Deutsche sind Gewinner der Globalisierung

MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016
KUNDENSERVICE 0 8 0 0 / 9 3 5 8 5 3 7
** D 2,50 E URO
E
THEMEN
SPORT
Sieg bei den US Open:
Angelique Kerber
ist auf dem Gipfel
Seite 22
POLITIK
Wenn die Kandidatin
zweimal klingelt
Seite 10
WIRTSCHAFT
Eine Million Leiharbeiter
in Deutschland
Seite 12
FINANZEN
Zwei Herrchen teilen
sich einen Hund
Seite 15
KULTUR
Ein neuer Konzertsaal
für Berlin
Seite 25
LOTTO:
1 – 3 – 6 – 11 – 24 – 43
Superzahl: 0
Spiel77: 1 4 9 3 6 8 1
Super6: 6 9 4 0 4 8
ohne Gewähr
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Nr. 214
Grundrechte
statt Blutsrechte
F
AP/MARK LENNIHAN
in alter Menschheitstraum
wird wahr. Ab 2017 gibt es
endlich ein Gütesiegel für
Milch. Damit der Verbraucher
weiß, aus welcher Kuh der lebenspendende, kalziumhaltige Saft
gemolken wurde. Wie immer bei
solchen Siegeln orientiert man
sich am Ei. Die „3“ auf der Milchverpackung bedeutet, wir haben
es mit Milch aus Käfighaltung zu
tun, wo die Tiere mit Waffengewalt zur Milchabgabe gezwungen
werden. Die Kühe hatten keinen
Platz, sich umzudrehen, und
noch nicht einmal eine Sitzstange. Um das auch für den
Kunden deutlich zu machen,
muss diese Milch im Regal besonders eng stehen. Die „2“
weist auf Bodenhaltung hin, die
„1“ auf Freilandhaltung, das
heißt, die Kühe hatten Platz zum
Scharren. Am tierfreundlichsten
und natürlich auch am wertvollsten ist Milch mit der Kennziffer „0“. Hier muss es streng
ökologisch zugehen. Die Kühe
werden nur auf Wunsch gemolken, sie haben mindestens einen
Kilometer Auslauf, bis 18.00 Uhr
Freigang und wurden ausschließlich mit homöopathischen Mitteln behandelt. Der Verbraucher
erkennt diese Milch nicht nur an
der Zahl „0“, sondern vor allem
am Preis und daran, dass die
Flaschen im Kühlregal stehen
dürfen, wo sie wollen.
B
KOMMENTAR
Zippert zappt
Sieg über die Finsternis
Ein junges Paar küsst sich auf der Promenade in Brooklyn. Gegenüber in Manhattan
beleuchten zwei vertikal gestellte Scheinwerfer den Nachthimmel. Die Installation
„Tribute in Light“ erinnert jedes Jahr an den Terroranschlag auf die Zwillingstürme
des World Trade Centers am 11. September 2001. Bei Tageslicht halten Tausende Men-
schen um 8.46 Uhr am New Yorker Ground Zero inne – genau zu dem Zeitpunkt, als
Terroristen vor 15 Jahren ein entführtes Flugzeug in den Nordturm steuerten. US-Präsident Barack Obama sagt in Washington, die USA dürften sich durch den Terror nicht
ihre Identität als eine Nation der Einwanderer nehmen lassen.
Seite 8
Koalition hat einen Plan – aber
nicht für die Flüchtlingspolitik
D
Parteichefs einigen sich auf Agenda für Sachthemen, klammern aber Zuwanderung aus. SPD wirft
Union Wettstreit mit AfD vor und geißelt „folgenlose Symboldebatten“. CSU besteht auf Obergrenze
ie Parteichefs der großen Koalition haben sich auf einen
Fahrplan zur Lösung von
noch strittigen Sachthemen
geeinigt. Es habe Übereinstimmung gegeben, die strittigen Punkte etwa bei der
Erbschaftsteuer, der Entgeltgleichheit
von Männern und Frauen sowie der Angleichung von Ost-West-Renten in den
kommenden Wochen zu lösen, hieß es
am Sonntag nach dem Treffen der Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU),
Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) aus Teilnehmerkreisen. Beim
größten Streitthema aber wurde keine
Einigung erzielt: in der Frage nach dem
künftigen Kurs in der Flüchtlingspolitik.
