Café de la Gare“. Man stand morgens am Tresen und kippte den ersten kleinen Schwarzen runter, verhandelte das Weltgeschehen und spülte mit einem Glas Wein nach. Auf dem Boden sammelten sich die Zigarettenkippen. Nebenan gab es eine Bäckerei, vielleicht sogar einen Zeitungskiosk und mit etwas Glück eine Apotheke und eine Epicerie, also einen kleinen Lebensmittelladen. VON MARTINA MEISTER AUS PARIS Doch abseits der großen touristischen Anziehungspunkte sind das inzwischen Szenen, die man nur noch aus Filmen kennt. Das Gesicht von Frankreichs Dörfern hat sich verändert. Heruntergezogene Rollläden, verstaubte Schaufenster mit dem Schild „À louer“, zu vermieten, ausgestorbene Dorfkerne mit langsam verfallenden Häusern haben ersetzt, was der Romantiker in Frankreich zu finden immer sicher sein konnte: ländliche Idylle, gepaart mit fast urbaner Lebendigkeit. Erst schlossen die Geschäfte, dann die Bistros, schließlich gab die Verwaltungsreform unter ExPräsident Nicolas Sarkozy den kleinen Gemeinden den Rest. Postämter machten dicht, Gerichte wurden ver- legt, Verwaltungen zusammengeschlossen. In Frankreich schreitet das, was Experten die „Metropolisierung der Wirtschaft“ nennen, besonders schnell voran. Drei Viertel des Wohlstands werden in den 15 größten französischen Ballungsräumen erwirtschaftet. Das ist ein Anteil weit über dem Durchschnitt westlichen Industrieländer, der bei 60 Prozent liegt. So steht es in der jüngsten Studie von „France Stratégie“, ein Thinktank des Innenministeriums. Mit anderen Worten: Jenseits der großen Metropolen – in den Dörfern und in den Kleinstädten – ist die Arbeitslosigkeit hoch, das Pro-Kopf-Einkommen niedrig. Und wo kein Geld ist, schließen die Geschäfte. In Forbach im Elsass etwa oder in Marmande im Südwesten des Landes stehen bis zu ein Viertel der Geschäftsräume leer. „Es gibt Bürgermeister, die regelrecht in Panik geraten“, sagt Pascal Madry, Stadtforscher des Institut du Commerce et de la Ville. Mit gutem Grund: Die ohnehin geringen Einkünfte der Kommune werden noch spärlicher. Der Staat ist mit seinen Bemühungen, diese Entwicklung zu bremsen, gescheitert und zieht jetzt die Konsequenzen. Die Autoren der staatlichen Studie sehen Frankreichs Zukunft nicht auf dem Land und raten, öffentliche Gelder in Zukunft vor allem andernorts zu investieren. Kurz nach Veröffentlichung des Papiers kündigte der Premierminister Manuel Valls einen „Zukunftspakt“ an: Ab nächstem Jahr werden 150 Millionen Euro in die 15 größten Ballungszentren, an erster Stelle Paris und Umgebung, fließen. Es klingt, als hätte die sozialistische Regierung die ländlichen Gemeinden schlicht abgeschrieben. Mit dem Handel verschwinden auch die Bewohner. Weil die Instandhaltung oder Restaurierung alter Bausubstanz unbezahlbar wird, kaufen sie lieber geförderte Einfamilienhäuser. Die liegen meist am Stadtrand, zwischen den alten Zentren und den Gewerbegebieten mit ihren Hypermarchés, den typischen französischen Riesen-Supermärkten. Es ist vor allem der Nordosten Frankreichs, der abgehängt wird. In Sierck-les-Bains, einer 1700-Einwohner-Kommune an der Grenze zu Deutschland und Luxemburg, versucht der Bürgermeister, die 25 leer stehenden Häuser zu retten, die Spekulanten im Zentrum verfallen lassen. Auch ein großes Restaurant steht leer. Um es wieder instand zu setzen, wären zwei Millionen Euro nötig. „Das ist mehr als das Jahresbudget der Kommune“, sagt Bürgermeister Laurent Steichen. Gut 15 Prozent der Wohnungen stehen in Sierck-les-Bains leer, das ist landesweiter Rekord. Selbst die Pendler, die in Luxemburg arbeiten und gut verdienen, ziehen Neubauten vor. In anderen Altstädten ist der Leerstand binnen eines Jahrzehnts von sechs auf knapp neun Prozent gewachsen. „Frankreich erlebt eine zweite Landflucht“, konstatiert Emmanuel Ducasse, Experte des Immobilien-Finanzierers Crédit Foncier. „Die meisten Im- In Frankreich sterben die Dörfer Menschen ziehen in die Metropolen, Restaurants und kleine Geschäfte geben auf. Regierung lenkt Fördergelder in die Städte PA/ MAXPPP/DPA/JEAN-PIERRE AMET DIE WELT Die Dörfer (oben) machen zwar einen romantischen Eindruck – aber nur auf die Touristen. Die Franzosen zieht es in die Neubauviertel. Sie geben dann ihr Geld in den großen Einkaufszentren aus (unten) mobilienverkäufe konzentrieren sich auf 3000 Kommunen. In den restlichen 12.000 läuft gar nichts mehr. Bei manchen Häusern dauert es drei, vier Jahre, bis ein Käufer gefunden wird.“ Aber kann man tatsächlich von Landflucht sprechen, wenn es die Menschen „raus“ in die Natur zieht? „Nein“, behauptet der Pariser Urbanist Daniel Behar. „Wir beobachten im Grunde das genaue Gegenteil. Die Dörfer und Zentren leeren sich, während an ihren Rändern neo-rurale Territorien entstehen.“ Dort entstehen Siedlungen mit Einfamilienhäusern und neue Einkaufszentren. Man braucht nur einmal von Belgien nach Spanien quer durch Frankreich zu reisen: Von Dunkerque bis Pau das gleiche Bild: neben dem Hypermarché die Tankstelle, der Baumarkt, riesige Flächen für Parkplätze. Urbanist Behar spricht von „territorialem Zapping“: Die Zentren sind nicht komplett verwaist, behauptet er, aber die Franzosen zögen es vor, dort nicht mehr zu leben, sie bestenfalls noch als Touristen zu besuchen. Aber wie lange kann das gut gehen? Und was passiert mit Dörfern, die keine Touristen anziehen? „Das Ausbluten dörflicher und kleinstädtischer Zentren, die Frankreichs Kern ausmachten, ist eine unbestreitbare und beunruhigende Entwicklung“, räumt Behar ein. Große Teile Frankreichs wären damit endgültig abgehängt. „Paris, ein paar Metropolen und der Rest dann nur noch französische Wüste?“, fragt die Regionalzeitung „L’Est Républicain“ besorgt. Und kein Bistro weit und breit. Clinton rudert nach Attacke gegen Trump-Anhänger zurück D Starke Kritik an Äußerung über „bedauernswerte“ Unterstützer ihres Gegners. Der vergleicht Clintons Äußerung mit Ausrutscher Romneys 2012 Clinton. „Einige dieser Leute sind unverbesserlich, aber zum Glück sind sie nicht Amerika.“ Es gebe auch noch die andere Hälfte der Trump-Unterstützer, denen man zuhören müsse, weil sie sich von der Regierung und der Wirtschaft des Landes im Stich gelassen fühlten. „Sie glauben nicht alles, was er sagt, aber er scheint ihnen Hoffnung in Aussicht zu stellen, dass ihr Leben sich ändert.“ Mit diesen Menschen müsse geredet werden. „Wow, Hillary Clinton war SO BELEIDIGEND gegenüber meinen Unterstützern, Millionen toller, hart arbeitender Menschen“, schrieb Trump am Samstag im Kurzbotschaftendienst Twitter. „Ich denke, das wird sie in den Umfragen einiges kosten.“ Er verglich Clintons Äußerung mit einem Ausrutscher des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney. Dieser hatte sich im Wahlkampf 2012 abfällig über jene „47 Prozent“ der Bevölkerung geäußert, die wegen ihrer Abhängigkeit vom Staat ohnehin seinen Rivalen Barack Obama wählen würden und sich selbst als „Opfer“ betrachteten. „Hillary hatte gerade ihren 47-Prozent-Mo- ment“, erklärte Trump via Twitter. In dem Onlinedienst sorgte Clintons Attacke für reichlich Diskussionsstoff. Der Hashtag „#BasketOfDeplorables“ verbreitete sich rasend schnell. In vielen Kommentaren wurde die Demokratin scharf angegriffen. Trumps Vizepräsidentschaftskandidat Mike Pence sagte bei einer Rede: „Hillary, sie sind kein Korb voller irgendwas. Es sind Amerikaner und sie verdienen deinen Respekt.“ Auf Trumps Twitter-Account gab es auch Äußerungen zugunsten Clintons: „Sie glauben also, dass die Leute, die öffentlich fordern, dass Clinton eingesperrt werden müsse, Sie jetzt nicht mehr wählen werden?“, fragt ein Besucher der Seite. Ein anderer: „Warum darf man Rassisten jetzt nicht mehr Rassisten nennen?“ Wenige Stunden später schwächte Clinton ihre Äußerungen aber ab: „Gestern Abend habe ich mich grob verallgemeinernd geäußert“, erklärte die 68Jährige am Samstag. Sie sagte, dass es nie „eine gute Idee“ sei, etwas grob zu verallgemeinern. „Ich bedaure, von der ‚Hälfte‘ (der Anhänger) gesprochen zu REUTERS/BRIAN SNYDER ie US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton hat mit einer scharfen Attacke gegen die Anhänger ihres Rivalen Donald Trump für Empörung gesorgt. „Um es grob zu verallgemeinern, die Hälfte von Trumps Anhängern könnte man in etwas stecken, was ich Korb der Bedauernswerten nenne. Oder? Die Rassisten, die Sexisten, die Homophoben, die Xenophoben, die Islamophoben – Sucht euch was aus“, sagte sie am Freitagabend in New York. Trump warf ihr daraufhin die Beleidigung von „Millionen“ Menschen vor. Clinton nahm am Samstag Teile ihrer Äußerungen zurück. Bei einer Spendenveranstaltung vor Verfechtern von Homosexuellenrechten sagte Clinton mit Blick auf Trumps Anhänger, etwa die Hälfte von ihnen seien „Rassisten, Sexisten, Homophobe, Ausländerfeinde oder Islamfeinde“. Sie nannte diese Leute „hoffnungslos“. Weiter sagte die Demokratin: „Und leider gibt es solche Leute. Und er hat ihnen Auftrieb gegeben. Er hat ihren Webseiten eine Öffentlichkeit gegeben, auf die früher nur 11.000 Menschen zugriffen. Jetzt sind es elf Millionen“, so ES IST NIE EINE GUTE IDEE, ETWAS GROB ZU VERALLGEMEINERN HILLARY CLINTON, US-Präsidentschaftskandidatin haben – das war falsch“, fügte die frühere US-Außenministerin hinzu – um dann eine Reihe „bedauernswerter“ Vorfälle in Trumps Wahlkampf aufzuzählen. „Es ist bedauernswert, dass Trump seinen Wahlkampf in erster Linie auf Vorurteilen und Paranoia aufgebaut hat und eine nationale Plattform für hasserfüllte Ansichten und Stimmen geschaffen hat“, erklärte Clinton. „Ich werde nicht aufhören, auf Fanatismus und rassistische Äußerungen in seiner Kampagne hinzuweisen.“ In den USA wird am 8. November ein neuer Präsident gewählt. In den Umfragen war Ex-Außenministerin Clinton zuletzt wieder abgerutscht. Nachdem sie zuvor zeitweise deutlich vor Trump gelegen hatte, liegen beide Kandidaten derzeit etwa gleichauf. Der US-Botschafter in Deutschland, John B. Emerson, hält das Rennen um die Präsidentschaft „für total offen“. Trump habe zwar „viele krasse Dinge vom Stapel gelassen“, sagte der Diplomat. Ein Teil seines Erfolges liege aber darin, dass er sich auf „den Zorn und die Perspektivlosigkeit eines Teils des Bevölkerung stützen kann“. Trump warb am Wochenende in Washington um die Stimmen der erzkonservativen Wähler. Bei einer Versammlung des rechten Parteiflügels der Republikaner versprach er, dass eine Regierung unter seiner Führung „unser christliches Erbe wertschätzen, schützen und verteidigen wird“. Clinton war derweil darum bemüht, ihr sicherheitspolitisches Profil zu schärfen. Sie traf sich in New York mit mehreren Experten, unter ihnen ExCIA-Chef David Petraeus und der frühere US-Kommandeur in Afghanistan, John Allen, um über den Antiterrorkampf und die nationale Sicherheit zu beraten. Der republikanische Vizepräsidentschaftskandidat Mike Pence veröffentlichte unterdessen seine Steuererklärungen der vergangenen zehn Jahre. Clinton und ihr Vizekandidat Tim Kaine hatten bereits Mitte August ihre Finanzen offengelegt. Damit erhöhten sie den Druck auf Trump. Dieser argumentiert jedoch weiterhin, dass er seine Steuererklärung wegen einer seit Jahren laufenden Steuerprüfung nicht veröffentlichen könne. + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd 10 POLITIK M ** DIE WELT MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 aja Lasić fängt immer ganz oben an. Und ganz oben wohne ich. Achter Stock. Deshalb klingelt sie an diesem Nachmittag zuerst bei mir, um sich einfach mal vorzustellen. Sie spricht gegen die Tür. In den Spion. Hallo, ich bin Maja Lasić. MARTIN U. K. LENGEMANN (2) VON LUCAS VOGELSANG Lässt die Worte auf einem Lächeln tanzen. Dabei müsste sie sich nicht mehr erklären. Jeder im Viertel kennt ihr Gesicht. Seit Wochen hängt es in unserer Straße, auf Plakaten an Laternen. Rote Bluse, das Haar offen, der Blick spricht Zuversicht. Leute, wir machen das. Wedding für alle. Dr. Maja Lasić ist hier, im Wahlkreis 7, die Kandidatin der SPD für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus. Eine für alle. Und man entkommt ihr nicht. Sie fährt ihren Infostand mit dem Rad durch den Wahlkreis, steht am Leopoldpatz, am Nettelbeckplatz, steht für sich selbst. Und wer möchte, kann sie zu sich nach Hause einladen, sie bringt dann Kuchen mit, der nach dem Land ihrer Eltern schmeckt. Vor allem aber läuft sie durchs Viertel, das ist ihr Wahlkampfding: Zu den Wählern gehen, persönlich vorbeischauen, ein paar Sätze und einen Flyer dalassen. Von Tür zur Tür, nennt sie das. Es ist ein sehr amerikanisches Prinzip. Mal was anderes, sagen die Leute im Wedding. Mal wirklich was Neues. Maja Lasić ist noch nicht lange in der Politik. Vor ein paar Jahren war sie Nachwuchsmanagerin in einem Pharmaunternehmen in Rosenheim. Bayern, Hosenanzüge, Firmenwagen. Weiter weg vom Wedding geht ja nun kaum. Im ersten Moment also, durch den Spion in der Tür betrachtet, passt Maja Lasić, die Frau Doktor, Biochemie, nicht so richtig hierher – in diese Berliner Hartpflasterecke, den Arbeiterbezirk, der die Faust in der Visage Berlins sein kann, zwischen die Hartz-IV-Biografien, in den „Kanaken-Kiez“. Man muss aber in dem tabellarischen Lebenslauf auf ihrer Webseite von Rosenheim aus nur mal ein bisschen nach oben und dann ganz nach unten schauen, um zu verstehen, wieso sie jetzt im Wedding an allen Türen klingelt. Sie hat hier etwas zu erledigen. Und weil sie eine Politikerin im Wahlkampf ist, nimmt sie dazu heute auch den Reporter aus dem achten Stock mit. Also Treppe runter, erste Klingel. Gleich schwierig. Hinter der Tür rumpelt es, als müsse der Mieter dort erst noch sich selbst einsammeln. Dann aber Tür uff, is ja Wedding. Tach! Lasićlächeln an. Sie sagt ihr Sprüchlein auf. Mein Name ist Maja Lasić, ich bin Ihre Kandidatin fürs Abgeordnetenhaus und möchte mich nur einmal kurz in der Nachbarschaft vorstellen. Ditt is schön, sagt der Herr, aber da kommwa nich ins Jeschäft! Ich bin FDPWähler, überzeugt. Sie lächelt, egal. Ich lasse Ihnen, sagt sie, trotzdem mal meinen Flyer hier, denn ich bin guter Hoffnung, dass ich die Abgeordnete für diesen Wahlkreis werde. Ja, sagt er, dagegen spricht ja auch nüscht. Jeder nach seiner Fassong. Tür wieder zu. Maja Lasić lässt sich von so viel Berliner Charme, also Scharm, nicht beirren. Es gilt: Jede Klinke eine neue Chance. An der Tür ist sie Vertreter ihrer eigenen Biografie. Und die bietet zwei Geschichten, mit denen sie hier im Wedding erst die Türen und dann die Menschen zu öffnen versucht. Das eine ist die Geschichte ihrer Entscheidung für die Politik. Sie spielt nicht weit von hier. Das andere ist die Geschichte ihrer Herkunft, die Biografie, die sie bei sich trägt wie einen ihrer Flyer. Sie spielt in Bosnien, Bielefeld, Münster. Maja Lasić kommt als Kriegsflüchtling nach Deutschland, 14 Jahre alt, 23 Jahre her. Ein Mädchen aus Mostar, größte Stadt von Herzegowina, in der sich 1993 Kroaten und Bosniaken bekämpften, Brücken sprengten, die Zukunft zerschossen. Sie, Hunderttausende mit ihr, flieht. In ein Land, Njemačka, das sie nicht versteht. Die paar Worte, die sie kennt, sind Filmworte, das Wehrmachtsstakkato aus den Partisanenfilmen ihrer Kindheit. Das Deutsche, es klingt hart, fast schmerzt es. Deutschland ist dann erst mal eine Vorbereitungsklasse, in der Ausländer neben Ausländern sitzen. Die Neuen, die noch nicht vergessen haben, was war, und noch nicht wissen können, was kommt. Deutsch lernt sie dort kaum, weil sich die Kinder in die Sprache der Heimat zurückziehen. Deutsch lernt sie vor dem Fernseher, sie kann bald jede Werbung mitsprechen. Hier kommt der Genuss. Dann klappt’s auch mit dem Nachbarn. Die längste Praline der Welt. Ihr Deutschland ist bevölkert von Hausfrauen, die ihre Hände staunend in Die TÜRÖFFNERIN Mal was anderes, sagen die Leute: Die SPD-Kandidatin Maja Lasić nimmt Politik persönlich - hier an der Tür unseres Autors in Berlin-Wedding Maja Lasić möchte am nächsten Sonntag in das Berliner Abgeordnetenhaus einziehen. Sie schaut deshalb persönlich bei den Wählern im Wedding vorbei. Auch bei unserem Autor klingelte sie – und nahm ihn mit, von Tür zu Tür Angekommen: Frau Dr. Maja Lasić, 37, mit ihrem Wahlkampffahrrad in Berlin – die gebürtige Bosnierin kam vor 23 Jahren als Kriegsflüchtling nach Deutschland Schälchen mit Spülmittel halten und von Esslöffeln, in die der Geschmack einen Knoten biegt. Die 90er-Jahre sind ein merkwürdiger Ort für eine Ankunft. Und an jedem Tag ist da das Heimweh, ein bitterer Geschmack, der einen Knoten in ihre Seele biegt. Zurück aber kann sie nicht. Mir war, sagt sie, mein Land abhandengekommen. Dieser Satz, er ist auch im Wedding zu Hause. Und erzählt vom monströsen Gefühl einer Obdachlosigkeit. Ein Identitätsirrgarten, man kann sich darin verlaufen. In den engen Gängen der Sozialbauten im Wedding legt sie sich erst einmal eine Route zurecht. Heute gegen den Uhrzeiger. Muss sein. Sonst kann man in der Wiederholung der Türen leicht die Orientierung verlieren. Die Klingelschilder sind keine Hilfe. Herr Öz, Herr Oz, Herr Özkan. Zweimal Polat, oft ist gar kein Name an der Tür. Eine Unachtsamkeit nur, und sie steht wieder vor der ersten Tür. Und der Nachbar, der noch mal öffnet, schaut sie an, als wäre sie nicht Maja Lasić, sondern Sigmar Gabriel, der mal eben das Gas ablesen möchte. Jetzt horcht sie in die Stille der Stockwerke, in das Schweigen hinter den Türen. Viele Mieter sind verreist, machen Urlaub in der Heimat oder versuchen, im Urlaub Heimat zu finden. Auch der Serbe im Sechsten ist nicht da. Schade, sagt sie. Begegnungen mit Ex-Jugoslawen sind kurze leuchtende Momente, in denen sich Vergangenheit und Gegenwart begegnen. Aber oft, sagt sie, nutzen die mir nichts. Viele der Jugos haben keinen deutschen Pass. Die Frage nach dem Pass, Maja Lasić stellt sie immer sofort, unmittelbar. Eine Frage, die Zeit spart, Verhältnisse klärt. Menschen ohne deutschen Pass dürfen nicht wählen, sie stehen dann, ohne Stimme, sprachlos an jeder zweiten Tür. Die Hälfte der Menschen hier hat keinen, sagt sie. Statistik, Erfahrung. Dann verabschiedet sie sich gleich. Dann, sagt sie, können Sie mir leider nicht helfen. Aber eigentlich, das weiß sie auch, ist es andersherum. Im vierten Stock öffnet ein Türke im Feinrippunterhemd, an den Beinen je ein Kind. Es riecht nach frisch Gekochtem, er schwitzt. Ich kenne ihn, wir haben in der Nacht des Putsches in der Türkei gemeinsam vor der Bäckerei an der Ecke gegenüber türkische Nachrichten geschaut. Er ist Alevit, er war damals sehr aufgebracht. Und ist es auch jetzt. Weil er gerne wählen gehen würde. SPD, gute Partei. Aber eben nicht wählen darf, die andere Hälfte im Viertel. Wir leben hier, sagt er, wieso dürfen wir nicht wählen. Sie nickt. Das erste Land, sagt er, ist doch hier. Das zweite Land ist die Türkei. Sie nickt. Die Sache mit der Staatsbürgerschaft trifft sie persönlich. Maja Lasić, die Kandidatin der SPD im Wedding, besitzt ihren deutschen Pass selbst erst seit etwa einem Jahr. War lange nicht bereit, ihn anzunehmen. Weil es sich nach Verrat anfühlte. Diese Entscheidung. Für das eine Land und gegen das andere. Die Wahlen jetzt zum Berliner Abgeordnetenhaus, es sind deshalb die ersten Wahlen in Deutschland, an denen sie teilnehmen darf. Maja Lasić war in ihrem Leben überhaupt erst einmal wählen, 2014 bei der Europawahl, da aber war ihre Stimme eine kroatische. Und nun, zur Premiere, tritt sie gleich selbst an. Das, sagt sie, ist schon verrückt. Sie lacht, ohne Spaß. Ich fühle mich, sagt sie, doch schon viel länger deutsch als ich den Pass habe. Ich bin hier zu Hause, seit 23 Jahren. Für die SPD hat sie den Prozess des Ankommens einmal aufgeschrieben, 15 Schritte, wie man deutsch wird. Sie erzählt darin von der Schulzeit in Bielefeld, dem Abitur an einer konservativen Schule, dem Vater, der für sie kämpft. Von einem Leben, das lange ein zweigeteiltes ist. Mit einem deutschen Vormittag und einem Nachmittag unter Flüchtlingen. Sie verbringt ihre Zeit damals ausschließlich mit Bosniern. Das ändert sich mit dem Beginn des Studiums der Biologie, sie zieht nach Münster und ist plötzlich wieder das Mädchen aus Bosnien, der einzige Ausländer. Weil Ausländer nicht Bio studieren. Und statt der alten Volksweisen, die immer geholfen haben gegen das Heimweh der ersten Jahre, singt sie nun die Lieder der Kommilitonen. Kettcar und Tomte. In dieser Erzählung ist Ankommen Pop. Und zwischen den Zeilen entsteht etwas. In Bosnien dann, Heimaturlaub, sagt sie irgendwann den großartigen Ballermannsatzanfang: Bei uns in Deutschland. Und damit hatte sich die Sache dann auch erledigt. Ich habe, sagt Maja Lasić, irgendwann ein Selbstverständnis von mir als in Deutschland lebendem Migranten entwickelt. Und dabei gemerkt, das ist das Land, dem ich mich zugehörig fühle. Das Land, das ich verändern will. Im Grunde ist sie deshalb auch, trotz Biologiestudiums, trotz der eigentlich schon durchgeplanten, auf Hochglanz polierten Managerkarriere, im Wedding gelandet. Brunnenviertel, die unwahrscheinlichste Abzweigung, der bekloppteste Umweg. Wenn man schon mal mit dem Firmenwagen unterwegs ist. Aber Maja Lasić ist unter all den bosnischen Flüchtlingskindern aus Bielefeld die einzige, die es an die Universität geschafft hat. Und sie will wissen, warum. Es ist der Sommer vor sieben Jahren, als sie während einer Fahrt mit dem ICE in der Zeitung etwas entdeckt, das wie eine Möglichkeit aussieht, tatsächlich noch eine Antwort auf diese Frage zu finden: Maja Lasić, 30 Jahre alt nun, bewirbt sich als Fellow bei Teach First, einer Initiative, die Spitzenabsolventen deutscher Universitäten für zwei Jahre an Brennpunktschulen vermittelt. So landet sie im Wedding. Brunnenplatz. Sie nennt es: Schwierige Lage. Pädagogik im Crashkurs. Und wenn sie mit den Kindern allein in der Klasse ist, gibt es dort niemanden ohne Migrationshintergrund. Sie sind dann unter sich. Die Jugendlichen und die Frau Lasić, die sich verstehen, weil sie wissen, wie es ist, nicht verstanden zu werden. Der Wedding, das lernt sie schnell, ist ganz harte Schule. Wedding ist, wenn in einer Klasse von zwanzig nur ein einziges Elternteil arbeitet. Wenn da Jungs sitzen, für die ein Job in der Pharma heißt, nach der Schule am Nettelbeckplatz Pillen zu verticken. Die den Rapper Frauenarzt kennen, aber noch keinen weiblichen Doktor gesehen haben. Eine wie sie. Frau Doktor, das kann eine echte Beleidigung sein. Frau Doktor, das ist bald eine Form des Respekts. Maja Lasić also durfte am Brennpunkt lehren und so vom Brennpunkt lernen, es klingt wie ein Austauschprogramm für junge Sozialdemokraten. Eine gute Geschichte, man kann sie auf Flyer drucken. Und sie erzählt heute von der Müdigkeit und den Abenden, an denen sie der Mut verließ. Von den Kollegen, die unter Selbstaufgabe in den Klassenräumen kompensieren mussten, was in den Sitzungssälen versäumt wurde. Noch 6 Tage bis zur Wahl Am Ende, nach zwei Jahren im Wedding, hat sie ihre Antworten. Und sie hat, so sagt sie es, den Fehler gefunden. In unserem System. Maja Lasić ist zu jener Zeit fast 20 Jahre in Deutschland, das sind fünf Tomte-Alben, das sind vier Jahre Kohl, sieben Jahre Schröder und fast zehn Jahre Angela Merkel. Man kann in dieser Zeit viel lernen über den Musikgeschmack der Deutschen und über ihr Politikverständnis. Deutschland, das ist nun auch ihr System. Der Wedding nun auch ihr Bezirk. Out of Rosenheim. Sie ist hier hängen geblieben, weil sie aus der Nähe beobachten konnte, wie die Kinder hier hängen bleiben, gleich keine Chance haben, weil sie eben im Wedding geboren wurden. Der Wedding, das meint in ihrer Erzählung: der tote Winkel, in dem tote Biografien entstehen. Natürlich musste sie danach in die SPD, der nächste Schritt. Wenn du den Fehler im System gefunden hast, aber kein älterer Herr in Tweed bist, sondern eine junge Migrantin im Wedding, ist das vielleicht die einzig mögliche politische Heimat, dafür aber auch gleich volles Programm. Der Rote Wedding, Ehrensache. Die Arbeiterbewegung, Erich Weinert. Als Sozialdemokratin hat sie hier einen im Grunde historischen Auftrag. Ich will, sagt sie, das Viertel schon auch verteidigen. Gegen die Gesichter auf den Plakaten über ihr, die keine Alternative sein dürfen. Am besten, logisch, mit den Kindern des Wedding, die sie noch vom Brunnenplatz kennen. Die Frau Doktor. Vor einer der Türen schaut sie länger auf das Klingelschild. Der Name kommt ihr bekannt vor. Ich hatte mal, sagt sie, eine Schülerin, die so hieß. Mal sehen. Erst einmal aber macht eine Mutter auf. Sie versteht nicht viel vom Lasićaufsager zur Lage im Wedding und den Wahlen am 18. September. Und holt ihre Tochter, die dann tatsächlich jene Schülerin ist, von der Maja Lasić dachte, dass sie es sein könnte. Oh, sagt die Tochter, Frau Lasić. Große, ganz ehrliche Wiedersehensfreude. Sie hat die Frau Lasić schon auf den Plakaten gesehen, sie macht mittlerweile eine Ausbildung im Krankenhaus. Für einen Moment stehen sich die beiden Frauen gegenüber und begeistern sich für den Lebensweg der jeweils anderen. Gehen Sie wählen? Auf jeden Fall. + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd WIRTSCHAFT DIE WELT MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 Raumfahrt Amerika ist von den Russen abhängig – noch Seite 14 SEITE 11 MENSCHEN UND MÄRKTE MATTHIAS MÜLLER Volkswagen will die Elektromobilität mit einem Schnelllade-Projekt und einer Modelloffensive vorantreiben. Dabei gehe es darum, „in 15 Minuten 80 Prozent der Batterie zu laden“, sagte Konzernchef Matthias Müller der „Bild am Sonntag“. „Das wird schon bald spruchreif.“ Die Federführung liege bei Porsche. „Das Thema E-Mobilität hat VW in den vergangenen Jahren sicher noch nicht mit der nötigen Intensität betrieben.“ Dies werde aber aufgeholt. „2020 kommt VW geballt mit einer völlig neuen Plattform.“ Dann werde der Autobauer 30 elektrisch betriebene Modelle anbieten, es gehe um Reichweiten von 500 bis 600 Kilometern. MARCEL FRATZSCHER DIW drängt zur Eile bei Investitionen Das Deutsche Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) mahnt zur Eile bei Investitionen in Infrastrukturen. „Wir haben nach wie vor einen gigantischen Investitionsstau, vor allem bei den Kommunen“, sagt Marcel Fratzscher, der Präsident des DIW, der „Welt am Sonntag“. Bisherige Initiativen reichten nicht aus. Zwar hat der Bund im vergangenen Jahr schon im Rahmen seiner „Investitionsinitiative 2015“ zusätzliche Mittel für finanzschwache Kommunen zur Verfügung gestellt. Doch die auf mehrere Jahre gestreckten Gelder in Höhe von zehn Milliarden Euro sind für Fratzscher „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“. Schließlich veranschlage die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) den Investitionsstau bei den Städten und Gemeinden auf 136 Milliarden Euro. „Dies zeigt die Größenordnung der Aufgabe“, mahnt der Ökonom. WOLFGANG SCHÄUBLE Suche nach Apples Steuermilliarden Steuern von Apple nachfordern, aber wie? Diese Frage konnte die EU-Kommission Europas Finanzministern in Bratislava nicht beantworten. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zeigte sich deshalb skeptisch, dass Deutschland und andere EU-Staaten Teile der 13 Milliarden Euro beanspruchen können, die der iPhoneBauer in Irland nachzahlen muss. Er glaube, „dass die Erwartungen, die da zum Teil geschürt werden, ein bisschen voreilig sind“. „Natürlich“ prüfe auch Deutschland, ob es Ansprüche gegenüber Apple geltend machen könne, sagte Schäuble. Auch Österreich und Spanien sind unter den Interessenten. Nur Frankreich schloss einen Nachzahlungsbescheid aus: „Frankreich beansprucht nichts von den 13 Milliarden“, sagte Minister Michel Sapin. CHRISTIAN SCHMIDT Agrarminister gegen neues Öko-Siegel Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) hat sich gegen ein neues Öko-Siegel zur Kennzeichnung von Lebensmitteln wie Rindfleisch ausgesprochen. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) will damit Nahrungsmittel kennzeichnen, bei deren Herstellung viel Treibhausgas freigesetzt wird. „Einen gesetzlichen Warnhinweis auf Rindfleisch lehne ich ab“, sagte Schmidt. „Mein Ziel ist nicht der Bevormundungsstaat. Wir müssen die Verbraucher transparent informieren, aber wollen ihnen die Entscheidungsfreiheit lassen.“ Auch Hendricks Pläne, das Baurecht zu verschärfen und so den Bau von Großställen auszubremsen, lehnte er ab. „Um die Ställe aus den Ortszentren herauszuhalten, haben wir das privilegierte Baurecht im Außenbereich geschaffen.“ AP/ MAS VW arbeitet an Schnelllade-Projekt Solarzellen fluten den Weltmarkt D China bremst überraschend den Ausbau der neuen Energien. Überschüssige Billig-Module gehen in den Export und bringen andere Hersteller unter Druck. Europa wehrt sich mit Schutzzöllen ie Bundesregierung muss sich von Solar-Lobbyisten derzeit viel Kritik anhören: Der für die Energiewende geplante Neubau von Fotovoltaik-Anlagen bleibt in Deutschland auch in diesem Jahr deutlich hinter den politischen Versprechungen zurück. VON DANIEL WETZEL Der von Berlin vorgegebene Zielwert von 2,5 Gigawatt neuer Solarkraft wurde im vergangenen Jahr schon nicht erreicht – und wird es in diesem Jahr wohl noch viel weniger. Solarmodule mit gerade einmal 0,4 Gigawatt wurden im ersten Halbjahr 2016 auf Dächer und Felder montiert. Man könnte fast den Eindruck bekommen, als bekäme es das Land Ludwig Erhards mit der Planwirtschaft nicht wirklich gut hin. Trost könnte der für die Energiewende zuständige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) finden, wenn er seinen Blick einmal nach China richten würde: Die große Volksrepublik hat sogar nach 67 Jahren Erfahrung in kommunistischer Planwirtschaft noch viel größere Schwierigkeiten damit, die poli- ,, DIE BITTERE WAHRHEIT IST – ES GIBT KEIN ANDERES INSTRUMENT ALS DIESE ANTI-DUMPINGMASSNAHME MILAN NITZSCHKE, Präsident der europäischen Hersteller-Initiative EU ProSun tischen Produktionsziele auch nur einigermaßen einzuhalten. Deutlich wird das ebenfalls an einem Solarausbau, der völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Chinesische Regierungskreise haben natürlich schon seit Jahren hohe Ambitionen, die dreckige Luft Pekings und umliegender Landstriche endlich wieder sauber zu kriegen. Dennoch reagierten Beobachter im Westen ungläubig, als Peking sich das Ziel setzte, allein in diesem Jahr Solarstrom-Anlagen mit rund 18 Gigawatt im ganzen Reich errichten zu lassen: Die installierte Leistung all dieser Module entspricht immerhin der von 18 Atomkraftwerken. Schon die Gigantomanie dieser Ankündigung ließ den Marktbeobachtern den Atem stocken. Was China da innerhalb eines Jahres bauen wollte, hätte dem Volumen nach noch vor zwei Jahren dem gesamten Weltmarkt für Fotovoltaik-Anlagen entsprochen. Geradezu die Luft blieb den Experten jedoch weg, als im Juni diesen Jahres deutlich wurde, dass China das astronomische Jahresziel bereits in der Hälfte der Zeit erreicht – und sogar noch übertroffen hat- noch geschützt: Auf Antrag und Betreiben des letzten deutschen FotovoltaikKonzerns Solarworld hatte die EUKommission bei chinesischen Solarimporten auf Dumping befunden und die Importe aus China mit einem Strafzoll belegt. Seither gilt in Europa für Solarkraft ein Mindestpreis von 56 Cent pro Watt, was deutlich über den Preisen in te. 22 Gigawatt Solarstromleistung ist die Hälfte dessen, was der frühere Weltmarktführer Deutschland nach 15 Jahren Energiewende erreicht hatte. China hatte dafür nur sechs Monate gebraucht. Der alte DDR-Begriff von der „Planübererfüllung“ wäre angesichts solcher Dimensionen ein Euphemismus. Die Zahlen mussten vielmehr als sichtbarer Beleg dafür gelten, dass Peking die Kontrolle über die mit Staatsgeldern aufgepumpte Solarindustrie völlig verloren hatte. Ob die zentralen Planer in ihren Pekinger Büros angesichts der schwindelerregenden Entwicklung bleich wurden, ob jemand laut „Stopp“ schrie und welches Maß Panik er dabei in der Stimme hatte, ist nicht bekannt. Fest steht nur, dass die chinesische Zentralregierung die Förderung ihres Solarmarktes über die Sommermonate drastisch eindampfte und nunmehr für die zweite Jahreshälfte 2016 nur noch einen vergleichsweise bescheidenen Neubau von sechs Gigawatt zulassen will. Die chinesische Vollbremsung hat Auswirkungen auf den Rest der Welt. Die Lager der Solarkonzerne im Reich der Mitte sind immer noch prall gefüllt. Zugleich lässt die Nachfrage nach Solarpaneelen derzeit deutlich nach. „Solar power – not everyone needs it right now“, überschrieb die Agentur Bloomberg New Energy Finance ihren jüngsten Marktbericht. Die Beobachter von Roth Capital Partners sehen sogar einen „perfekten Sturm“ über der Solarbranche herauf ziehen, weil die Nachfrage nach Solartechnik in den wichtigsten drei Abnehmerregionen Europa, USA und Japan im kommenden Jahr schwach sein werde. Dessen ungeachtet seien aber neue Solar-Fabriken mit einer Kapazität von 12 Gigawatt im Bau, was „die Gefahren und Herausforderungen noch verschlimmern“ werde. Der Markt stehe vor einer neuen Phase, die von Überkapazitäten geprägt sein werde. Chinesische Fotovoltaik-Konzerne wie Yingli, JinkoSolar oder Canadian Solar haben nur eine Möglichkeit, ihre überquellenden Lager abzubauen und dabei wenigstens noch ein bisschen Cash zu machen: Sie verkaufen ohnehin günstigen Solarzellen und Module jetzt noch billiger ins Ausland ab. Bloomberg New Energy Finance erwartet im zweiten Halbjahr 2016 am Markt einen Überschuss bei Fotovoltaik-Modulen von 30 bis 40 Prozent, was sich in „vollen Lagern und einem Preis-Kollaps in allen Märkten einschließlich der USA“ widerspiegeln werde. Wenn die chinesische ÜberschussProduktion den Weltmarkt flutet, dürfte das die Preise für Solaranlagen weiter fallen lassen. Wie viele Hersteller die Tiefpreis-Phase überleben werden, ist unklar. Marktbeobachter vom Analysehaus IHS rechnen aber mit einer weiteren Konsolidierung, sprich: es könnte mehr Pleiten, Übernahmen und Fusionen geben, die Zahl der Anbieter wird sinken. Ob sich die europäischen Hersteller weiter gegen die Flut chinesischer Billig-Module stemmen können, ist ebenfalls unsicher. Vorerst fühlt man sich anderen Weltregionen liegt. Doch Europas Zollmauern bekommt bereits Risse. Denn der chinesische Produktionsüberschuss fließt bereits in Länder wie Indien, Vietnam oder Thailand, die längst eigene Solarmodule-Fabriken zur Versorgung der heimischen Bevölkerung aufgebaut hatten. Unter dem Druck chinesischer Billigimporte sehen nun etwa indische Hersteller keine andere Wahl mehr, als sich ihrerseits neue Abnehmer in Europa und den USA zu suchen. Damit dürften auch die bislang künstlich hoch gehaltenen europäischen Preise für Solarzellen und Module unter Druck kommen. Ohnedies könnte die EU-Kommission versucht sein, bei der nächsten Überprüfung der Zollschranke zu dem Schluss zu kommen, dass auch die euroSolarpark in päischen Mindestpreise angesichts eines weltweit der Provinz verfallenden Preisniveaus Fujian. gesenkt werden sollten. Peking hat Auch wenn der Schutzdie Installawall bröckelt: Für übertion neuer flüssig hält Milan Anlagen Nitzschke, Präsident der reduziert europäischen HerstellerInitiative EU ProSun die Schutzzölle gegen China nicht. „Die bittere Wahrheit ist – es gibt kein anderes Instrument als diese Anti-Dumping-Maßnahmen, um uns gegen unfairen Staatseinfluss zu schützen.