Bei Fragen der Zuwanderung und Integration offenbarten sich denn auch am
Wochenende tiefgehende Verwerfungen
zwischen den Partnern.
„Ich rate der Union dringend, zur Sacharbeit zurückzukehren – statt permanent
folgenlose Symboldebatten zu führen“,
sagte der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, im Interview der „Welt“. „Die Menschen wissen: Die Burka ist kein Problem der inne-
D
ren Sicherheit.“ Die CSU und Teile der
CDU lieferten sich einen Wettbewerb mit
der AfD um eine „möglichst aggressive
Haltung gegen Flüchtlinge“, sagte Oppermann. Das sei der falsche Weg. „Die demokratischen Parteien sollten für Augenmaß,
Vernunft und Entschlossenheit stehen.“
Hintergrund für Oppermanns Kritik
bildeten die Beschlüsse der CSU-Vorstandsklausur vom Wochenende für eine
härtere Gangart in der Zuwanderungspolitik – mit Burka-Verbot, Abschaffung der
doppelten Staatsbürgerschaft, härteren
Abschieberegeln und einer gesetzlichen
Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen
pro Jahr. Diese Forderung sei wichtig für
die Glaubwürdigkeit der CSU, betonte
dagegen Seehofer. „Das, was zur DNA einer Partei gehört, darf man nicht zur Disposition stellen.“ Deshalb könne man
nicht um jeden Preis Harmonie üben.
In der CDU wird die Forderung nach
einer Obergrenze aber zurückgewiesen.
Bei der Frage der doppelten Staatsbürgerschaft und der Obergrenze habe man
„einen Dissens“, sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber der „Welt am Sonntag“. Er bemühte sich aber darum, den
Eindruck zu verwischen, dass die beiden
Schwesterparteien „völlig gegensätzliche
Vorstellungen“ hätten. „Die CSU geht in
einigen Punkten vielleicht weiter als wir
– aber wir gehen in die gleiche Richtung.“
SPD-Chef Sigmar Gabriel sprach im
„Tagesspiegel“ von einer „Banalisierung
Sympathie für Seehofer
als Kanzlerkandidat
42 Prozent der Deutschen glauben,
CSU-Chef Horst Seehofer wäre
als Spitzenkandidat der Union
erfolgreicher als Angela Merkel.
Das ergab eine Infratest-DimapUmfrage für die „Welt am Sonntag“. 52 Prozent glauben dies
nicht. Am meisten Zuspruch hat
Seehofer bei AfD-Anhängern und
aus dem Lager der SPD. Für eine
Kandidatur von Verteidigungsministerin Ursula van der Leyen
anstelle Merkels plädierten lediglich 17 Prozent der 1020 Befragten.
der Politik“. Die Menschen wollten Politik mit ernsthaften Lösungen und nicht
„mit Parolen und schrägen Vorschlägen“. „Wir müssen den Beweis antreten,
dass die Koalition den Willen und die
Kraft aufbringt, den Zusammenhalt der
ganzen Gesellschaft zu festigen“, zitierte die „Bild am Sonntag“ aus einem Brief
Gabriels an Merkel und Seehofer. In
dem Schreiben stelle der SPD-Chef einen Sechs-Punkte-Katalog auf, den die
Koalition abarbeiten müsse: ein Gesetz
über Lohngerechtigkeit, Einigung bei
der Erbschaftsteuer, Angleichung der
Ost-Renten, Neuordnung der BundLänder-Finanzen, Beschluss der Lebensleistungsrente und eine Mietrechtsreform.
Oppermann forderte die Union zudem
auf, mit der SPD ein Einwanderungsgesetz auf den Weg zu bringen. „Der Bundestag sollte jedes Jahr die Quote für die
Einwanderung festlegen, sodass es ein
politisch legitimierter und kontrollierter
Prozess ist.“ Die CSU forderte bei ihrer
Klausurtagung, dabei Menschen aus dem
„christlich-abendländischen
Kulturkreis“ zu bevorzugen.