“ Wenn chinesische Dumping-Preise in einer „Kettenreaktion“ über andere Staaten nach Europa durchgereicht würden, müsse die Effektivität des Instruments eben verbessert werden. Eine Position, die in der europäischen Solarbranche längst stark umstritten ist. Eine ganze Reihe von Unternehmen haben sich in der Gegen-Initiative „Solar Alliance for Europe“ (Safe) zusammengeschlossen, um die Strafzölle gegen China aus der Welt zu schaffen. Die Safe-Firmen, darunter große Solarprojektierer, kritisieren, dass die seit Jahren fallenden Solartechnik-Preise wegen der Handelsbeschränkungen bei europäischen Investoren und Verbrauchern nicht mehr ankommen. Nach ihrer Einschätzung würde die Nachfrage nach Solaranlagen in Europa wieder stärker anziehen, wenn die Barrieren fallen – und günstigere Importe aus dem Ausland nicht mehr behindert würden. ANZEIGE Deutsche Bank In Wachstum investieren. Und den Betrieb am Laufen halten. Die Finanzierung dazu hat mein Geschäftskundenberater. 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Aus einem der Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag vorliegenden neunseitigen Beschluss des Bundesfachausschusses der CDU geht hervor, dass zudem die Anlagevorschriften für die Rentenversicherung gelockert werden sollen, um die Renditechancen für das von der Rentenversicherung eingesammelte Kapital zu erhöhen. Geplant ist auch eine Altersvorsorgepflicht für Selbstständige und eine Reform der RiesterRente. Die CDU positioniert sich damit vor dem Wahljahr 2017 in einer Debatte über die Zukunft des Rentensystems, die zuvor von CSU und SPD angestoßen worden war. Seit Monaten wird diskutiert, ob die 2030 auslaufende Garantie eines Mindestniveaus der Rente verlängern werden soll. Die geltende Rentenanpassungsformel führt dazu, dass Renten langsamer steigen als Löhne – dies soll ermöglichen, dass Renten auch noch in einer Zeit bezahlbar sind, in der sich das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentenempfängern aus demografischen Gründen drastisch verschlechtert. Dies führt aber dazu, dass das prozentuale Rentenniveau im Vergleich zum letzten Lohn eines Arbeitnehmers schrittweise sinkt, 2029 bis unter 45 Prozent. Würde dieser Prozess nach 2030 fortgesetzt, würden immer mehr Versicherte unter das Grundsicherungsniveau sinken. DEUTSCHE BANK Postbank bleibt auch im Fusionsfall Die Postbank ist Teil der Fusionsgespräche zwischen Deutscher Bank und Commerzbank. Wie die „Welt am Sonntag“ berichtet, planen beide Banken für den Fall eines Zusammen- gestellt. Insgesamt summiere sich damit die finanzielle Unterstützung von Kik auf 6,15 Millionen Dollar, so das Unternehmen. Der Textil-Discounter war zum Zeitpunkt des Brandes Hauptkunde von Ali Enterprises. LKW-MAUT Einnahmen leicht gesunken Die Einnahmen aus der Lkw-Maut sind im vergangenen Jahr leicht zurückgegangen. Verbucht wurden 4,39 Milliarden Euro, wie das Bundesverkehrsministerium dem Bundestag mitteilte. Das waren rund 46 Millionen Euro mehr als veranschlagt, aber 78 Millionen Euro weniger als im Jahr zuvor. Grund ist, dass die nach Schadstoffausstoß gestaffelten Mautsätze zum 1. Januar 2015 überwiegend gesenkt worden waren, da der Bund niedrigere Zinskosten für seine Fernstraßen hat. Das Einnahme-Minus konnte also nicht voll dadurch aufgefangen werden, dass die Maut im Juli 2015 auf weitere 1100 Kilometer Bundesstraße sowie im Oktober auf leichtere Lkw ab 7,5 Tonnen ausgedehnt wurde. In diesem Jahr sollen diese Erweiterungen ihre volle Wirkung zeigen und insgesamt 380 Millionen Euro mehr einbringen. „Die zurückliegenden Monate zeigen, dass diese Prognose erfüllt wird“, hieß es. Die Maut-Einnahmen sind – nach Abzug von Kosten – für Investitionen in die Fernstraßen reserviert. LIEFERDIENSTE Scheinselbstständigkeit soll gestoppt werden Die florierende Branche der EssensLieferkuriere, die mit ihren Fahrrädern seit ein paar Monaten die Straßen deutscher Großstädte bevölkern, ist Gewerkschaften und Oppositionspolitikern ein Dorn im Auge – wegen Mindestlohnverstößen und Schein- GALAXY NOTE 7 Samsung warnt vor Benutzung des Smartphones DPA/ FLORIAN SCHUH Das Premium-Smartphone Galaxy Note 7 entwickelt sich für Weltmarktführer Samsung immer mehr zum Desaster. Wegen der Brandgefahr fehlerhafter Akkus warnte der Konzern davor, das erst vor wenigen Wochen auf den Markt gekommene Vorzeigemodell zu benutzen. „Wir rufen die Nutzer dazu auf, ihr Galaxy Note 7 abzuschalten und es so bald wie möglich auszutauschen“, erklärte der Chef der Smartphone-Sparte, Koh Dong Jin. Weltweit verbannten Airlines das Galaxy Note 7 von ihren Flügen. Samsung arbeite mit Hochdruck daran, die fehlerhaften Geräte auszutauschen, erklärte der Konzern. Die US-Verbraucherbehörde CPSC arbeitet nach eigenen Angaben mit der südkoreanischen Firma an einem offiziellen Rückruf in den USA. Solange sollte das Modell nicht genutzt werden. schlusses, die Postbank nicht zu verkaufen. „In diesem Fall würde es Sinn machen, die Postbank zu behalten“, heißt es aus Verhandlungskreisen. Die Deutsche Bank hatte im Vorjahr überraschend erklärt, sich von der erst 2008 erworbenen Privatkundenbank wieder trennen zu wollen. Offen ist, wie die Wettbewerbsbehörden auf einen Zusammenschluss der beiden Großbanken inklusive der Postbank reagieren würden. „Es wäre sicher kein Selbstläufer, einen solchen Zusammenschluss durchzubringen“, sagte Justus Haucap, der ehemalige Vorsitzende der Monopolkommission. KIK Weitere Millionen für Opfer in Pakistan Vier Jahre nach der Brandkatastrophe in einer pakistanischen Textilfabrik stellt der Textildiscounter Kik weitere 5,15 Millionen Dollar (4,6 Millionen Euro) für die Opfer und ihre Angehörigen zur Verfügung. Auf diese Summe habe sich das Unternehmen in Gesprächen mit Vertretern der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) sowie Opfervertretern wie der Kampagne für Saubere Kleidung geeinigt, teilte Firmenchef Patrick Zahn mit. Bei dem Feuer waren am 11. September 2012 in der pakistanischen Textilfabrik Ali Enterprises mehr als 255 Beschäftigte getötet und weitere 57 verletzt worden. Bereits unmittelbar nach dem Brand hatte Kik eine Million Dollar Soforthilfe bereit- selbstständigkeit vieler der Fahrradkuriere. In der Kritik steht dabei vor allem der Lieferdienst Deliveroo, der etwa die Hälfte seiner rund 900 Fahrer als Selbstständige beschäftigt. „Geht keine Bestellung ein, gibt es keine Lieferung, keine Bonuszahlung und kein Trinkgeld. Das wäre ein klarer Verstoß gegen das Mindestlohngesetz“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Burkhard Siebert, der „Welt am Sonntag“. Die betroffenen Fahrer verdienen einen Grundlohn von nur 7,50 Euro pro Stunde, also einen Euro weniger als der gesetzliche Mindestlohn. Bedenklich sei dies gerade mit Blick auf das Risiko, dem sich die Fahrer während ihrer Arbeit aussetzen. 800.000 600.000 400.000 200.000 2015 21,7 10,7 4,3 3,9 3,1 2,9 2,2 2,1 2,0 1,9 Quelle: Bundesagentur für Arbeit (BA) Quelle: Bundesagentur für Arbeit (BA) Beschäftigte nach Anforderungsniveau Beschäftigte nach Berufsabschluss in Prozent in Prozent 52,8 19,1 Fachkraft 38,9 57,0 Spezialist E Experte Leiharbeitnehmer Beschäftigte insgesamt Leiharbeitnehmer Helfer 5,1 11,3 3,3 22,7 54,6 Meister/Techniker 2,4 Bachelor 1,4 1,4 4,5 10,1 1.000.000 Leiharbeiter – so viele wie nie Zeitarbeiter verdienen in der Regel deutlich weniger als Stammbeschäftigte. Die Politik will das nun ändern – aber es gibt Bedenken Zeitarbeit ist zu einem beliebten Instrument geworden, Auftragsspitzen abzudecken, ohne gleich die Stammbelegschaft aufzustocken. Das Modell ist in Deutschland mittlerweile so erfolgreich, dass Betriebsräte, Gewerkschaftler und Politiker eine ungute Machtverschiebung hin zu den Arbeitgebern beklagen. Sie bemängeln, Firmen würden Leiharbeiter nutzen, um die Stammbelegschaft einzuschüchtern und Löhne und Gehälter zu drücken. Die Unternehmen hingegen beharren darauf, dass Zeitarbeit keine regulären Jobs ersetze; die Leiharbeiter ergänzten die regulären Beschäftigten nur. Zeitarbeit mache den deutschen Arbeitsmarkt flexibler und trage dazu bei, dass die deutsche Industrie auf konjunkturelle Schwankungen reagieren könne. Gerade für Geringqualifizierte seien die Jobs auf Zeit eine Chance, leichter am Erwerbsleben teilzuhaben. „Auf dem Arbeitsmarkt sind Leiharbeit und Werkverträge längst keine Randphänomene mehr. Und in der Regel zahlen Vertragsnehmer und Leiharbeiter dabei drauf – sie verdienen weniger und haben deutlich schlechtere Arbeitsbedingungen“, kritisiert jedoch Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Es sei dringend geboten, dass der Gesetzgeber Missbrauch und Ausbeutung einen Riegel vorschiebe. Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) zeigen, dass die Zahl der Leiharbeiter in Deutschland im vergangenen Jahr auf einen Rekordstand geklettert ist. In manchen Monaten registrierte die Bundesagentur mehr als eine Million Zeitarbeiter. Im Dezember 2015 waren es 950.644. Im Jahresmittel lag die Zahl der Leiharbeiter knapp 53.000 über dem Wert von 2014. Dieser Anstieg ist auch Ausdruck der soliden Auftragslage der Unternehmen. „Das Maß der Zeitarbeit schwankt mit dem Auf und Ab der Konjunktur“, sagt Holger Schäfer, Ökonom beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln). Nehme die Leiharbeit zu, sei das zunächst einmal nichts anderes als ein Indikator für eine gut laufende Ökonomie. Eine Verdrängung von regulären Beschäftigungsverhältnissen kann er nicht erkennen. Dafür gebe es keine Belege. Allein in den vergangenen zwölf Monaten sind im Automobilbau mehr als 15.000 neue Jobs entstanden, rechnet Schäfer vor, weitere 6000 im Metallbau und 3000 in der optischen und elektronischen Industrie. Trotz der imposant anmutenden Zahl von einer Million Leiharbeitern beträgt der Anteil an der Gesamtbeschäftigung nur rund drei Prozent. Feststellen lässt sich allerdings ein langfristiger Trend zur verstärkten „Arbeitnehmerüberlassung“, wie die Zeitarbeit in der Sprache der Bundesagentur offiziell heißt. Vor zehn Jahren zählte die Bundesrepublik erst halb so viele Leiharbeiter wie heute. Das muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass Leiharbeit nicht befristete Stellen überflüssig macht. „Oft beobachten wir, dass Unternehmen Stammbelegschaft und Zeit- 12,6 54,4 4,3 0,3 Quelle: Bundesagentur für Arbeit (BA) VON DANIEL ECKERT Beschäftigte insgesamt Ohne Berufsabschluss Berufsausbildung Diplom/Master/ Staatsexamen Promotion 11,1 in mittelständischer Automobilzulieferer erhält kurzfristig einen Auftrag. Um die Kundenwünsche zu bedienen, heuert der Mittelständler für drei Monate Leiharbeiter an. Nach Ablauf der Frist verzichtet das Unternehmen wieder auf die Arbeitskräfte. Eine feste Stelle wird daraus nie. Das passiert in Deutschland tausendfach. Leiharbeit boomt. arbeit gleichzeitig aufstocken“, sagt Schäfer. Tatsächlich hat sich die Erwerbslosigkeit seit 2005 nahezu halbiert. Zuletzt meldete die Bundesagentur eine Arbeitslosenquote von 6,1 Prozent, vor zehn Jahren lag sie noch bei elf bis zwölf Prozent. Viele Ökonomen argumentieren, dass Leiharbeit hilft, Menschen in Lohn und Brot zu bringen, die sonst Schwierigkeiten hätten, einen Job zu finden. Allerdings bleibt es eine Tatsache, dass Leiharbeiter deutlich weniger verdienen als reguläre Beschäftigte. Nach einer BA-Erhebung lag das Einkommen der Zeitarbeiter 2013 bei durchschnittlich 1725 Euro, während sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer statistisch auf 2954 Euro Verdienst kamen. Mehr noch: Fast zwei von drei Leiharbeitern bleiben unterhalb der Niedriglohnschwelle von rund 1970 Euro, wie aus einer Auskunft der Bundesregierung auf eine Parlamentarische Anfrage der Linkspartei hervorgeht. Diese Schwelle liegt bei zwei Dritteln des mittleren Gehalts aller Beschäftigten. Zudem stocken 5,7 Prozent der Leiharbeitnehmer ihr Gehalt mit Hartz IV auf. Aus Sicht der arbeitgebernahen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) spricht das jedoch nicht gegen Leiharbeit. Zwei Drittel der eingestellten Zeitarbeiter seien unmittelbar vorher gar nicht beschäftigt gewesen. 0,8 Quelle: Bundesagenturfür fürArbeit Arbeit(BA) (BA) Quelle (4): Bundesagentur Sprich: Die Alternative zur Zeitarbeit sei oft nicht das reguläre Beschäftigungsverhältnis, sondern schlicht Erwerbslosigkeit. „Diese Menschen haben eine neue Chance und sind jetzt zu 93 Prozent sozialversicherungspflichtig und zu fast 100 Prozent auch tariflich beschäftigt“, heißt es bei der Initiative. Das IW Köln betont, es sei irreführend, den Lohn von Zeitarbeitern mit anderen Arbeitnehmern zu vergleichen. Zeitarbeiter würden überwiegend für Aufgaben eingestellt, für die keine abgeschlossene Berufsausbildung nötig sei. Auch die Bundesagentur kommt in einer Auswertung zum Schluss, dass „Helfertätigkeiten bei der Arbeitnehmerüberlassung deutlich überrepräsentiert sind.“ Der BA-Statistik zufolge sind 53 Prozent mit Tätigkeiten betraut, für die keine besondere Qualifikation erforderlich ist, unter den Beschäftigten insgesamt liegt dieser Anteil nur bei rund 19 Prozent. Dennoch spricht die Politik von Handlungsbedarf. Nicht zuletzt die Betriebsräte haben Druck gemacht. Noch im September will Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ein Gesetz gegen Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen durch den Bundestag bringen. Erstmals soll es dann eine Höchstverleihdauer für Arbeitnehmer geben: Sie dürfen längstens 18 Monate an denselben Betrieb verliehen werden. Eine sogenannte Equal-Pay-Regelung soll zudem verhindern, dass Leiharbeitnehmer dauerhaft zu niedrigeren Löhnen als Stammbeschäftigte eingesetzt werden. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Leiharbeitnehmer nach neun Monaten wie die Stammbelegschaften bezahlt werden. Von diesen Grundregeln dürfen Arbeitgeber und Gewerkschaften gemeinsam abweichen, wenn die Tarifpartner das vereinbaren. Die Regelungen sollen Anfang 2017 in Kraft treten. Aus Sicht des DGB ist das geplante Gesetz ein Schritt nach vorn, weil darin erstmals eindeutige Kriterien für Missbrauch formuliert seien. Die Arbeitgeber fürchten dagegen zusätzliche Bürokratie und Rechtsunsicherheit, gerade im Zusammenhang mit der Equal-PayRegelung. Beobachter fragen sich zum Beispiel, wie genau der Verdienst der Stammbelegschaft zu definieren sei. Mietwagen entpuppen sich als Datenkrake Strecken des Rivalen Air Berlin im Visier A Die Lufthansa will einem Zeitungsbericht zufolge einige Strecken des angeschlagenen Rivalen Air Berlin ab dem Winterflugplan übernehmen. Der Lufthansa-Aufsichtsrat solle das Geschäft bei seiner nächsten Sitzung Ende September absegnen, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ ohne Angabe von Quellen. Geplant sei auch eine Zusammenarbeit mit dem AirBerlin-Großaktionär Etihad. Es gebe jedoch noch Differenzen über den Umfang der Kooperation. Die mit ihrem Mallorca-Shuttle bekanntgewordene Air Berlin steckt wegen eines übereilten Expansionskurses und einer unklaren Strategie tief in der Krise. Die amerikanische Handelsbehörde Federal Trade Commission (FTC) warnt nun jedoch davor, das eigene Smartphone auch bei Mietwagen einfach mit dem Bordcomputer zu verbinden. Der Grund ist einfach: Durch die Verbindung können persönliche Daten an das Auto übertragen und dort gespeichert werden. „Wenn Sie ein mobiles LUFTHANSA in Prozent Lagerwirtschaft Metallverarbeitung Büro und Sekretariat Maschinenbau Metallbau Kunststoffproduktion Gastronomie Kaufmännischer Bereich Bauelektrik Elektrotechnik 950.644 1.000.000 2000 MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 Das eigene Smartphone mit dem Bordcomputer eines Leihautos zu verbinden, ist praktisch – aber auch riskant Gerät mit dem Auto verbinden, können dort Ihre Handynummer, Verbindungsdaten oder sogar die Kontakte aus Ihrem Telefonbuch und Textnachrichten gespeichert bleiben“, schreibt Lisa Weintraub Schifferle auf der FTC-Webseite. Die Anwältin arbeitet dort in der Abteilung für Verbraucheraufklärung. Laut der Behörde werden die an das Auto übertragenen Daten auch nicht automatisch wieder gelöscht, wenn der Fahrer die Verbindung zwischen Fahrzeug und Smartphone unterbricht. „Wenn Sie Ihre Daten nicht löschen, bevor Sie das Auto zurückgeben, können sie andere Menschen sehen, zum Beispiel künftige Mieter, Mitarbeiter der Verleihfirma oder sogar Hacker“, schreibt Weintraub Schifferle. Die Behörde empfiehlt daher, das Gerät keinesfalls mit dem Auto zu verbinden, wenn es nur darum geht, den Akku uch im Auto wollen die meisten Fahrer inzwischen nicht mehr auf ihr Smartphone verzichten. Deshalb bieten fast alle neuen Fahrzeuge die Möglichkeit, das eigene Telefon mit dem Bordcomputer zu verbinden. So lassen sich Telefonate über die Freisprechanlage führen, man kann die eigene Musik im Auto hören oder als Beifahrer sogar im Internet surfen. VON PHILIPP VETTER zu laden. Wenn es unbedingt nötig sein sollte, rät die FTC, den Strom über den Zigarettenanzünder zu laden, statt das Smartphone per USB mit dem Auto zu verbinden. „In einigen Fällen kann die USB-Verbindung automatisch Daten übertragen“, heißt es. Sollte man sich dennoch entscheiden, dass Gerät mit dem Bordcomputer zu vernetzen, müsse man sich genau überlegen, auf welche Daten man Zugriff gewähre. In jedem Fall sollten Verbraucher vor der Rückgabe des Autos manuell die sichtbar gespeicherten Daten wieder löschen. Dafür müsse man unter Einstellungen im Menü des Bordcomputers das Profil des eigenen Gerätes löschen. Bei Deutschlands größtem Autovermieter Sixt sieht man den Mieter in der Pflicht. „Ob ein Kunde sein Smartphone mit dem Kommunikationssystem eines Mietfahrzeugs verbindet, ist seine per- sönliche Entscheidung und Verantwortung – so wie er zum Beispiel auch entscheiden muss, ob er ein öffentliches WLAN nutzt“, sagte ein Sprecher. „Sixt gibt hierzu schon deshalb keine Empfehlungen, weil sich die Kommunikationssysteme dem Einflussbereich eines Autovermieters entziehen.“ Die Autobauer lassen sich bei ihren Bordcomputern nicht in die Karten schauen. Das liegt auch daran, dass die Systeme inzwischen so wichtig geworden sind, dass sich die Hersteller über deren Funktionen von der Konkurrenz abheben und so ein Kaufargument liefern wollen. Die BordkommunikationsSysteme innerhalb der Flotte seien extrem unterschiedlich, heißt es bei Sixt. Welches Auto welche Daten speichert, bleibt daher offen. Allerdings versichert Sixt, dass man kein Interesse an den Smartphone-Daten der Mieter habe. + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd DIE WELT WIRTSCHAFT 13 MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 * König der Preisausschläge T In diesem Ort ist der Name Programm. Autos an der Tankmeile in Wasserbillig/ Luxemburg. Den günstigsten Preis erfährt man mit einer Preis-App Bei keiner Tankstelle pendeln die Spritkosten so stark wie bei Aral, hat der ADAC festgestellt anken ist an den rund 14.000 Stationen in Deutschland zu einem Wettkampf gegen die Zeit geworden. Viele Autofahrer wissen inzwischen, dass Benzin und Diesel abends günstiger zu haben sind als tagsüber. Aber es lohnt sich ein noch viel genauerer Blick darauf. PICTURE ALLIANCE / DPA/ HARALD TITTEL VON BIRGER NICOLAI Hoch und runter an der Zapfsäule Preisänderungspolitik deutscher Tankstellen durchschnittlich, pro Tag: in Cent 16 14 12 10 8 6 4 2 0 ARAL Gesamterhöhung Esso JET Gesamtsenkung Shell TOTAL Quelle: ADAC Zum ersten Mal hat der Automobilklub ADAC jetzt in einer aufwendigen Analyse ermittelt, wie häufig und in welcher Höhe die fünf großen Tankstellenkonzerne ihre Preise über den Tag anheben oder senken. Die Muster dahinter sind sehr aufschlussreich, und sie räumen mit einem Vorurteil auf: Die Ölkonzerne agieren an ihren Stationen alles andere als willkürlich; im Gegenteil, sie sind sehr berechenbar geworden. In früheren Jahren mussten sich die Tankstellenpächter mehrmals am Tag ins Auto setzen, die Konkurrenzstationen in der Nachbarschaft abfahren, deren Preise notieren und sie anschließend der Firmenzentrale melden. Seit es die Markttransparenzstelle beim Bundeskartellamt gibt, entfällt für sie diese lästige Pflicht. Seither müssen alle Tankstellen im Minutenzeitabstand ihre Preise melden. Jeder im Land kennt zu jeder Zeit die Preise von Flensburg bis Konstanz. Dutzende Internetportale bieten Preisvergleiche etwa per App an, das Auffinden der günstigsten Tankstelle in der eigenen Region ist in Sekundenschnelle möglich. Doch all diese Daten nutzen natürlich auch die Ölkonzerne bei ihren Kalkulationen. Um das Geheimnis hinter den Preisbewegungen zu lüften, hat der ADAC in den Monaten April, Mai und Juni 2016 jede einzelne Preisbewegung bei den fünf größten Tankstellenkonzernen in Deutschland aufgezeichnet – bei Aral, Shell, Total, Esso und Jet. Eine derartig umfangreiche Analyse hat es bislang noch nicht gegeben. „Entgegen unseren ersten Annahmen haben wir eine große Regelmäßigkeit und Kalkulierbarkeit festgestellt“, sagt Jürgen Albrecht, der Verkehrspolitische Sprecher des Automobilklubs. Die wichtigste Erkenntnis daraus ist: Aral, Shell und Total unterscheiden sich deutlich in ihrer Preisgestaltung von den anderen Anbietern. Zwar ermittelte der ADAC bei allen fünf Marken etwa zwei Preiserhöhungen am Tag. Esso liegt mit 2,4 Anhebungen etwas darüber, Jet mit 1,8 Erhöhungen darunter. Doch der Umfang ist ganz unterschiedlich: Aral, Shell und Total langen mit etwa acht Cent als durchschnittliche Preisanhebung besonders kräftig zu. Dagegen begnügen sich Esso und Jet mit Preisaufschlägen von rund vier Cent. Das heißt aber auch: Über den Tag gesehen schrauben Aral, Shell und Total ihre Benzin- und Dieselpreise um rund 16 Cent in die Höhe, wohingegen Esso etwa zehn Cent und Jet rund acht Cent aufschlagen. Bei den Preissenkungen gibt es nun eine große Überraschung: Hier liegen alle fünf Ölkonzerne in einer Bandbreite von durchschnittlich vier bis fünf Preisreduzierungen am Tag vergleichsweise eng beieinander. Shell senkt im Durchschnitt 5,5 Mal am Tag die Preise, Aral macht dies 4,3 Mal. In der Höhe unterscheiden sich die Benzinmarken jedoch deutlich vonei- Tausende Jobs bei Kaiser’s in Gefahr B Hohe Verluste lassen die Zeit für eine Rettung der Supermarktkette knapp werden ei der angeschlagenen Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann stehen wegen hoher Verluste Tausende Jobs auf der Kippe. Mindestens 8000 Stellen seien akut gefährdet, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur von einer Person, die mit den Vorgängen vertraut ist. Die Kette erwirtschafte inzwischen monatlich zehn Millionen Euro Verlust und könne nicht mehr auf eine juristische Lösung im Streit um die Ministererlaubnis für den Zusammenschluss mit Edeka warten. Die Geschäfte der Kette litten auch unter sinkenden Kundenzahlen. Außerdem hätten wichtige Mitarbeiter – etwa aus der IT – von sich aus gekündigt. Kaiser’s Tengelmann laufe deshalb die Zeit davon. „Es geht ums Eingemachte“, hieß es in den Branchenkreisen. Nach Informationen der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ will Tengelmann-Chef Karl-Eri- van Haub bei einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung am 23. September einen Plan vorlegen, der die Schließung von Filialen und den Abbau von 5000 Arbeitsplätzen vorsieht, die meisten davon in Nordrhein-Westfalen. Eine Tengelmann-Sprecherin bestätigte den Termin für das Treffen. Zum Inhalt der Sitzung machte sie jedoch keine Angaben. Die Gewerkschaft Ver.di erinnerte den Tengelmann-Chef an seine Verantwortung für die Beschäftigten. „Wir beteiligen uns nicht an Spekulationen über einen möglicherweise drohenden Stellenabbau bei Kaiser’s Tengelmann. Wir erwarten aber vom Eigentümer Karl-Erivan Haub, dass er im Rahmen des von ihm betriebenen Verkaufs die Verantwortung für den Erhalt und die Sicherheit der Arbeitsplätze in den Mittelpunkt stellt, um in einer schwierigen Situation eine gute Zukunft für die Be- schäftigten zu ermöglichen“, sagte ein Gewerkschaftssprecher. Die Hängepartie um die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka dauert bereits zwei Jahre an. Zuletzt hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf die von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erteilte Ministererlaubnis für den Zusammenschluss vorläufig gestoppt. Eine juristische Klärung des Streitfalles könnte Jahre dauern. Die „WAZ“ berichtete unter Berufung auf einen Insider, Eigentümer Haub sei nach zwei Jahren inzwischen mit seiner Geduld am Ende. Statt die Verluste in der Supermarktsparte weiter auszugleichen, neige er nun zur Aushandlung eines gleichermaßen teuren Sozialplans, um Filialen mit roten Zahlen loszuwerden. Sollte Haub dies umsetzen, wäre allerdings Gabriels Ministererlaubnis hinfällig. nander: Während Jet um durchschnittlich weniger als zwei Cent verringert, sind es bei Aral fast vier Cent. Wiederum über den Tag berechnet, reduziert Aral den Benzinpreis um 16 Cent, beim Konkurrenten Jet sind es knapp acht Cent. Das Kalkül dahinter ist klar: In Zeiten nur wenig schwankender Rohölpreise und damit auch nahezu konstanter Produktpreise für Benzin und Diesel müssten sich auch die Tankstellenpreise kaum mehr von der Stelle bewegen. Tatsächlich kehren die Markentankstellen am Ende eines Tages auch wieder zur Ausgangssituation zurück und verändern die Literpreise im Tagesvergleich kaum. Doch in der Zeit dazwischen passiert um so mehr. „Aral startet mit wenigen, aber hohen Anhebungen und endet mit doppelt so hohen Preissenkungen im Vergleich zu einigen Konkurrenten“, erklärt ADAC-Manager Albrecht das Muster. Für Konzerne wie Aral zahlt sich diese Preispolitik aus. Das Geld verdienen die Unternehmen in den Zwischenzeiten, in denen sie sich von den Wettbewerbern unterscheiden. So hat Aral im Geschäftsjahr 2015 einen Rekordgewinn erzielt, gab das Management unlängst bekannt, ohne aber Zahlen zu ,, 40 PROZENT TANKEN IM LETZTEN MOMENT BEI DER NÄCHSTBESTEN STATION JÜRGEN ALBRECHT, ADAC nennen. Der Autofahrer kann gegensteuern und in den teuren Stunden einer bestimmten Benzinmarke die Station meiden und zum günstigeren Konkurrenten weiterfahren. „Der Kunde sollte die Kenntnis über die Preise und die hohe Transparenz des Benzinmarktes konsequent nutzen“, sagt Albrecht. Nach Erkenntnissen des ADAC orientieren sich rund 60 Prozent der Autobesitzer beim Tanken an den Preistafeln und nicht so sehr an den Marken. „Eine kritische Masse von rund 40 Prozent der Kundschaft tankt jedoch im letzten Moment und dann bei der nächstbesten Station“, sagt Albrecht. Auch die Markentreue spielt bei ihnen eine Rolle. „Die Nachfrager ziehen aus der Transparenz des Marktes immer noch weniger Nutzen als die Anbieter“, lautet das Fazit des Marktkenners Albrecht. Auch die Werbung der Konzerne dürfte ihren Teil zur Auswahl und Kaufentscheidung der Kundschaft beitragen. ANZEIGE (&)'$#'(!!#)# #0& ) )#(& #$''#'(!###, &)%%$! '# # '## # "#'"(#+�#!(''()#' )#&$) (#$(/'($#(.()##*)!!/')## &'(.& #)#'&#(&#($#!(.()#!#"&## &$#!"(# #$''#'('# #*&)##-##' .