Seiten 6-7
TORSTEN KRAUEL
rauke Petry möchte im Bundestag mit möglichen Koalitionspartnern „mindestens auf
Augenhöhe agieren“, wie sie der
„Welt am Sonntag“ sagte. Mit wem
möchte sie denn vorher auf Augenhöhe kommen? Wenn Petry sagt, das
Wort „völkisch“ dürfe nicht immer
nur negativ gebraucht werden, oder
wenn sie sagt: „Auch Neonazis haben
Grundrechte“ – dann lässt sie durchblicken, dass die AfD wirklich nach
ganz rechts ausgreifen möchte. Dorthin, wohin aus gutem Grund niemand sonst fischen geht.
Selbstverständlich verhält sich das
Wort „völkisch“ nicht so zu Volk, wie
„musisch“ zu Musik. Selbstverständlich auch haben Neonazis einige
Grundrechte. Dafür sorgt beim Thema Versammlungsfreiheit auf öffentlichen Plätzen seit einiger Zeit mit
Entschiedenheit der Erste Senat des
Bundesverfassungsgerichts.
Aber
nicht aus Sympathie für deren Weltbild – und keineswegs schrankenlos.
Wenn jemand Gewalt propagiert
oder das Wort Auschwitz als Synonym für Unwahrheit bezeichnet, hat
er etwas weniger Grundrechte als andere, aus gutem Grund und im Einklang mit dem Grundgesetz. Das aber
ist ein Thema für die Justiz. Wer wie
Petry als Parteichefin Neonazis
Grundrechte zuspricht, trifft eine politische, keine juristische Wertung.
Wer wie sie behauptet, das Wort
„Volk“ dürfe in Deutschland heute so
wenig entspannt verwendet werden
wie das Wort „Deutschland“ in der
DDR, wohnt in einem anderen Land.
„Dem deutschen Volke“ steht am
Reichstagsgebäude, im Grundgesetz
kommt das Wort elf Mal an entscheidender Stelle vor, und das höchste
Ziel aller Parteien ist es, Volkspartei
zu werden.
Frauke Petry zeigt etwas anderes,
wenn sie sagt, „völkisch“ müsse positiv besetzt werden. „Völkisch“ ist
nicht dasselbe wie Donald Trumps
„Amerika zuerst“. Es positiv zu besetzen wäre so, als ob die Linkspartei
den Begriff „Diktatur“ rehabilitieren
wollte. Nazi-Kampfbegriffe sind
nicht resozialisierbar. „Völkisch“ beinhaltet als Kern nicht die Grundrechte, sondern Blutsrechte. Das
Wort ist viel zu dicht mit Mordgesellen verknüpft, als dass jemand es
heute bei Sinnen in den Mund nähme. Petry zeigt mit solchen Erwägungen die unaufhaltsame und unvermeidliche Drift in Richtung vergangener Zeiten, die sich rechts von der
Union vollzieht, sobald dort jemand
politisch zu Kräften kommt. Es gehört zur Wirklichkeit, dass Menschen
und Parteien, die Begriffe wie „völkisch“ sehnsüchtig im Kopf hin- und
herwenden, auf Weggabeln zusteuern, deren vielfältige Konsequenzen
sie zu spät erkennen.
[email protected]
Oben ohne im Stadion
Seltsame Szenen beim Heimdebüt von RB Leipzig: Ordner zwingen Fans von Borussia Dortmund, ihre Trikots auszuziehen
ie Euphorie war greifbar in Leipzig. Die ganze Stadt fieberte
dem ersten Heimspiel des Aufsteigers RB Leipzig entgegen.
Trotz der Misstöne im Vorfeld inklusive Boykott der BVBUltras waren auch Tausende Dortmund-Fans angereist; der Klub hat
eine große Anhängerschaft in Ostdeutschland. Doch viele von ihnen
bekamen ein Problem, als sie die Red-Bull-Arena betreten wollten.