&0#(&()#'&& "#'( #( #)#'&#((*#)#(&www.initiativbank.de + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd 14 WIRTSCHAFT REUTERS/ © NASA; REUTERS/ POOL * DIE WELT D er teuerste Flug der Welt beginnt um 9.51 Uhr, als Alexej Owtschinin eine Verriegelung löst, seine Kapsel in den freien Raum steuert und dreht, bis der Bug nach Hause weist. Owtschinin macht die letzten Checks, dann zündet er das Haupttriebwerk, jagt die Sojus in die tieferen Schichten der Atmosphäre, 30 Mal schneller als der Schall. Acht Kilometer über dem Boden öffnet sich ein Fallschirm, kurz darauf landet das Raumschiff südöstlich der Stadt Scheskasgan, mitten in der kasachischen Steppe. Millionen-Poker um das TICKET ins All US-Astronauten müssen mit der Sojus-Kapsel der Russen fliegen. Diese aber erhöhen ständig die Preise. Nun gibt es einen Ausweg VON STEFAN BEUTELSBACHER AUS NEW YORK Der Russe war der Pilot der Mission TMA-20M, die am vergangenen Mittwoch endete. Mit seinem Landsmann Oleg Skripotschka und dem Amerikaner Jeff Williams verbrachte er 172 Tage im All. Es war der 46. Besuch eines Sojus-Raumschiffs auf der „Internationalen Raumstation“ (ISS) – und für die Nasa der bisher kostspieligste: Den Sitzplatz ihres Astronauten Williams musste die Weltraumbehörde mit 70 Millionen US-Dollar bezahlen. Ein Preis, der zeigt, wie die Abhängigkeiten in der Raumfahrt derzeit verlaufen. Das Programm der Amerikaner erlebt eine Krise. Die Kosten für die Trips in den Orbit steigen rasant, wie ein neuer Report der Nasa zeigt. Seit das Space Shuttle ausgemustert ist, müssen US- Dicht gedrängt in einer Sojus-Kapsel: Jeff Williams aus den USA und die Russen Alexej Owtschinin und Oleg Skripotschka (v. l. n. r.) Astronauten mit den Raketen der Russen fliegen – und die erhöhen immer wieder die Ticketpreise. Deshalb hofft die Nasa auf private Anbieter, auf Firmen wie den alten Luft- und Raumfahrtriesen Boeing oder das junge Space X, eine Gründung des Milliardärs Elon Musk. Aber deren Technik ist noch nicht ausgereift. Die modernste Rakete von Space X etwa, die Falcon 9, explodierte vor einigen Tagen schon auf der Startrampe. Und das Milliarden-Dollar-Gefährt von Boeing erwies sich bei Flugversuchen schlichtweg als zu schwer. Houston hat nun ein Problem. Nur die Sojus bleibt, um Menschen 400 Kilometer hoch in die Umlaufbahn zu katapultieren, sie auf der ISS abzusetzen und später wieder zur Erde zu bringen. Die Uraltkapsel, im Dienst seit 1967, wurde immer wieder modernisiert, sieht aber noch aus wie beim ers- ten Flug. Eine Kugel, aufgesteckt auf einen Zylinder, aus dem golden glänzende Solarpanele wachsen. Geändert hat sich vor allem der Preis, den ein Ritt in der Kugel kostet, auf einem ihrer drei Plätze, die so dicht beieinander liegen, so eingezwängt zwischen Knöpfen, Hebeln und Instrumenten, dass sich die Passagiere kaum bewegen können. Vor zehn Jahren musste die Nasa den Russen 22 Millionen Dollar zahlen, etwa ein Drittel des aktuellen Betrags. Der Anstieg begann 2011 – zu dem Zeitpunkt, als die Amerikaner ihre SpaceShuttle-Flotte einmotteten. Und er dürfte noch nicht vorüber sein. In den kommenden Jahren werden sich die Flüge weiter verteuern, auf mehr als 80 Millionen Dollar, wie die Weltraumbehörde schätzt. „Wir hängen von Russland ab, seit wir das Shuttle nicht mehr haben“, sagt der hochrangige Nasa-Manager Paul K. Martin. „Und wenn die privaten Anbieter ihre Probleme nicht MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 er 534 Tage im Raum verbracht, Tausende Male die Erde umrundet, Millionen Kilometer zurückgelegt. Er schwebte schon im Jahr 2000 durch die ISS, als sie noch eine galaktische Baustelle war. Seine Aufgabe bei der vergangenen Mission, der TMA-20M, hatte Symbolcharakter: Während eines Weltraumspaziergangs installierte er einen Adapter, der allen möglichen Raumfahrzeugen das Andocken ermöglichen soll – und nicht mehr nur der russischen Sojus. Williams bereitete damit nichts weniger vor als die Zukunft der amerikanischen Raumfahrt. Die Ära, in der nicht mehr der Staat allein das Universum erforscht, sondern dazu die Hilfe von Konzernen braucht. Die ersten Nutzer Die des neuen Kopplungs„Internationale systems sollen der Raumstation“ ISS CST-100 Starliner auf dem Flug über von Boeing und die Madagaskar. Dragon von Space X In der Mitte sein, wiederverwenddie angedockte bare Kapseln, die wie russische die Sojus auf die Spitze Sojus-Kapsel einer Rakete montiert werden. Die Dragon soll mit der Falcon fliegen, der Starliner mit der Atlas V, eine Gemeinschaftsentwicklung von Boeing und dem Rüstungskonzern Lockheed Martin. Die Nasa hatte gehofft, dass zumindest eines der beiden Gefährte bis 2015 einsatzbereit sein würde. Jetzt rechnet Manager Paul K. Martin damit, dass sie frühestens 2018 zur ISS fliegen werden. Martin und seine Kollegen stehen vor einer schwierigen Aufgabe. Sie sollen sicherstellen, dass US-Astronauten weiterhin zu der Station im All reisen können – und gleichzeitig vermeiden, die Sojus länger als nötig zu buchen. Das Problem: Die Plätze an Bord müssen drei Jahre im Voraus reserviert werden. „Die Rückschläge der privaten Anbieter machen eine genaue Planung so gut wie lösen, müssen wir bald weitere Sitzplät- unmöglich“, ist aus Nasa-Kreisen zu höze kaufen.“ Wer auf der ISS präsent sein ren. „Wahrscheinlich werden wir am wolle, habe derzeit keine andere Wahl. Ende den einen oder anderen SojusSechs Flüge für 424 Millionen Dollar, Flug zu viel gebucht haben.“ inklusive Training der Besatzung, BerDie missglückten Tests haben aber gung nach der Landung und eventuelle noch einen weiteren unangenehmen EfRettungsaktionen – das ist der Deal, den fekt. Sie führen zu einem gewaltigen die Nasa im April dieses Jahres mit ih- Imageschaden der Branche. Unfälle wie rem russischen Pendant Roskosmos un- die Explosion der Falcon 9 Anfang des terzeichnete. Die Amerikaner schätzen, Monats geben all jenen recht, die die dass die Flüge mit Boeing oder Space X private Raumfahrt ohnehin für zu wagdeutlich günstiger sein werden. Pro Sitz halsig halten. „Sie stärken den Glauben, rechnen sie mit 60 Millionen Dollar, al- dass nur staatlich durchgeführte Misso zehn Millionen weniger als bei der sionen sicher sind“, sagt der amerikaniSojus. Die Kalkulation wirkt fast klein- sche Raumfahrtexperte Jeff Foust. „Das lich, wenn man bedenkt, was das alte Vertrauen in die kommerziellen AnbieSpace Shuttle kostete. Berechnet man ter könnte verloren gehen.“ alles mit ein, die Entwicklung des Tatsächlich gilt die alte Sojus als sehr Raumschiffs, die Wartung, das Gehalt sicher. Ein zuverlässiges Arbeitspferd, der Ingenieure, dann wurden je Passa- erprobt auf mehr als 150 Missionen. gier 215 Millionen Dollar fällig. Und im Moment sieht es so aus, als würDas wurde der Nasa zu teuer, außer- de es weitere Flüge geben, als müsste dem war die Lebensdauer der Gleiter die Nasa neue Verträge mit Roskomos erreicht. Das Programm gab es zu die- schließen. Die Beziehung der beiden Orsem Zeitpunkt schon 30 Jahre – etwa ganisationen ist damit eine besondere. doppelt so lange wie ursprünglich ge- Normalerweise fließt kein Geld, wenn plant. Komfortabel war auch das Space die Raumfahrtbehörden zweier Staaten Shuttle nicht, aber immerhin konnte es kooperieren. Die Esa in Europa oder die nicht nur drei Astronauten ins All beför- Jaxa in Japan etwa bezahlen ihren Andern, wie die Sojus-Kapseln, sondern teil an der ISS über Tauschgeschäfte. Sie acht, plus 23 Tonnen Fracht. Russland beliefern die Amerikaner mit Proviant hatte mit seiner Buran ein ganz ähnli- oder Treibstoff, dafür dürfen sie auf der ches Fluggerät entwickelt, aber es star- Station forschen. tete nur zu einem einzigen, unbemannJeff Williams, Alexej Owtschinin und ten Testflug. Dann verwarf Moskau die Oleg Skripotschka dürfte all das GeIdee eines wiederverwendbaren Raum- schacher wenig interessiert haben, als schiffs und stellte das Programm ein. sie am Mittwoch in die Steppe segelten. Jeff Williams flog noch mit dem Spa- Die Bodencrew half ihnen aus der Kapce Shuttle in den Orbit, mit der Atlantis. sel, brachte Decken, Tee, sogar eine echEr ist Amerikas erfahrenster Astronaut, te kasachische Melone. Auch die war im ein Weltall-Veteran. Auf vier Flügen hat Preis von 70 Millionen Dollar inklusive. Moderne Haushaltsgeräte machen es Sehbehinderten schwer Ob Waschmaschine, Elektroherd oder Kaffeevollautomat: Neue Apparate lassen sich zunehmend nur noch über Drehknöpfe und Touchdisplay steuern E inen Schönheitspreis gewinnt der Herd von Küppersbusch nicht mehr. Dutzende weiße Punkte übersähen das Display des schwarzen hochwertigen Haushaltsgeräts. Vom schicken Touchdisplay ist kaum noch etwas zu erkennen. Die Brailleschrift überdeckt es fast komplett. VON MAX ZIMMERMANN Was das Design des Geräts zerstört, ist für sehschwache und blinde Verbraucher allerdings essenziell. Nur so wissen sie, welche Funktionen sie auf dem Gerät gerade aktivieren. Die technische Evolution und Digitalisierung der sogenannten Weißen Ware (Waschmaschinen, Kühlschränke und Co.) hat sich für diese Zielgruppe eher ins Negative verkehrt. Denn Touchdisplays und Drehknöpfe sorgen bei Blinden für Verwirrung. Sie können nicht mehr richtig wahrnehmen, welche Funktion sie am Gerät eigentlich aktivieren. „Traditionelle mechanische Bedienelemente wie Dreh- und Druckknöpfe, Kipp- und Schiebeschalter waren mit allen Sinnen wahrnehmbar“, meint Oliver Nadig von der Deutschen Blindenstudienanstalt. Doch diese Schalter haben an modernen Hausgeräten ausgedient. Schalter lassen sich nun bis ins Unendliche drehen und kennen keinen Nullpunkt – also Begrenzungen – mehr. Nur so können deren Nutzer aber im Kopf mitzählen, ob sie jetzt im richtigen Programm angekommen sind. Eine Entwicklung, die der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) mit Sorge betrachtet und bei der er gegensteuern will. Auf der Internationalen Funkausstellung (Ifa) in Berlin mietete sich der Verband deshalb zuletzt gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (Bagso) einen eigenen Stand. Keinen mit unzähligen Quadratmetern Fläche, schicken Hostessen und unzähligen Maschinen wie die der Hersteller Bosch, Siemens oder Miele. Nur einen, auf den gerade einmal vier Haushaltsgeräte, ein TV und jede Menge Infomaterial passen. Die Größenordnung macht klar, wie schwierig es für die Verbände ist, auf ihr Problem aufmerksam zu machen. Vom Gesetzgeber erhalten sie bisher kaum Schützenhilfe. Zwar müssen staatliche Stellen bei ihren Einkäufen darauf achten, dass sie barrierefreie Produkte bestellen. Doch die Privatwirtschaft muss sich daran nicht halten. Zudem gibt es Normen, die die Barrierefreiheit definieren. Nur muss jeder Hersteller selbst entscheiden, ob er sie auch anwendet. So wird das Problem für Sehschwache und Blinde nicht kleiner. Denn immer mehr Touch-Funktionen und Displays halten Einzug bei der Weißen Ware. Selbst Kaffeevollautomaten verzichten immer seltener auf Farbdisplays zur Bedienung. Von diesen neuen Geräten wollen auch Blinde und Sehbehinderte profitieren. Sowieso ist ein Verzicht auf Weiße Ware für sie nicht praktikabel. „Barrierefreiheit muss zum grundlegenden Design- und Qualitätsmerkmal werden und darf nicht länger ein ‚Gefälligkeitsfeature‘ sein, das nachträglich einer Handvoll Produkten aufgepfropft wird, um eine nörgelnde ‚Kundenrandgruppe‘ zufriedenzustellen“, meint Nadig, der sich von der Industrie mehr Engagement wünscht – nicht nur von deutschen Premiumherstellern. Denn Küppersbusch, Miele oder Bosch-Siemens-Haushaltsgeräte (BSH) zeigten nun auf dem Stand des DBSV, wie es auch anders geht. Die Marken hatten auf einen Aufruf der Verbände reagiert und barrierefreie Geräte mitgebracht. So bietet Miele für seine Waschmaschinen mit einem Touchdisplay kei- ne Braillebeschriftung an, sondern setzt auf einen Aufkleber, der den Verbraucher mithilfe von erhobenen Linien durch das Menü führt. Unterschiedliche Piepgeräusche lassen zudem erkennen, welche Schleuderstufe oder welche Temperatur gerade eingestellt wurde. Moderne BSH-Geräte bieten dagegen eine barrierefreie Bedienung über Smartphones und Tablets an. Per Smart-Home-Anwendungen lassen sich die Geräte mithilfe von speziell optimierten Apps vernetzen und steuern. Aus Sicht des DBSV ist das ein guter Ansatz, doch es gebe auch noch viele Verbesserungsmöglichkeiten. So verfügt die App für Sehschwache laut DBSVMitarbeiterin Hilke Groenewold über zu viel Weißraum und einen zu geringen Kontrast bei der Schrift. Wer nicht gut genug sehen kann, könne sich deswegen schnell in den Weiten der App verlieren. Eine absolut zufriedenstellende Lösung stellt die App-Bedienung von Wei- ßer Ware aus Sicht des DBSV ohnehin nicht dar. So sollten die Geräte für Sehbehinderte und Blinde auch ohne eine App oder ein „Zweitgerät“ bedienbar sein. „Potenziell gefährliche Bedienschritte wie das Einschalten von Hitze und Strom müssen immer über das Gerät selbst möglich und zugänglich sein“, meint Oliver Nadig. Gegen Premiumfunktionen, die nur per App zu erreichen sind, hat der Verband dagegen nichts. Grundsätzlich sehe man bei den Herstellern eine höhere Aufmerksamkeit für diese Themen, finden Nadig und Groenewold. Doch nicht alle Hersteller seien bewusst aufmerksam. Manche brächten auch nur ganz zufällig Geräte auf den Markt, die barrierefrei sind, weil sie auf alte Bauteile setzen. Eine glückliche Fügung, die sich für die abhängige Zielgruppe von sehschwachen und blinden Verbrauchern allerdings jederzeit wieder ändern kann. + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd FINANZEN DIE WELT MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 Ruhestand So klappt der Lebensabend im Ausland Seite 16 SEITE 15 RECHTSRAT Ein Hund, zwei Herrchen Nicht gegen ihren Willen Ihr Geld T o Anbieter Volkswagen Bank1,2 Consorsbank1,2 Kontakt Zinssatz 0531/2 12 85 95 03 1,10 0911/3 69 90 00 1,00 LeasePlan Bank1,3 MoneYou1,3 0211/38 78 98 21 www.moneyou.de ondition, Neukunden, 0,75 0,70 o/ Person. Tagesgeld-Übersicht unter Fax o/Min.) F o) Anbieter Deniz-Bank1 Kontakt 0800/4 88 66 00 Klarna1 ABC Bank2 AKF Bank1,2 06721/9 10 18 37 0221/57 90 83 70 0202/2 57 27 21 21 Zinssatz 1,00 1,00 0,90 0,90 o/ Person, ondition. Festgeld-Übersicht unter Fax o/Min.) Jahr Anbieter Deniz-Bank1 o) Kontakt 0800/4 88 66 00 Zinssatz 1,15 Klarna1,2 06721/9 10 18 37 AKF Bank1,2 0202/2 57 27 21 21 Vakifbank International1 0221/28 06 46 70 1,15 1,10 1,10 o/ Person, ondition. Sparbrief-Übersicht unter Fax o/Min.) o) Überregionale Anbieter Europa Hypovereinsbank Kontakt 5 J.1 10J.1 Degussa Bank HUK-Coburg www.huk.de/baufi Finanzmakler Comdirect Kontakt 5 J.1 10J.1 Interhyp DTW-Immobilienfin. Dr. Klein ff Tilgung Baugeld-Übersicht unter Fax o/Min.) Die günstigsten Ratenkredite Anbieter Deutsche Skatbank Oyak Anker Bank Kontakt 361 601 Barclaycard Netbank www.netbank.de fz onditionen Ratenkredite-Übersicht unter Fax o/Min.) Quelle: biallo.de Qualitätstest für Druckereien GETTY IMAGES/ PLANET FLEM E igentümer müssen es nicht hinnehmen, wenn eine Wohneigentümergemeinschaft (WEG) ihr Sondereigentum eigenmächtig instand setzt. Die Kosten für die Sanierung müssen sie in einem solchen Fall nicht ohne weiteres übernehmen, wie ein Urteil des Landgerichts München I zeigt (Az.: 1 S 12786/15), über das die Zeitschrift „Das Grundeigentum“ (Heft 16/2016) jetzt berichtet hat. Dies gilt auch, wenn die Wohneigentümergemeinschaft vor Beginn der Arbeiten irrtümlich davon ausgegangen ist, dass das Sondereigentum Gemeinschaftseigentum ist. In dem vor dem Landgericht München I verhandelten Fall ging es um die Sanierung von Doppelparkanlagen in der Tiefgarage. Die Wohneigentümergemeinschaft war davon ausgegangen, dass es sich bei diesen Duplex-Stellplätzen um Gemeinschaftseigentum handelt und hatte mehrheitlich die Sanierung beschlossen. Finanziert wurden die Arbeiten aus der Instandhaltungsrücklage. Einige Eigentümer hatten der Sanierung widersprochen. Die Hausverwaltung ließ die Arbeiten dennoch durchführen. Als sich nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs herausstellte, dass Duplex-Stellplätze als Sondereigentum anzusehen sind, wollte die Gemeinschaft die Kosten von den Eigentümern erstattet haben. Damit hatten sie allerdings keinen juristischen Erfolg: Einen Anspruch der Wohneigentümergemeinschaft konnte das Landgericht nämlich nicht erkennen. Denn die Beschlusskompetenz der Wohneigentümergemeinschaft gehe nicht so weit, dass sie einzelnen Wohnungseigentümern einfach Kosten auferlegen kann, hieß es in der Urteilsbegründung. Zudem hätten sich die Betroffenen gegen die Arbeiten ausgesprochen, erklärte das Landgericht weiter. Daher könne ihnen nicht vorgeworfen werden, dass sie sich bereichern wollten. dpa Beim Dog-Sharing treffen Tierbesitzer mit wenig Zeit auf Menschen, die sich keinen eigenen Vierbeiner anschaffen wollen oder können. Die Konstruktion ist aber nicht immer unproblematisch S tefanie S. hatte sich immer einen Hund gewünscht, schon als Kind. Doch in der Mietwohnung ihrer Eltern waren Haustiere nicht erlaubt. Als sie auf eigenen Beinen stand, setzte die 24-jährige Würzburgerin ihren Wunsch in die Tat um: Über eine Tierschutzorganisation ließ sie sich einen Straßenhund aus Rumänien vermitteln. Allerdings merkte sie bald, dass die Hundehaltung auch viel Zeit kostet – die Ansprüche des Tiers ließen sich nicht immer mit ihrem ZahnmedizinStudium verbinden. VON HARALD CZYCHOLL Im Internet suchte sie nach jemandem, der einige Stunden am Tag die Betreuung ihrer Hündin Wanda übernehmen würde. „Ich habe über die große Resonanz gestaunt“, sagt die Hundebesitzerin. Schnell fand sie eine ältere Dame als Dog-Sharing-Partnerin – ausschlaggebend war, dass sie in der Nähe wohnt. „Es ist weiterhin mein Hund, aber sie wird ihn ein paar Stunden am Tag haben“, erklärt sie die Abmachung. Hunde zählen zu den beliebtesten Haustieren in Deutschland: Nach Angaben des Zentralverbands Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands leben 7,9 Millionen Hunde in insgesamt 16 Prozent aller Haushalte. Doch ein Hund braucht viel Aufmerksamkeit. Bei einigen Hundeliebhabern scheitert der Wunsch daher an der fehlenden Zeit. Eine Lösung verspricht das sogenannte Dog-Sharing, bei dem man sich die Versorgung des Tiers mit einer zweiten Betreuungsperson teilt. Ob es um Spaziergänge, Tagesbetreuung oder Verpflegung bei längerer Abwesenheit geht: „Dog-Sharing ist für Tierfreunde geeignet, die alleine nicht ausreichend Zeit für die Betreuung eines Hundes aufbringen können“, sagt Rolf Mertens, Experte für HundehalterHaftpflichtversicherungen bei der Ergo Versicherungsgruppe. Das kann etwa für Hundehalter gelten, die plötzlich neue Arbeitszeiten haben oder nach einem Jobwechsel den Vierbeiner nicht mehr mit ins Büro nehmen dürfen. Einen Hund tagsüber für längere Zeit allein zu lassen, ist nicht artgerecht. Mit Dog-Sharing bekommt er zwei Herrchen oder Frauchen, die sich die Versorgung teilen. So kann der Hundebesitzer tags zur Arbeit gehen, und das ErsatzHerrchen übernimmt während dieser Zeit die Pflege. Oder wer nicht mehr so gut zu Fuß ist, findet in einer zweiten Betreuungsperson einen idealen Spaziergehpartner für den Vierbeiner. Wer sich für Dog-Sharing interessiert, für den ist der Familien- und Freundeskreis meist die erste Anlaufstelle. Hilfreich sind auch Webseiten wie www.stadthunde.de oder www.dogsharing-deutschland.de. „Manche Tierarztpraxen und Hundeschulen vermitteln ebenfalls Dog-Sharing-Partner“, weiß Ergo-Experte Mertens. Daneben gibt es auch kommerzielle Angebote, bei denen Vermittlungsplattformen Hundebesitzer, die Unterstützung suchen, mit Leuten zusammenbringen, die sich zeitweise um einen Hund kümmern möchten. Es gibt sogar Firmen, die mehrere Hunde besitzen und diese gegen Gebühr stunden-, tage- oder sogar jahresweise vermieten. Von letzterem hält Heidi BernauerMünz von der Tierärztlichen Vereini- treuer, wie der Besitzer mit dem Hund umgeht und kann sich entsprechend anpassen. „Wichtig sind einheitliche Regeln für den Umgang mit dem Hund. Verhaltensregeln, Körpersprache und Kommandos sollten abgestimmt sein. Darf der Hund im Haushalt seines Besitzers zum Beispiel nicht am Tisch betteln, sollte dies das Ersatz-Herrchen ebenfalls so handhaben“, so Mertens. Auch wenn es beim Dog-Sharing zwei Herrchen gibt: Nur einer von beiden sollte der verantwortliche Halter sein. Das ist nicht zuletzt deshalb wichtig, um juristische Angelegenheiten klären zu können: Irgendjemand muss schließ- Spezielle Haftpflicht sinnvoll und teils Pflicht Für die Schäden, die ein Hund anrichtet, muss der Besitzer aufkommen. Eine Hundehalterhaftpflichtversicherung ist daher sinnvoll. Denn im Gegensatz zu anderen Haustieren wie Katzen, Kaninchen oder anderen Kleintieren sind Hunde nicht in der Privathaftpflichtversicherung eingeschlossen. In einigen Bundesländern ist eine Hundehalterhaftpflicht sogar vorgeschrieben. Die Police leistet bei Personenschäden, kommt also zum Beispiel für die Behandlungskosten nach einem Biss auf. Auch Sachoder Vermögensschäden wie etwa ein Verdienstausfall sind versichert. Beim Abschluss sollten Kunden darauf achten, dass auch ein privates Tierhüter-Risiko abgedeckt ist. Übernimmt ein Bekannter für eine gewisse Zeit die Aufsicht des Hundes, so ist dessen Haftungsrisiko über den Halter mitversichert. czy lich gegenüber der Gemeinde die Hundesteuer entrichten – auch wenn sich das Zweitherrchen daran beteiligt. Und wenn sich ein Hund beim Spazierengehen von der Leine losreißt und einen Schaden verursacht, sind Schadensersatz und unter Umständen Schmerzensgeld fällig. „Haftbar ist dabei stets der Halter – egal, ob dieser eine Mitschuld trägt oder nicht“, sagt Ergo-Experte Mertens. „Unter anderem für solche Fälle ist eine Hundehalter-Haftpflichtversicherung dringend zu empfehlen.“ Sie schützt Hundebesitzer vor den finanziellen Folgen eines Schadens. Das gilt in der Regel auch, wenn der Hund unter der Aufsicht des ErsatzHerrchens Personen- oder Sachschäden anrichtet. Wichtig: Der Versicherer sollte dem Dog-Sharing-Modell zustimmen, damit es später keine Komplikationen gibt. „In manchen Versicherungspolicen sind nicht-gewerbliche Tierhüter – also auch Dog-Sharer – bereits mitversichert“, erläutert Mertens. Für Stefanie S. und ihre Hündin hat sich Dog-Sharing bisher bewährt: „Wanda ist sehr unkompliziert und freut sich über jedes Wesen“, sagt die Besitzerin. Sie selbst kann sich nun ganz auf die Uni konzentrieren – und nimmt am frühen Abend ihre Hündin in Empfang. ANZEIGE Es gibt eine deutsche Bank, gung für Tierschutz (TVT) allerdings gar nichts. „Das ist ein neues Geschäftsmodell, nur dass man es jetzt nicht mit einem Auto oder einer Wohnung zu tun hat, sondern mit einem Lebewesen mit Gefühlen und einer Psyche“, sagt die Expertin. Kommerzielles Dog-Sharing sei daher grundsätzlich abzulehnen: Es müsse immer eine Person geben, die die Verantwortung übernimmt und für den Hund da ist. Denn ständig wechselnde Bezugspersonen und Umgebungen bedeuteten Stress für Hunde. Die Wahl des Zweitherrchens sollte daher gut überlegt sein. „Eine wichtige Bedingung ist, dass sich die beiden Hundefreunde gut verstehen. Schließlich kümmern sie sich bis zu 15 Jahre um den Vierbeiner – das muss ihnen klar sein“, so Mertens. Die gemeinsamen Hundeherrchen sollten vorab klären: Wo verbringt der Hund wann wie viel Zeit? Wie sind die Regelungen in den Ferien? Was passiert, wenn einem der Dog-Sharer etwas zustößt? Aber auch: In welcher neuen Umgebung wird sich der Hund aufhalten? Und wie sind Gesundheitszustand und Impfstatus des Hundes? Werden diese Fragen nicht im Vorfeld geklärt, ist Streit zwischen den beiden Teilzeit-Herrchen vorprogrammiert. Tierschützerin Bernauer-Minz geht ohnehin davon aus, dass es beim DogSharing früher oder später zu Konflikten kommt: „Man baut eine emotionale Bindung zu dem Hund auf, da sind Konflikte programmiert“, sagt die Expertin. Ob derartige Konflikte eskalieren, hängt aber auch vom Wesen des Hundes ab: „Es gibt Hunde, die sich mehreren Menschen problemlos anschließen, und Hunde, die einfach alle Menschen gut finden“, sagt Bernauer-Münz. Grundsätzlich sollte der Tagesablauf des Hundes trotz des Wechsels Struktur haben, sonst kommt der Vierbeiner nur schwer zur Ruhe. Bevor es losgehen kann, ist eine Eingewöhnungszeit sinnvoll. Es empfiehlt sich, öfter gemeinsam mit dem Hund spazieren zu gehen und ihn in der häuslichen Umgebung kennen zu lernen. So sieht der neue Mitbe- die an Ihrer Seite bleibt. Unsere Filialen bleiben offen. Jetzt wechseln und bis zu 1.000 Euro Prämie sichern.* Teilnehmende Filialen sowie weitere Informationen finden Sie unter www.commerzbank.de/bankwechsel * Prämiert werden Kapitalüberträge von einer Fremdbank zur Commerzbank AG. Das Angebot gilt nicht für Kapitalüberträge von Konten oder Depots bei der Commerzbank AG (einschließlich der Commerzbank AG Vermögensverwaltung) sowie von deren Tochtergesellschaften (Commerzbank International S. A., Luxemburg, Commerz Real AG, European Bank for Fund Services GmbH und comdirect bank AG). Mit der Wertpapieranlage und der Depotführung sind Kosten verbunden. Weitere Informationen dazu wie auch die vollständigen Aktionsbedingungen erhalten Sie bei Ihrem Berater. Das Angebot gilt bis zum 31. Dezember 2016 und nur in teilnehmenden Filialen. Die Commerzbank AG behält sich vor, die Aktion jederzeit zu beenden. + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd 16 FINANZEN DIE WELT PRODUKTCHECK Ein sorgloses Leben am Strand. Doch trotz aller Entspannung sollte man nicht vergessen, ausreichend zu trinken Schneller zur Entschädigung er Zug lässt mal der Bahncard hochladen. PRODUKT: wieder auf sich Wen es ganz hart erZUG-ERSTATTUNG.DE warten. Oder die wischt hat, der fotograANBIETER: Verbindung wurde ganz fiert auch noch notwenZUG-ERSTATTUNG.DE gestrichen. Die Technik dig gewordene Taxi- und streikt oder auch mal eiHotelrechnungen ab und ne Gewerkschaft, das Wetter spielt ver- lädt sie hoch. Danach muss der Nutzer rückt, oder es spielen Verrückte auf den persönliche Daten und die ursprüngliGleisen. Und manchmal sind es einfach chen Fahrzeiten angeben – fertig. Um die berühmten „Verzögerungen im Be- den Rest kümmert sich der Anbieter – triebsablauf“. Irgendwas ist immer. und wenig später überweist die Bahn Für Bahnkunden sind verspätete Zü- die Entschädigung. Ein Antrag pro Jahr ge ein Ärgernis. Exakt 174,63 Millionen ist kostenlos, danach verlangt Zug-ErVerspätungsminuten haben die Perso- stattung.de für die Übermittlung 0,99 nen- und Güterzüge hierzulande im Euro pro gestelltem Antrag. vergangenen Jahr eingefahren. Das entDas klingt fair, vor allem wenn man spricht unglaublichen 7974 Stunden – diese Kosten ins Verhältnis zum Aufpro Tag. Außer zu warten, können die wand setzt, der sonst entstehen würde: betroffenen Fahrgäste wenig tun. Aber Wer den Antrag selbst im Reisezenimmerhin haben sie ein Anrecht auf trum stellt, muss warten – und wer ihn Entschädigung: Ab einer Verspätung ausdruckt und per Post verschickt, hat von 60 Minuten muss die Bahn 25 Pro- Kosten von 0,70 Euro für das Porto zuzent des Fahrpreises erstatten, ab 120 züglich Papier, Briefumschlag und DruMinuten 50 Prozent. ckertinte. Die 0,99 Euro sollten es eiDoch all jenen, die an ihr Geld kom- nem also wert sein. men wollen, hat die Bahn einige büroEtwas teurer ist der Service bei der kratische Hürden in den Weg gestellt: Konkurrenz von Bahn-Buddy.de: 1,99 Zunächst muss man noch während der Euro verlangt das Portal für die ÜberFahrt den Schaffner suchen, um sich mittlung des online ausgefüllten Erdie Verspätung schriftlich und mit stattungsformulars an die Bahn. Der Stempel bestätigen zu lassen. Alterna- Vorteil hier: Sollte die Bahn feststellen, tiv kann man sich auch nach der An- dass gar kein Anspruch auf eine Entkunft im Reisezentrum anstellen und schädigung besteht und eine entspredort die Bestätigung der Verspätung er- chende Zahlung verweigern, erstattet halten, wenn die Informationen dort Bahn-Buddy.de die Gebühr vollständig schon vorliegen. Im Anschluss muss zurück – Zug-Erstattung.de dagegen das offizielle Formular ausgefüllt und nicht. Ob dieser recht unwahrscheinlivor Ort eingereicht oder alternativ per che Fall einem aber wirklich einen Euro Post an das Servicecenter der Bahn ge- mehr wert sein sollte, muss jeder Bahnschickt werden. Nach einem Bearbei- kunde für sich selbst entscheiden. tungszeitraum von etwa 30 Tagen über- Fazit: Zug-Erstattung.de verhilft Bahnweist die Bahn dann die Entschädi- kunden unkompliziert zu ihrer Verspägung. tungsentschädigung: Statt Papierkrieg Es geht aber auch anders – möglich kann der Erstattungsantrag einfach onmacht es ein findiges Portal namens line gestellt werden. Die 0,99 Euro, die Zug-Erstattung.de: Hier können Bahn- das Portal dafür verlangt, sind fair. Die kunden einfach ein Foto des Tickets, Konkurrenz ist teurer – und den Antrag die Buchungsbestätigung als PDF-Datei selbst zu stellen, kostet Zeit oder Briefoder bei Bahncard100-Kunden ein Foto porto. HARALD CZYCHOLL KOMPAKT SOMMERZEIT Türkei stellt im Oktober die Uhren nicht um Wer Ende Oktober in die Türkei fliegen will, sollte unbedingt die aufgeführte Abflugzeit auf seinem Ticket überprüfen. Eventuell ist die Angabe nicht mehr aktuell: Denn das Land behält künftig dauerhaft die Sommerzeit bei, während in Europa alle auf Winterzeit wechseln – also alle Uhren in der Nacht zum 30. Oktober um eine Stunde zurückstellen. Das führt dazu, dass von Ende Oktober bis Ende März die Türkei Deutschland nun zwei Stunden voraus ist. Die Entscheidung der türkischen Regierung könnte Auswirkungen auf den Flugverkehr haben, informiert der ADAC. Passagiere sollten beim Veranstalter oder der Airline nachfragen, welche Abflugzeit gilt. KREDITKARTENGEBÜHR Ende der Extrazahlungen naht Verbraucherschützer setzen im Kampf gegen hohe Kreditkartengebühren auf eine neue Richtlinie der EU. Die Richtlinie verbiete Fluggesellschaften oder Händlern die Berechnung von Aufschlägen, wenn Kunden mit gängigen Kreditkarten wie Visa oder Mastercard zahlen, sagte Frank-Christian Pauli, Finanzexperte des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV). Derzeit dürfen Anbieter noch Extragebühren verlangen, solange sie auch ein kostenloses, gängiges Zahlungsmittel wie Überweisungen anbieten. „Verbraucher sollten nichts dafür zahlen müssen, dass sie bezahlen können“, forderte Pauli. Die EU-Richtlinie muss den Angaben zufolge bis spätestens 2018 umgesetzt werden. POSTBANK Institut abgemahnt wegen Kontogebühren Die Postbank kann ihre geplanten Kontoführungsgebühren möglicherweise nicht bei allen Kunden durchsetzen. Die Verbraucherzentrale Hamburg mahnte die Deutsche-Bank-Tochter ab, weil diese Tausenden Kunden ein dauerhaft kostenloses Girokonto zugesagt hatte, wie die Verbraucherschützer mitteilten. In zahlreichen Verträgen, die die Postbank bei Kundengewinnungsaktionen geschlossen habe, sei davon die Rede, dass diese „dauerhaft und bedingungslos kein Entgelt“ zahlen müssten, erklärte Verbraucherschützerin Julia Rehberg. Trotzdem sollen sie von November an eine monatliche Kontoführungsgebühr von 3,90 Euro zahlen, wenn auf dem Girokonto weniger als 3000 Euro im Monat eingehen. Die Verbraucherzentrale gab der Postbank bis 20. September Zeit, auf die Abmahnung zu reagieren und auf die Gebühren zu verzichten. Sonst drohe ihr eine Klage. MIETRECHT Untervermietung ist zustimmungspflichtig Mieter sollten sich immer eine schriftliche Erlaubnis beim Vermieter holen, wenn sie ein Zimmer beispielsweise an Touristen untervermieten wollen. Denn wer ohne eine Genehmigung des Vermieters untervermietet, dem droht eine Abmahnung und schlimmstenfalls eine fristlose Kündigung, informiert der Mieterverein München. Außerdem müssen Mieter wissen: Die Einnahmen aus der Untervermietung müssen sie beim Finanzamt im Rahmen der Einkommensteuererklärung angeben und gegebenenfalls versteuern. EXISTENZGRÜNDUNG Nachfolgeregelung frühzeitig bedenken Je älter ein Gründer ist, desto wichtiger ist Frage nach einer Nachfolgeregelung. Schon im Businessplan kann aufgenommen werden, wer sicherstellt, dass die Firma funktionsfähig bleibt, wenn der Gründer ausfällt. Das geht aus einer neuen Broschüre des gemeinnützigen RKW Kompetenzzentrums hervor, in der es um Gründer im Alter von 45 Jahren und älter geht. Das kann etwa ein Mitarbeiter sein, der Gesellschaftsanteile hat. Eine Nachfolgeregelung wird insbesondere bei der Aufnahme von Krediten wichtig. Ist klar, wer bei einem Ausfall des Gründers die Rückzahlung übernimmt, wirke sich das häufig positiv auf die Kreditentscheidung aus. GETTY IMAGES/MECKY D MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 M illionen Deutsche träumen vom Rentnerdasein in wärmeren Gefilden, wo man sich vielleicht auch mehr leisten kann im Alter. Gut 229.160 Deutsche träumen nicht nur vom Weggehen. Sie haben es getan – und ließen sich im vergangenen Jahr die Rente ins Ausland überweisen. VON BERRIT GRÄBER Das sind laut aktueller Statistik der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) 4.574 mehr als noch im Jahr davor. Die Ruheständler zieht es nicht nur zum Überwintern unter der Sonne Spaniens, Floridas oder Thailands. Viele ziehen gleich auf Dauer weg, speziell in die Schweiz, nach Österreich oder Polen. Die gesetzliche Rentenversicherung zahlt derzeit rund 1,75 Millionen Renten ins Ausland. Auch an über 1,5 Millionen frühere Gastarbeiter, die nach dem Arbeitsleben wieder in ihre alte Heimat zurückgingen. Der Traum vom angenehmen Lebensabend im Ausland muss allerdings gut vorbereitet sein. Sonst kann es finanziell enger werden als so manche Senioren glauben. Statt Ersparnis drücken dann Zusatzausgaben – und der lange Arm des Fiskus reicht bis in viele Ecken der Welt. LÄSST SICH DIE RENTE PROBLEMLOS MITNEHMEN? Grundsätzlich bekommt jeder deutsche Ruheständler, der seiner Heimat den Rücken kehren will, seine Rente auch ins Ausland gezahlt, wie Stefan Braatz, Sprecher der DRV Bund erklärt. Ob das Geld in