VON SIMON PAUSCH
Beim Einlass zur Hintertortribüne neben dem Gästeblock (Sektor
D) bildeten sich lange Schlangen. Der Grund: Viele BVB-Fans, die bei
sommerlichen Temperaturen in schwarz-gelben Trikots ins Stadion
wollten, wurden abgewiesen. Erst nachdem sie ihre Hemden bei einer
Sammelstelle abgegeben hatten, wurden sie eingelassen. Hunderte
Borussia-Anhänger mussten die Partie oben ohne verfolgen. Die Begründung für die ungewöhnliche Maßnahme liefert Paragraf 4 Absatz
3 der Stadionordnung. Dort heißt es: „Die Sektoren B und D sind bei
den Fußballspielen von RasenBallsport Leipzig GmbH ein ausschließlicher Heimfanbereich. Es ist verboten, sich als Fan der Gastmannschaft in diesem Bereich aufzuhalten beziehungsweise zu verweilen.
Der Kontroll- und Sicherheitsdienst ist angewiesen und berechtigt,
Zuschauer, die als Fan der Gastmannschaft zu erkennen sind oder
durch ihr Verhalten auffallen, auch wenn sie ein gültiges Ticket für
diesen Bereich besitzen, aus diesem zu entfernen, wobei ihnen –
soweit dies im Einzelfall möglich ist – ein anderer geeigneter Platz
zugewiesen wird.“
Da der BVB-Fanblock trotz des Boykotts der Dortmunder Ultras in
Windeseile ebenso ausverkauft war wie der Rest des Stadions, hatten
die Ordner beim Einlass keine Wahl: In die sogenannten Heimfanbereiche durfte nur, wer kein schwarz-gelbes Trikot trug. Obwohl bei
28 Grad Celsius niemand frieren musste, sorgte der Vorgang bei vielen Dortmundern für Unmut. Nach dem Schlusspfiff (Endstand: 1:0)
DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen.
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bildeten sich lange Schlangen halb nackter Menschen, die sich ihr
Trikot an der Sammelstelle zurückholen wollten.
„Das ist bei uns klar in der Stadionordnung verankert und auch
gängige Praxis in der Bundesliga“, teilte RB auf „Welt“-Anfrage mit.
„Beim Online-Ticketverkauf wird jeder explizit darauf hingewiesen,
dass in Block D keine Fans der Gastmannschaft in ihren Fanutensilien Zutritt haben.“ De facto ist der Passus in der Leipziger
Stadionordnung jedoch ligaweit einmalig. RB ist nicht nur der einzige
Klub, der zwei voneinander separierte „Heimfanbereiche“ für sich
proklamiert. Auch das ausdrückliche Verbot von Fanutensilien der
Gastmannschaft gibt es bei Klubs wie Hertha, Bayern München oder
Schalke nicht.
In Leipzig schlichen sich mit fortlaufender Spielzeit dann doch
einige schwarz-gelbe Farbtupfer in den „Heimfanbereich“. Offenbar
hatten manche BVB-Anhänger ihr Trikot beim Einlass clever verborgen. Gestört hat sich daran niemand.
Seite 18
ISSN 0173-8437
214-37
A 3,40 & / B 3,40 & / CH 5,00 CHF / CZ 96 CZK / CY 3,40 & / DK 26 DKR / E 3,40 & / I.C. 3,40 & / F 3,40 & / GB 3,20 GBP / GR 3,50 & / I 3,40 & / IRL 3,20 & / L 3,40 & /
MLT 3,20 & / NL 3,40 & / P 3,40 & (Cont.) / PL 15 PLN / SK 3,40 €
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ZKZ 7109
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4 FORUM
LETTER FROM EUROPE
DIE WELT
ESSAY
Leserbriefe
spiegeln das
wahre Leben
I
T Der Autor ist Reporter
und Kommentator für den
„Tages-Anzeiger“ in Zürich.
In Kooperation mit „Lena“.
V
AMIN AKHTAR
JEAN-MARTIN BÜTTNER
ch habe großen Respekt vor meinen
Kolleginnen und Kollegen in Brüssel,
die uns die europäischen Umwälzungen übermitteln müssen, aber ich
empfinde auch Mitleid. Obwohl die
Entscheide der EU immense Folgen
haben können, merkt man das der Berichterstattung selten an.