voller Höhe oder mit Abschlägen fließt, hängt davon ab, ob die Senioren nur vorübergehend oder dauerhaft wegziehen. Und wohin. Außerdem ist entscheidend, welche Zeiten der Rente zugrunde liegen. Überwintern Rentner nur einige Monate lang innerhalb der EU-Grenzen, müssen sie keine Einbußen befürchten. Für Adria-, Bretagne- oder MallorcaRentner beispielsweise „läuft alles problemlos“, sagt Braatz. Gleiches gilt für längere Aufenthalte an vielen beliebten Alterssitz-Zielen wie etwa der USA oder Thailand. Werden die Zelte in Deutschland komplett abgebrochen und der Lebensmittelpunkt auf Dauer außerhalb der EU verlagert, kann es auch anders aussehen. Abschläge sind etwa dann möglich, wenn die Rente auch Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) enthält, was häufig Vertriebene oder deutsche Spätaussiedler aus Osteuropa betrifft. Oder wenn eine Erwerbsminderungsrente nicht nur aus medizinischen Gründen gezahlt wird. Ein rechtzeitiges Beratungsgespräch beim Rententräger kann klären, ob die Auswanderungspläne Auswirkungen auf die Rente haben. So klappt der RUHESTAND unter Palmen Immer mehr Rentner zieht es ins Ausland. Dabei gilt es jedoch einiges zu beachten Deutsche Rentner – echte Globetrotter Anzahl der Renten an Deutsche im Ausland 229.160 Tsd. 200 125.015 150 100 50 0 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014`15 Quelle: DRV Bund; Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) WOHIN WIRD DAS GELD ÜBERWIESEN? Vor dem (Teil-)Umzug sollte der Ruheständler am besten seinen Rentenversicherungsträger informieren und seine neue Adresse angeben. Grundsätzlich besteht die Wahl, sich die Rente auf ein deutsches Konto überweisen zu lassen oder zu einer Bank im Ausland. „Wer sich sein Geld zum Beispiel nach Thailand transferieren lässt, muss Kursschwankungen und Bankgebühren selbst bezahlen“, gibt Braatz zu bedenken. Viele Auslandsrentner müssen zudem einmal jährlich eine Lebensbescheinigung einreichen. Kommt kein Lebenszeichen aus der Ferne, wird die Rentenzahlung gestoppt. Bei Ländern wie Spanien, mit denen es einen elektronischen Sterbedatenabgleich gibt, wird auf die Meldeprozedur verzichtet. WAS IST MIT PRIVATRENTEN? Für Rentner mit Bezügen aus privaten Renten- oder Lebensversicherungen gilt: Der Versicherer zahlt immer, unabhängig vom Wohnsitz. Ruheständler mit Riester-Vertrag sollten aufpassen. Nur diejenigen, die sich innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) niederlassen, müssen ihre staatliche Förderung nicht zurückzahlen, wie der Europäische Gerichtshof entschied (Az.: C-269/07). Zum EWR gehören neben den EU-Staaten noch Liechtenstein, Island und Norwegen. Auswandern nach Übersee oder Thailand dagegen kann spürbare Einbußen bedeuten. Der Fiskus verlangt die Zulagen und Steuervorteile dann zurück. Das summiert sich auch bei kleineren Riester-Vermögen schnell auf mehrere tausend Euro. WAS IST MIT DEM FISKUS? Auch die Steuerpflicht gilt es zu beachten. Das gilt nicht nur für wohlhabenden Senioren mit Wohnsitz in der Karibik oder der Schweiz. Sondern auch für ehemalige Gastarbeiter, die nach Kroatien oder Italien zurückgehen, wie Markus Deutsch, Vizepräsident des Deutschen Steuerberaterverbands Berlin-Brandenburg erklärt. Denn: Seit 2005 werden die Renten Schritt um Schritt stärker besteuert. Zuerst waren es 50 Prozent der Einkünfte. Wer dieses Jahr in Rente geht, muss schon 72 Prozent versteuern – auch im Ausland. Davon betroffen sind Senioren, die in einem Land leben, das Deutschland den steuerlichen Zugriff erlaubt. Wie beispielsweise Österreich, Belgien, Dänemark, Polen, Kroatien, die Niederlande oder Kanada. Ausnahmen bilden etwa Spanien, USA und die Schweiz. Mit diesen Ländern bestehen Doppelbesteuerungsabkommen, wonach die deutsche Rente vor Ort steuerpflichtig ist — und nicht in der ehemaligen Heimat. WAS TUN? Will der Fiskus Geld, kann es für Auslandsrentner richtig teuer werden. Betroffene müssen ihre Altersbezüge vom ersten Euro an versteuern. Der innerhalb Deutschlands übliche Grundfreibetrag entfällt für sie sowie auch das Ehegattensplitting für Verheiratete oder Verpartnerte. Ein Ausweg: Rentner mit Auslandswohnsitz, die mindestens 90 Prozent ihres Einkommens aus Deutschland beziehen, können den Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht stellen. Dann gelten Steuerfreibeträge und Ehegatten-Splitting weiter. Zuständig ist das Finanzamt Neubrandenburg (www.finanzamt-neubrandenburg.de). WAS IST MIT KRANKEN- UND PFLEGESCHUTZ? Auch hier gibt es Fallstricke für alle, die nicht nur überwintern wollen. Ziehen Rentner innerhalb Europas um, können sie zwar in ihrer Krankenkasse bleiben. Doch die neue Heimat bestimmt nun über die Versorgung. Und die kann deutlich schlechter sein als in Deutschland. Auf jeden Fall ist sie teurer. So gibt es in etwa Frankreich hohe Selbstbehalte, in Spanien muss Zahnersatz immer privat gezahlt werden. Mit der Schweiz und der Türkei bestehen besondere Abkommen, ebenso mit Kroatien, Mazedonien, Montenegro, Serbien, Bosnien-Herzegowina und Tunesien. Wichtig: Auch in der Pflegeversicherung werden häufig nur die Grundkosten übernommen. Ambulante Hilfe oder Essen auf Rädern muss selbst bezahlt werden. In Ländern wie der Türkei, Kroatien oder Tunesien gibt es gar keine Pflegeleistungen. Für Rentner, die bis ins hohe Alter im Ausland bleiben möchten, ist eine zusätzliche private Pflegeversicherung ratsam. Außerhalb Europas und der genannten Länder endet die Kassenabsicherung komplett. Wer in die USA, nach Kanada oder Thailand ziehen will, braucht dort eine meist teure private Krankenversicherung. WER HILFT BEI DEN VORBEREITUNGEN? Informationen zur Kranken- und Pflegeabsicherung im Ausland erteilt jede Krankenkasse. Auch privat Krankenversicherte sollten nach möglichen Leistungseinschränkungen fragen. Die deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung-Ausland hat ein kostenloses „Merkblatt für Rentner“ erarbeitet, das unter www.dvka.de abrufbar ist. Ruheständler können sich beim katholischen Raphaels-Werk (www.raphaelswerk.de) oder der Evangelischen Auslandsberatung (www.ev-auslandsberatung.de) helfen lassen – auch wenn es um eine Rückkehr wegen enttäuschter Erwartungen oder finanzieller Probleme geht. + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd DU HAST DIE WAHL. STARKE MARKEN UND STARKE EIGENMARKEN. 1.59 -.65 Rama Vita D’or 500-g-Becher 500-g-Becher 1 kg = 3.18 1 kg = 1.30 100% ZUFRIEDEN * OD ER GELD ZURÜ CK * Gilt für alle abgebildeten Produkte. Egal aus welchem Grund, kann die Ware zeitlich unbegrenzt und ohne Vorlage des Kassenbons zurückgegeben werden. Für Druckfehler keine Haftung. Lidl Dienstleistung GmbH & Co. KG, Rötelstr. 30, 74166 Neckarsulm © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd SPORT MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 FUSSBALL Mainz verspielt Drei-Tore-Führung Der FSV Mainz 05 hat die Generalprobe für die große Europa-Bühne vermasselt. Der Bundesligist kam trotz einer 4:1-Führung zur Pause nur zu einem 4:4 (4:1) gegen 1899 Hoffenheim und bleibt wie der Gegner weiter sieglos. Für das Debüt in der Gruppenphase der Europa League am Donnerstag gegen St. Etienne aus Frankreich müssen sich die Rheinhessen steigern. Pablo de Blasis (3., 23), Jhon Cordoba (27.) und Neuzugang Levin Öztunali (43.) trafen zur historischen Halbzeitführung für die Gastgeber, die erstmals vier Tore in den ersten 45 Minuten erzielten. Getrübt wurde die Stimmung durch die Rote Karte gegen Gaetan Bussmann (57.), der nach einer Notbremse vom Platz musste. Hoffenheim kämpfte sich nach einer schwachen ersten Hälfe zurück. Sandro Wagner hatte bereits vor der Pause getroffen (39.), der eingewechselte Mark Uth per Doppelpack (71., 72.) und der Ex-Mainzer Adam Szalai (84.) krönten die Aufholjagd. Champions League: Herrmann fällt aus Borussia Mönchengladbach muss vorläufig auf Nationalspieler Patrick Herrmann verzichten. Der Mittelfeldmann zog sich in der Bundesligapartie bei Aufsteiger SC Freiburg (1:3) einen Muskelfaserriss im linken Adduktorenbereich zu. Damit fällt der 25-Jährige am Dienstag im Champions-LeagueMatch bei Pep Guardiolas neuem Klub Manchester City aus. Dresden gewinnt Verfolger-Duell Dynamo Dresden hat in der Zweiten Liga bei Hannover 96 gewonnen und ist somit der erste Verfolger des Spitzenreiters Eintracht Braunschweig. Der Aufsteiger setzte sich am vierten Spieltag in Hannover mit 2:0 (1:0) durch und liegt mit vier Punkten Rückstand auf dem zweiten Platz. Für Dresden, das erst am Freitag den Vertrag mit Trainer Uwe Neuhaus um zwei Jahre bis 2019 verlängert hatte, erzielten U21-Nationalspieler Marvin Stefaniak (18.) per direkt verwandeltem Freistoß und Florian Ballas (57.) die Tore. Bei Hannover sah Salif Sane wegen einer Tätlichkeit die Rote Karte (79.). Die SpVgg Greuther Fürth verpasste den Sprung auf Rang zwei. Der Ex-Bundesligist lag bei Fortuna Düsseldorf lange Zeit durch einen Distanzschuss von Khaled Narey (23.) in Front. Oliver Fink (78.) erzielte jedoch den späten Ausgleich zum 1:1 (0:1). Braunschweig hatte seine Aufstiegsambitionen durch ein 2:0 (1:0) beim heimstarken Team von Erzgebirge Aue unterstrichen. Dank eines Doppelpacks von Torjäger Domi Kumbela behielten die Norddeutschen ihre weiße Weste und kamen zum vierten Sieg im vierten Spiel. Guardiola besiegt Erzfeind Mourinho Pep Guardiola hat sein erstes Manchester-Derby gegen den alten Rivalen Jose Mourinho gewonnen. Der ehemalige Bayern-Trainer feierte mit City in der Premier League ein 2:1 (2:1) gegen United dank Toren von Kevin De Bruyne (15.) und Kelechi Iheanacho (36.). Obwohl Claudio Bravo im City-Tor mehrfach unsicher agierte, gelang United nur noch der Anschlusstreffer durch Zlatan Ibrahimovic (44.). Superstar Paul Pogba blieb beim englischen Rekordmeister blass. Eine erfolgreiche Heimpremiere feierten Jürgen Klopp und der FC Liverpool im ausgebauten Stadion an der Anfield Road. Die Reds kamen zu einem 4:1 (2:1) gegen Meister Leicester City und verbesserten sich mit sieben Punkten auf den fünften Platz. Leicester hat dagegen den Start verpatzt, liegt acht Zähler hinter City. sich bis zur Grundlinie durchspielen. Und wenn doch, dann wurde der Ball meist wieder zurückgespielt: Flanken, ein probates Mittel, um gefährliche Situationen im Strafraum einzuleiten, waren kaum zu sehen. Der BVB versuchte sich den Gegner zurechtzulegen und das Spiel zu kontrollieren. Es blieb bei dem Versuch – weil die Dortmunder die Leipziger eben doch nicht wirklich in den Griff bekamen und zudem in der Offensive fast jegliches Risiko scheuten. „Wir haben viel zu wenig aus unserem Ballbesitz gemacht“, räumte Kapitän Marcel Schmelzer ein. Erstmals nach An dem Linksverteidiger 1229 Tagen war ein Teil des Probestreitet Mario blems festzumachen: Götze (l.) Viel zu selten gelang es wieder ein ihm, mit gefährlichen Pflichtspiel Vorstößen seine Seite zu für den BVB – öffnen. „Das Problem und verliert war, dass wie die Räume, mit seinem die Leipzig uns angeboTeam 0:1 gegen ten hat und von denen RB Leipzig wir wussten, nicht permanent angespielt haben“, kritisierte er. Dies sei neben einigen anderen Defizite auch darauf zurückzuführen, dass die Mannschaft noch nicht eingespielt sei. „Wir haben nicht umsonst gesagt, dass wir eine gewisse Zeit brauchen werden“, forderte Schmelzer Geduld ein. In den kommenden Wochen werden sich die noch fehlenden Automatismen jedoch einstellen müssen. Dann kann die Mannschaft beweisen, dass sie sich schnell auf den anspruchsvollen und dominanten Tuchel-Stil einstellen kann – muss es allerdings auch. Am Mittwoch startet Dortmund in Warschau in die Champions League, dann geht es in der Bundesliga gegen die unangenehm defensiven Darmstädter und nach Wolfsburg, dann kommen Freiburg, Real Madrid und schließlich Leverkusen. Beim Comeback von Weltmeister Mario Götze verliert Borussia Dortmund gegen Aufsteiger In diesen sechs Spielen innerhalb von RB Leipzig. Das Spiel dokumentiert, wie schwierig es der runderneuerte BVB haben wird 18 Tagen muss die Grundlage gelegt werden, um aus dem Umbruchspieljahr 2016/17 ein erfolgreiches zu machen. uf diesen Tag hatte Mario nicht nur wegen des Ergebnisses eine durch die Hereingabe von Oliver Burke individuelle Fehler gemacht, uns zu vie- „Wir sind immer noch dabei, uns kenGötze hingefiebert, doch äußerst ernüchternde Angelegenheit und den Abschluss von Naby Keita dann le Ballverluste erlaubt. Das war einfach nenzulernen. Wir treffen noch zu viele am Ende fühlte es sich dann für den letztjährigen Meisterschafts- besiegelt wurde. Gleich drei Abwehrfeh- nicht gut für unser Gefühl, für die Statik falsche Entscheidungen auf dem Platz“, sagte Tuchel, der aber davon überzeugt trotzdem nicht ganz so gut zweiten war. „Wir wollten drei Punkte ler innerhalb von zehn Sekunden bra- in unserem Spiel.“ Tatsächlich war das Zustandekom- ist, dass der Kurs stimmt. „Die Fehler an. „Ich war einfach froh, holen, das haben wir nicht geschafft“, chen dem BVB das Genick. Die Leipziger dass ich wieder auf dem Platz stehen erklärte Götze und führte zum Beleg Falle, den technisch besseren Gegner men der Niederlage ein Beleg dafür, dass vom Samstag waren nicht so groß, dass der in der Sommerpause personell rund- man alles infrage stellen muss. Unsere und spielen konnte“, sagte der National- für seine hörbar gedrückte Stimmung auszukontern, schnappte doch noch zu. „Wir hatten zu viele unerneuerte BVB noch ein Wettbewerbsfähigkeit für die kommenspieler nach seiner ersten Pflichtpartie dann auch gleich die statistischen FakStück weit von der Stabili- den Wochen steht nicht infrage.“ für den BVB seit seiner Rückkehr nach ten an: „Wir haben zehn Torschüsse erzwungene Fehler in unseder Leipziger zugelassen und selbst rem Spiel“, sagte Thomas tät der Mannschaft der verErst recht nicht die von Mario Götze. Dortmund. acht Torschüsse gehabt, nur einer ging Tuchel nach dem Schlussgangenen Saison entfernt Der prominente Rückkehrer kämpft VON OLIVER MÜLLER auf das Tor. Das ist zu wenig.“ pfiff. Denn so ganz wollte ist. Mit Innenverteidiger zwar immer noch darum, wieder richtig Online Die Dortmunder waren an diesem der BVB-Trainer die These, Marc Bartra, mit dem im in Form zu kommen. Trotzdem war er in Exakt 1229 Tage nach seinem letzten Samstagabend in der Tat in eine Falle dass es das Leipziger Umzentral defensiven Mittel- Leipzig einer der wenigen stabilisierenRB Leipzig feiert Einsatz für den Verein, bei dem er fuß- getappt: Sie hatten die Partie, die im schaltspiel gewesen sei, das feld agierenden Sebastian den Faktoren des Teams: Er war stets seinen ersten ballerisch groß geworden war und den Vorfeld fast zu einer ideologischen Aus- die Partie entschieden haRode, mit Götze, der auf anspielbereit und versuchte immer wieBundesligasieg: er dann vor drei Jahren in Richtung Bay- einandersetzung zwischen dem neurei- be, dann doch nicht stehen der Spielmacherposition der, seinen Kollegen Möglichkeiten für „Das ist großartig ern München verlassen hatte, trug Göt- chen Aufsteiger aus dem Osten und dem lassen. Sein Team hätte sich agierte, und Andre Schürr- fantasievollere Angriffe aufzuzeigen. – für die Stadt, ze wieder das gelb-schwarze Trikot. Das Traditionsverein aus dem Westen hoch- vielmehr selbst geschlagen. le, der gemeinsam mit Doch der Götze, den sie in Dortmund für den Verein, für habe sich uneingeschränkt gut ange- stilisiert worden war, dominiert und be- Keinesfalls seien die BorusPierre-Emerick Aubame- aus früheren Zeiten kannten, kann er die Spieler“, sagt fühlt, sagte er. Nur das Resultat seines stimmt – aber sie waren, sobald sie in sen von jener Mischung aus yang in der Spitze spielte, freilich noch nicht sein. „Ich spüre bei Sportdirektor Ralf Comebacks eben nicht. die Nähe des Leipziger Tores kamen, Aggressivität, Laufbereithatte Tuchel vier neue Spie- ihm eine Sehnsucht nach Ruhe, nach Rangnick: „Es gibt heute nichts zu lachen“, fast vollkommen harmlos. Wer so spielt, schaft und Schnelligkeit, ler in der Startelf, später Normalität und nach Vertrauen“, sagte sagte Götze, als er in den Katakomben kann nicht nur nicht gewinnen, sondern für die Leipzig bekannt ist, wurden noch Raphael Guer- Tuchel über den Weltmeister. welt.de/sport des Leipziger Zentralstadions ein Fazit baut einen Gegner zugleich auch auf. überrascht worden. Erst reiro und Ousmane DembeEs ist eine Aussage, die nicht nur zur des für ihn sehr speziellen Spiels zieJe länger das Spiel dauerte, desto mu- recht hätten sie den Gegle eingewechselt. Situation von Götze passt, dessen hen sollte. „In der letzten Minute das tiger wurden die Leipziger. Deshalb war ner, der von der Qualität Noch nicht jedem der Selbstvertrauen in den frustrierenden Gegentor zu bekommen, ist bitter“, re- es auch nicht unbedingt überraschend, her zweifellos einer der stärksten Auf- hoch talentierten Akteure war am Sams- Münchener Jahren doch erheblich gelitsümierte er nach der 0:1-(0:0)-Nieder- was in der 89. Minute passierte. Eine steiger der Bundesligageschichte ist, tag zu jeder Zeit klar, was er zu tun hat- ten hat: Sie könnte auch auf die komlage bei RB Leipzig. Es bringe wenig, verunglückte Kopfballabwehr von Marc nicht unterschätzt. Im Gegenteil. „Wir te. Und weil Dortmund permanent den plette und in wesentlichen Teilen neue nun über seine durchaus gelungene Bartra war das Menetekel; ein Pass von haben das hier komplett angenommen, Ball hatte, fiel das auch besonders auf: Dortmunder Mannschaft angewandt Vorstellung zu sprechen – außer im Leipzigs Emil Forsberg war die Ouvertü- waren in keinster Weise überrascht“, er- Selten konnten sich die Borussen gegen werden – auch sie ist noch auf der Suche Gesamtkontext dieses Spieles, das re zur Dortmunder Niederlage, die klärte Tuchel: „Aber wir haben zu viele die Leipziger Defensive durchsetzen, nach Stabilität. Leichtigkeit gesucht A Schalke schöpft Hoffnung aus einer Niederlage C Ruhrpottklub ist zwar noch punkt- und torlos, aber der starke Auftritt gegen den FC Bayern dient als Mutmacher hristian Heidel war „beeindruckt“, und auch Neuzugang Naldo saugte die „fantastische Stimmung“ dankbar auf. „Wenn wir kämpfen, wenn wir leidenschaftlich spielen, wenn wir alles geben, dann springt der Funke auch auf die Tribüne über“, sagte der Innenverteidiger des FC Schalke 04. Trotz des 0:2 (0:0) gegen den FC Bayern München und des Null-Punkte-Saisonstarts applaudierten die Fans noch lange nach dem Abpfiff und zollten den Profis Respekt für den Kampf, den sie dem am Ende effektiveren Gegner geliefert hatten. „Wenn jemand gekommen wäre, der das Spiel nicht gesehen hat, hätte er geglaubt, wir hätten das Spiel gewonnen. Das habe ich in dieser Art selten erlebt“, lobte Sportvorstand Heidel den Zuspruch der Fans, der dem Team guttue. „Und wenn es 0:0 ausgegangen wäre, hätten die Spieler in der Kabine gestanden und gesagt: War das geil!“ Ausgerechnet der Rekordmeister, Qualität. Jetzt muss die Mentalität da- die beiden kampf- und laufstarken der das Topspiel am Freitagabend zukommen. Das war heute so.“ Sechser Nabil Bentaleb und Benjamin durch die späten Tore von Robert LeDazu trugen mutige Entscheidun- Stambouli oder Flügelspieler Jewgeni wandowski (81.) und Joshua Kimmich gen von Markus Weinzierl bei seiner Konopljanka – alle Neuzugänge über(90.+2) gewann, dient den Knappen als Bundesligaheimpremiere bei. Das zeugten und werden den KonkurrenzStimmungsaufheller. Kampfmodus Team gleich auf sechs Positionen um- kampf weiter anheizen. statt Kapitulation: Benedikt Höwedes zukrempeln, erwies sich als richtig. Ob Stark präsentierte sich auch Leon kennt die Schalker Seele, weiß, dass Linksverteidiger Abdul Rahman Baba, Goretzka, der nach seiner bei den die Anhänger Einsatz, Willen, Olympischen Spielen in BrasiLeidenschaft und Kampf erlien erlittenen Schulterverletwarten. „Wir haben das Schalke zung für den ebenfalls mit gesehen, das wir sehen wollen. Olympiasilber dekorierten Max Das haben die Fans wahrgeMeyer auf die „Zehn“ rückte. nommen und honoriert“, sagte Matija Nastasic verlieh der Abder Kapitän nach dem frappiewehr in seinem ersten Spiel renden Wandel des Teams, das nach mehr als einem Jahr Versich beim 0:1 in Frankfurt zwei letzungspause (AchillessehWochen zuvor noch leb- und nenriss) mehr Stabilität. kraftlos präsentiert hatte. Später sorgte auch noch Danach hatte Heidel die EinSturmhoffnung Breel Embolo stellung einiger Profis infrage für Belebung. gestellt und Selbstüberschät„Es waren viele Neue dabei, zung angeprangert. Nun fiel die einen klasse Job gemacht sein Urteil anders aus: „Die Klaas-Jan Huntelaar (Nr. 25) scheitert an Bayerns Keeper haben und sehr schnell ins Mannschaft hat fußballerische Manuel Neuer, später trifft er nur die Latte Spiel gefunden haben“, lobte AP/MARTIN MEISSNER KOMPAKT SEITE 18 * BONGARTS/GETTY IMAGES/ALEXANDER HASSENSTEIN DIE WELT Höwedes. „Wir haben Bayern in Bedrängnis gebracht. Genau das brauchen wir auch in den kommenden Spielen. Es steht ja nicht jeden Tag Bayern München auf dem Programm. Deswegen bin ich guter Dinge.“ Zwar hatte die Elf wegen der Länderspielpause kaum Gelegenheit, sich aufeinander einzustimmen. Doch es funktionierte, bis die Kraft nachließ. „Wir waren 80 Minuten nicht schlechter als die Bayern, haben sie vor viele Aufgaben gestellt“, meinte Weinzierl, der nur mit dem Ergebnis und den ausgelassenen Chancen wie bei Klaas-Jan Huntelaars Lattenknaller zu Beginn der zweiten Halbzeit haderte. Dennoch blickt auch der Coach dem Europa-League-Auftakt bei OGC Nizza am Donnerstag und den anstehenden Englischen Wochen nun zuversichtlicher entgegen: „Genau so müssen wir in den kommenden Partien agieren, dann werden wir auch punkten.“ SPORTREDAKTION: TELEFON: 030 – 2591 71950 | FAX: 030 – 2591 71958 | E-MAIL: [email protected] | INTERNET: WELT.DE/SPORT + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd SPORT 19 MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 * m Oktober 1492 befand sich Kolumbus im Auftrag der kastilischen Krone auf hoher See, er sah Festland, wähnte sich in China und schrieb in sein Bordbuch, er werde jetzt die Stadt Hangzhou aufsuchen – in Wahrheit entdeckte er aus Versehen Amerika. Am Samstag hat sich die Geschichte wiederholt, in Darmstadt. Der Kolumbus hieß diesmal Sandro Sirigu, er sollte im Auftrag seiner Majestät des Trainers das 0:0 gegen Eintracht Frankfurt nach hinten verteidigen – und entdeckte vorne aus Versehen den Sieg. Statt auf Norbert Meier zu hören und das torlose Null-null zu retten, verlief sich der kurz zuvor Eingewechselte in der Schlussminute blindlings auf den rechten Flügel, wollte mit einem Befreiungsschlag Zeit schinden, verwechselte dabei die Beine, und der Ball rutschte ihm ab und landete nicht wie geplant in Hangzhou, sondern über den Frankfurter Torwart hinweg im Dreieck. Wie auf hoher See passieren auch im Fußball oft die verrücktesten Dinge, vor allem am Ende. Erinnern Sie sich an Bastian Schweinsteigers Schlussakkord bei der EM, nachdem er gegen die Ukraine zwei Minuten vor Schluss eingewechselt wurde? „Eigentlich“, verriet Bundestrainer Joachim Löw hinterher, „sollte Basti für Ruhe sorgen und ein paar Bälle verteilen.“ Stattdessen ging Schweini beim letzten Konter wie von der Tarantel gestochen steil, der Oberkellner Özil servierte ihm den Ball auf dem Tablett, und im nächsten Moment drehte der späte Schütze seine Ehrenrunde über den ganzen Platz – es war die emotionale Krönung einer grandiosen Karriere. Joker sind Spaßmacher. Beim Kartenspiel sind sie „Wild Cards“ und bebildert mit Hofnarren – beim Fußball narren sie am Ende die Gegner. Wie am Wochenende. Viele Ehrenrunden haben wir da erlebt, scharenweise kamen die Geheimwaffen von den Bänken und vollstreckten wie im Schlaf. Ungefähr jeder zweite Schütze war ein Joker, Joshua Kimmich machte den Sack für die Bayern zu, Nils Petersen in Freiburg und Julian Schieber für Hertha nun schon im zweiten Spiel. „Seine Zeit wird kommen“, sagt Trainer BONGARTS/GETTY IMAGES/ ALEXANDER HASSENSTEIN I DIE WELT Leipzigs Naby Keita (M.) trifft nach seiner Einwechslung zum 1:0 gegen Borussia Dortmund QUERPASS Mit Kolumbus zum Böllenfalltor Die Bundesliga bestaunt an diesem Spieltag etliche Jokertore OSKAR BECK Pal Dardai – und winkt Schieber mit Vollbeschäftigung, aber im Moment kommt dessen Zeit noch, wenn es eng wird, auf den letzten Drücker. Auch Ralph Hasenhüttl, der Leipziger, gehört zu den klugen Trainern: Wenn ihm nichts Besseres einfällt, wechselt er kurzerhand das Glück ein. „Die Schwie- rigkeit war“, sagte der Österreicher nach dem 1:0 gegen Dortmund, „den richtigen Moment zu finden, in dem man Qualität nachlegt.“ Er fand ihn, brachte Emil Forsberg, Oliver Burke und Naby Keita, der Schwede passte zum Schotten, der zur Kanone aus Guinea, und Hasenhüttl lachte: „Naby hat ein Näschen.“ Und Joel Pohjanpalo erst, aber hallo. „Danger“ nennen sie den in Leverkusen, weil er einem gleichnamigen Mimen in „Fack Ju Göhte“ ähnelt. Jetzt weiß auch der HSV, was ein abgefackter Finne ist. Der kam in der 72. Minute beim 0:1 und hatte drei rasche Antworten. 1:1, 2:1, 3:1. Hattrick in einer Viertelstunde. Mit vier Jokertoren steht Joel jetzt an der Spitze der Torjägerliste, bei 30 Minuten Einsatzzeit. Und warum? Weil Trainer Roger Schmidt ihm auf den Platz nachschrie: „Schieß ein Tor!“ Der Physiotherapeut soll noch geistesgegenwärtig hinterhergebrüllt haben: „Nein, mach drei Buden!“ Lachen Sie nicht, so was funktioniert. Warum sind wir Weltmeister? Weil Jogi Löw im Maracana Mario Götze mit dem Befehl ins Spiel jagte: „Zeig, dass du besser bist als Messi!“ Supermario scharrte kurz mit den Hufen, ging rein, wartete auf die erstbeste Flanke des anderen Luxusjokers Andre Schürrle – und abends twitterte Rihanna aus dem „Sheraton“ in Rio stolz ein Foto um die Welt, das sie mit dem Helden des Tages zeigte. Löw ahnte schon vor jener WM 2014: „Noch nie waren die Spieler, die von der Bank kommen, so wichtig. Sie sind die Spezialkräfte, die den Gegner empfindlich treffen werden, wenn die Sonne im Zenit steht.“ Das klingt nach GSG 9 und Sondereinsatzkommando, jedenfalls sind wir Deutschen auch da gründlich. Bei der WM 1970 waren Spielerwechsel erstmals erlaubt, und mit undurchschaubaren Dribblings untergrub der Frankfurter Jürgen Grabowski wie der „Maulwurf Grabowski“ im gleichnamigen Kinderbuch die gegnerischen Abwehrreihen und erwarb sich den Titel „Bester Einwechselspieler der Welt“. Bei der EM 1976 stand es im Halbfinale 1:2 gegen Jugoslawien, und als die 79. Minute begann, brachte Bundestrainer Helmut Schön den 22-jährigen Debütanten Dieter Müller. Am Ende der 79. Minute stand es 2:2 durch Müller, 3:2 Müller, 4:2 Müller. „Der Müller“, sagte Kapitän Beckenbauer, „hat den siebten Sinn.“ Aber vor allem ein Trainer muss diesen Sinn haben oder die Frau des Trainers. „Nimm den Bierhoff mit“, riet vor der EM 1996 die Gattin von Vogts ihrem Berti. Oliver Bierhoff galt als spielflusshemmend, aber dann stand es im Finale 1:0 für die Tschechen, und der Bundestrainer griff zur Brechstange. Der Rest ist Denkmalpflege: Kopf Bierhoff, 1:1. Fuß Bierhoff, 2:1. Spätestens seither ist der Auswechselspieler kein verpönter Bankdrücker mehr, sondern gesellschaftsfähig – und der Vaterlandsretter Bierhoff das Paradebeispiel des perfekten Jokers: Keine Torschlusspanik, keine Torschusspanik, kein langes Fackeln im Stress der Schlussphase. Kommen, schießen, siegen. „Ein Joker muss mit wenig Anlaufzeit auskommen“, weiß der DFB-Psychologe Hans-Dieter Hermann. „Er muss gedanklich schon im Spiel sein, bevor er überhaupt den Platz betritt.“ Wie jetzt Pohjanpalo, Kimmich, Petersen, Schieber, Sirigu und Keita. Oder (um den kalt erwischten Dortmundern etwas Trost zu spenden) wie früher Lars Ricken. Den brachte BVB-Trainer Ottmar Hitzfeld 1997 im Finale der Champions League gegen Juventus, der 21-Jährige lief aufs Feld, setzte schnurstracks zu einem rotzfrechen Heber an – und der Stadionlautsprecher gab den neuen Spielstand bekannt. Das klingt, als handele es sich beim Ein- und Auswechseln um die kinderleichteste Übung der Welt. Dabei ist es die kniffligste, fragen Sie Otto Rehhagel. Der war am 29. April 1978 Trainer von Borussia Dortmund, und gegen Mönchengladbach stand es 0:8, als er den 35Jährigen Siggi Held als letzten Trumpf aus dem Hut zaubern wollte. Mitspieler Manni Burgsmüller erzählt heute noch gern, wie Siggi darauf zu Otto sagte: „Trainer, soll ich dat Ding noch rumreißen?“ Es ist dann vollends 0:12 ausgegangen, ohne Siggi, der als Joker nicht der Depp sein wollte. So ändern sich die Zeiten: Heute ist der Joker der König. Im richtigen Moment muss halt alles passen, das Näschen des Trainers, die Müdigkeit des Gegners, der Killerinstinkt eines blutrünstigen Jokers. Und wenn dann noch „90 Prozent Glück“ dazukommen, wie Sandro Sirigu sagt, wird man am Ende zum Kolumbus vom Böllenfalltor. Krise bei Werder Bremen verschärft sich Tabellenletzter verliert daheim 1:2 gegen Augsburg F ür Werder-Coach Viktor Skripnik wird es nach der dritten Pflichtspiel-Niederlage immer ungemütlicher. Die Bremer verloren am Sonntag auch das erste Heimspiel der noch jungen Bundesliga-Saison mit 1:2 (1:0) gegen den FC Augsburg. Der bereits seit Monaten in der Kritik stehende Fußballlehrer gerät dadurch noch mehr unter Druck, während Dirk Schuster seinen ersten Sieg als Coach der Augsburger feiern durfte. Der FCA kam vor 39.430 Zuschauern im Weserstadion zu Toren durch Jeffrey Gouweleeuw (52.) und Konstantinos Stafylidis (73.). Für Bremen traf lediglich Aron Johannsson per Foulelfmeter (45.+2). Noch darf sich der Bremer Coach aber der Rückendeckung durch die Vereinsführung sicher sein. „Wir stehen komplett hinter Viktor Skripnik“, sagte Marco Bode, der Boss des Bremer Aufsichtsrates. „Ich finde es unangebracht, zu so einem frühen Zeitpunkt der Saison eine Trainerdiskussion anzufangen. Das wird mit uns nicht passieren.“ Die mit einem 0:6-Desaster bei Bayern München gestarteten Bremer zeigten eine wenig begeisternde Vorstellung vor eigenem Publikum. Ohne Leistungsträger wie Claudio Pizarro, Max Kruse, Santiago Garcia oder Philipp Bargfrede taten sich die Bremer im Spielaufbau schwer. Gegen den dicht gestaffelten und tief stehenden Abwehrverbund der Augsburger hatten die Gastgeber große Mühe, gefährliche Aktionen zu kreieren. Auch der am vorletzten Transfertag vom FC Arsenal verpflichtete Olympiaheld Serge Gnabry, der von Beginn an für Werder auslaufen durfte, vermochte daran nichts zu ändern. DW/dpa ANZEIGE www.focus.de OKTOBERFEST 2016: Wie sicher ist die größte Party der Welt? Der smarte Mister iPhone Apple-Chef Tim Cook über künstliche Intelligenz, sein Outing und den Steuerstreit mit Brüssel Das Machtspiel. Seehofer als Kanzlerkandidat? Überraschende Ergebnisse der großen FOCUS-Umfrage Wie er seine Rolle sieht, verrät Seehofer im Interview auf S. 34 Merkel in der AfD-Falle Die Option Seehofer CSU-Chefseine seineMacht Macht ausweiten Kanzlerin retten könnte WieWie derder CSU-Chef ausweitenund undsosodiedie Kanzlerin retten könnte Die Wissenschaft der gesunden Fette Forscher haben jetzt entschlüsselt, warum auch M enschen mit Übergewicht gut leben können Auch als E-Paper erhältlich: www.focus-magazin.de + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd 20 SPORT * DIE WELT BUNDESLIGA 2. Spieltag 0:2 (0:0) 0:2 (0:0) KAPITÄN DES TAGES D Leno 5 D D Höwedes 3 Naldo 3 Nastasic 3 Baba 3 D D D Goretzka 3 D Choupo-Moting 4 Huntelaar 4 D D D Kostic 4 Thiago 3 D D D Alaba 3 Hummels 3 Martinez 2 Lahm 3 D D D Ostrzolek 4 Spahic 3 Cleber 4 D Sakai 4 D Neuer 2 Adler 3 Tore: 0:1 Wood (58.),(58.), 1:1 Pohjanpalo (79.), 2:1(79.), PohTore: 0:1 Wood 1:1 Pohjanpalo janpalo (90.+1.), 3:1 Pohjanpalo (90.+3). 2:1 Pohjanpalo (90.+1.), 3:1 Pohjanpalo Auswechslungen: Brandt 2 (3.) für Bellarabi, (90.+3).(72.) für Mehmedi, Jedvaj (88.) für Pohjanpalo Auswechslungen: Brandt 2 Wendell. – Ekdal (66.) fürLeverkusen: Holtby, Lasogga (81.) für Wood, (86.) für Kostic. (3.)Halilovoc für Bellarabi, Pohjanpalo (72.) für (71.) für Sanches, Douglas (61.) für 0:00:0 Wolfsburg ––Köln Wolfsburg Köln Hamburg: Ekdal (66.) fürBSC Holtby, Lasogga Ingolstadt ––Hertha 0:2 (0:1) Ingolstadt Berlin 0:2 (0:1) Huntelaar, Kolasinac (86.) für Stambouli. München: Vidal (61.) für Alaba, Kimmich D Bruma 3 Knoche 4 D Blaszczykowski 4 Rodriguez 3 D (81.) für Wood, Halilovoc (86.) für Kostic. D (Wiesbaden). Schiedsrichter: Welz Nyland 3 Zuschauer: 30 210 (ausverkauft). D D Caligiuri 4 Draxler 3 D Gomez 4 D Hartmann 5 D D D D D Darida 2 Haraguchi 2 Weiser 3 D Höger 4 D D Leckie 3 D Lezcano 4 Ibisevic 2 D Lehmann 3 D Morales 4 D Risse 3 D D Groß 3 Modeste 4 Bittencourt 4 D D Roger 5 D D Didavi 4 D Osako 3 D D Matip 3 Tisserand 4 Suttner 3 Levels 3 Luiz Gustavo 4 Gerhardt 3 D D D Hector 3 Heintz 4 Mavraj 3 Sörensen 3 D D Lustenberger 3 Stark 3 D D Pekarik 3 Langkamp 3 Plattenhardt 4 D Brooks 3 D D Müller 3 Jarstein 3 Tore: keine. Tore: keine. Auswechslungen: Bruno Henrique (62.) für Caligiuri, Auswechslungen: Bruno Arnold (63.) für Gerhardt,Wolfsburg: Brekalo (79.) für Didavi. – Henrique (62.) für Caligiuri, Arnold MladeJojic (67.) für Osako, Zoller (79.) für Modeste, novic (87.)für fürGerhardt, Lehmann. Brekalo (79.) für (63.) Tore: 0:1 Ibisevic (8.), 0:2 Schieber (86). Tore: 0:1 Ibisevic (8.), 0:2 Schieber (86). Auswechslungen: Hinterseer 3 (58.) für Morales, Auswechslungen: Ingolstadt: HinterLeipertz (76.) für Hartmann, Christiansen (79.) für 3 (58.) für Morales, Leipertz (76.) seer Roger. – Esswein (62.) für Weiser, Schieber (79.)für für Ibisevic, Hegeler (81.) für Stark. (79.) für Roger Hartmann, Christiansen Didavi Köln: Jojic (67.) für Osako, Zoller (79.) für Modeste, Mladenovic (87.) 1:0 für (0:0) Darmstadt Frankfurt Darmstadt ––Frankfurt 1:0 (0:0) Lehmann. D Schiedsrichter: Winkmann (Kerken). Esser 2 Zuschauer: 29 067. D D D D Jungwirth 4 Höhn 3 Milosevic 3 Holland 3 D D Niemeyer 2 Berlin: Esswein (62.) für Weiser, Schieber (79.) für Ibisevic, Hegeler (81.) für Stark. Schiedsrichter: Drees (Münster-SarmsFreiburg Gladbach 3:13:1 (0:1) Freiburg – –M‘gladbach (0:1) heim). Zuschauer: 14 100. D Schwolow 4 D D D D D D Huszti 3 Hasebe 3 D D Stindl 3 D Wendt 3 D D Orban 2 Compper 3 D D Klostermann 3 Halstenberg 3 D D Ilsanker 2 Demme 2 D D D Finnbogason 4 D D Castro 4 Weigl 3 D D Schmelzer 3 Bartra 2 Sokratis 2 Piszczek 4 Caiuby 4 D Tor:Tor: 1:0 Keita (89.).(89.). 1:0 Keita Auswechslungen: Leipzig: Forsberg (64.) für Auswechslungen: Leipzig: Forsberg Sabitzer, Burke (69.) für Poulsen, Keita (84.) für (64.) für Sabitzer, Burke (69.) für Kaiser. – Dembele (71.) für Castro, Guerreiro (71.) Keita (84.) Kaiser. für Poulsen, Götze, Ramos (85.) fürfür Aubameyang. Dortmund: Dembele (71.) für Castro, D Tore: 1:0 Johannsson (45., Foulelfmeter), 1:1 Gouweleeuw (53.), 1:2 Stafylidis (73.). Auswechslungen: Hajrovic (69.) für Johannsson, Thy (79.) für Bauer, Petsos (82.) für Grillitsch. – Ji 3 (46.) für Bobadilla, Kacar (79.) für Koo, Janker (90.) für Baier. Mainz – Hoffenheim D D D D D Malli 3 D D Frei 3 De Blasis 1 D Cordoba 2 D D Kramaric 2 Wagner 3 D D Rudy 3 Rupp 4 Schwegler 4 D Toljan 5 D Polanski 4 Süle 5 D Leverkusens Stürmer Joel Pohjanpalo erzielt nach seiner Einwechslung einen Hattrick gegen den HSV und macht seinem Spitznamen alle Ehre C ool ist er. Und so etwas wie der heimliche Anführer der Klasse 10b. In dem Film „Fack Ju Göhte“ folgen die Mitschüler Daniel, der von allen nur „Danger“ genannt wird. Nun entspricht Joel Pohjanpalo zwar nicht dem Charakter der Filmfigur. Weil der Stürmer des Fußball-Bundesligavereins Bayer Leverkusen aber so ähnlich aussieht wie „Danger“, der von Max von der Groeben gespielt wird, haben ihm seine Mitspieler diesen Spitznamen verpasst. Und spätestens seit Samstag ist der in aller Munde. Nur eine Woche nach seinem Jokertor zum Bundesligasaisonstart in Mönchengladbach (1:2) setzte „Danger“ (zu Deutsch Gefahr) gegen den Hamburger SV gleich drei Achtungszeichen. Eingewechselt in der 72. Minute erzielte er innerhalb von 15 Minuten drei Tore. Es war der erste Hattrick eines Bayer-Profis nach 19 Jahren. Zuletzt war dies Ulf Kirsten gelungen. „Das war der größte Moment in meiner Karriere“, sagte der Finne nach dem 3:1 gegen den HSV auf Englisch und fügte an: „I had a good finish.“ ment meiner Karriere. Ich genieße es jetzt“, sagte Pohjanpalo nach seinem Hattrick. Die Fans von Bayer waren so begeistert von der Vorstellung des Stürmers, dass ihn der „Capo“ (Vorsänger) nach dem Abpfiff auf den Zaun bat, um gemeinsam das 3:1 zu feiern. Obwohl er allen Grund dazu hätte, nun Ansprüche auf einen Platz in der Startelf anzumelden, bleibt der gefeierte Leverkusener Held bescheiden. „Ich bin gut genug für die Bundesliga“, sagte er lediglich. Trainer Schmidt attestierte ihm eine fantastische Leistung, ließ aber offen, ob er am Mittwoch zum Auftakt in der Champions League gegen ZSKA Moskau auf Pohjanpalo in der Anfangself setzen wird. „Das müssen wir jetzt nicht entscheiden“, sagte Schmidt. So sehr sich der Trainer über die Treffsicherheit seines Stürmers freut, so sehr ärgert er sich über Karim Bellarabis Ausfall. Der Nationalspieler hatte nach nur zwei Minuten ausgewechselt werden müssen. Eine MRT-Untersuchung gestern ergab einen Muskelbündelriss mit Sehnenbeteiligung im Bereich der rechten Adduktoren. Bellarabi fällt mehrere Wochen aus. LAGA Der Angreifer, der am Dienstag 22 Jahre alt wird, liefert nach nur zwei Spieltagen eine Geschichte, die derzeit ihresgleichen sucht. Denn kaum einer in Leverkusen hatte noch damit gerechnet, dass der Finne, den sie 2013 von HJK Helsinki geholt hatten, in der Bundesliga Eindruck hinterlassen könnte. Als ihn die Werkself vor drei Jahren unter Vertrag nahm, reichte sie Pohjanpalo auf Leihbasis für ein Jahr an den VfR Aalen weiter, damit er dort Spielpraxis sammelt. 2014 ging die Reise weiter zum Zweitligaverein Fortuna Düsseldorf, wo er in der vergangenen Saison lediglich zwei Tore erzielte. „Wir haben schon überlegt, ihn nochmals auszuleihen“, berichtete Bayer-Sportchef Rudi Völler. Doch der Plan wurde verworfen. Weil sich der etatmäßige Angreifer Stefan Kießling in der Vorbereitung verletzte, durfte Pohjanpalo im Trainingslager in Zell am See in Österreich vorspielen. Er trainierte gut und konnte Trainer Roger Schmidt überzeugen, dass es sich lohnt, auf ihn zu setzen. „Als die Fans in der Kurve meinen Namen riefen, bekam ich Gänsehaut. Mein Spitzname ,Danger‘ passte heute. Das war der größte Mo- D Schär 5 Baumann 5 Tore: 1:0, 2:0 De Blasis (3., 23.), 3:0 Cordoba (27.), 3:1 Wagner (39.), 4:1 Öztunali (43.), 4:2, 4:3 Uth (71., 72.), 4:4 Szalai (84.). Ausw.: Brosinski (61.) für De Blasis, Clemens (73.) für Öztunali, Onisiwo (79.) für Cordoba. – Uth 2 (36.) für Schär, Kaderabek 3 (46.) für Toljan, Szalai (64.) für Polanski. ip wollen sie sein. Und viel mehr zu ihrer Stadt passen. Wie bestrebt sie bei Hertha BSC diesbezüglich sind, ist in Berlin nicht zu übersehen. An vielen markanten Stellen prangt das Leitmotiv „We try. We fail. We win.“, das sich die renommierte Werbeagentur Jung van Matt für den Bundesligisten ausgedacht hat. „Versuchen, scheitern, gewinnen“ lautet also das Motto, mit dem es die Hertha mal wieder versucht, mehr Zuspruch zu finden. In einer Stadt, die so viel Abwechslung zu bieten hat, dass man schon besondere Akzente setzen muss, um sich abzuheben, aufzufallen. Umso mehr dürfte es da die klugen Köpfe bei Hertha freuen, dass die Mannschaft derzeit beeindruckt. Auf das 2:1 gegen den SC Freiburg ließ der Klub ein 2:0 in Ingolstadt folgen. Damit landete Hertha den ersten Sechs-Punkte-Start in seiner Bundesliga-Geschichte. Und einen großen Verdienst daran hat Vedad Ibisevic. Im Juli 2015 vom VfB Stuttgart gekommen, ist er inzwischen der große Anführer in Berliner. Er strafte alle Kritiker, die es ihm nicht mehr zugetraut hatten, noch einmal Akzente bei einem Klub und in der Liga zu setzen. In 26 Ligaspielen gelangen ihm zehn Tore und vier Torvorlagen. Ibisevic stieg zu einem der wertvollsten Spieler im Kader auf. Er wurde sportlich wichtig – und auch als Führungsfigur. Letzteres hatte die Absetzung von Kapitän Fabian Lustenberger und die Beförderung von Ibisevic zur Konsequenz. In Ingolstadt dauerte es acht Minuten, da nutzte Ibisevic die erste Chance für Hertha. Kurz vor Schluss traf Julian ELFMETER DES TAGES Feinfühliger Anhang Kapitän und Kämpfer: Vedad Ibisevic (r.) ist Herthas Erfolgsgarant Freiburgs Fans ermutigen Nils Petersen lautstark, zum Strafstoß anzutreten D ass sie besonders sind, stellte sich erst vor wenigen Wochen wieder heraus. Einem Ranking des Karrierenetzwerks Xing zufolge sind die Anhänger des SC Freiburg die klügsten in Deutschland. Xing hatte die Angaben von mehr als 45.000 seiner 10,5 Millionen Mitgliederprofile im deutschsprachigen Raum nach Fangruppenzugehörigkeit ausgewertet. Am Samstag, als Aufsteiger Freiburg daheim gegen Borussia Mönchengladbach spielte, bewies der intelligente Anhang aus dem Breisgau ein besonderes Gespür für die Situation. Zwei Minuten waren noch zu spielen, als es Elfmeter für die Gastgeber gab. Es wurde laut im Stadion. Die Fans riefen den Namen eines Spielers, den von Nils Petersen. Den Namen jenes Angreifers, der am 20. August im Fußballfinale der Olympi- schen Spiele zwischen Deutschland und Brasilien als letzter Elfmeterschütze der Deutschen angetreten war und verschossen hatte. Brasilien setzte sich am Ende 5:4 im Elfmeterschießen durch – und Petersen war der große Pechvogel. 21 Tage später aber wurde der 27-Jährige lauthals ermutigt, wieder zum Elfmeter anzutreten. Es war eine bemerkenswerte Geste in einem Spiel, in dem Mönchengladbach zwar in Führung gegangen war, dann aber gegen starke Gastgeber keinen Stich mehr sah. Auf die zwei Treffer von Maximilian Philipp folgte das Elfmetertor von Petersen, der den Ball mit einem platzierten Schuss ins Tor beförderte. „Wir haben Gladbach wehgetan. Das musst du tun, wenn du überleben willst. Das hat denen nicht gefallen, das hat man gemerkt“, sagte Petersen nach dem Spiel. Er lächelte und wirkte – verständlicherweise – nicht so niedergeschlagen wie in der Nacht nach dem verlorenen Finale im Maracana-Stadion. „Am Ende ging es ins Elfmeterschießen, wo es immer einen Dummen gibt. Der Dumme bin heute ich. Das tut weh, das ist schwer für das Fußballerherz. Die Kunst wird es sein, jetzt wieder aufzustehen. Das werde ich tun“, sagte er damals. Gegen Borussia Mönchengladbach ist ihm das eindrucksvoll gelungen. Auch dank der Fans und ihres Feingefühls. Christian Streich, der Coach, lobte nach dem Abpfiff die Leistung seiner Mannschaft. „Das war eine sehr starke Willensleistung. Zwischendrin haben wir immer Fußball gespielt. Ich bin auch überrascht. Ich hätte nicht gedacht, dass wir so ein Spiel gegen Gladbach machen können.“ LAGA Sp g u v Tore Df Pk g u v Tore Pk Tore v u g Pk 2 2 0 0 8:0 8 6 1 0 0 6:0 3 1 0 0 2:0 3 2 2 0 0 4:1 3 6 1 0 0 2:1 3 1 0 0 2:0 3 3. 1. FC Köln 3. VfL Wolfsburg 5. RB Leipzig 2 2 2 1 1 1 1 1 1 0 0 0 2 2:0 2 2:0 1 3:2 4 4 4 1 0 1 0 1 0 0 0 0 2:0 0:0 1:0 3 1 3 0 1 0 1 0 1 0:0 0 2:0 0 2:2 0 1 3 1 6. Bayer 04 Leverkusen 2 1 0 1 4:3 1 3 1 0 0 3:1 3 0 0 1 1:2 0 6. SC Freiburg 2 1 0 1 4:3 1 3 1 0 0 3:1 3 0 0 1 1:2 0 8. Borussia Dortmund 2 1 0 1 2:2 0 3 1 0 0 2:1 3 0 0 1 0:1 0 9. Eintracht Frankfurt 2 2 1 1 0 0 1 1 0 1:1 -1 3:4 3 3 3 1 1 0 0 0 0 0 0 1 1:0 2:1 0:2 3 3 0 0 0 1 0 0 0 0:1 1 1:3 1 2:1 0 0 0 3 2:3 -1 12. SV Darmstadt 98 2 1 0 1 1:2 -1 3 1 0 0 1:0 3 0 0 1 0:2 0 13. 1899 Hoffenheim 2 0 2 0 6:6 0 2 0 1 0 2:2 1 0 1 0 4:4 1 11. FC Augsburg 14. 1. FSV Mainz 05 15. Hamburger SV 16. FC Ingolstadt 2 2 2 2 1 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 -1 5:6 -2 2:4 -2 1:3 1 1 1 0 0 0 1 1 0 0 0 1 4:4 1:1 0:2 1 1 0 0 0 0 0 0 1 Schieber wie schon gegen Freiburg als Joker (86.). „2:0 hört sich easy an, aber so war es nicht“, sagte Ibisevic und befand: „Wichtig ist, dass die Mannschaft gut in die Saison gestartet ist.“ Die Sache mit der verpassten Teilnahme an der Europa League, ergänzte er, sei abgehakt. Ibisevic, der am Sonntag beim Training wegen einer Wadenblessur fehlte, meinte gar: „Vielleicht wäre das auch zu viel für die Mannschaft.“ Gut möglich, ohne die Doppelbelastung könnte Hertha für eine positive Bundesligarunde sorgen. Wie fähig und begabt die Mannschaft ist, bewies sie in der vergangenen Saison, insbesondere in der Hinrunde. Am Ende landete Hertha auf Platz sieben. „Wir sollten nicht alle gleich wieder über die Champions League reden und realistisch bleiben“, mahnte Trainer Pal Dardai. Wohl wissend, dass Hertha BSC für die Anerkennung sportliche Erfolge braucht. LAGA Zweite Liga, 4. Spieltag auswärts zu Hause gesamt 1. Bayern München 2. Hertha BSC 10. Bor. Mönchengladbach D D D Bicakcic 3 Gefahr im Verzug Bundesliga Lössl 5 Bell 2 Balogun 3 Bussmann 3 Gbamin 3 D Öztunali 2 JOKER DES TAGES 4:4 (4:1) D D Donati 2 Freitag, 16. September, 20.30 Uhr 1. FC Köln – SC Freiburg Sonntag, 18. September, 15.30 Uhr Borussia Mönchengladbach – Werder Bremen Bobadilla 5 Hitz 3 Nächster Spieltag Samstag, 17. September, 15.30 Uhr Bayern München – Ingolstadt 04 Borussia Dortmund – Darmstadt 98 Hamburger SV – RB Leipzig 1899 Hoffenheim – VfL Wolfsburg Eintracht Frankfurt – Bayer Leverkusen Samstag, 17. September, 18.30 Uhr Borussia Mönchengladbach – Werder Bremen D Kohr 5 D D Torjägerliste der Bundesliga Guerreiro (71.) für Götze, Ramos (85.) 1. Robert Lewandowski (Bay. München) ..........4 Tore für Aubameyang. Joel Pohjanpalo (Bayer Leverkusen).......................4 Schiedsrichter: Stark (Ergolding). 3. Pierre-E. Aubameyang (Borussia Dortmund) .....2 Zuschauer: 42 959 Maximilian Philipp (SC(ausverkauft). Freiburg)..............................2 Julian Schieber (Hertha BSC) ...................................2 Bobby Wood (Hamburger SV) ..................................2 7. Vedad Ibisevic (Hertha BSC).......................................1 Joshua Kimmich (Bayern München)........................1 Philipp Lahm (Bayern München)...............................1 Franck Ribery (Bayern München) .............................1 Alexander Meier (Eintracht Frankfurt)...................1 Anthony Modeste (1. FC Köln) ...................................1 D Koo 4 D Baier 1 D D Verhaegh 3 Stafylidis 3 D Hinteregger 4 Gouweleeuw 3 Bürki 3 Sonntag, 18. September, 17.30 Uhr Hertha BSC – Schalke 04 D Bartels 4 DD Johannsson Johannsson33 Aubameyang 4 D Schürrle 3 D D Gnabry 3 Fritz 4 Junuzovic 3 Poulsen 3 Götze 3 D D D D D Sane 4 Caldirola 5 Bauer 5 Gebre Selassie 4 D Grillitsch 4 D D D D Rode 4 Tore:0:1 0:1 Hazard Hazard (35.), 1:11:1 Philipp (54.), 2:1 Philipp Tore: (35.), Philipp (54.), 2:1 (85.), 3:1 Petersen (88., Foulelfmeter). Philipp (85.), 3:1 Petersen (88., FoulAuswechslungen: Haberer (68.) für Frantz, Peterelfmeter). sen (82.) für Niederlechner, Abrashi (89.) für Grifo. – Auswechslungen: Freiburg: Haberer Vestergaard (70.) für Hazard, Hahn (70.) (68.) für für Frantz, Petersen (82.) für Niederlechner, Raffael, Herrmann (78.) für Elvedi. Abrashi (89.) für Grifo. Gladbach: Vestergaard (70.) für Hazard, Bremen – Augsburg 1:2für (1:0) Hahn (70.) für Raffael, Herrmann (78.) Elvedi. Schiedsrichter:DOsmers (Hannover). Wiedwald 5 Zuschauer: 24 000. D D Sabitzer 4 D Elvedi 3 Sommer 4 Hatira Frankfurt: Vallejo 3 (8.) für Varela, Blum (65.) für Hrgota, Seferovic (89.) Leipzig Dortmund 1:0 (0:0) Leipzig ––Dortmund 1:0 (0:0) für Meier. Schiedsrichter: Zwayer (Berlin). D Zuschauer: 17 000 (ausverkauft). Gulacsi 3 Werner 3 D Christensen 3 Hradecky 3 D Strobl 3 D D Jantschke 3 D Tor:Tor: 1:0 Sirigu (90.).(90.). 1:0 Sirigu Auswechslungen: Kleinheister (67.) für KleinBezjak, Auswechslungen: Darmstadt: Guwara (70.) für Niemeyer, Sirigu (87.) für Benheister (67.) für Bezjak, Guwara (70.) Hatira. – Vallejo 3 (8.) für Varela, Blum (65.) für für Niemeyer, Sirigu Hrgota, Seferovic (89.) für (87.) Meier.für Ben- Kaiser 3 D Traore 3 D Kramer 2 D Varela D D Abraham 4 Chandler 3 D D Raffael 4 Hazard 2 D D D Niederlechner 3 D Hrgota 4 Mascarell 3 D Oczipka 2 Grifo 3 Frantz 4 Philipp 2 D D D Bulut 4 Bezjak 3 D Schipplock 4 D D D Höfler 3 D Heller 4 D Meier 4 Gacinovic 2 D Stenzel 3 Gulde 3 Söyüncü 2 Günter 3 Gondorf 3 D Ben-Hatira 4 Joel Pohjanpalo führt nun gemeinsam mit Robert Lewandowski die Torschützenliste der Bundesliga an Mehmedi, Jedvaj (88.) für Wendell. D D H Müller 4 D Hunt 4 D Tore: 0:1 Lewandowski (81.), 0:2 Kimmich (90.+2). Tore: 0:1 Lewandowski (81.), 0:2 KimAuswechslungen: Embolo 3 (55.) für Konopljanka, mich (90.+2). Meyer (67.) für Huntelaar, Kolasinac (86.) für Auswechslungen: Schalke: Embolo 3 für Stambouli. – Vidal (61.) für Alaba, Douglas (61.) (55.) für Konopljanka, Meyer (67.) für Ribéry, Kimmich (71.) für Sanches. Ribéry. D (Berlin). Schiedsrichter: Gräfe Casteels 2 Zuschauer: 62D271. D Erster Sechs-Punkte-Start in der Liga-Geschichte D Gregoritsch 2 D Holtby 4 D D Wood 3 D Alonso 4 D Kampl 3 D Mehmedi 4 D Calhanoglu 4 Chicharito 3 D Müller 4 D D Sanches 4 Bender 3 D D D Bellarabi - D Lewandowski 2 Ribéry 3 D Toprak 3 Wendell 3 D Stambouli 3 Bentaleb 2 D Konopljanka 4 D Henrichs 3 Tah 3 D D BONGARTS/GETTY IMAGES/LARS BARON D D Ibisevic hilft bei Herthas Imagekorrektur Leverkusen 3:1 (0:0) Leverkusen––Hamburg Hamburg 3:1 (0:0) D Fährmann 3 BONGARTS/GETTY IMAGES/MICHA WILL Schalke ––München Schalke München MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 1 1 0 1:2 1:3 1:1 0 0 1 17. Schalke 04 2 0 0 2 0:3 -3 0 0 0 1 0:2 0 0 0 1 0:1 0 18. Werder Bremen 2 0 0 2 1:8 -7 0 0 0 1 1:2 0 0 0 1 0:6 0 Stuttgart – Heidenheim............................ 1:2 (0:0) Aue – Braunschweig ................................... 0:2 (0:1) Würzburg – Bochum .................................. 2:0 (0:0) St. Pauli – Bielefeld ..................................... 2:1 (1:0) Union Berlin – Karlsruhe ............................ 4:0 (2:0) Hannover – Dresden ................................... 0:2 (0:1) Sandhausen – Kaiserslautern.................. 2:0 (1:0) Düsseldorf – Greuther Fürth ................... 1:1 (0:1) Nürnberg – 1860 München................... Mo., 20.15 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. Eintr. Braunschweig Dynamo Dresden Hannover 96 Würzburger Kickers 1. FC Heidenheim SpVgg Greuther Fürth Fortuna Düsseldorf VfB Stuttgart 1. FC Union Berlin VfL Bochum 1860 München SV Sandhausen Erzgebirge Aue FC St. Pauli Karlsruher SC Arminia Bielefeld 1. FC Nürnberg 1. FC Kaiserslautern 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 3 4 4 4 4 4 3 4 12:2 6:3 8:4 6:4 5:4 6:6 4:3 5:5 11:8 4:5 1:1 5:6 4:6 3:6 1:5 5:7 3:8 1:7 12 8 7 7 7 7 6 6 5 5 4 4 3 3 3 2 2 2 Dritte Liga, 6. Spieltag Aalen – Rostock ............................................ 1:1 (1:0) Halle – Preußen Münster........................... 2:1 (2:1) Osnabrück – W. Wiesbaden .................... 1:0 (1:0) Köln – Chemnitz .......................................... 1:0 (1:0) Sportfr. Lotte – Regensburg.................... 3:2 (1:2) FSV Frankfurt – Großaspach .................. 1:3 (1:1) Mainz II – Magdeburg ................................ 1:0 (1:0) Duisburg – Bremen II .................................. 1:0 (1:0) Paderborn – Kiel .......................................... 1:3 (0:1) Zwickau – Erfurt ..........................................1:2 (1:2) 14 10:3 6 1. MSV Duisburg 12 8:4 6 2. VfR Aalen 12 7:6 6 3. Fortuna Köln 11 11:5 6 4. Sonnenhof Großaspach 11 10:7 6 5. Sportfreunde Lotte 11 8:6 6 6. Rot-Weiß Erfurt 11 10:9 6 7. Osnabrück 10 10:5 6 8. Holstein Kiel 10 11:9 6 9. Jahn Regensburg 8 6:7 6 10. Hallescher FC 7 8:5 6 11. Wehen Wiesbaden 7 3:4 6 12. Hansa Rostock 6 5:6 6 13. Chemnitzer FC 6 7:11 6 14. SC Paderborn 6 7:12 6 15. Werder Bremen II 5 6:11 6 16. FSV Zwickau 5 6:12 6 17. 1. FSV Mainz 05 II 4 6:9 6 18. 1. FC Magdeburg 4 3:7 6 19. Preußen Münster 3 5:9 6 20. FSV Frankfurt + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd 22 SPORT * DIE WELT Golowkin schlägt Gegner krankenhausreif Kasache untermauert seinen Ruf als K.o.-Maschine Am Ende einer langen REISE O b der Bundespräsident tatsächlich aufgestanden ist oder aber ein vorbereitetes Glückwunschtelegramm nur aus dem Speicher des PC holen ließ, bleibt ungewiss. Es ist auch egal. Tatsache ist, dass selbst der höchste Repräsentant aller Deutschen unbedingt Angelique Kerber nach der Krönung ihrer erfolgreichsten Tenniswoche gratulieren wollte. Womöglich war er sogar der erste aus der Heimat. Sein Schreiben erreichte die neue Weltranglistenerste nur wenige Minuten nach ihrem ersten Triumph bei den US Open in New York. Angelique Kerber gewinnt die US Open und krönt eine fantastische Saison. Dabei wollte sie vor fünf Jahren noch mit dem Tennisspielen aufhören VON TUNNEY HUNSAKER „Spiel, Satz und Sieg: Mit Ihnen freuen sich heute viele Menschen in Deutschland über Ihren großen Erfolg“, hieß es im Schreiben des Bundespräsidialamtes kurz nach Mitternacht. „Mit Ihren Spielen – sei es bei den Australian Open, in Wimbledon oder bei den Olympischen Spielen – begeistern Sie die Tennisfreunde und haben sicher auch viele neu für diesen traditionsreichen Sport gewinnen können.“ Bevor jedoch die Gedanken in die Zukunft gerichtet werden, gilt es, den denkwürdigen Augenblick noch ein wenig zu genießen. Schließlich musste hierzulande zwei Jahrzehnte gewartet werden, bis wieder eine Spielerin den DPA/JUSTIN LANE ie lange wird es diesmal dauern, bis sein Rivale auf den Brettern liegt? Wann immer Gennadi Golowkin, 34, in den Boxring steigt, stellt sich die gleiche Frage. Dass der einst für den Hamburger Universum-Boxstall aktive Mittelgewichtler seinen Gegner besiegt, daran wird nie gezweifelt. Spannend ist bislang immer nur gewesen, wann die K.o.-Maschine den finalen Schlag landen wird. Am Samstagabend in Londons größter Arena kam das Ende für Golowkins Herausforderer in Runde fünf nach 1:57 Minuten. Der Trainer von Kell Brook warf das Handtuch. Golowkin hatte den 30 Jahre alten Engländer krankenhausreif geprügelt. Mit seinen Powerschlägen zerschmetterte er Brooks rechte Augenhöhle. Der Verlierer musste operiert werden. Für Golowkin, der zum 17. Mal in Folge seinen Weltmeistertitel verteidigte, war es der 23. K.o.-Sieg in Serie. Von seinen insgesamt 36 Duellen gingen nur drei über die volle Distanz von zwölf Runden, das letzte Mal vor acht Jahren. Mit seiner K.o.-Prozentrate von 91,7 ist der Titelträger des World Boxing Councils (WBC), der World Boxing Association (WBA) und der International Boxing Federation (IBF) nicht nur in seiner Gewichtsklasse einsame Spitze. „Ich möchte ein Drama bieten“, versprach der Champion aus Kasachstan im Vorfeld. Er hielt Wort. Ihn boxen zu sehen, war wieder eine Augenweide. Er kann einfach alles. So einen technisch versierten und obendrein kompromisslosen, aggressiven Preisboxer hat die Welt lange nicht erlebt. Dabei war Brook keinesfalls ein Unbekannter. Auch er hatte noch nicht verloren (36 Kämpfe) und versuchte sein Glück als Weltmeister. Allerdings hält er den IBFTitel im etwas leichteren Weltergewicht. Wer nun ist Golowkins nächster Herausforderer, besser gesagt: nächstes Opfer? Die Titel der vier wichtigsten Weltverbände zu vereinigen, besitzt für ihn oberste Priorität. Der Gürtel, der ihm noch fehlt, ist der der World Boxing Organization (WBO). Ihn besitzt Billy Joe Saunders, 27. Der Engländer ist in 23 Kämpfen unbesiegt, zeigt sich bislang auch trotz eines sehr verführerischen Millionenangebots nicht willens, mit Golowkin in den Ring zu steigen. Der vermeintlich Unbesiegbare buhlt aber auch schon seit Monaten vergeblich um ein Duell mit dem Mexikaner Saul Alvarez, 26. Es wäre der Megafight schlechthin. Börsen in zweistelliger Millionenhöhe wären beiden Kämpfern garantiert. Mit Alvarez ließen sich Stadien füllen, versichert Tom Löffler, Golowkins Promoter. Der Weltmeister im Halbmittelgewicht gilt gewichtsklassenübergreifend neben Golowkin als bester Kämpfer seiner Zunft. Aber auch der Latino kneift noch. „Ich bin offen für jeden“, sagt Golowkin schon seit Jahren. Die Frage aber ist: Wer möchte ihn? gm Angelique Kerber küsst nach dem 6:3, 4:6, 6:4 im Finale der US Open gegen die Tschechin Karolina Pliskova stolz den Siegerpokal legendären Center Court im Arthur Ashe Stadium als Siegerin verließ. Kerbers großes Vorbild Steffi Graf war 1996 die Erste und zugleich Letzte. Die Uhrzeiger standen in Flushing Meadows, gelegen im nördlichen New Yorker Stadtteil Queens, am Samstag auf 18.26 Uhr, in Deutschland war der Sonntag gerade einmal 26 Minute alt, als Angelique Kerber die ganze Welt vor Glückseligkeit hätte umarmen können. Soeben hatte sie im Finale gegen Karolina Pliskova ihren erste Matchball zum 6:3, 4:6, 6:4 verwandelt. 20.000 Zuschauern erhoben sich von ihren Plätzen, applaudierten frenetisch der Gewinnerin des letzten Major-Turniers des Jahres. Die Kielerin hatte sich nicht nur in ihre Herzen gespielt, sondern sich selbst einen lang ersehnten Herzenswunsch erfüllt. Die blonden Haare fielen ihr offen über die Schulter, die Halskette von Tiffany's glitzerte im Scheinwerferlicht, als Kerber in der Pressekonferenz immer wieder lächelnd die vor ihr postierte silberne Henkeltrophäe betrachtete. Für sie schloss sich an dem schwülen Spätsommerabend ein Kreis. Und das passenderweise auf der größten aller Tennisbühnen. Unter den Blicken etlicher Hollywoodstars wie Hillary Swank und dem gleißenden Flutlicht vollendete sie eine sportliche Zeitreise durch Höhen und Tiefen, die vor fünf Jahren genau an diesem Ort begonnen hatte. AFP/ELSA W Ausgangspunkt war ein Tag im Sommer 2011. Kerber saß völlig verzweifelt im polnischen Puszczykowo bei Oma Maria in der Küche, als sie nach acht Jahren auf der Profitour mit dem Tennisspielen aufhören wollte. Elf Auftaktniederlagen in der ersten Saisonhälfte des Jahres ließen sie auf Platz 100 in der Weltrangliste abstürzen, woraufhin sie sich die Sinnfrage stellte: „Soll ich alles hinzuschmeißen und vielleicht eine Ausbildung als Physiotherapeutin beginnen – oder neu anfangen und nochmals alles versuchen?“ Nach gutem Zureden von Mutter Beata und Oma Maria entschied sie sich für einen letzten Versuch, ihren Kindheitstraum doch noch wahr werden zu lassen. „Schon als 15-Jährige hat Angie im Leistungstraining auf einem Bogen ausgefüllt, dass es ihr Ziel ist, die Nummer eins zu werden – es war ganz klar definiert, ohne Wenn und Aber“, erzählte Bundestrainerin Barbara Rittner, die Kerber seit Jugendtagen kennt. Doch Kerbers Durchbruch ließ auf sich warten. Auch, weil sie trotz ihres Talents körperlich nicht fit war. Zudem stand sie sich oft selbst im Weg, wie sie ohne Umschweife zugibt. Sie haderte, zauderte, kämpfte immer auch gegen Zweifler und Skeptiker und machte ihrem Ruf als „Trotzkopf“ alle Ehre: „Ich war irgendwie zerrissen.“ Das aber sollte sich gravierend ändern. Von ihrer Freundin und Fed-Cup- MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 Kollegin Andrea Petkovic in die „Schüttler Waske Tennis-University“ nach Offenbach gelotst, schuftete sie sie wochenlang wie „noch nie in meinem Leben“. Der Lohn folgte postwendend. Beim WTA-Turnier im August 2011 in Dallas trotzte sie dank ihrer Physis den Temperaturen von 40 Grad und scheiterte als Qualifikantin erst im Halbfinale. Zwei Wochen später begann mit den US Open und dem sensationellen Einzug ins Semifinale als Nummer 92 der Welt ihre märchenhafte Wandlung über eine konstante Top-Ten-Spielerin mit dem Hang zur Nervenschwäche und Niederlagen in engen Situationen hin zur körperlich fittesten und mental abgezocktesten Spielerin auf der Tour. Ihre fantastische Reise, mit den Zwischenstationen Australian-Open-Titel und Wimbledonfinale, erreichte jetzt ihren vorläufigen Höhepunkt. „Es sollte wohl so sein, dass ich mit 28 Jahren mein bestes Tennis spiele und nicht schon mit 18“, sagte die neue Tennis-Queen spürbar erleichtert. „Ich wollte immer Grand Slams holen, jetzt habe ich zwei in einem Jahr geholt. Das kann mir keiner mehr nehmen. Ich weiß, ich gehöre da jetzt wirklich hin.“ Vier Stunden nach ihrem überwältigenden Erfolg gönnte sich Kerber endlich ein halbes Glas Champagner. Als sie ihre Auftritte im Fernsehstudio überstanden und den Interview-Marathon absolviert hatte, kam sie zu ihrem Trainer und ihrer Mutter in den ansonsten menschenleeren Spielergarten. „Angie, Angie“, intonierte ihr Coach Torben Beltz, fiel ihr um den Hals und drückte ihr den Schampus in die Hand. Nachdem sich die Bejubelte schon zwei Tage vorher zur ersten deutschen Nummer eins seit Steffi Graf vor 19 Jahren gekrönt hatte, ließen auch die Glückwünsche aus Las Vegas nicht lange auf sich warten. „Klasse erarbeitet, gekämpft und Nervenstärke bewiesen!“, schrieb die „Gräfin“ auf Facebook. „SUPER Angie!!!“ Dem Deutschen Tennis Bund (DTB) sagte sie am Sonntag: „Es ist wirklich ein Traum, wie gut Angie während des gesamten Turniers und jetzt im Finale in Flushing Meadows gespielt hat.“ Im Frühjahr hatte Kerber mit Graf und dessen Ehemann André Agassi in Las Vegas trainiert. „Angelique im Paradies. Zäh, elegant, unbesiegbar. Eine neue Ära im Damentennis hat begonnen“, schwelgte die „Gazzetta dello Sport“. Die Italiener könnten Recht haben. Kerber ist mit ihren 28 Jahren im besten Tennisalter – und blieb bislang von langwierigen Verletzungen verschont. Die bisherige Branchenführerin Serena Williams (USA) wird in wenigen Tagen 35 Jahre alt. Und eine weitere große Rivalin, die Weißrussin Wiktoria Asarenka, fällt wegen ihrer Schwangerschaft mindestens noch eine Saison aus. Stolz und befreit wirkte die Championesse, als sie sich gegen halb elf am Abend endlich bei ihrem Team ein klein wenig entspannen und zur Ruhe kommen konnte. Ein bisschen Rotwein stand herum, in Alufolie eingepackte belegte Brote lagen auf dem Tisch. Doch viel Zeit gönnte sie sich nicht, da noch ein Sponsorentermin anstand. Außerdem wollte sie „unbedingt etwas Richtiges essen“, bevor sie mit einem Barbesuch in Manhattan richtig feiern wollte. „Ich habe festgestellt, dass viel mehr möglich ist, als man denkt“ A ls Franziska Liebhardt vor sieben Jahren das Krankenhaus verließ, hatte sie eine Spenderlunge und neuen Lebensmut. Wie es denn mit Sport aussehe, fragte die frühere Regionalliga-Volleyballerin ihre Ärzte. Die damals 27-Jährige wollte einfach wieder fit werden, ihrem Körper und der Seele etwas Gutes tun. Ein bisschen Bewegung, sagten die Ärzte, könne sie machen, aber Leistungssport sei nicht mehr möglich. Sie irrten sich. VON MELANIE HAACK Jetzt wartet Liebhardt in Rio de Janeiro auf ihre Premiere bei den Paralympics. Im Kugelstoßen tritt sie Dienstag sogar als Weltrekordhalterin ihrer Klasse an und will um Gold kämpfen. Einen Tag später startet sie im Weitsprung. Dabei hat Liebhardt gleich mehrere Handicaps. Die 34-Jährige leidet an einer systemischen Autoimmunerkrankung, bei der verschiedene Organe beeinträchtigt sind, lebt neben der Spenderlunge auch mit einer Spenderniere. Seit einem Schlaganfall ist ihre rechte Körperhälfte zudem teils spastisch gelähmt. Dass sportliche Höchstleistungen nach einer Transplantation möglich sind, hatten ihre Ärzte nicht für möglich gehalten. Doch von Zweifeln und Angst lässt sich Liebhardt nicht leiten. „Ich habe festgestellt, dass viel mehr möglich ist, als man denkt“, sagt sie. Grenzen verschieben – das möchte sie jetzt auch in Rio de Janeiro. In den paralympischen Spitzensport hineinzurutschen, war allerdings nie ihr Ziel gewesen. „Es hat sich einfach entwickelt“, sagt die Leverkusenerin immer noch etwas ungläubig. Vor zwei Jahren hatte sie sich dann das Ziel gesetzt, in Rio dabei zu sein, seit Ende 2014 ist sie nun von ihrem Beruf als Kinder-Physiotherapeutin freigestellt und kann sich vollkommen auf den Sport konzentrieren. Es folgten EM- und WM-Medaillen. Hinter dieser Erfolgsgeschichte steckt eine ehemalige Weltmeisterin: Liebhardt trainiert bei Steffi Nerius. Die 44-Jährige gewann 2004 Olympia-Silber und 2009 WM-Gold im Speerwurf. Heute leitet sie eine Trainingsgruppe in Leverkusen, zu der auch Paralympics-Star und Weitsprung-Weltrekordhalter Markus Rehm gehört. „Steffi hat Behindertensport studiert, ist vom Fach“, sagt Liebhardt. „Und sie hat ihre eigenen sportlichen Erfahrungen, weiß, wie es sich anfühlt, wie der Druck ist, was in uns vorgeht.