Schon vor dem Lesen weiß man, dass
der Abstraktheitsgrad der Artikel hoch
und die Konkretisierungsdichte vermutlich sehr tief sein wird. „Der Höhepunkt der EU-Skepsis ist vorbei“, lesen
wir da, „Frankreichs Ansprüche an die
EU“ oder „Für die EU gibt es Schlimmeres als den Brexit“. Und das sind
nur die Titel der Artikel, also der aufregendste Teil.
Natürlich braucht es den Journalismus als Kontrolle der Macht. Aber am
liebsten haben wir es konkret. Der
israelische Satiriker Ephraim Kishon
erzählte von einem Telefonat, das er
mit seiner Gattin tätigen musste. Unglücklicherweise befand sich Kishon
zur Anrufzeit in New York. Internationale und erst recht transatlantische
Gespräche waren damals kompliziert
und teuer. Vor allem aus einer Telefonkabine wie jener, in der er sich befand.
Erschwerend kam hinzu, dass nicht
die beste Ehefrau von allen das Telefon
in Tel Aviv abnahm, sondern sein
jüngster Sohn. Und auch der wollte mit
seinem Vater reden, der mit dem Geldeinwerfen in New York fast nicht mehr
nachkam. Auf dessen flehende Bitte,
jetzt doch bitte die Mutter ans Telefon
zu holen, sagte der Bub: „Jossik war
heute nicht im Kindergarten.“ Für
Kishon in New York mochte es Wichtigeres gegeben haben, aber auf Kindergartenhöhe waren es Breaking News,
die sein Sohn ihm exklusiv mitteilte:
Jossik, der gestern noch da war, ist
heute nicht gekommen, und niemand
im Kindergarten weiß warum.
Ich habe Kishons Anekdote nicht
vergessen, weil sie etwas über den
Journalismus sagt, wie wir ihn häufiger
betreiben sollten. Denn ich möchte
wissen, warum Jossik nicht im Kindergarten war. Wann er wieder zurückkehren wird. Und welche Erklärung er
bei seiner Pressekonferenz über die
Absenz verlesen wird. Denn wir alle
wissen, dass das Leben erst im Detail
konkret wird. Und damit auch die Berichterstattung.
Wer sich für lokale Breaking News
interessiert, findet sie vor allem in
jenem Teil der Zeitung, der kein hohes
Standing hat, aber eine wichtige Funktion: der Leserbriefseite. Selbst wenn
die Briefe sehr alt sind und die Zeitung
im Archiv liegt, klingen die Sorgen der
Leser echt und wirkt ihr Zorn bis heute
nach. Und die Leute werden konkret,
egal aus welchem Land sie der Zeitung
schreiben.
In Nairobi kritisiert ein anonym
gebliebener Lastwagenfahrer die Bestechungspraxis der Polizei. Ein pensionierter argentinischer Brigadegeneral rügt den Unwillen seines Landes,
die Armee zu reformieren. Aus Buenos
Aires erzählt José Maria Branca von
der Frau mit dem verletzten Kind, die
der Busfahrer nicht einsteigen lassen
wollte und die dann von einem jungen
Taxifahrer gratis ins Spital gebracht
wurde. Und was denkt der Hotelier aus
Bangor im nordwestlichen Wales heute
über sein Ja zum Brexit? Wird Jossik
morgen wieder in den Kindergarten
kommen?
MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016
Die Autorin (r.) mit dem afghanischen Flüchtlingsmädchen Modina beim jüngsten Bürgerfest von Bundespräsident Joachim Gauck
or genau einem Jahr habe ich
mich nach dem Spruch von
Kanzlerin Merkel „Wir schaffen
das“ als ehrenamtliche
Deutschlehrerin in ein Flüchtlingsheim in Berlin begeben.