“ Für Liebhardt ist das besonders wichtig, schließlich sind die Spiele in Rio ihre ersten. Das Spektakel 2012 in London, als die Paralympics in Sachen Organisation und Zuschauerinteresse in ungeahnte Dimensionen vorstießen und den Olympischen Spielen zuvor in nichts nachstanden, hatte sie noch im Fernsehen verfolgt. „Wir müssen uns dessen bewusst sein, dass die Spiele in London etwas ganz Besonderes waren – gerade für die Behindertensportler. Ich glaube, besser geht es nicht“, sagt sie. Bei ihrer Paralympics-Premiere am Dienstag (23.15 Uhr MESZ) geht es gleich um alles: Kugelstoßen ist Liebhardts Paradedisziplin, mit 13,82 Metern hält sie in der Klasse F37 den Weltrekord. „Wenn es sehr gut läuft, ist Gold möglich“, sagt sie. Am Mittwoch (16.05 Uhr MESZ) tritt sie dann im Weitsprung an. Durch den Ausschluss russischer Athleten von den Paralympics fallen in dieser Disziplin zwei Medaillenkandidaten in ihrer Klasse weg, sodass Liebhardts Podestchancen auch in ihrer Nebendisziplin gestiegen sind. Dass die Leverkusenerin überhaupt in Rio starten darf, hat im Grunde nichts mit ihrer eigentlichen Erkrankung zu tun, sondern mit den Folgen. Es war im Jahr 2005, als sich das Leben der jungen Frau durch die Diagnose einer systemischen Autoimmunerkrankung komplett veränderte. Seitdem ist nichts mehr, wie es war. Kein Jahr verging, in dem Liebhardt nicht größere gesundheitliche Probleme hatte. „Die Erkrankung schreitet ständig fort, und man kann nicht wahnsinnig viel dagegen tun“, erzählt sie. Die Medikamente helfen, aber sie heilen nicht. „Ich merke, dass sich peu à peu alles verschlechtert“, sagt sie. Liebhardt hat viele unterschiedliche gesundheitliche Probleme: Ihre Haut und ihre Blutgerinnung sind betroffen, dazu unter anderem Lunge, Niere, Herz und Speiseröhre. 2009 wurde ihre Situation dann dramatisch: Ihre Lunge versagte. Die Transplantation rette ihr im letzten Moment das Leben. Drei Jahre später brauchte sie eine neue Niere und erhielt eine Lebendspende ihres Vaters. Zuvor hatte die Blutgerinnungsstörung zu einem Schlaganfall geführt, seitdem ist ihre rechte Körperhälfte teilweise gelähmt. Und genau deshalb darf sie bei den Paralympics teilnehmen. Denn alles, was keine klassische Körperbehinderung ist, findet in der Klassifizierung keine Anerkennung – Liebhardts Organ- PA/BEAUTIFUL SPORTS/AXEL KOHRING Franziska Liebhardt leidet an einer systemischen Autoimmunerkrankung, lebt mit einer Spenderlunge und einer Spenderniere. Morgen startet sie bei den Paralympics Franziska Liebhardt zählt im Weitsprung und Kugelstoßen zur Weltspitze transplantation sowie ihre Krankheit spielen keine Rolle. Eine deutliche Einschränkung und ein zusätzliches Handicap sind sie aber gewiss. „Ich kann nicht so trainieren wie jemand, der eine gesunde Lunge hat, oder jemand, der allgemein internistisch völlig gesund ist“, sagt sie. Und dennoch gehört sie in der Klasse F 37 (Athleten mit halbseitiger spastischer Lähmung) zur Weltspitze. Wie lange die 34-Jährige den Sport noch so intensiv betreiben kann, bleibt jedoch ungewiss. Sie weiß nicht, was kommt. „Niemand kann voraussagen, ob ich mit meiner Erkrankung noch 100 Jahre lebe oder in zwei Jahren sterbe“, sagt sie mit erstaunlich fester Stimme. Eine Ungewissheit, an der viele zerbrechen würden. Ein ohnmächtiges Gefühl, das schwer zu ertragen ist. „Ich komme damit klar“, sagt Liebhardt. Sie kann gegen ihre Erkrankung ankämpfen, aber sie wird sie nie besiegen. Immer lachen und fröhlich sein – das geht deshalb trotz all der Stärke, die sie ausstrahlt, einfach nicht. „Es wäre gelogen zu sagen, dass ich nie Angst hatte“, sagt sie. „Wenn Du auf einer Intensivstation liegst und nicht weißt, ob du die nächste Woche überlebst, ist das nicht leicht.“ + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd DIE WELT SPORT 23 MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 * KOMPAKT Grimmiger Blick und muskelbepackte, tätowierte Arme: Marcus Schneider sieht auf den ersten Blick nicht aus wie ein Geistlicher – trotz Bibel in seinen Händen MARCUS SIMAITIS (2) BASKETBALL D Marcus Schneider ist der ungewöhnlichste Pastor Deutschlands. Seine Art kommt in der Gemeinde an VON JULIEN WOLFF Für viele Menschen sieht Marcus Schneider auf den ersten Blick wie ein Rocker aus, wie ein wilder Heavy-MetalMusiker, für manche wie ein Türsteher eines In-Klubs. Wann immer er das hört, lacht er. „Wenn man so will, arbeite ich wirklich für einen Klub. Für den größten Klub, die Gemeinde Gottes“, sagt er. Marcus Schneider ist Pastor. Der breiteste Pastor Deutschlands. So nennt er sich, und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass tatsächlich kein Geistlicher des Landes muskulöser ist als er. Sport – genauer gesagt: Bodybuilding – ist seine Leidenschaft. Und das hat ihn bei Jugendlichen zum Star gemacht. Bei Facebook und bei Instagram folgen ihm Zehntausende. Junge Menschen aus der ganzen Republik schauen seine Videos an: kurze, positive Predigten im Smartphone-Format, die er regelmäßig postet. Viele schildern ihm in Nachrichten ihre Probleme. Und das, obwohl viele seiner Zuschauer gar nicht in die Kirche gehen. Doch der Prediger mit den Kanonenkugelschultern fasziniert sie. Schneider findet mit Themen wie dem Sinn des Lebens einen Zugang zur Generation Snapchat. Er verzichtet auf seinen Social-Media-Seiten auf Werbung, stellt den Jugendlichen stattdessen kostenlose Trainingspläne zur Verfügung: Seelsorge 2.0 von Onlinepastor Schneider. Einem Pastor, der Punkrock und HipHop liebt. Einem, der neben Bodybuilding auch andere Sportarten in seiner Gemeindearbeit einsetzt, Fußballcamps und Selbstverteidigungskurse organisiert, mit Flüchtlingen zu Fußballspielen des Viertligaklubs Wuppertaler SV geht. „Viele denken, man müsse brav und beinahe heilig sein, um in die Kirche gehen zu dürfen. Das stimmt nicht. Meine Message ist: Wenn ein Freak wie ich Pastor sein kann, dann könnt ihr auch in den Gottesdienst kommen“, sagt Schneider lächelnd. Jeden Sonntag veranstalten er und seine Kollegen der Gemeinde drei Gottesdienste. Den ersten um 10 Uhr, den letzten um 18 Uhr. „Für die Schüler und Studenten, die nach einer langen Samstagnacht gerne ausschlafen“, sagt der Muskelpastor, der auch beim Predigen vor der Gemeinde Turnschuhe und TShirts trägt. Wenn er seine Aufgaben in der Kirche erledigt hat, geht es oft zum Training in das Classic Gym in Dortmund, ein kleines Hinterhofstudio. Schulterübungen stehen auf dem Programm, in einem Trägershirt stemmt Schneider 40 Minuten Eisen. Mindestens dreimal in der Woche trainiert er. Bei den Grundübungen Kniebeugen, Bankdrücken und Kreuzheben stemmt er mehr als das Doppelte seines Körpergewichts, Schneider wiegt 77 Kilogramm. Seine Kraft hilft ihm in seinem zweiten Beruf: Er arbeitet in halber Stelle für die Kirche, in der übrigen Zeit als Dachdecker. Beinahe hätte er sogar mal an einem Bodybuilding-Wettkampf teilgenommen, hatte seinen Körperfettanteil mit einer strengen Diät bereits enorm gesenkt. Doch der Termin kollidierte letztlich mit einer Pastorentagung. Als Bodybuilder auf die Bühne, das ist jetzt aber kein Ziel mehr für ihn. Er will seinen Sport nutzen, um Jugendliche zu Dreimal in der Woche trainiert Marcus Schneider im Fitnessstudio motivieren und auf die richtige Bahn zu lenken. Mit Aktionen wie „Pumpen für den guten Zweck“ sammeln er und sein Team Spenden. Die Christus Gemeinde ist eine freie Gemeinde und liegt in Oberbarmen, einem sozialen Brennpunkt Wuppertals. Die EU und das Land Nordrhein-Westfalen unterstützen soziale Projekte in dem Bezirk, und Schneider hat sich vor allem der Jugend verschrieben. Er und sein Freund Nils, 34, der einst in der Zweiten Bundesliga für BG Göttingen Basketball spielte, planen gerade ein Fitnessstudio, in dem Jugendliche unter Aufsicht trainieren können. „Viele Jugendliche vergleichen sich mit professionellen Bodybuildern, die gedopt sind. Wir sagen ihnen, dass das Quatsch ist. Uns geht es um das naturale Bodybuilding. Wir wollen ihnen klarmachen, dass dicke Muskeln und Kraftsport toll sind und man sie ohne Doping kriegen kann. Dass sie ein Teil des Lebens sind. Aber nicht das komplette Leben. Das Wichtigste ist ein starkes Herz“, erklärt Schneider. Als Pastor sei er auch Trainer, auch Mentor, und mithilfe des Kraftsports ließen sich Werte wie Disziplin, Wille, Zuverlässigkeit und Zusammenhalt wunderbar vermitteln. „Mir liegt daran, dass Jugendliche wachsen, charakterlich und geistig. Körper und Herz gehören zusammen. Mir geht es vor allem um die Begegnung“, so Schneider. Er habe über den Sport schon viele Menschen kennengelernt, mit denen er an- zum Team. Alexander Zverev (Hamburg) und Dustin Brown (Winsen/ Aller) hatten zuvor mit ihren Absagen für einige Misstöne gesorgt. Die deutsche Auswahl hat sich in der EM-Qualifikation die nächste Blamage geleistet. Das Team von Bundestrainer Chris Fleming verlor in Naestved beim zuvor sieglosen Dänemark nach drei Verlängerungen mit 102:106 (92:92, 84:84, 73:73, 37:48) und muss nach der zweiten Niederlage um den Sprung zur EM 2017 bangen. Drei Tage nach dem 71:75 gegen die Niederlande zeigte sich die deutsche Mannschaft völlig verunsichert und unterlag den Dänen im 19. Duell erstmals. Auch 26 Punkte von Danilo Barthel reichten nicht zum fest eingeplanten Pflichtsieg. Nun geht es am Mittwoch gegen Österreich und drei Tage später in den Niederlanden um den Sprung zum Kontinentalturnier 2017. Zuletzt hat eine deutsche Nationalmannschaft vor 25 Jahren die Teilnahme an der EM-Endrunde verpasst. FORMEL 4 TENNIS Kohlschreibers Einsatz im Davis Cup fraglich Mit Bizeps und Bibel ie Augen des Totenkopfes auf seinem rechten Arm werden größer. Der Mann mit den vielen Bildern auf der Haut sitzt auf einer Bank in der zweiten Reihe, spannt aus Spaß seinen riesigen Bizeps an, schlägt die Bibel zu und greift sich einen Proteinshake sowie einen Apfel. „Eine kleine Stärkung mit Kohlenhydraten, und auf geht’s zum Training“, sagt Marcus Schneider, 37, und schlendert zum Ausgang des Saals der Christus Gemeinde in Wuppertal. Er hat weiße Basketballschuhe, zerrissene Jeans und ein schwarzes Shirt an. Auf seiner Haut prangt eine Vielzahl Tattoos, er trägt einen langen Bart. Blamage für deutsche Nationalmannschaft schließend tief gehende Gespräche führte und die sich heute ehrenamtlich in der Gemeinde engagieren. Gemeinsam haben sie einen Möbelbasar und ein Flüchtlingscafé ins Leben gerufen. Kürzlich reiste er zudem nach Thailand, engagierte sich dort für ein Kinderheim und organisierte eine Aktion gegen Kinderprostitution. Im Gepäck: fünf Kilogramm Haferflocken. „Die Ernährung muss halt stimmen“, sagt der Pastor. Er trainiert seit über 17 Jahren. Früher wog er 50 Kilogramm, aß und trainierte sich auf 90 Kilogramm hoch. Als junger Mann sagte er sich eines Tages: Ich will die Welt verändern – entweder als Arzt oder als Theologe. Er fühlte sich zum Pastor berufen, studierte Theologie in den USA, ließ sich in dieser Zeit das erste Tattoo stechen. Seine Tattoos sind vor allem christliche Motive oder haben zumindest für ihn eine religiöse Bedeutung, der Totenkopf auf seinem rechten Bizeps steht beispielsweise für die Sünde und die Erlösung. Hat er je darüber nachgedacht, dass seine Tattoos und Muskeln ihn bei seiner Arbeit behindern und Leute abschrecken könnten? „Tattoos, Bodybuilding und Kirche – das passt für viele vielleicht erst einmal nicht zusammen. Meine Optik kann vielleicht schon abschrecken, doch das ist nur die Verpackung. Wenn ich den Mund aufmache, merkt jeder, dass er vor mir keine Angst haben muss. Auch die Omas mögen mich“, sagt Schneider und lächelt zufrieden. Im Inneren sei er total konservativ. Treue, Ehe, Familie – das bedeute ihm sehr viel. Und gleichzeitig spielt er mit dem Gedanken, sich auch noch im Gesicht und auf den Händen tätowieren zu lassen. Warum? „Ich finde Tattoos einfach schön“, sagt er. Die Jugendlichen beeindruckt Schneiders Lebenswandel. Keine Drogen, keine Zigaretten, kaum Alkohol. Während viele Gemeinden über leere Gotteshäuser am Sonntag und schwindende Mitgliederzahlen klagen, wächst die Christus Gemeinde, und zu den Gottesdiensten kommen oft 600 Leute. „Unser Anspruch ist, gesellschaftsrelevante Kirche zu machen. Und das kommt an“, sagt Schneider. Inzwischen tourt er sogar wie ein Rockstar durch das Land, Kumpel Nils fungiert als Manager. Kürzlich lud der Veranstalter einer Tattoo-Convention den Pastor ein, an einem der Messetage eine Predigt zu halten. Und auch die Landeskirchen haben zum Teil ihre anfängliche Skepsis abgelegt und bitten ihn, für eine Predigt zu ihnen zu kommen. Sein Motto: „Sei mutig und stark.“ Es stammt aus dem Buch Josua. Der breiteste Pastor Deutschlands hat es auf T-Shirts drucken lassen. Und gerade sein Buch fertiggestellt. Ende des Jahres soll es erscheinen, der Pastor und Freund Nils sammeln dafür Geld via Crowdfounding. Titel des Buches: „Stark“. Ein Ratgeber soll es sein. „Ich glaube, dass sich viele mit mir identifizieren können. Und ich die junge Generation prägen kann.“ Nach dem Training fährt Nils den Pastor nach Hause. In einem mattschwarzen Bus mit getönten Scheiben. Das Auto sieht mehr nach Rapper als nach Pastor aus. Bei Marcus Schneider ist eben so einiges ungewöhnlich. Schneider schnappt sich seine Sporttasche und springt aus dem Auto. Vor dem Haus warten drei seiner vier Kinder. Eines von ihnen hat Geburtstag, und Schneider hat sich für sie und ihre Freunde und Kinder aus der Gemeinde einen Graffiti-Workshop ausgedacht, den er gleich leiten wird. Die Kleinen stürmen auf ihn zu. Jetzt ist er mal nicht der breiteste Pastor Deutschlands. Jetzt ist er einfach nur der breite Papa. Der Einsatz des deutschen Spitzenspielers Philipp Kohlschreiber in der Davis-Cup-Relegation gegen Polen am kommenden Wochenende in Berlin ist fraglich. Der 32-Jährige laboriert nach wie vor an den Folgen einer Stressfraktur im Fuß, die bereits seine Teilnahme am olympischen Turnier im August in Rio verhindert hatte. „Philipp ist am Montag zu einer abschließenden Untersuchung bei einem Spezialisten in München“, sagte Teamkapitän Michael Kohlmann. „Danach gibt es eine Entscheidung.“ Neben Kohlschreiber gehören Florian Mayer (Bayreuth), Jan-Lennard Struff (Warstein) und Daniel Brands (Deggendorf ) Vierter Saisonsieg für Schumacher Mick Schumacher hat sich eindrucksvoll im Titelkampf der italienischen Formel-4-Meisterschaft zurückgemeldet. Der 17-Jährige vom Prema Power Team feierte am Sonntagmorgen auf der Rennstrecke Vallelunga vor den Toren Roms seinen vierten Saisonsieg. Zum Abschluss des Wochenendes holte der Sohn von Formel-1-Rekordweltmeister Michael Schumacher am Nachmittag zudem den zweiten Platz. Schumacher, der im ersten Rennen am Samstag schon Rang drei belegt hatte, greift zwei Wochenenden vor dem Saisonende damit wieder nach der Gesamtführung. Noch liegt Marcos Siebert mit 191 Punkten vorne, der Argentinier holte auf dem Autodromo Vallelunga jedoch nur die Plätze sechs, fünf und sechs. Schumacher hat mit nun 184 Punkten nur noch sieben Zähler Rückstand. BEACHVOLLEYBALL Ludwig/Walkenhorst holen Meistertitel 23 Tage nach ihrem Olympiasieg von Rio haben Laura Ludwig und Kira Walkenhorst auch die deutschen Meisterschaften gewonnen. Das Duo setzte sich im Endspiel in Timmendorfer Strand gegen Chantal Laboureur/Julia Sude (Stuttgart/Friedrichshafen) mit 2:0 (22:20, 23:21) durch. Vor ihrem letzten Saisonauftritt in Toronto holten die Weltranglistenersten damit ihren dritten gemeinsamen DM-Titel. ANZEIGE www.porsche-tennis.de Große Siege fährt man nur ein, wenn man Runde für Runde um sie kämpft. Porsche gratuliert seiner Markenbotschafterin Angelique Kerber zum Sieg bei den US Open und Weltranglistenplatz 1. + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd WISSEN DIE WELT MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 SEITE 24 EINE MINUTE BIOLOGIE Würmer in der Neuen Welt Ganz ruhig, ganz allein J KOMPAKT MEDIZIN Rätsel um Massentod von Vögeln in Boston Gesundheitsbehörden in den USA untersuchen ein Massensterben von Vögeln in Boston. Im Stadtteil Dorchester seien 47 Stärlinge vom Himmel gefallen, teilte die Bostoner Stadtverwaltung mit. Viele Vögel seien schon tot gewesen, andere eingeschläfert worden. 35 Kadaver würden jetzt an der Tufts-Universität untersucht. Die Tierschützer der Animal Rescue League teilten mit, insgesamt seien 32 Tiere gestorben. 15 Vögel hätten überlebt. Sie würden nun zur weiteren Untersuchung in eine Universitätstierklinik geschickt. Der Einsatz der Tierschützer wurde ursprünglich durch eine tote Katze ausgelöst, berichtete die Zeitung „Boston Herald“. Ihre Besitzerin hatte das Tier am Morgen tot auf der Veranda gefunden und die Behörden verständigt. Als ein Helfer der Animal Rescue League vor Ort eintraf, fand er nicht nur die leblose Katze, sondern auch reihenweise sterbende Vögel vor. „Die Vögel fielen aus den Bäumen und von den Zäunen in der Nachbarschaft“, sagte der Mann dem „Boston Herald“. „Wir versuchten, sie aufzufangen.“ Sowohl eine Viruserkrankung als auch Umweltverschmutzung oder eine absichtliche Vergiftung würden als mögliche Ursachen in Betracht gezogen. Auch die Futterstellen für Vögel in dem Viertel würden untersucht. „Jemand könnte aus Versehen etwas ausgelegt haben, das den Vögeln dieser Spezies schadet“, sagte ein Sprecher der Stadt Boston. ERDERWÄRMUNG Klimawandel bedroht auch US-Küsten Überflutungen, Küstenerosion, extreme Stürme – der Klimawandel kann zu einem ernsten Problem auch für die amerikanische Bevölkerung werden. 13,1 Millionen US-Amerikaner sollen bis Ende des Jahrhunderts unmittelbar vom Anstieg des Meeresspiegels betroffen sein, prognostiziert Geograf Mathew Hauer von der Universität Georgia mit seiner For- schungsgruppe in einer aktuellen Studie. Der Meeresspiegel werde bis dahin im Durchschnitt pro Jahr um 4,6 Millimeter steigen. Ob zunehmende Dürren in Afrika, Hitzewellen in Südeuropa oder schwindendes Packeis in der Arktis – weltweit wirkt sich der Klimawandel in einer Vielzahl von Umweltveränderungen aus. Vor allem das drohende Versinken von Südseeinseln ist ein Symbol für die Folgen der globalen Erwärmung geworden. Auch in den USA machen sich die Auswirkungen bemerkbar. Im Bundesstaat Alaska hat das Government Accountability Office 184 Dörfer bereits 2009 offiziell als überflutungsgefährdet eingestuft, 31 davon seien unmittelbar bedroht. Eines dieser Dörfer ist Shishmaref. Ein Großteil der Strände ist bereits überspült. Vor Kurzem hat das kleine Inuitdorf per Volksentscheid einen Komplettumzug von einer Insel aufs Festland beschlossen. ARTENSCHUTZ Größter deutscher Elfenbeinfund Der mit 1,2 Tonnen bislang größte deutsche Elfenbeinfund ist in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Zu sehen waren zahlreiche Stoßzähne, aber auch Deko-Objekte aus Elfenbein wie Figuren, Schmuckdosen und Salatbesteck. Der Präsident der Generalzolldirektion, Uwe Schröder, sprach von einem „besonders herausragenden Fall“ der Artenschutzkriminalität. Kistenweise hatte der Zoll zudem Abfälle der Elfenbeinbearbeitung gesichert. Den Fund der illegalen Ware mit einem Marktwert von mehr als einer Million Euro hatte die Cottbuser Staatsanwaltschaft bekannt gegeben. Das Elfenbein wurde an zwei Orten entdeckt: Zunächst flog im Mai beim Hauptzollamt Potsdam eine Menge von 625 Kilogramm Elfenbein auf, die – deklariert als Kaminuhren aus Marmor – über den Flughafen BerlinSchönefeld nach Vietnam geschmuggelt werden sollte. Bei weiteren Ermittlungen stießen Zollbeamte auf ein Gebäude in Rheinland-Pfalz, wo Rohelfenbein verarbeitet wurde. Dort sicherten sie 570 Kilogram, darunter „sage und schreibe 40 Stoßzähne“. DPA Alles, was wir uns wünschen, ist genau dieser Blick, aus diesem Gefährt, das da über den Mars rumpelt und die fantastischsten Bilder zur Erde funkt. Als Papamobil, wie der Papst eines hat. Angenehm temperiert, gegen die dreistelligen Minusgrade, etwas Sauerstoff darf auch dabei sein. Doch die Leute von der Nasa haben gelernt, bescheiden zu sein. Sie sind hingerissen von den Aussichten auf den Mars, die „Curiosity“ ihnen sendet. Fast fühlen sie sich schon wie zu Hause. „Sieht nach Grand Canyon“ aus, eb rief einer durch den Kontrollraum. Zweite Haut, scheibchenweise D er 3. Juli 2014 war ein bedeutender Tag für das Kinderspital Zürich: Erstmals transplantierte dort ein Team einem Kind ein Stück Ersatzhaut, die zuvor aus Zellen des jungen Patienten gezüchtet worden war. „Es war ein besonderer Moment, den wir auch etwas zelebriert haben“, sagt Martin Meuli, Direktor der Chirurgischen Klinik am Kinderspital. Die Operation war der Auftakt zu einer klinischen Prüfung mit zehn Kindern, deren Narben, Muttermale oder Verbrennungen auf die gleiche Weise behandelt wurden. Mediziner aus der Schweiz züchten Ersatzgewebe für Verletzte. Es wirkt wie natürlich nachgewachsen VON FELIX STRAUMANN VALÉRIE JACQUET PIA HEINEMANN edes Tier hat eine Würmer invasionsartig Nische, in der es über den nordamerikaniim Ökosystem schen Kontinent auslebt. Es ist wie ein Beruf, breiten. Sie sind dort eine Lebensaufgabe, der nämlich auf keine Kones in der Gemeinschaft kurrenten gestoßen, da nachgehen muss. Erlenach der letzten Eiszeit digt es seinen Job nicht, so gerät das vor 12.000 Jahren die Bodenwürmer in System aus dem Gleichgewicht. Än- dieser Region fast völlig ausgestorben dert sich die Umwelt, muss sich das sind. Seither hatte sich die Fauna und Lebewesen an diese Bedingungen an- Flora auf ein Leben ohne Würmer einpassen. Kommt ein neues Lebewesen gestellt. ins Ökosystem, das sich nicht in die Die Neuankömmlinge aus Europa vorhandenen Nischen einpassen kann durchwühlen nun den Boden und ver– so kommt es oft zu großen Verände- ändern dessen physikalische und cherungen. mische Eigenschaften. Wegen ihrer Durch die Globalisierung ist das Gänge fließt das Wasser schneller ab, tagtäglich der Fall. Ständig werden Pflanzen, die es feucht lieben, komneue Arten eingeschleppt, ständig än- men in Bedrängnis. dern sich die äußeren Umstände. In Die Würmer ziehen Laub, das norNordamerika waren es Angler, die die malerweise an der Oberfläche zersetzt Natur maßgeblich durcheinander- wird, in ihre Gänge und verändern dabrachten. Sie schleppten Lumbricus durch den Nährstoffgehalt und die terrestris, den europäischen Regen- chemische Zusammensetzung der wurm, in die USA und Kanada ein. Die oberen Bodenschichten. All das stört dortigen Fische bissen gut auf die andere Lebensgemeinschaften im Bofremden, exotischen Würmer. den. Die Forscher berichten im FachDoch die Würmer verschwanden journal „Global Change Biology“, dass nicht alle in den gefräßigen Mäulern die Artenvielfalt der Bodenorganisder Fische, sondern gingen den Ang- men in Nordamerika sich bereits stark lern auch vom Haken. Sie flohen aus verändert hat - wegen der eingeden Köderboxen, gruben sich in die schleppten Regenwürmer. Viele einErde und vermehrten sich. Nun wer- heimische Pflanzen kommen mit den den sie zunehmend zu einem Problem. neuen Bedingungen nicht zurecht. Denn anders als in Europa, wo die Die Regenwurm-Invasion ist wohl Ökosysteme an den Regenwurm ge- nicht zu stoppen. Wie eine Front, so wöhnt sind und ohne ihn starke Pro- die Forscher, schieben sich die Würbleme bekämen, sorgt er in den USA mer mit etwa fünf Metern pro Jahr für große Unruhe. Eine Studie von durch die Wälder. „Die langfristigen Wissenschaftlern des Deutschen Zen- Folgen könnten massiv sein und durch trums für integrative Biodiversitäts- den Klimawandel weiter verstärkt forschung und der Uni Leipzig zeigt werden“, schreibt Studienleiter Nico nun, dass sich die eingeschleppten Eisenhauer. Die Studie ist jetzt abgeschlossen, und die erste Bilanz fällt positiv aus. Wie Meuli berichtete, sind die Hauttransplantate bei fast allen Patienten gut angewachsen. Wundinfektionen seien zudem keine aufgetreten. Kosmetisch und funktionell soll die laborgemachte Haut zu mindestens gleich guten Ergebnissen führen wie herkömmliche Methoden. „Die Resultate sind noch nicht endgültig, aber solide genug“, sagt Meuli. Sie sollen jetzt zur Publikation eingereicht werden. Die Studie ist Teil des internationalen Forschungsprojekts EuroSkinGraft, welches das Kinderkrankenhaus koordiniert und das von der EU gefördert wird. Beteiligt sind dabei neben Meuli auch der Zellbiologe Ernst Reichmann sowie Clemens Schiestl, Leiter des Zentrums für brandverletzte Kinder. Der Abschluss dieser Phase-1-Studie ist für die Forscher ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer verbesserten Behandlung von Patienten mit schweren Verbrennungen oder Hautdefekten. Ihr Ziel Besteht zu 100 Prozent aus eigenen Zellen: die Ersatzhaut ist es, das in Zürich entwickelte Verfahren routinemäßig in der Klinik einzusetzen. Falls dies gelingt, könnten insbesondere die jährlich 70 Verbrennungsopfer profitieren, die am Kinderspital mit schweren Verletzungen behandelt werden. Bereits seit 2001 arbeiten die Zürcher Forscher und Chirurgen an der Herstellung einer im Labor gezüchteten Haut. Die nun geprüfte Haut nennen sie „denovoSkin“. „Sie besteht zu 100 Prozent aus Zellen der jeweiligen Patienten und gehört ihnen sozusagen“, sagt Ernst Reichmann, der die Tissue Biology Research Unit leitet. Die Besonderheit von „denovoSkin“: Sie ist aus zwei Schich- ten zusammengesetzt, welche der natürlichen Haut entsprechen. Die Forscher verwenden dafür Zellen der Oberund der Unterhaut, die sie aus einem briefmarkengroßen Stück unverletzter Haut der Patienten entnehmen. Diese Zellen bringen sie mit speziellem Gel aus Kollagen zusammen und lassen sie sich vermehren. In drei bis vier Wochen kann das Team um Reichmann Ersatzhautstücke von sieben mal sieben Zentimeter Fläche und einem Millimeter Dicke herstellen. Die Hoffnung ist, dass die Ersatzhaut besser einheilt und dadurch weniger vernarbtes Gewebe entsteht als bei zurzeit üblichen Verfahren. Zudem möchten die Forscher künftig größere Flächen aus kleinen Hautproben produzieren. Heute wird bei schweren Verbrennungen von nicht betroffenen Körperstellen oberflächlich Haut entnommen. Bei solchen Patienten sind aber oft nur wenige unversehrte Areale vorhanden. Zudem vernarbt die transplantierte Haut. „Verbrennungschirurgie hat viel mit Demut zu tun“, sagt Clemens Schiestl. Es sei belastend, dass alles, was man mache, um das betroffene Kind zu retten, Narben hinterlasse. Für ihn ist die Hoffnung wichtig, dank der Forschung irgendwann aus dem Dilemma herauszukommen. Die Zürcher sind nicht die Einzigen, die an einer zweischichtigen Haut aus körpereigenen Zellen forschen. Bereits 1999 führte ein amerikanisches Forschungsteam in Cincinnati eine erste Studie mit Patienten durch. Doch ist es den Forschern bisher nicht gelungen, das Verfahren so weit zu entwickeln, dass es im größeren Stil in der Klinik angewandt werden könnte. Offenbar auch wegen strenger Auflagen der USArzneimittelbehörde FDA. Ein anderes Team, das ähnlich weit wie die Zürcher sei, befindet sich in Kanada. Die Forscher um Reichmann, Meuli und Schiestl machen unbeirrt weiter. Nachdem sie in der Phase-1-Studie gezeigt haben, dass „denovoSkin“ für die Patienten sicher ist, müssen sie nun in größeren Studien den Nutzen der Therapie testen. Dabei sind unter anderem die regulatorischen Anforderungen von Swissmedic und der Ethikkommission eine Herausforderung. Bereits bei der ersten Studie füllte das Team 15 Ordner. „Langsam wissen wir, wie es geht“, sagt Meuli. Aber sie wollen noch mehr. So sind sie zusammen mit der ETH dabei, die Herstellung der Ersatzhaut zu automatisieren. Und sie möchten ihr Verfahren kommerzialisieren und künftig Krankenhäusern weltweit anbieten. Ein entsprechendes Spin-offUnternehmen haben sie bereits gegründet. Parallel dazu geht es auch im Labor weiter. Dort experimentieren die Forscher mit verbesserter Ersatzhaut, die zusätzlich über Blutgefäße und Pigmente verfügt. Eine große Hürde ist die Finanzierung. Rund 25 Millionen Franken (23 Mio. Euro) haben die Zürcher bis jetzt verbraucht. Davon stammen sieben Millionen für die erste klinische Studie von der EU. Weiteres Geld kommt von der Universität Zürich, dem neuen Wyss Translational Center sowie der Fondation Gaydoul und weiteren privaten Sponsoren. „Wir haben großzügige Unterstützer, leider reichen die Mittel trotzdem nicht“, sagt Meuli. In Kooperation mit dem „Tagesanzeiger“, Schweiz. „Noahs Arche wird nie gefunden“ Der Archäologe Erich Cline entzaubert in seinem neuen Buch beliebte Geschichten aus der Bibel D ie Suche nach der Arche Noah? Aussichtslos. Joshuas Attacke auf Jericho? Ein Mythos. Die Zehn Gebote? Hatten historische Vorläufer. Und der Exodus des Volkes Israel aus Ägypten? Hat so wohl nie stattgefunden. In seinem Buch „Warum die Arche nie gefunden wird“ analysiert der US-Archäologe Eric Cline beliebte Erzählungen aus der Bibel – und weist Interpretationen frei nach dem Bestseller „Und die Bibel hat doch recht“ zurück. Cline wehrt sich gegen selbst ernannte Experten, die behaupten, sie hätten die Arche Noah am Berg Ararat entdeckt oder die verlorene Bundeslade gefun- den. „Es ist höchste Zeit für professionelle Archäologen, Althistoriker und etablierte Bibelkundler, ihr von Pseudowissenschaftlern besetztes Terrain zurückzuerobern“, sagt er. Die Bibel müsse wie jede andere antike Quelle behandelt werden: als ein Text, der „analysiert werden muss“. Die Forschung sei sich weitgehend einig, dass das Alte Testament aus vielen Quellen zusammengefügt wurde, von denen „die ältesten auf das 9. oder 10. und die jüngsten auf das 6. oder 5. Jahrhundert vor Christus zurückgehen“, so Cline. Einen historischen Kern billigt er der Erzählung vom Turmbau von Babel zu. Die biblische Beschreibung passe zu archäologischen Überresten von religiösen Bauten in Babylon, Uruk und Ur. Religiös und politisch heikel sind Clines Anfragen an die Erzählungen vom Exodus Israels und von Joshuas Heldentaten – schließlich zählen sie zu den Gründungsmythen des Staates Israel. Widersprüche sieht er bei biblischen Zahlen. Dass „sechshunderttausend Mann zu Fuß“ Ägypten verließen, sei unvorstellbar. Insgesamt wären dann mit Frauen und Kindern 2,5 Millionen Menschen 40 Jahre durch die Wüste gezogen. Denkbar sei, dass der Exodus ein Prozess war, der sich über Jahrhunderte erstreckte. Möglich auch, dass der Auszug aus Ägypten von Bibelautoren während des babylonischen Exils erfunden wurde. Archäologische Hinweise aber gebe es nicht. Ähnliches bei den Eroberungen Jerichos und Kanaans: Archäologen hätten nachgewiesen, dass „die Städte, von denen die Bibel sagt, sie seien von Israeliten zerstört worden, zu jener Zeit nicht zerstört wurden oder nicht bewohnt waren, während Zerstörungen anderer Stätten in der Bibel fehlen“, sagt er. „Unsere Daten lassen die biblische Darstellung der Eroberung von Kanaan nicht glaubwürdig erscheinen.“ WISSENSCHAFTSREDAKTION: TELEFON: 030 – 2591 719 50 | E-MAIL: [email protected] | INTERNET: WELT.DE/WISSENSCHAFT + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd FEUILLETON R MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 KOMPAKT KUNST Christoph Graf Douglas ist tot Der wichtigste Kunstberater Deutschlands, Christoph Graf Douglas, ist überraschend im Alter von 68 Jahren gestorben. Egal ob auf der großen Bühne als Auktionator bei den historischen Versteigerungen der Adelsgeschlechter Thurn und Taxis, den Welfen oder dem Hause Baden oder in seiner stärksten Rolle als Strippenzieher im Hintergrund, Graf Douglas blieb immer seiner Rolle treu: des Vermittlers. Er brachte alle an einen Tisch, die europäischen Adelshäuser und den deutschen Staat, wenn es zum Beispiel um den Ankauf der HumboldtTagebücher oder um Casanovas Erinnerungen ging. Und so haben wir nicht selten ihm den gerechten Verbleib einiger der wichtigsten Kulturschätze in Deutschland zu verdanken. KINO Serienmörder Honka interessiert Fatih Akin Fatih Akin will die Geschichte des Frauenserienmörders Fritz Honka auf die Leinwand bringen. „Mein übernächstes Projekt wird wieder eine Literaturverfilmung: ,Der goldene Handschuh‘ von Heinz Strunk“, sagte der Regisseur in der „NDR Talk Show“. Es ist eine halb dokumentarische, halb fiktive Erzählung über Honka (1935–1998), der in der Hamburger Kiezkneipe „Zum Goldenen Handschuh“ seine Opfer fand. Bevor sich Akin damit befasst, dreht er von Oktober bis Dezember diesen Jahres mit Diane Kruger in Hamburg das Zeitdrama „Aus dem Nichts“, worin es um gesellschaftliche Ablehnung, die linksradikale Szene und ein geplantes Attentat geht. POLITIK Grütters: Fonds für Kauf nationaler Kunst Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat sich für einen Fonds zum Ankauf national wertvoller Kunst ausgesprochen. Anlass für den Vorstoß ist das neue Kulturgutschutzgesetz, das besonders bedeutende Werke vor der Abwanderung ins Ausland schützen soll. „Ich könnte mir vorstellen, dass der Bund mit 20 Millionen Euro einen Grundstock finanziert. Die Wirtschaft könnte dann über eine Art Beirat abgeflossene Gelder immer wieder auch von der privaten Seite einwerben.“ Die Abwicklung sollte laut Grütters über die Kulturstiftung der Länder laufen. AUSZEICHNUNG „Bibliothek des Jahres“ ist in Hilden Der Deutsche Bibliotheksverband zeichnet die Stadtbücherei Hilden als „Bibliothek des Jahres 2016“ aus. Die Preisjury lobte die Investitionen der Stadt Hilden in das „exzellente“ Bibliotheksangebot als „zukunftsweisend und beispielhaft, da sie dazu dienen, den sozialen Zusammenhalt zu fördern“. VOLKSMUSIK „Schnulzenkönig“ Erich Storz gestorben Der Schlagersänger und Musikverleger Erich Storz ist mit 88 Jahren in Bad Sachsa im Harz gestorben. Einen seiner größten Hits hatte er mit dem 1956 komponierten Lied „Die kleine Bimmelbahn“. Es schaffte es als „The Little Train“ sogar in die US-Charts. Storz wurde als „Schnulzenkönig“ bekannt. Zu seinen Erfolgen zählten auch „Köhlerliesel“ und „Hohe Tannen“. SEITE 25 * otes Linoleum, steile Treppen, eiserne Umgänge, Schiebetüren, grobe Wände, eine Fahrbrücke. Könnte eine Justizvollzugsanstalt sein. Ist es aber nicht. Genauso wenig, wie das dafür von seiner Fassade her viel zu noble Gebäude aus dem 18. Jahrhundert stammt. Beides ist DDR-Architektur der Fünfziger. Außen ist es immer noch die historistisch gefälschte Rückseite des Funktionsgebäudes der Berliner Staatsoper an der Französischen Straße, innen war es einmal hochmodisches Kulissenlager, dessen Mechanik freilich schon lange nicht mehr funktionierte. VON MANUEL BRUG Und jetzt ist es „eine private Hochschule mit Konzertsaal, die vom Bund finanziert wird, aber dem Berliner Hochschulgesetz unterliegt“. So präzisiert es Michael Naumann in seinem neuen, nüchternen, noch nicht ganz fertig eingerichteten, aber ebenfalls mit rotem Linoleum ausgelegten Büro. Der 74-Jährige war bereits Journalist, Publizist, Verleger, Herausgeber – und erster deutscher Kulturstaatsminister. Und jetzt ist er, obwohl er sich bis vor Kurzem gar nicht so sehr für Klassik begeistern konnte, inzwischen aber stundenlang vor dem Fernseher alte Konzertmitschnitte genießt, der Gründungsdirektor der dritten Berliner Musikhochschule, aber einer besonderen: der Barenboim-Said-Akademie. Naumann und die Akademie residieren links, in den 21 von dem Architekturbüro hg merz gestalteten Büros und Probenräumen, die teilweise als akustisch abgekapselte Kisten in den hohen Räumen mit den extrem dicken Wänden liegen. Einst rumpelten mittels eines komplizierten Rollensystems die Container mit den Bühnenbildern da rein. Jetzt wird hier verwaltet, doziert, geübt. Rechts aber geht es in den PierreBoulez-Saal. Hell ist es hier, der Denkmalschutz hat die vielen verdunkelbaren Fenster bewahrt, durch die tagsüber die Stadt hineinreflektiert, die darin bald Probenden und Spielenden zwar geräuschisoliert, aber trotzdem am alltäglichen Leben teilhaben lässt. Man geht hinunter ins Parkett, dessen einziehbare Sitzsegmente noch nicht installiert sind. Darüber schwebt, als konzentrisch verwobene Doppelellipse aus Stahl, der Rang. Alles geht hier. Musikalisch. Und es war, abgesehen von den Baukosten, umsonst. Ein Geschenk. Architekturguru Frank Gehry hat es aus Freundschaft für die Musikhöhenflüge von 620 Zuhörern designt. Seine sonst gern egozentrisch dekonstruktivistischen Gedankenflüge musste er freilich dem streng rational vorgehenden Akustikgenie Yasuhisa Toyota unterordnen. Beide haben etwa die futuristische Walt Disney Hall in Los Angeles zu verantworten. Und jetzt also bekommt Berlin neben der weltberühmten Scharoun-Philharmonie, seit über 50 Jahren leuchtender Prototyp eines modernen, demokratischen Konzertsaals, ein weiteres, wegweisend multifunktionales Auditorium, in dem beinahe jede Art von Musik möglich scheint. Und genau dieser Pierre-Boulez-Saal wird es jetzt wohl sein, der diesem so visionären wie riskanten Unternehmen namens Barenboim-Said-Akademie in der Öffentlichkeit zu einer breiteren Akzeptanz verhelfen wird. Denn ihre Genese ist so verschlungen wie von einem Netz persönlicher Sympathie und Gutmenschentum begleitet. Mit diesem Saal aber offeriert sie dem Musikleben der Hauptstadt mit ihren allein sieben großen Orchestern genau das, was ihr noch fehlte: ein zentraler, hochmoderner flexibler Spielort mittlerer Größe. Denn der Kammermusiksaal der Philharmonie hat über 1000 Plätze, die beiden kleinen Säle des nahen Konzerthauses am Gendarmenmarkt fassen höchstens 350 Besucher. In der Französischen Straße aber wird künftig von der Barocksonate bis zum allerneusten elektroakustischen Klangkunststück alles möglich sein. In einem Gebäude, das auch der nebenan überteuert sanierten Staatsoper zugute kommen sollte. Das wegen der dortigen Kostenexplosion das Land Berlin und die Opernstiftung aber zur Hälfte in Erbpacht für einen Euro pro Jahr (der wirklich überwiesen wird) für 99 Jahre dem sofort zugreifenden Barenboim-Unternehmen zur Verfügung gestellt haben. Michael Naumann kann es, obwohl er bei der Verwirklichung wesentlich daran mitgestrickt, genetz- FRANK GEHRY ASSOCIATES DIE WELT Neue Serie Silke Bodenbender löst ungelöste Fälle Seite 26 Nächsten März wird hier der Konzertbetrieb aufgenommen: Ein Modell des Boulez-Saals auf der Rückseite der Staatsoper Die schöne, teure UTOPIE Berlin, freue dich! Der von Frank Gehry entworfene neue Boulez-Saal der Barenboim-Said-Akademie stellt heute sein Programm vor. Der Staat finanziert hier einen privaten Verein Projekt begonnen hatte: ein weiterer Jugendorchester-Campus, aber, weil vor allem von Daniel Barenboim angeschoben, mit weitreichender Botschaft. Das von ihm und seinem mittlerweile verstorbenen Philosophenfreund Edward Said im Goethe-Geist gegründete West-Eastern Divan Orchestra. Das ist von Thüringen durch die Festival- und Konzertsaalwelt gewandert, wurde mal vom Chicago Symphony unterstützt, dann wieder von Andalusien; gegenwärtig wird es auch mit argentinischem Fördergeld finanziert. Der Klangkörper ist in die Jahre gekommen, ist längst kein sich ständig austauschendes, wirkliches Jugendorchester mehr. Barenboims Sohn Michael amtiert als ständiger Konzertmeister, ein Großteil sind spanische Musiker. Bei wichtigen Konzerten spielen auch mal Edelaushilfen der Berliner Staatskapelle und Philharmoniker mit. Inzwischen gibt es aber drei Barenboim-Babys: neben dem Orchester die Daniel-Barenboim-Stiftung, welche die Barenboim-Said-Akademie als GmbH betreibt und seit 2005 den Berliner Musikkindergarten, der eigentlich auf dem Akademiedach eine neue Heimat finden sollte; was aus statischen und monetären Gründen aber nicht geschah. So bleibt der mittelalte Bau mit dem neuen Innenleben den etwas älteren Semestern vorbehalten. Ein Pilotprogramm hat 2015 begonnen, jetzt wird der Lehrbetrieb mit neuen Studenten und mit von Barenboim, der auch selbst unterrichten wird, ausgewähltem Dekan und Professoren hochgefahren. Heute aber wird das vorgestellt, was die Allgemeinheit wirklich begeistern soll: das Programm des Boulez-Saals, der nach einer Einspielphase am 4. März 2017 eröffnet werden wird. Ab heute können auch bereits über Boulezsaal.de die Tickets gebucht werden. Ole Baekhoej, der neue Intendant des Saales, hat vorher das Dänische Rundfunkorchester und das Mahler Chamber Orchestra geleitet, jetzt hat er bereits 100 Veranstaltungen für die erste Rumpfsaison disponiert. Hier werden Studenten spielen, aber auch das gemeinsam aus Akademisten und Divan-Musikern geformte Boulez-Ensemble. Die Staatskapelle hat pro Spielzeit ein Anrecht auf sieben Abende, die sie mit Barenboim zunächst mit Schubert-Sinfonien füllt. Das Konzerthaus konzipiert eine Reihe, und natürlich soll und muss der Saal auch vermietet werden, für nicht musikalische Veranstaltungen inklusive. „Natürlich rechnen wir im laufenden Konzertbetrieb mit kleineren Verlusten“, sagt Michael Naumann. „Die können wir auffangen. Wichtig ist es Daniel Barenboim und dem Intendanten Ole Baekhoej, künstlerisch etwas riskieren zu können. Dafür sind wir neben dem Akademiebetrieb schließlich auch für die Öffentlichkeit da.“ ANZEIGE werkt und all seine Verbindungen hat spielen lassen, immer noch nicht ganz glauben, was hier jetzt ab Herbst vom akademischen Stapel geht: „Das war der Prototyp einer Public-private-Partnership, aber jetzt begeben wir uns in die Obhut des Deutschen Staates. Als gemeinnützige GmbH. Ja, das dürfte einmalig sein. Bei Vollbelegung mit 90 Stipendiaten kostet das etwa 7 Millionen jährlich.“ Damit ist die Zahl für den Betrieb von Akademie plus Saal auf dem Tisch. Man kann sich darüber einfach nur freuen, über diese so unerwartete wie unübliche Großzügigkeit gegenüber der Kultur. Oder man kann das als ewig weiterreichend schlechtes deutsches Gewissen deuten, dass der deutsche Staat über 70 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus die Akademie eines weltberühmten, inzwischen stark mit Berlin assoziierten jüdischen Dirigenten finanziert, die eben in Berlin israelische, palästinensische, syrische, jordanische und ägyptische Musiker ausbildet und zusammenbringt. Eine schöne Utopie fürwahr, aber keine ganz billige. Braucht es die überhaupt? Ja, man wolle so den Friedensprozess im Nahen Osten begleiten, kommt es etwas pastorentöchterhaft von Naumanns Nachfolgerin als Kulturstaatsministerin, Monika Grütters. Natürlich ist auch sie schnell in dieses Musikboot eingestiegen – mit viel Geld, es liegt ganz auf ihrer inhaltlichen wie ideellen Linie. Michael Naumann nennt die Zahlen: „20 Millionen hat der von unserer Mission überzeugte Haushaltsausschuss via Bundeskulturministerium zugestanden. Mit 32 Millionen Euro Baukosten sind wir rund 1,5 Millionen teurer als geplant geworden, das ist größtenteils den Preissteigerungen geschuldet. Eine gute Million davon muss ich noch finanzieren.“ Was er zu schaffen gedenkt. Naumann macht aber auch unbedingt klar, dass hier wirklich nur Spitzenförderung bedient wird, allen aktuellen Umständen in der Heimat der Erwählten zum Trotz: „Ich bin überrascht, wie hoch das Niveau der Bewerber ist. Ja, trotz der politischen Situation in diesen Ländern wird dort kontinuierlich unterrichtet, gibt es genug Musikstudenten, die es wert sind, bei uns den letzten Exzellenzschliff zu bekommen. Wir werden das Projekt übrigens in Kürze auch auf die Türkei erweitern.“ Und somit wird hier jetzt mitten in Berlin gebaute und bezahlte, vor allem aber erweiterte Realität, was 1999 in Weimar als ein saisonales Good-Will- 7 Tage Orient ab Dubai ab 999 € * p. P. Aktionsangebot inkl. Flug und 50 € Bordguthaben* Buchen Sie jetzt: Reisebüro • AIDA Kundencenter +49 (0) 381/ 20 27 07 07 • www.aida.de * AIDA Pauschal Angebot inkl. Bordguthaben und Flug ab / bis ausgewählten deutschen Flughäfen; Preis bei 2er-Belegung (Innenkabine) und nur bei Neubuchung vom 06.09. bis 17.10.2016, basierend auf AIDA VARIO Konditionen. Das Bordguthaben gilt pro Kabine (2er-Belegung), ist nicht übertragbar oder mit anderen AIDA Aktionen oder Sondertarifen kombinierbar. Jeweils limitiertes Kontingent. Es gilt der aktuelle AIDA Katalog inkl. der Reisebestimmungen. AIDA Cruises • German Branch of Costa Crociere S. p. A. • Am Strande 3 d • 18055 Rostock FEUILLETON-REDAKTION: TELEFON: 030 – 2591 71966 | FAX: 030 – 2591 71962 | E-MAIL: [email protected] | INTERNET: WELT.DE/KULTUR + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd 26 FEUILLETON DIE WELT MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 der Liebhaber der Toten von der Lichtung, jagt einen Mann durch die Berliner U-Bahn. Der war – Rückblende – bei der Jagd in Wandlitz dabei. Lotte Jäger liegt in der Sonne. Handgemenge auf der Treppe hoch zum Alexanderplatz. Der Verfolger fällt auf den Kopf. Der alte Mann entkommt. Die Geschichte geht richtig los. Der Verfolger, der deswegen dankenswerterweise im Koma liegt, damit er keine Auskunft geben kann und Lotte Jäger auf den Plan ruft (das ist die dünne Stelle Fall zu einer ganz besonderen Authentizität. Wenn Andreas Schmidt-Schaller, der sich und seine IM-Tätigkeit auf mustergültige Weise selbst in „Soko Leipzig“ gespielt und öffentlich verarbeitet hat, den Oberwendehals gibt, der schon 1988, als sich der Todesfall von Hubertushof ereignet und die DDR schon tot war, ohne dass sie es wusste, wenn also Schmidt-Schaller seinen Stasi-Obervertuschungsoffizier in allen Farben der Geschmeidigkeit leuchten lässt, dann ist allein das schon mehrere Monate GEZ-Gebühren wert. Immer wieder schneidet Sherry Hormann zurück in die in allen Beteiligten noch sehr lebendige Geschichte. Birgit Wachowiak, das Opfer, bezirzt sie noch aus der Erinnerung alle. Es war ein großer Sommer. Isolda Dychauk, die mal Lucrezia Borgia war im Fernsehen und Gretchen im fabelhaften Faust-Film des russischen Obermystagogen Alexander Sokurow, spukt in ihrer mädchenhaften Sinnlichkeit sichtbar im Film, unsichtbar in den teilweise schon trüben Hirnen der Zeugen herum. Silke Bodenbender bringt sie auch damit zum Sprechen, dass sie mit genau dieser Sinnlichkeit spielt, als wäre sie Birgit, die nie Gestorbene. Es wird viel geredet in „Lotte Jäger“, es wird viel erklärt. Hin und wieder merkt man die Anstrengung zur Vergegenwärtigung. Die Geschichte von Rolf Basedow weiß wieder viel zu viel, was man aber nicht merkt, weil er dieses Wissen elegant in Andeutungen, in erzählerische Nebenarme leitet, die Geschichte wird trotzdem lebendig. Wird leicht und sinnlich und so dringlich wie traurig. Vergisst man ja gerade gern, was war vor nicht viel mehr als einem Vierteljahrhundert. Wird undankbar über die Freiheit von einem System, das mehr als auf allem andren auf Vergessen, Verdrängen, Duckmäusertum beruhte. Ein System, dessen Kindheitsmuster bis heute gültig sind. Hier wird Helene Fischer nicht so oft gewinnen W as dabei herauskommt, ist die Wahrheit.“ Dieser Satz muss wahrscheinlich dem euphorischen Überschwang zugerechnet werden, als er vergangenen Freitag bei der ersten Verleihung des Preises für Popkultur fiel. Noch vor dem offiziellen Beginn begrüßten die Veranstalter ihre geladenen Gäste auf der Terrasse der Berliner Veranstaltungshalle Tempodrom. Zu Sekt und belegten Broten erklärten die Vorstandsmitglieder des extra dafür gegründeten Vereins, warum gerade ihre Trophäen der Popmusik hierzulande noch fehlen würden. Ernster und nachdrücklicher als den Satz mit der Wahrheit sagten sie dabei Wörter wie: „basisdemokratisch“, „fair“ und „transparent“. Das klingt gut, hätte von den Wahlkampfplakaten, die die Straßen vor der Halle zieren, stammen können und ist gleichzeitig grundfalsch. VON FELIX ZWINZSCHER DPA / BRITTA PEDERSEN Deutschland hat bereits einen großen Preis für Popmusik, nämlich den Echo. Jedes Jahr wird er im Rahmen einer nicht enden wollenden Show präsentiert, bei der Barbara Schöneberger flache Altfrauenwitze reißt, vergessene in- Symbolische Schallplatte: Ferris MC nimmt den Preis für Popkultur für seine Band Deichkind entgegen ternationale Künstler auftreten und am Ende Helene Fischer alle Preise bekommt. Gern stilisiert sich der Echo zum deutschen Grammy hoch, was natürlich völliger Blödsinn ist. Während die Grammy-Gewinner von einer Jury ausgewählt werden, richtet sich der Echo ganz schnöde nach Verkaufszahlen. Wer also in einer der frei erfundenen Kategorien (zum Beispiel „Musik-DVD/BluRay National“) die meisten Produkte verkauft hat, der bekommt einen Echo. Wenn Anne Haffmans, die einzige Frau im Vorstand des Preises für Popkultur, nun in die laue Berliner Sommerluft sagt: „Wir wollen uns nicht in Opposition zu anderen Preisen setzen“, dann wissen alle Anwesenden Bescheid, welcher Preis da gemeint ist und dass das Gegenteil dieses Satzes gilt, zumindest wenn es künftig um die Frage der Bedeutsamkeit geht. Natürlich ist der Preis für Popkultur, der hoffentlich nie einen fetzigen Spitznamen bekommt, der Gegenentwurf zum Echo. Wäre er es nicht, müsste Helene Fischer eine dritte Trophäenkammer in ihrer Wohnung einrichten. Statt Verkaufszahlen entscheidet hier eine Jury, ähnlich wie beim Grammy. Mitglied dieser Jury können alle werden, deren Arbeit im weitesten Sinne mit Popmusik zu tun hat – Produzenten, Musiker, Journalisten – und die für 60 Euro im Jahr dem dazugehörigen Verein beitreten. Ist das fair, transparent und basisdemokratisch? Eher nicht. Der Echo ist da wesentlich demokratischer. Er bildet ab, welche Musik und welche Künstler die meisten Leute in Deutschland kaufen (immer mit der Einschränkung: Wer erhebt diese Zahlen und wie?). Klingt eigentlich ziemlich fair. Dass das Ergebnis vielen vermeintlichen Experten auf dem Gebiet nicht gefällt, ist ein grundlegendes Problem der Basisdemokratie. Trotzdem spricht das nicht gegen den Preis für Popkultur. Im Gegenteil. Beim Echo würden die Berliner Anarcho-Rapper von K.I.Z, die Sängerinnen von BOY oder DJ Koze nicht mal in Rufweite einer Auszeichnung kommen, eben weil mehr Menschen ihr Geld für Pur und Frei.Wild ausgeben. Darüber mag man denken, was man will. Der Preis für Popkultur belohnt nun unter Umständen bessere, sicher aber Künstler, die eine wesentlich kleinere Fangemeinde haben, ganz diktatorisch von der Kanzel einer Fachjury herunter. Und das ist so wunderbar wie notwendig. So wurden zum Beispiel Moderat zur „Lieblingsband“, Caspers „Lang lebe der Tod“ zum „Lieblingslied“ und Drangsal zum „Hoffnungsvollsten Newcomer“ gekürt. Das sind alles streitbare Ergebnisse. So gab es kaum weibliche Gewinner und ob Drangsal, eine kuriose Erscheinung zwischen Max Raabe und Marilyn Manson, die beste Wahl war, naja. Aber eben weil eine Expertenjury entscheidet, hat der Preis schon jetzt einen höheren Stellenwert. Und zur Not kennen jetzt all jene, die die Liste der Nominierten gelesen haben, die großartige Band Von Wegen Lisbeth. Und alle, die bei der Verleihung in Berlin dabei waren, wissen jetzt, dass der ehemalige Sänger von Die Antwort, Bernd Begemann, das Indie-Äquivalent zur Echo-Moderatorin Barbara Schöneberger ist. Die Veranstalter des Preises für Popkultur müssen aber aufpassen, dass sie nicht den gleichen Fehler begehen wie der Echo: sich vermarkten als etwas, was sie nicht sind. Der Echo ist kein Expertenpreis, sondern ein Marktpreis. Und der Preis für Popkultur ist auch bei einer Jury mit 400 Mitgliedern noch kein großes demokratisches Projekt. Das macht ihn allerdings kein bisschen schlechter, denn Musik sollte sich ja auch nicht nach gesellschaftlichen Mehrheiten richten. ANZEIGE ZDF UND HANS-JOACHIM PFEIFFER „Preis für Popkultur“ zum ersten Mal verliehen D Tanzen für die Diplomatenjäger: Anna Maria Mühe (r.) und Isolda Dychauk ass das Vergangene nicht nur nicht tot, sondern noch nicht einmal vergangen ist, wie es Silke Bodenbender als Kriminalkommissarin Lotte Jäger einem besonders perfiden Beispiel unvergangener deutscher Vergangenheit ins Gesicht sagt im ersten von hoffentlich einer ganzen Serie von „Lotte Jäger“-Kriminalfilmen, das wusste als Erster William Faulkner. Na ja, geahnt haben das wahrscheinlich vorher auch schon ziemlich viele. Aufgeschrieben hat das aber keiner, bis es Faulkner in „Requiem für eine Nonne“ tat. VON ELMAR KREKELER Dann hat Christa Wolf den Satz geklaut. Und damit – 40 Jahre ist das her – einen Roman begonnen, der von einer Jugend im Dritten Reich handelt und davon, wie die Zurichtung einer Familie in einem Verbrecherregime deren Leben auch nach Ende des Regimes bestimmt. Fritz J. Raddatz hat damals geschrieben, Wolfs Roman handele von der Suche nach einer verdrängten Zeit, davon, dass eine Gegenwart nur gelingen kann, wenn „Erinnerung begriffen wird als Ausforschung von Gewissen“. Das mit der Vergangenheit und ihrer seltsamen Unsterblichkeit ist Geschäftsgrundlage eines ganzen Genres von Kriminalfilmen, deren Ursprung die Serie „Cold Case“ gewesen sein dürfte. In beinahe jedem Land, das kriminalerzählerisch einigermaßen was auf sich hält und seiner Geschichte misstraut, schossen Ermittlerteams aus dem Boden, die sich liegen gebliebener Mordfälle (Mord muss es sein, weil Mord in den meisten Ländern nicht verjährt) annehmen. Das heißt, meistens schossen sie nicht aus, sondern in den Boden, denn ganz gern und natürlich symbolhaft hausen die Detektive der Vergangenheit wenigstens im Souterrain ihrer Kriminaldezernate, häufiger noch in dunklen Kellern, finstere Gestalten ohnehin, ausgebrannt gern, abgehalftert, nicht zurechnungsfähig. Lotte Jäger ist auch so eine. Zwölf Jahre Mordkommission. Sie kann keine To- ten mehr sehen. Sie kann gar nicht viel sehen, als wir sie zum ersten Mal sehen, liegt sie mit Sonnenbrille im Garten des Hauses, das sie von ihrer Mutter geerbt hat. Da kommen die Toten, sie sind lange tot, und holen sie in ihre Vergangenheit, die schön war und schrecklich. Eine Vergangenheit, die 27 Jahre nicht vergangen ist. Und zwingen Lotte Jäger dazu, sich zu erinnern, ihr Gewissen auszuforschen. Der Film ist ja wie keine andere erzählerische Kunstform in der Lage, gerade das Nichtvergangene sichtbar zu machen, Das Vergangene zum Reden bringen In der neuen ZDF-Serie „Lotte Jäger“ forscht Silke Bodenbender ungeklärten Fällen nach das Überkragen der Erinnerung in die Gegenwart, durch einfache Schnitte, Gegenerzählungen. Sherry Hormann nimmt das alles, nutzt das alles und macht in ihrer Verfilmung des Drehbuchs von Rolf Basedow, dem Zentralautor von Dominik Graf, ein schillerndes Zeitgeschichtsdrama. Wir sehen eine Frau durch einen Wald jagen. Sie ist schön. Sie ist jung. Männer mit Gewehren legen an. Schüsse fallen. Es ist der Sommer des Jahres 1988. Eine Lichtung. Der Hirsch ist tot. Die Frau liegt in den Armen ihres Geliebten. Die Strecke wird verblasen. Es ist Diplomatenjagd auf Schloss Hubertushof, wo Schmidt war und Strauss und Honecker am Abend vor dem Mauerfall sein letztes Stück kapitales Rotwild geschossen hat. Es wird gesoffen. Männerrituale. Zwei Mädchen, viele Kerle. Von der Partei, der Partei wird gesungen, und vom Kampf gegen Lüge und Ausbeuterei. Ein paar Stunden später liegt die Frau tot im Wald. Blende. 27 Jahre später. Ein Mann, er ist in der Dramaturgie des großartigen Films), hat anderthalb Jahrzehnte im DDR-Knast gesessen für einen Mord, den er nicht begangen hat. Seine Geliebte soll er getötet haben. Lotte Jäger, die aus dem Westen kommt, das ist wichtig, glaubt das nicht. Der Rest des Films ist Klinkenputzen am Haus der Erinnerung. Lotte Jäger fährt mit ihrem dunkelgoldenen Peugeot Cabrio einen Zeugen nach dem andern ab. Das klingt jetzt schrecklich. Wird es aber nicht. Weil Basedow, dieser akribische Rechercheur, der Mann, der gern mal zu viel weiß über Orte, Zeiten und Figuren, seine staunende Detektivin an immer neuen Aggregatzuständen des Vergessens, der Verdrängung, des Schönredens vorbeilotst. Dass Hormann sämtliche Nomenklaturarollen mit Schauspielern mit DDR-, manchmal mit Stasi-Vergangenheit besetzt hat und sie auf Westschauspieler prallen lässt, verhilft Lotte Jägers erstem KULTURTIPP T Lotte Jäger und das tote Mädchen: ZDF, heute Montag, 20.15 Uhr Es lebe das Kino der Verlangsamung A Venedig gibt den Goldenen Löwen an die Philippinen und der Deutschen Paula Beer den Nachwuchspreis FILMFESTSPIELE VENEDIG m Freitagabend um Viertel nach sieben hatte die 73 Filmbiennale von Venedig nach einer Woche der Enttäuschungen doch noch einen Kandidaten für den Goldenen Löwen: „Ang Babaeng Humayo“ (frei übersetzt: „Die Frau, die ging“), den mit dreidreiviertel Stunden außergewöhnlich kurzen neuen Film des philippinischen Regisseurs Lav Diaz. VON HANNS-GEORG RODEK NEU ABGEMISCHT & DIGITAL REMASTERED THE BEATLES LIVE AT THE HOLLYWOOD BOWL JETZT ERHÄLTLICH ALS CD, DOWNLOAD & STREAMING AB 15. SEPTEMBER IM KINO. NUR FÜR KURZE ZEIT. Beste Nachwuchsschauspielerin: Paula Beer in „Frantz“ Eine der ungeschriebenen Regeln großer Festivals lautet: Ein Regisseur gewinnt nicht mit dem ersten Film, so gut der auch sein mag, den Hauptpreis. Denn auch bei Festivals existiert die Praxis des Hochdienens: Diesmal noch nicht, aber wenn seine nächsten Filme ebenso gut sind, reden wir wieder. Lav Diaz, inzwischen 57, dreht seit 20 Jahren. Seinen ersten internationalen Preis gewann er 2002 in Brüssel, in Venedig holte er 2008 den Nachwuchspreis der Sektion Orizzonti, in Toronto vier Jahre später den On Screen Award, aus Locarno nahm er 2014 den Goldenen Leoparden mit und auf der Berlinale gab man im Februar seinem „Schlaflied für ein trauriges Geheimnis“ den Silbernen Bären, der für neue Perspektiven der Filmkunst verliehen wird. Diaz war, mit anderen Worten, reif für eine Haupttrophäe bei einem der großen drei, in Cannes, Berlin oder Venedig. Die Venedig-Jury, die fast das gesamte Festival über keinerlei Perspektiven für die Filmkunst zu sehen bekommen hatte, setzte mit dem Goldenen Löwen für „Die Frau, die ging“ ein doppeltes Signal: Sie überreichte Diaz die Mitgliedskarte für den fiktiven Klub der globalen Filmemacher (zu dem Almodóvar, von Trier, Scorsese, Haneke, Malick, Weerasethakul und Ähnliche gehören) und sie belohnte den Extremisten des Kinos der Verlangsamung. Lav Diaz ist für das Kino, was die Slow-Food-Bewegung fürs Essen darstellt: der radikale Gegenentwurf zum Konsumismus eines YouTube-Videos oder einer in Dreiviertelstundenhappen portionierten Serie. Schon sein erster Film dauerte länger als fünf Stunden, sein Berlinale-Beitrag brachte es auf gut acht; da ist „Die Frau, die ging“ mit ihren knapp vier Stunden dagegen geradezu ein Kurzfilm. Darin verlegt Lav Diaz Tolstois Erzählung „Gott sieht die Wahrheit, aber er wartet“ auf die Philippinen. Vor der Jahrtausendwende wird eine Frau wegen angeblichen Mordes verurteilt, leidet 30 Jahre im Arbeitslager und wird erst freigelassen, als die wahre Täterin sich offenbart. Nun ist sie frei und möchte Rache üben, doch diese Welt ist nicht mehr ihre Welt, und dieser Vorsatz erscheint desto zweifelhafter, je näher er seiner Verwirklichung rückt. Diaz’ Markenzeichen sind lange, magisch ausgeleuchtete Schwarz-Weiß-Einstellungen von bis zu fünf Minuten, in denen sich die Kamera kaum bewegt, und wenn man ihn dazu befragt, widerspricht er dem Aufkleber des langsamen Kinos: Ich mache nicht langsames Kino, ich mache Kino.“ Damit hat er recht, aber liefert natürlich – wie der Ukrainer Sergej Loznitsa mit „Austerlitz“, ebenfalls bei der Biennale – einen Gegenentwurf zu dem Sekundentaktkino, das die Leinwände beherrscht. Lav Diaz widmete den Löwen seinen Landsleuten: „Er ist für das philippinische Volk, für unseren Kampf, den Kampf der Menschlichkeit.“ Gegen den in seiner Heimat seit Juni amtierenden Präsidenten wirkt Donald Trump wie ein Waisenknabe; Rodrigo Duterte befürwortet offen Vergewaltigungen und Lynchjustiz.; so wird ein Film über Sinn und Unsinn des Rachenehmens plötzlich hochpolitisch. Der Große Preis ging an das Psychodrama „Nocturnal Animals“ des US-Regisseurs Tom Ford. Den Silbernen Löwen für die beste Regie bekamen der Mexikaner Amat Escalante für das AlienErotikdrama „La región salvaje“ und der Russe Andrej Kontschalowski für den Holocaust-Film „Ray“. Als beste Schauspielerin wurde die Amerikanerin Emma Stone für „La La Land“ geehrt, für die beste männliche Darstellung der Argentinier Oscar Martínez als zynischer Nobelpreisträger in „El ciudadano ilustre“. Wim Wenders’ „Die schönen Tage von Aranjuez“ ging leer aus; immerhin bekam die 21-jährige deutsche Schauspielerin Paula Beer („Poll“, „Das finstere Tal“) für ihre Rolle in „Frantz“ von François Ozon den Preis als beste Nachwuchsschauspielerin. Das Melodram spielt kurz nach dem Ersten Weltkrieg und kommt Ende September ins Kino. + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd A DIE WELT PANORAMA 27 MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 uf den ersten Blick ist Horst Wenzel ein unscheinbarer Typ: schlaksig, blonde Locken, enge Röhrenjeans. Doch der 27-Jährige mit dem unerbittlichen Dauerlächeln ist nicht irgendwer – er ist Deutschlands bekanntester TV-Flirtcoach. Behauptet jedenfalls Google. Und auch er selbst. Zumindest, so sagt er, habe er mit seinem Fachwissen in Sachen Flirten schon die eine oder andere Ehe zustande gebracht. – da ist kaum Raum, sich gegenseitig kennenzulernen.“ Um die Jugendlichen mit ihren Fragen nicht alleine zu lassen, hat die Awo Niederrhein ein deutschlandweit einzigartiges Projekt ins Leben gerufen: „Liebes-Welten“. Hier setzen sich Flüchtlinge mit Themen wie Homosexualität, Geschlechtskrankheiten und Schwangerschaft auseinander. Flirtcoach Wenzel teilt sein Wissen heute unentgeltlich mit den Männern aus dem Irak, Libanon und Syrien. „Jetzt erst recht“, habe er sich nach den Anfeindungen gedacht. Ob er auch über seine Zielgruppe an diesem Tag nachgedacht hat? In seinem Vortrag geht es erst einmal ziemlich abstrakt zu. Von „Bedürfnispyramide“ und „Kommunikationsebenen“ ist die Rede. Horst Wenzel weiß, dass er seine Zuhörer überfordert. Weiter geht es darum mit praktischen Beispielen. Als Kind, erzählt er, sei er wegen seines Vornamens gehänselt worden, habe sogar die Schule gewechselt. Doch auch die neuen Mitschüler fanden den Namen Horst offenbar ziemlich schlimm und die Hänseleien gingen weiter. Bis zu dem Tag, an dem seine Mutter sich entschied, dem pubertierenden Jungen eine Kiste Radler in den Keller zu stellen – samt Freifahrtschein, ein paar Freunde einzuladen. Von da an habe es regelmäßig Partys im Hause Wenzel gegeben und Horst war plötzlich der coole Party-Horst. Die jungen Flüchtlinge hören gespannt zu – und fragen sich wahrscheinlich, was sie daraus lernen sollen. Eine Party im Flüchtlingswohnheim? Horst Wenzel empfiehlt etwas Moderneres. Dating-Apps wie Tinder, Lovoo, Now, Once oder Whisper. Jeder Flüchtling sollte mindestens eine davon auf dem Smartphone installieren. Für die Optik: wenige, aber gute Fotos. Es lohne sich, dafür auch mal über ein professionelles Shooting nachzudenken. Als einer sich zu Wort meldet, und meint, er habe seit den Silvesterüber- CHRISTIN OTTO VON CHRISTIN OTTO Wie Wenzel das hinbekommen hat? Das erklärt der Flirtcoach nun auch jungen Flüchtlingen. Denn Liebe und Beziehung, so findet er, seien ja auch ein wichtiger Teil der Integration. Und die jungen Geflüchteten, die er vor sich hat, seien „alle charmante, junge Herren, die das Rüstzeug haben, um eine deutsche Frau von sich zu begeistern“. Erste Station des Frauenverstehers: ein Beratungszentrum der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Essen. Drei Securitymänner bewachen den Eingang. Anfeindungen und Drohungen vorab. Ein Zeitungsbericht hatte die Aufmerksamkeit flüchtlingsfeindlicher Gruppen auf die Flirtschulung gelenkt. Ihre Interpretation des Kurses ist freilich eine ganz andere: Flüchtlingen werde von Steuergeldern gezeigt, wie sie deutsche Frauen vergewaltigen. Für die Pädagogen, die hier arbeiten, sind die vielen Sicherheitskräfte ungewohnt. „Wir beraten hier zu Themen wie ungewollte Schwangerschaften. Da ist man auf Kummer gefasst. Dass jetzt ausgerechnet so etwas Simples wie Flirten für solchen Wirbel sorgt, ist schon verrückt“, sagt Awo-Mitarbeiterin Nicola Völckel. Sexualpädagogin Meral Renz sagt, die jungen Männer seien meist schüchtern und verunsichert. „Das sind junge Menschen, die aus Kriegsgebieten kommen „So verliebt man sich in Deutschland“: der Nachhilfekurs in Essen Flirtkurs für Flüchtlinge Junge Migranten und deutsche Frauen? Seit den Übergriffen von Köln ein heikles Thema. Essener Pädagogen wollen den Charme von Syrern, Irakern und Libanesen fördern griffen in Köln das Gefühl, unter Generalverdacht gestellt zu werden und sich sehr zurückhalten zu müssen, hat Horst Wenzel eine simple Antwort parat: „Nein, das musst du nicht.