Wie viele Helferinnen habe ich
beim Deutschunterricht und bei der Betreuung
einzelner Familien einige tief berührende, schöne, witzige, aber auch mich schwer verunsichernde Momente erlebt. Es kostet ungeheuer viel
Zeit, Nervenkraft und Geduld, sich auf Lernbeziehungen mit Migranten einzulassen. Auch da
gibt es Grenzen und muss es Grenzen geben.
Meine Geschichte mit Modina, einem vierjährigen Mädchen aus Afghanistan, das seine sehr
junge Mutter auf der Flucht verloren hat, kann
vielleicht anderen Mut machen, sich auf einen
Menschen oder eine Familie einzulassen. Sie fiel
mir sofort auf. Denn sie schaute nicht unterwürfig, sondern war neugierig. Als ich sie anlachte,
turnte sie vor mir herum und sprang in die Luft.
Da war es um mich geschehen. Sie und ihr Vater,
der erst 21 Jahre alt ist und meist für ihren Bruder gehalten wird, gehören zur Hazari-Minderheit in Afghanistan, die nicht nur von den
Taliban schwer bedroht ist. Der alleinerziehende
Vater scheint an seinem afghanischen Milieu in
Hamburg und Worms zu hängen, mit dem er
ständig telefoniert. Er hatte schon im Iran ein
Auto und wundert sich, wie lange es dauert, bis
man in Deutschland mehr Geld verdienen kann.
Kaum ein Flüchtling hat in der damaligen Willkommenseuphorie daran gedacht, wie schwer es
sein wird, Deutsch zu lernen.
Manchmal, wenn ich mit Modina ihre ersten
Sätze wiederhole, klingt die Nachricht in mir
nach, wie Hazari in Afghanistan auf einer Demonstration für ihre Rechte erschossen und
unter welch furchterregenden Schreien ihre
Särge getragen wurden. Fast täglich lese ich
E-Mails über Kinderehen, Missbrauch von Mädchen und Frauen auf der Flucht, weil ich seit
Jahren in einem globalen Frauennetzwerk arbeite und mich schon lange mit dem fundamentalistischen Islam beschäftige. Da erscheint mir
vieles, was Modina und ich zusammen erleben,
wie Luxus. Doch es muss Einzelne geben, die
anderen später helfen können, sich zu befreien,
so wie die Mädchenrechtlerin Malala aus Afghanistan, von der Modina noch nichts weiß.
Im Berliner Grunewald habe ich im Sommer
ein Holzhaus mit ihr gebaut. Da fing sie an, Krieg
zu spielen, bekam Lust, etwas kaputtzumachen,
hatte aggressive Anfälle, die ich sonst nur von
gestörten Jungen kenne. Frieden braucht seine
Zeit, Wunden heilen langsam. Ein wenig haben
wir es bei einem Konzert gespürt, bei Liebesliedern, die sie mitsummte oder beim Konzert:
„Bach in Aleppo“ mit einem christlichen Sänger
aus Syrien. Sie scheint vor allem bei gutem Essen
an Frieden zu denken, oder wenn sie spielen
kann, was sie will, und mit mir „Ferien machen“,
das neu gelernte Wort des Sommers.
Wir haben alle vier Jahreszeiten, auch die
fünfte, den Fasching, miteinander erlebt. Ich
durfte mit ihr die Freude teilen, im Herbstlaub
Modinas
Gespür
für
Freiheit
Seit einem Jahr
kümmere ich mich um
ein afghanisches
Flüchtlingsmädchen.
Während der 21-jährige
Vater noch den Werten
des Klans verhaftet ist,
lernt Modina die Freuden
eines freiheitlichen Lebens
EVA QUISTORP
oder im Schnee zu toben. Ich konnte mit ihr die
Namen der ersten Frühlingsblumen üben, dann
beim Schaukeln das Lied „Summ, summ, summ,
Bienchen summ herum“ und „alle meine Entchen“ üben. „Hoppe, hoppe Reiter“ habe ich ihr
unter den erstaunten Blicken arabischer Mütter
vorgesungen. Sie liebt Lautmalerei. „Matschepatsche“ zum Beispiel, seitdem sie die verschiedensten Springbrunnen der Stadt ausprobieren durfte
und wir so ungefähr 20 Spielplätze getestet haben.
Überglücklich war ich, als ihr das Lied „Der
Mond ist aufgegangen“ gefiel, ein Lied von Paul
Gerhardt, der seine Tochter im Dreißigjährigen
Krieg verloren hat. Es erinnert mich an meine
Mutter. Erinnert sie sich an ihre tote Mutter? In
bestem Hochdeutsch artikuliert sie „die goldnen
Sternlein prangen“ und „der weiße Nebel wunderbar“. Im Laufe unserer Beziehung hat ihr
Wortschatz einen enormen Sprung getan.
Manchmal überrascht sie mich mit einem neuen
Wort, einem, das ich ihr vielleicht vor Wochen
klar und langsam vorgesagt habe. Doch es gibt
immer wieder Rückfälle mit der, die, das und der
Grammatik, da sie mit dem Vater Farsi spricht,
im Heim Kauderwelsch und in der Kita die Ellbogensprache: „Mach das, lass das, geh weg, ich
will das nicht, ich sag das meinem Vater.“ Für
mich macht sie nun Slam-Poetry: „Lola bellt, das
Schaf schläft, es donnert, der Blitz kommt und
dann ein Regenbogen.“ Dazu spielt sie auf einer
alten Elektrogitarre, doch ohne Batterien, da
fürchten der Vater und ich den Lärm und die
Security im Heim.
Unsere schönste Zeit ist die im Wald, mit
Tieren, beim Vorlesen, beim Musikmachen und
am Wasser, das sie liebt. Ihre Flucht ging über
Land, aber sie liebt das Wasser. Zuerst übte sie
im Halensee, mit Schwimmflügeln zu strampeln.
Einige junge zarte Eritreer aus dem Heim halfen
uns, die Schwimmflügel aufzublasen. Seitdem
haben wir die Enten im Schlachtensee kennengelernt und Seen in der Uckermark, wo sie sich bei
kleinen Jungen das Tauchen abguckte. Die kurze
Reise an die Ostsee werden wir lange erinnern,
Wellen springen, unendlich viel Sand zum Spielen, leckerer Fisch, die Töchter meiner Freundin,
die mit ihr spielten, auch der kleine Lukas mit
Eltern aus Vietnam, fast einziger anderer „Farbiger“ zwischen den Strandkörben.
Manchmal bin ich verwirrt, wie schnell sie mir
etwas nachplappert, bis in den Klang hinein. In
ihrer Gegenwart kontrolliere ich meine Sprache
enorm, was und wie ich etwas sage, denn sie soll
frei sprechen können, gute Voraussetzungen für
Schule und vielleicht die Uni von mir mitbekommen, Gefühle der Freude und Trauer klar artikulieren können, auch der Wut und Versöhnung. Worte und Gesten, die ihr helfen, die Konflikte als Mädchen gegenüber ihrem Vater, dem
nah-fernen Klan übers Handy und auf der Straße,
in Kita und Schule bewältigen zu können. Sie
braucht seelische Reserven durch Musik,
Schwimmen und Waldspaziergänge, wie wir es in
einer Kunstschule und in Kursen für Flüchtlingskinder erlebten.
Wir mussten eine große Leere an Worten und
Gesten überwinden, sie langsam füllen, eine
eigene Welt zwischen uns beiden erschaffen, der
Außenwelt widerstehen, mit Fantasie aus dem
Alltag fliehen, viel praktisch improvisieren. Uns
beide und auch den Vater verbinden weniger
Worte und Erinnerungen als andere. Wir betreten Neuland, müssen in unserer Verschiedenheit und Fremdheit Missverständnisse ertragen.
Manchmal strapazieren der Vater und die wilde
Tochter die Grenzen meiner Geduld. Was er von
seiner Tochter denkt, kann ich nicht wissen, da
er kaum Deutsch spricht und sowieso ungern mit
einer Frau wie mir oder der Sozialarbeiterin. Das
Wichtigste vor unserer Reise ans Meer war für
ihn, dass Modina immer die Unterhose anhat.
Doch sie ist so gern wie andere Kinder am
Strand „nackig“, ein Wort das sie liebt.