“ Ehrliche Leute halte auch niemand für Verbrecher, nur weil es auf der Welt Verbrecher gibt. Als der Flirtcoach die jungen Flüchtlinge schließlich in die Pause entlässt, scheinen viele von ihnen noch immer ratlos. Auch Ismael. Der 17-jährige Iraner, seit einem Jahr in Deutschland, wohnt in einem Heim und geht in Essen aufs Gymnasium. Von Wenzels Flirtkurs hatte er sich erhofft, etwas mehr über die Mentalität der Deutschen zu erfahren. „Nicht mal wegen des Flirtens – ich wollte einfach wissen, wie Menschen hier sind und wie sie sich kennenlernen“, sagt Ismael. Einige Deutsche wirkten auf ihn sehr kalt. Was ihm der Kurs bisher gebracht hat, vermag Ismael nicht so richtig zu sagen. Aber Mädchen kennenzulernen, sei für ihn ohnehin erst mal zweitrangig – dafür sei er viel zu schüchtern. Der 15-jährige Ali ist alles andere als schüchtern. Der junge Libanese macht gerne Witze und geht offen auf andere zu. Ein halbes Jahr ist es her, dass Ali mit seiner Familie in Essen ankam. Hier wolle er nun vor allem erst einmal Deutsch lernen und dann am liebsten eine Friseurausbildung machen. Deutsche Mädchen? Die seien aufgeschlossener als die im Libanon, findet Ali. Auch er wolle natürlich eine Freundin finden und mal eine Familie gründen. Irgendwann. Sein Kumpel Farangh ist schon ein Stückchen weiter. Der Iraker trägt einen Knutschfleck am Hals. Seine Freundin ist 17 – eine Deutsche mit russischem Migrationshintergrund. Als Farangh das Mädchen zum zweiten Mal auf einem Essener Sportplatz sah, fragte er sie nach ihrer Nummer. Die beiden schrieben Nachrichten, trafen sich, kamen irgendwann zusammen. Wären Liebesdinge immer und für jeden so einfach wie im Fall von Farangh, könnten Horst Wenzel und seine Bedürfnispyramide wohl einpacken. Meistens jedoch haben die jungen Männer tatsächlich Probleme, ein Mädchen kennenzulernen. Vorurteile sind die eine Sache, fehlende Sprachkenntnisse die andere. Nach der Pause wollen die Männer ans Eingemachte: Wie soll das denn nun funktionieren – eine Freundin finden, ohne sich wirklich mit ihr unterhalten zu können? „Das Schöne ist ja, dass die meisten Beziehungen mit einem Kuss beginnen“, meint der Flirtcoach und geht direkt dazu über, die Gruppe über die Körpersprache der Frauen aufzuklären. Sie schaut ihm in die Augen, lächelt, berührt ihn im Gespräch, zupft ganz nebenbei an Haaren und Kleidung? Das seien schon mal positive Zeichen. Dann könnte ein kleiner Berührungstest hilfreich sein. Der Coach schlägt Fußkontakt vor, das sei in Deutschland üblich. Zieht sie ihren Fuß nicht weg, ist das ein gutes Zeichen. Frage: Woran liegt es eigentlich, dass manche Beziehungen so schnell zu Ende sind? „Vielleicht, weil die Jungs zu viel Körperkontakt wollen“, vermutet der eine. „Die haben einfach jemand Besseren gefunden“, glaubt der andere. Wenzel schaltet sich ein: Am Körperkontakt könne es nicht liegen. Wer in Deutschland eine Beziehung habe, der habe auch Sex. „Der Sex kommt sogar vor der Beziehung.“ Dass Frauen sich hingegen nach einem besseren Modell Mann umgeschaut haben, hält er für plausibel. Hilfreiche Tipps? Die hat Horst Wenzel, wenn es eigentlich gar nicht ums Flirten geht. Als er den Jungs zum Beispiel rät, sich einen Sportverein zu suchen – um Leute kennenzulernen. Oder erst mal eine beste deutsche Freundin zu finden. Ohne Hintergedanken. Dass das mit dem Flirten so schwierig ist, das liege letztlich ohnehin an den Deutschen und deren Vorurteilen, sagt der Coach. TV-PROGRAMM ARD ZDF SAT.1 RTL 3SAT ARTE PRO SIEBEN KABEL 1 5.30 ¥ g ZDF-Morgenmagazin 9.00 ¥ g Tagesschau 9.05 ¥ g Rote Rosen 9.55 Sturm der Liebe 10.45 ¥ g Wer weiß denn sowas? 11.35 ¥ Nashorn, Zebra & Co. 12.00 Tagesschau 12.15 ¥ ARD-Buffet 13.00 ZDF-Mittagsmagazin 14.00 ¥ g Tagesschau 14.10 ¥ g Rote Rosen 15.00 ¥ g Tagesschau 15.10 Sturm der Liebe 16.00 ¥ g Tagesschau 16.05 ¥ g Paralympics Rio 2016 17.25 ¥ Brisant Magazin 18.00 ¥ g Wer weiß denn sowas? 18.50 ¥ g Großstadtrevier Pauls Versuchung 19.45 ¥ g Wissen vor acht – Zukunft Magazin 19.50 ¥ g Wetter vor acht 19.55 ¥ g Börse vor acht 20.00 ¥ g Tagesschau 20.15 ¥ Der Gesundheits-Check (1/3) Magazin. Endlich schlank! – Das Geschäft mit dem Übergewicht. Die Deutschen werden immer dicker: 53 % der Frauen und 67 % der Männer hierzulande sind übergewichtig. 21.00 ¥ Hart aber fair Diskussion 22.15 ¥ Tagesthemen 22.45 ¥ g Paralympics Rio 2016 Rollstuhlbasketball: Herren, Brasilien – Deutschland / Leichtathletik / Schwimmen 4.30 ¥ Brisant Magazin (Wh.) 5.30 ¥ g ZDF-Morgenmagazin 9.03 ¥ g Paralympics extra: 4. Wettkampf- 5.30 g Sat.1-Frühstücksfernsehen 10.00 g Auf Streife – Die Spezialisten 11.00 Richterin Barbara Salesch 12.00 Richter Alexander Hold Show 14.00 g Auf Streife Reportagereihe 15.00 g Klinik am Südring 16.00 g Auf Streife – Berlin Reportagereihe. Gewalt in der Familie, Drogenhandel, Diebstahl: Der Polizei-Alltag in Berlin ist hart und oft gefährlich. Die Doku zeigt echte Polizisten bei ihrer Arbeit – in Villenvierteln und Problemkiezen. 17.00 g Mein dunkles Geheimnis 17.30 g Schicksale Doku-Soap 18.00 g Auf Streife – Die Spezialisten 19.00 g Fahndung Deutschland 19.55 Sat.1 Nachrichten 20.15 g Crime Scene Riviera Krimi-Serie. Ausgepresst / Nicht von dieser Welt. Vincent Farnese wird im Haus von Pascal Mergaut tot aufgefunden. Die beiden Freunde verband ein dunkles Geheimnis. 22.15 g Promi Big Brother Show. Moderation: Jochen Schropp, Désirée Nick 23.15 g Navy CIS Krimi-Serie 1.00 g Criminal Minds Krimi-Serie. Jahrestag 1.45 Crime Scene Riviera (Wh.) 3.20 g Navy CIS (Wh.) 4.45 g Promi Big Brother 5.05 g Der Blaulicht-Report 6.00 g Guten Morgen Deutschland 8.30 ¥ g Gute Zeiten, schlechte Zeiten 9.00 g Unter uns 9.30 g Der Blaulicht-Report 11.00 Die Trovatos – Detektive decken auf Doku-Soap. Die Detektivfamilie Trovato kümmert sich bei ihren meist aufwendigen Ermittlungen um die Probleme kleiner Leute. 12.00 g Punkt 12 Magazin 14.00 g Der Blaulicht-Report 15.00 g Der Blaulicht-Report 16.00 g Verdachtsfälle Doku-Soap 17.00 g Betrugsfälle Doku-Soap 17.30 g Unter uns 18.00 g Explosiv – Das Magazin 18.30 Exclusiv – Das Star-Magazin 18.45 g RTL aktuell 19.05 g Alles was zählt Soap 19.40 ¥ g Gute Zeiten, schlechte Zeiten Soap. Mit Janina Uhse 20.15 g Wer wird Millionär? Show 21.15 g Das Jenke-Experiment Dokumentationsreihe Demenz. Mit Jenke von Wilmsdorff. In einem neuen Selbstversuch lässt sich Jenke von Wilmsdorff unter Hypnose in einen Demenz-Zustand versetzen. 22.30 g Extra – Das RTL Magazin 23.30 g 30 Minuten Deutschland 0.00 g RTL Nachtjournal 0.30 g 10 vor 11 Magazin 0.55 g CSI: Den Tätern auf der Spur Krimi-Serie 3.30 g RTL Nachtjournal (Wh.) 12.30 sonntags 13.00 ZIB 13.25 g Die Bodensee-Polizei Dokumentationsreihe 12.35 360° Geo Reportage Rattenjagd im Südpolarmeer 13.20 ARTE Journal 14.10 ® g Der siebte Geschworene Kriminalfilm (F 1962) 15.50 g Tiere im Fokus 16.15 ¥ g Phantome der Wüste 17.00 ¥ g X:enius Magazin Maschine Gehirn: Was bringt uns die Simulation im Supercomputer? 17.30 g Mission zum Mars Dokumentation (Wh.) 18.25 ¥ Orientalische Gartenlust 19.10 ARTE Journal 19.30 g Die Mosel (1/3) Dokumentationsreihe 20.15 ¥ g Betrogen Psychodrama (USA 1971) Mit Clint Eastwood, Geraldine Page, Elizabeth Hartman. Regie: Don Siegel 21.55 ¥ g Der große Coup Actionthriller (USA 1973) Mit Walter Matthau, Joe Don Baker, Felicia Farr. Regie: Don Siegel 23.45 g Allein In den Bergen von Yunnan. Dokumentarfilm (F/HK/CHN 2012) 1.00 g Vaterlandsverräter Dokumentarfilm (D 2011) 2.35 Metropolis Magazin (Wh.) 5.30 My Boys 5.50 g Cougar Town 6.40 g Norbit Komödie (USA 2007) 8.30 g Die Schadenfreundinnen Romantikkomödie (USA 2014) 10.30 The Middle 11.25 g Mike & Molly 12.15 How I Met Your Mother 13.05 Two and a Half Men 14.50 g 2 Broke Girls Sitcom Von Schlümpfen und Hexen / Der verheiratete Single 15.45 g The Big Bang Theory Comedy-Serie. Das VegasWeekend / Festgehalt statt Taschengeld / Das Mississippi-Missverständnis 17.00 g taff Magazin 18.00 Newstime 18.10 g Die Simpsons Zeichentrick-Serie. Der Teufel trägt Nada / L wie Loser 19.05 g Galileo Magazin 20.15 g The Big Bang Theory Comedy-Serie. Tränen am Valentinstag / Es waren doch nur Küsse / 31 Liebhaber, aufgerundet / Der sicherste Ort der Welt. Kurz vor dem Valentinstag heult Raj sich bei Amy und Sheldon aus – während sie mit ihrer Live-Sendung online sind. 22.15 g Circus Halligalli Show 23.20 g The Big Bang Theory 2.50 ProSieben Spätnachrichten 2.55 Family Guy Zeichentrick-Serie 3.15 Futurama Zeichentrick-Serie 3.35 g Brickleberry 4.15 Malcolm mittendrin 5.55 g Numb3rs – Die Logik des Verbrechens 6.50 g Without a Trace – Spurlos verschwunden 7.40 Cold Case – Kein Opfer ist je vergessen 8.40 g Navy CIS 9.30 g The Mentalist 10.25 g Castle 11.15 g Without a Trace – Spurlos verschwunden Nacht der Wahrheit 12.10 g Numb3rs – Die Logik des Verbrechens Markt und Marke 13.05 Cold Case – Kein Opfer ist je vergessen 13.55 g Navy CIS 14.50 g The Mentalist Krimi-Serie. Miranda 15.50 News 16.00 g Castle Krimi-Serie 16.50 g Abenteuer Leben täglich 17.55 g Mein Lokal, dein Lokal – Wo schmeckt’s am besten? 18.55 g Achtung Kontrolle! Einsatz für die Ordnungshüter 20.15 g Air Force One Actionthriller (USA/D 1997) Mit Harrison Ford, Gary Oldman, Glenn Close Regie: Wolfgang Petersen. Der russische Dissident Korshunov und seine Männer entern das Flugzeug des US-amerikanischen Präsidenten Marshall. 22.35 g Snakes on a Plane Actionthriller (USA/CDN/D 2006) 0.40 g Airforce Two Actionfilm (USA/D 2006) 2.15 Late News 2.20 g Air Force One Actionthriller (USA/D 1997) (Wh.) tag u. a. Leichtathletik / Schwimmen / Tischtennis / Triathlon 10.30 Die Garmisch-Cops 11.15 SOKO Stuttgart Ans Messer geliefert 12.00 heute 12.10 drehscheibe 13.00 ZDF-Mittagsmagazin 14.00 g heute – in Deutschland 14.15 Die Küchenschlacht Magazin 15.00 ¥ g heute Xpress 15.05 ¥ g Bares für Rares Show 16.00 ¥ g heute – in Europa 16.10 ¥ SOKO Wien 17.00 ¥ g heute 17.10 ¥ hallo deutschland Magazin 17.45 ¥ g Leute heute Magazin 18.05 ¥ g SOKO 5113 19.00 ¥ g heute 19.20 ¥ g Wetter 19.25 ¥ g WISO Magazin 20.15 ¥ g Lotte Jäger und das tote Mädchen Kriminalfilm (D 2016) Mit Silke Bodenbender, Isolda Dychauk, Sebastian Hülk. Regie: Sherry Hormann 21.45 ¥ g heute-journal Magazin 22.15 ¥ g The Night Manager TV-Krimi (GB/USA 2016) Mit Tom Hiddleston, Hugh Laurie, Elizabeth Debicki Regie: Susanne Bier 0.15 g heute+ Magazin 0.30 Day Night Day Night Drama (USA/D/F 2006) Mit Luisa Williams, Josh Phillip Weinstein 2.00 g ZDF-History PHOENIX N-TV MDR RBB 12.00 Vor Ort 12.45 Thema 14.00 Vor Ort 14.45 Thema 16.00 Die Flüchtlingskrise: Wie schaffen wir das? 16.45 45 Min 17.30 Vor Ort 18.00 Die Neue Rechte – National, patriotisch, gefährlich? 18.30 Frankreich – Wild und schön Dokumentarfilm (F 2011) (Wh.) 20.00 ¥ Tagesschau 20.15 Expedition Himalaja (1/3) Dokumentationsreihe 21.00 Expedition Himalaja 21.45 ¥ heute journal 22.15 Unter den Linden 23.00 Der Tag 0.00 Unter den Linden (Wh.) 0.45 Expedition Himalaja (Wh.) 12.30 News Spezial 13.00 Nachrichten 13.10 Telebörse 13.30 News Spezial 14.10 Telebörse 14.30 News Spezial 15.20 g Ratgeber – Test 15.40 Telebörse 16.10 g Wissen 17.10 g Showdown in Berlin – Der n-tv Wahlgipfel 18.15 Telebörse 18.30 g PS – Porsche Carrera Cup 19.15 g „Spiegel“-TV Magazin 20.15 g Wunder der Technik 21.05 g Wunder der Technik 22.05 Telebörse 22.10 Rennlegenden 23.10 Showdown in Berlin – Der n-tv Wahlgipfel 0.10 PS – Porsche Carrera Cup 14.00 MDR um zwei 15.00 ¥ g LexiTV – Wissen für alle 16.00 ¥ g MDR um vier 16.30 ¥ g MDR um vier 17.00 ¥ g MDR um vier 17.45 ¥ g MDR aktuell 18.05 ¥ g Wetter für 3 18.10 ¥ g Brisant 18.54 ¥ Unser Sandmännchen 19.00 MDR Regional 19.30 ¥ g MDR aktuell 19.50 ¥ g Mach dich ran! 20.15 ¥ Das Glück ist eine Insel Liebesfilm (D 2001) 21.45 ¥ g MDR aktuell 22.05 ¥ g Fakt ist! 23.05 g Morden im Norden 23.55 ¥ g Der schweigende Stern Sci-Fi-Film (DDR/PL 1960) 14.15 g Planet Wissen 15.15 g Paarduell 16.00 rbb UM4 17.00 rbb aktuell 17.05 g Panda, Gorilla & Co. 17.55 g Unser Sandmännchen 18.00 g rbb UM6 – Das Ländermagazin 18.30 g zibb 19.30 Abendschau 19.56 Parteien zur Wahl 20.00 ¥ Tagesschau 20.15 g Tatort: Schlaraffenland TV-Krimi (D 2002) 21.45 rbb aktuell 22.15 g Das leise Sterben der Bienen und Schmetterlinge 22.45 Polizeiruf 110: Ein verhängnisvoller Verdacht TV-Krimi (D 1991) 0.15 g Hauptstadtrevier 14.10 14.50 15.20 15.45 16.30 18.00 18.30 19.00 19.20 20.00 20.15 21.40 22.00 22.25 23.55 0.25 0.50 1.45 unterwegs Reportagereihe g Traumziel Kanadas Arktis Island Dokumentation ¥ Lebenslinien Porträtreihe Unsere Tracht und die Macht ZDF-History Doku-Reihe Pirat! Die großen Freibeuter der Geschichte. In dieser Sendung wird gezeigt, wie Männer und Frauen unter der Totenkopf-Flagge tatsächlich lebten. g nano Magazin ¥ g heute g Kulturzeit Magazin ¥ g Tagesschau g Wildes Japan g Schätze der Welt – Erbe der Menschheit ¥ g ZIB 2 g Homs – Ein zerstörter Traum Dokumentarfilm (SYR/D 2013) Regie: Talal Derki ¥ g Du musst kämpfen, Johnny! Dokumentation Ein Jahr auf Leben und Tod g 10vor10 Sendung ohne Namen Panorama Reportagereihe 6.00 g N24 Nachrichten 7.40 g N24 Nachrichten – N24 Wirtschaft und Börse 12.45 Börse am Mittag 13.00 N24 Nachrichten auch um 14, 15, 18, 19 und 20 Uhr 13.05 g Sci Fi Science 14.05 g Chaos auf Rädern 15.25 N24 Cassini 16.05 g Aliens – Der ultimative Ratgeber Dokumentation 18.15 Börse am Abend Magazin Moderation: Dietmar Deffner 18.25 N24 Cassini 19.10 g Welt der Wunder Magazin. Strömungen in der Tiefe: Welchen Einfluss haben Meeresbewegungen auf das Wetter? 20.05 Schwertransport zu Wasser 21.05 g Hamburger Hafen – Deutschlands Tor zur Welt 22.05 Deutschland im Glutrausch 23.05 g Hilfe, die Deutschen kommen Reportage 0.00 Bier – Vom Hopfen bis zur Schaumkrone Reportage 20.05 Wie kommt ein 50 t schweres Piratenschiff von Litauen nach Berlin? Die erste Etappe nach Stettin legt der riesige Zweimastsegler im Bauch eines Frachtschiffes zurück. EUROSPORT 1 / SPORT 1 NDR WDR HR BR SWR Eurosport: 19.15 g Springreiten: Global Champions Tour (Wh.) 20.30 Horse Excellence 21.00 g kicker.tv – Der Talk 22.00 WATTS Sportzapping 22.15 g Springreiten: Rolex Grand Slam 23.15 Eurosport News 23.30 g Fußball 0.00 Fußball: Major League Soccer Sport1: 16.30 Yukon Gold (Wh.) 17.30 Bundesliga – Der Spieltag (Wh.) 18.30 Bundesliga aktuell 19.45 Hattrick 20.15 Hattrick: 2. Bundesliga 22.15 Telekom Spieltaganalyse 23.30 Die Premier League Highlights 4. Spieltag 13.45 ¥ g NDR//aktuell 14.00 ¥ g Gefragt – Gejagt Show 14.45 ¥ die nordstory 15.45 ¥ g NDR//aktuell 16.10 ¥ Mein Nachmittag 17.10 ¥ Leopard, Seebär & Co. 18.00 Ländermagazine 18.15 ¥ g Die Nordreportage 18.45 ¥ g DAS! 19.30 Ländermagazine 20.00 ¥ g Tagesschau 20.15 ¥ g Markt 21.00 ¥ g Die Tricks der Möbelhäuser 21.45 ¥ g NDR//aktuell 22.00 ¥ 45 Min 22.45 ¥ g Kulturjournal 23.15 ¥ Die Flucht Drama (D 2007) (Forts.: Mo., 12. 09., 0.45 Uhr) 2.15 Nordbilder 14.00 ¥ g Björn Freitags Foodtruck 14.30 ¥ g Georgien – Von Null auf 5000 15.15 ¥ g Gefragt – Gejagt 16.00 ¥ g WDR aktuell 16.15 g daheim & unterwegs 18.00 ¥ WDR aktuell / Lokalzeit 18.15 ¥ g Servicezeit 18.45 ¥ g Aktuelle Stunde 19.30 Lokalzeit 20.00 ¥ g Tagesschau 20.15 ¥ g Land und lecker Doku-Soap 21.00 ¥ g Tanzfieber – mein bewegtes Leben 21.45 ¥ g WDR aktuell 22.10 g Hier und heute 22.40 ¥ Westart live 0.00 ¥ g Tanzfieber – mein bewegtes Leben 13.05 ¥ Wie Tag und Nacht Komödie (D 2013) 14.35 Utta Danella – Die Himmelsstürmer Drama (D 2014) 16.00 g hallo hessen 16.45 g hessenschau kompakt 17.00 g hallo hessen 17.50 g hessenschau kompakt 18.00 Maintower 18.25 ¥ g Brisant 18.50 Service: Zuhause 19.15 Alle Wetter! 19.30 hessenschau 20.00 Tagesschau 20.15 ¥ g Wunderschön! 21.45 Sonnenziele für jede Jahreszeit 22.30 hessenschau kompakt 22.45 Heimspiel! 23.30 maintower kriminalreport 0.00 Hecht und Haie 13.30 ¥ In aller Freundschaft 14.15 ¥ Kunst und Krempel 14.45 ¥ Gefragt – Gejagt 15.30 Familienbande 16.00 ¥ Rundschau 16.15 Wir in Bayern 17.30 Regional 18.00 ¥ Abendschau 18.30 ¥ Rundschau 19.00 ¥ Unkraut 19.30 ¥ Dahoam is Dahoam 20.00 ¥ Tagesschau 20.15 ¥ õ Bayerischer Kabarettpreis 2016 21.45 ¥ Rundschau Magazin 22.00 Blickpunkt Sport 22.45 Verleihung des Eugen-Biser-Preises 2016 23.15 BR-Klassik 0.00 Rundschau Nacht 0.10 Rafael Kubelik spielt 14.15 g Eisenbahn-Romantik 15.15 ¥ g Länder – Menschen – Abenteuer 16.00 ¥ Aktuell 16.05 g Kaffee oder Tee 17.00 ¥ Aktuell 17.05 g Kaffee oder Tee 18.00 Aktuell 18.15 Mensch, Leute! 18.45 ¥ Landesschau BW 19.30 ¥ Aktuell 20.00 ¥ g Tagesschau 20.15 ¥ Kurhotel Alpenglück Heimatfilm (D 2006) 21.45 ¥ Aktuell 22.00 õ g Sag die Wahrheit 22.30 g Verstehen Sie was? 23.15 g Meister des Alltags 23.45 g Die Quiz-Helden – Wer kennt den Südwesten? 0.25 ¥ g Paarduell VOX RTL 2 5.05 g CSI: NY 6.40 g Verklag mich doch! 7.45 g Verklag mich doch! 8.50 g Verklag mich doch! 9.50 g Verklag mich doch! 10.50 g vox nachrichten 10.55 g 4 Hochzeiten und eine Traumreise 12.00 g Shopping Queen 13.00 g Zwischen Tüll und Tränen 14.00 g Schrankalarm Doku-Soap 15.00 g Shopping Queen 16.00 g 4 Hochzeiten und eine Traumreise Doku-Soap 17.00 g Zwischen Tüll und Tränen 18.00 g Hautnah: Die Tierklinik 19.00 g Das perfekte Dinner – Wer ist der Profi? Doku-Soap Tag 1: Matthias, Deutschland Welcher Kandidat ist der Profi? Werden die „Amateure“ ihn enttarnen oder kochen alle fünf auf höchstem Niveau? 20.00 g Prominent! Magazin 20.15 Goodbye Deutschland! Viva Mallorca! Reportagereihe. Daniela kommt ins Krankenhaus. Bluthochdruck. Risikoschwangerschaft. Die Ärzte entscheiden, die Babys zu holen. 23.10 g Die Superolympionikin 0.10 g vox nachrichten 0.30 Medical Detectives 5.10 g Privatdetektive im Einsatz 8.55 g Frauentausch 11.00 g Der Zoowärter Komödie (USA 2011) Um ihrem Lieblingswärter endlich eine Frau zu verschaffen, bringen die Zootiere ihm bei, wie man richtig balzt. 12.55 g Köln 50667 13.55 g Berlin – Tag & Nacht 14.55 g Hilf mir! Jung, pleite, verzweifelt ... Doku-Soap Sugarmummy. Die Ehe von Ronja und Jay ist nicht mehr das, was sie einmal war. 15.55 g Privatdetektive im Einsatz Doku-Soap 16.55 g Die Straßencops West – Jugend im Visier Doku-Soap Verkehrsunfall durch Schock / Sohn sperrt Mutter auf Balkon 18.00 g Köln 50667 Doku-Soap 19.00 g Berlin – Tag & Nacht 20.00 g RTL II News 20.15 g Traumfrau gesucht Doku-Soap. Walther aus Berlin versucht sein Glück in Sofia. Sein Date in Bulgarien steht aber unter keinem guten Stern. 21.15 g Der Traummann – Liebe ohne Grenzen Doku-Soap 23.15 g Der Trödeltrupp 0.25 Zugriff – Jede Sekunde zählt ANZEIGE HEUTE UM HAMBURGER HAFEN 21.05 UHR DEUTSCHLANDS TOR ZUR WELT + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd PANORAMA DIE WELT MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 SEITE 28 * KOMPAKT Busfahrer tötet Reisegruppe Ein schweres Busunglück, bei dem im Juli 26 Menschen starben, hat sich als geplanter Suizid erwiesen. Untersuchungen haben ergeben, dass der Fahrer betrunken war und den Bus bewusst gegen eine Leitplanke steuerte. Der Grund war eine Haftstrafe, die ihm wegen Vergewaltigung bevorstand. ISERLOHN Mann will Kind retten und ertrinkt Ein 30 Jahre alter Mann ist ertrunken, als er ein Kleinkind aus dem Iserlohner Seilersee retten wollte. Der Mann, der wohl Nichtschwimmer war, sei untergegangen und erst nach einer Stunde entdeckt worden. Er starb kurze Zeit später. Das Kind konnte unverletzt gerettet werden. ANDI WEILAND „Meine Behinderung ist nicht das Problem“: Laura Gehlhaar Halb blond, halb Rollstuhl MÜNCHEN Oliver Stone schimpft über Hollywood Die Berlinerin Laura Gehlhaar ist hübsch, intelligent, ein Männerschwarm. Das bekommen viele Menschen nicht mit ihrer Lähmung zusammen In Kürze erscheint Oliver Stones Film über Edward Snowden – und der Regisseur (69) schimpft über D REUTERS / MARK BLINCH er Knoten platzt mit einem Schrei. Laura Gehlhaar ist 18 Jahre alt, zwölfte Klasse, die Noten sind schlecht, die Versetzung ist gefährdet, aber Laura hat sich entschieden, Psychologie zu studieren. Der Beamte bei der Berufsberatung zerschmettert ihre Hoffnung. Nicht wegen ihrer schlechten Noten, sondern weil Laura nicht richtig laufen kann. „Wie wollen Sie anderen helfen, wenn Sie offensichtlich selber Hilfe brauchen?“, das sagt der Mann noch, bevor er Laura entlässt. Hollywood: „Kein Studio wollte das Thema anrühren, da gab es eine Art Einschüchterung, Selbstzensur und Angst vor den Behörden.“ Stone drehte „Snowden“ schließlich in den Münchner Bavaria Studios. VON JULIA MARIA GRASS Statt Ermutigung gibt er ihr einen Infoflyer für Behinderte mit. Laura humpelt wie betäubt über den Parkplatz, setzt sich in ihr Auto – und schreit. Aus vollem Hals brüllt sie: „Jetzt erst recht“. Laura Gehlhaar ist inzwischen 33 Jahre alt. Sie humpelt nicht mehr, sie sitzt im Rollstuhl, seit zehn Jahren schon. Psychologie studiert hat sie trotzdem. Außerdem Sozialpädagogik in den Niederlanden. Sie lebt mittlerweile in Berlin, bloggt auf „Frau Gehlhaar“ über ihr Leben als Rollstuhlfahrerin, am 12. September erscheint ihr erstes Buch. OFFENBACH Temperaturrekorde wackeln – weiter heiß Deutschland genießt einen rekordverdächtigen Altweibersommer: „Im September kann man Temperaturen über 30 Grad nicht mehr als normal bezeichnen“, sagte Meteorologe Lars Kirchhübel vom Deutschen Wetterdienst. Für den Wochenstart rechnet er damit, dass lokale Temperaturrekorde geknackt werden. Es soll die Botschaft transportieren, die ihr damals im Auto bewusst geworden ist: „Meine Behinderung ist nicht das Problem. Das Problem sind die vielen Dinge, die mich von außen behindern, vor allem die Unsicherheiten der Menschen.“ Das sagt sie heute. Denn heute lebt sie – jetzt erst recht. An einem Abend im August sitzt Gehlhaar an ihrem Fenster in BerlinFriedrichshain. Die Sonne liegt auf ihrem blonden Haar, das ihr in leichten Wellen über die Schulter fällt. Die blauen Augen verdreht sie manchmal, wenn sie genervt ist oder über sich selbst lachen muss. Laura Gehlhaar ist eine hübsche Frau – und das passt für viele Menschen nicht zu einer Behinderung. „Du Arme“, heißt es dann, „so hübsch und dann im Rollstuhl?“ Auch der Titel ihres Buches ist einer solchen Bemerkung zu verdanken: „Kann man da noch was machen?“ An guten Tagen erklärt Gehlhaar den Menschen, die ihr mit solchen Sprüchen begegnen, warum sie das unsensibel findet. An schlechten Tagen blafft sie ungeduldig zurück oder erzählt, sie sei Flugbegleiterin bei einer russischen Airline gewesen und die einzige Überlebende eines Flugzeugabsturzes. Gehlhaar ist schlagfertig, manchmal schroff, Kreuzfahrtschiff rammt Brücke – zwei Tote bummelt durch die Straßen, tanzt in ihrem Rollstuhl durch angesagte Nachtklubs und hat ihren Freund auf der Dating-App Tinder kennengelernt. Nicht trotz Rollstuhl, sondern dank Rollstuhl. Was sie von der typischen Berlinerin unterscheidet? Sie geht nicht spazieren, sie fährt, sie steht nicht in der Schlange am Postschalter, sie sitzt. Sie rennt nicht abgehetzt die Treppen zur UBahn herunter, aber sie hofft genauso abgehetzt darauf, dass der Fahrstuhl zum Gleis doch endlich kommt. Busfahrer gucken genervt, Türsteher wollen sie oft nicht in die Klubs einlassen – „wenn dir hier was passiert, wollen wir nicht die Verantwortung übernehmen“, heißt es dann. Verkäufer an der Theaterkasse fragen ihren Freund, ob er ihr Betreuer sei – „und dann sollen wir im Saal auch noch super weit auseinandersitzen, weil die Behindertenplätze nun mal am anderen Ende der Reihe sind“. Laura Gehlhaar verdreht die Augen. „Ich verstehe ja, dass die meisten Menschen es nicht böse meinen. Wenn mir etwas Unbekanntes begegnet, bin ich auch erst mal neugierig, vielleicht taktlos“, sagt sie, „nur woher kommt das denn? Wenn Menschen mit Behinderung in der Mitte der Gesellschaft existieren dürften, dann gäbe es diese Unsicherheiten nicht.“ Sonderschulen, Behindertenwerkstätten, Arbeitsplätze ohne Barrierefreiheit – das alles sind für sie Einrichtungen, die eine Ausgrenzung von Behinderten fördern. Laura Gehlhaar ärgert sich über diese Dinge, aber sie weiß, dass sie mit Ärger allein nichts daran ändern kann. Deshalb bloggt sie und deshalb hat sie auch ihr Buch geschrieben. Es macht ihr nichts aus, darüber zu lachen, wenn sie sich vom Rollstuhl in einen Flugzeugsitz wälzen muss. Sie erzählt, wie es ist, wenn ein Magen-DarmVirus plötzlich zuschlägt und man sich eben nicht schnell genug ins Badezimmer bewegen kann. „Wenn mich früher ein Typ nicht wollte, habe ich mir immer gesagt – das liegt am Rollstuhl“, sagt sie, „aber der Typ wollte mich vielleicht einfach nicht, weil ich auch wirklich schwierig sein kann“. Sie lacht. „Manchmal ist es auch zu leicht, jedes Problem auf den Rollstuhl zu schieben.“ Die meisten Menschen haben in ihrem Alltag wenig Kontakt mit behinderten Mitmenschen – „Ich weiß, dass sich das nicht von heute auf morgen ändern wird“, sagt Laura Gehlhaar. „Aber es wäre schon viel erreicht, wenn jeder für sich einfach mal seine eigenen Denkmuster kritisch hinterfragen könnte.“ Ihr jetziger Freund hat sich nie direkt nach ihrer Behinderung erkundigt. Sie gehörte zu ihr, Normalität eben. „Irgendwann später, da hat er mal gefragt – hey, was hast du eigentlich”, erzählt Gehlhaar, „ich habe kurz geantwortet und damit war es gut.“ TAIWAN und auch das trauen viele Menschen einer Blondine im Rollstuhl nicht zu. Schlagfertigkeit ist für sie auch eine Überlebensstrategie. Seit der Arzt ihr mit elf Jahren den Stempel „Muskelerkrankung“ aufgedrückt hat, sieht sie sich mit Diskriminierung konfrontiert. Die Blicke der Menschen teilt sie in ihrem Buch in Kategorien ein: erschrocken, geschockt, mitleidig, ignorierend, anerkennend oder einfach nur glotzend. Es gibt Menschen, die durch sie hindurchsehen, auch wenn sie offensichtlich Hilfe braucht und solche, die ihre Hilfe regelrecht aufdrängen und ein „Nein, danke“ nicht akzeptieren. „Die sind dann richtig beleidigt“, sagt Laura Gehlhaar. Auch deshalb möchte sie eigentlich nicht über ihre Krankheit sprechen. „Ich finde, das ist etwas sehr Persönliches. Ich schreibe ganz bewusst nicht viel darüber“, sagt sie. Sie spricht ruhig, überlegt, sie erklärt diese Dinge offensichtlich nicht zum ersten Mal. „Mein Körper ist, wie er ist. Ich möchte erreichen, dass meine Behinderung als gesellschaftliches Problem angesehen wird.“ Eigentlich lebt Laura Gehlhaar das Leben einer ganz normalen jungen Berlinerin. Sie macht „was mit Medien“, Bei Erlangen havariert ein Touristenboot aus Ungarn E in Kreuzfahrtschiff ist auf dem Main-Donau-Kanal nachts an einer Brücke hängen geblieben – zwei Besatzungsmitglieder starben im zertrümmerten Führerhaus. In einer aufwendigen Bergungsaktion holten Rettungskräfte die Opfer im mittelfränkischen Erlangen von Bord. „Bei den Toten handelt es sich um zwei 33 und 49 Jahre alte Männer“, sagte ein Polizeisprecher am Sonntag. Während der Ältere in Vertretung des Kapitäns der verantwortliche Schiffsführer war, handelt es sich bei dem Jüngeren um einen Matrosen. Das Schiff hatte erst kurz vor dem Unglück seine Reise von Erlangen in die ungarische Hauptstadt Budapest angetreten. Nach der Havarie mussten etwa 180 Fahrgäste sowie die aus 49 Seeleuten bestehende Besatzung noch mehrere Stunden auf dem Unglücksboot verbringen, bis sie am Morgen an Land gebracht werden konnten. Rettungskräfte bauten dafür eigens einen Notsteg. Die Passagiere kamen zunächst mit Bussen in ein nahes Gemeindezentrum und wurden von Notfallseelsorgern betreut. Außer den beiden Todesopfern wurden keine Menschen verletzt. Mehr als 200 Rettungskräfte waren an dem Einsatz beteiligt. Sie fanden einen katastrophalen Anblick vor: Das Führerhaus wurde bei dem Aufprall völlig zerstört, die beiden aus Ungarn stammenden Crewmitglieder waren eingeklemmt worden und in den Trümmern gestorben. Wie es zu dem Unglück kam, blieb offen. Von der Reederei des unter Schweizer Flagge fahrenden Schiffes hieß es: „Es zerreißt uns das Herz, und Mitarbeiter sind in Nürnberg, um in enger Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden die Details des Unfalls herauszufinden“, teilte ein Sprecher von Viking River Cruises aus den USA mit. Die Gäste könnten nun wählen, ob sie nach Hause zurückkehren oder die Tour mit einer neuen Route fortsetzen wollten. ZU GUTER LETZT Ein Autofahrer hat den Sturz mit Pkw aus der neunten Etage eines Parkhauses unversehrt überstanden. Das Auto war in Austin/Texas über die Absperrung gerauscht und blieb dann senkrecht an einer Drahthalterung hängen. „Der Fahrer kletterte über das Schiebedach raus und zurück ins Parkhaus“, so die Feuerwehr. Die seilte den Wagen später ab und empfahl auf Twitter: „Macht das bloß nicht nach.“ T „Kann man da noch was machen? Geschichten aus dem Alltag einer Rollstuhlfahrerin.“ Heyne. 256 S., 9,99 € ANZEIGE 19 Reykjavik 4 Kiel 12 19 27 19 4 Gerade zu Besuch bei mir selbst. Rostock Hamburg Bremen 29 18 29 17 26 18 Hannover Berlin 31 17 Münster 30 17 31 17 Helsinki 19 Oslo Moskau 19 31 17 Kassel 22 19 20 31 18 St. Petersburg Riga 22 Düsseldorf Köln 18 19 21 Stockholm Kopenhagen Dublin 25 31 18 Leipzig 31 17 29 14 London 29 Hamburg Dresden Brüssel Paris 29 Berlin Warschau 31 Kiew Frankfurt 30 München Zürich Nürnberg 31 15 37 3 21 31 Stuttgart 15 549 München Friedrichshafen Nach lokalem Nebel heiter bis wolkig Heute: Nach örtlichem Nebel oder Hochnebel gibt es viel Sonnenschein. Im Tagesverlauf bilden sich hier und da ein paar Quellwolken. Meist bleibt es aber trocken, lediglich an den Alpen können sich einzelne Regenschauer oder Gewitter entwickeln. Die Temperaturen steigen auf Höchstwerte von 26 bis 32 Grad. Im äußersten Norden bleibt es etwas kühler. Biowetter: Bei der Wetterlage schlafen viele Menschen nicht so tief wie sonst. Die Folgen sind Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Dadurch können Konzentrations- und Leistungsfähigkeit eingeschränkt sein. In einigen Fällen verlängert sich auch die Reaktionszeit. SONNE & MOND VORHERSAGE Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag * 16 31 16 30 15 29 19 31 17 15 28 13 14 24 29 13 26 12 25 11 22 Hamburg Maximum 30,0° (1919), Berlin Maximum 28,3° (1999), Minimum 2,4° (1986) Minimum 6,8° (1972) Athen 31 33 26 Tunis 27 29 26 Las Palmas -9 bis -5 H T -4 bis 0 1 bis 5 Hoch / Tief 6 bis 10 Warmfront 11 bis 15 16 bis 20 21 bis 25 Kaltfront 26 bis 30 Okklusion 31 bis 35 über 35 Warmluft Kaltluft WELTWETTER HEUTE Antalya Bali Buenos Aires Djerba Honolulu 30° 28° 21° 30° 31° heiter heiter Gewitter heiter wolkig Calgary 12° Montreal 22° Winnipeg 16° Vancouver 18° Toronto 23° Salt Lake City 22° New York 26° Chicago 24° Washington 28° San Francisco 19° Denver 21° Los Angeles 22° Dallas33° Atlanta 31° Miami33° Innsbruck Jerusalem Kairo Kapstadt Mailand 28° 29° 36° 19° 31° Peking 29° Seoul 28° Tokio 27° Shanghai26° Chengdu 29° Dhaka 30° Gewitter sonnig sonnig sonnig wolkig Hongkong Bangkok28° Ho Chi Minh Stadt Frankfurt Maximum 29,9° (1999), München Maximum 27,8° (1997), Minimum 3,6° (1973) Minimum 5,3° (1996) Mexico City20° Kuala Lumpur34° Manila Mombasa Neu Delhi Rio de Janeiro Sydney 34° 31° 37° 29° 24° Manila 34° Online�Wetter� welt�de/wetter Umfangreiche und aktuelle mobile Wetterinformationen unter mobile�wetter�de Brunei 32° Havanna 33° Singapur33° Immer wissen� wie das Wetter wird! + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.axelspringer-syndication.de/lizenzierung Schauer Schauer heiter heiter wolkig Taipeh 29° 31° Yangon 31° 25° Nassau 29° 01:36 Angaben für Kassel Istanbul 26 25 Algier TEMPERATURREKORDE 12 28 28 31 25 Phoenix 37° New Orleans 32° 17:16 27 Palma 31 Mond Süden 25 Rom Malaga Mitte 31 29 26 34 23 06:53 19:42 25 28 Madrid Barcelona 27 Sonne Norden Budapest Nizza Lissabon € * Ausgewählte Flüge bei Buchung bis 11.10.16 auf LH.com, Reisen: 30.10.16 bis 31.03.17. Begrenztes Sitzplatzangebot. 29 16 29 17 DEUTSCHLAND HEUTE Wien 28 Bordeaux Zagreb 31 Japan ab 31 16 2 29 31 32 19 Saarbrücken DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd
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