Die Beziehung zu Modinas Vater hat sich
enorm verbessert, seit ich ihm zum Deutschkurs
und vor allem einem Praktikumsplatz bei einem
Fahrradhändler verhalf. Seitdem kann Modina
stolz zu Fremden sagen: „Mein Vater arbeitet!“
Doch die Deutschkurse sind viel zu wenig differenziert und spezialisiert auf Analphabeten,
wenig Gebildete aus dem Baugewerbe, junge
Väter, auf verschiedene Ethnien oder Religionsströmungen, die ja auch in den Heimen oft miteinander konkurrieren, streiten, sich gegenseitig
diskriminieren oder beklauen. Diese Männer
können sich nicht gegenseitig motivieren. Eher
bringen sie sich Tricks bei, wie man Ausreden
erfindet, Deutsch zu pauken. Da muss ich langsam von der Großzügigkeit und Barmherzigkeit
auf notwendige Strenge umschalten.
Im Praktikum ist der Vater von Modina fleißig
und handwerklich begabt. Doch Verabredungen,
das Gefühl für Termine, ist sehr schlecht ausgeprägt. Außer es geht um Ämter, wo es Stempel
und Geld gibt. Das belastet die Geduld der Helfer und Helferinnen, wozu auch ein iranischer
Bioladenbesitzer gehört, enorm. Modina versuche ich ein Minimum an Pünktlichkeit und das
Uhrlesen beizubringen. Beim Reisen mit dem
Zug in die Ferien habe ich mich extra laut gefreut, wenn wir nicht zu spät kamen. „Wir haben
es geschafft!“
Auch eine Orientierung gegenüber zu dogmatischer Religion versuche ich ihr zu geben. In
einer Kirche in Stettin haben wir Kerzen angezündet. Manchmal bete ich mit ihr für ihre Mutter im Himmel. Nach dem Ramadan versuchte
ich, unserer Freundin Soraya, die ihr lange wie
eine Amme war, zu erklären, dass der schwarze
Vollschleier mich an Trauer und Beerdigung
erinnere, dass sie da einem Zwang ihres Mannes
nicht folgen müsse, sie sei doch jetzt in Deutschland. Darauf Modina klar und deutlich:„Wir sind
doch jetzt in Deutschland!“ Sie riecht mit allen
Sinnen, dass es um Freiheit geht. Sie will schon
die Haare wachsen lassen, so wie meine. Doch
sie ist unzähligen Einflüssen ausgesetzt, wozu
auch all die Kinder im Heim gehören oder die
verschleierten Frauen aus Somalia, die Werbefotos auf der Straße, die Handy-Reklame mit Blondinen, mit Tätowierungen oder Burkinis. Wie
sollen die Kinder sich in der Medienwelt von
heute zurechtfinden?
Ein Gerüst und eine Grundschicht für ihr
neues Leben sind die Erinnerungen an den Anblick des ersten Storches, die Waldspaziergänge
mit Himbeeren und dem Hund, den sie an der
Leine halten durfte, das Lagerfeuer auf dem
Bauernhof in Polen, die Kinderspiele in der Jurte
dort, das Ausbuddeln von Möhren, das Sammeln
von Äpfeln, die Eva zu Apfelmus machte, die
Gutenachtgeschichte, die ich ihr inzwischen mit
wenigen Worten erfinden kann. Unser größtes
Abenteuer war, als der Hund Lola sich plötzlich
von der Leine losriss und anfing, die frei laufenden Hühner zu jagen. Modina staunte, wie ich
einen Hahn rettete, der viele Federn bei dem
wild gewordenen Haushund gelassen hatte. Genauso aufregend war der Moment, als sie bei
einer Nachbarin Pferde mit Äpfeln füttern und
auf einen großen Gaul aufsteigen durfte. Das hat
ihr Lebens- und Selbstwertgefühl unendlich
erhöht – und das Gefühl, angekommen zu sein.
Beim Bürgerfest des Bundespräsidenten, zu
dem ich wie andere Bürgerrechtler und Ehrenamtliche eingeladen war ins schöne Bellevue,
habe ich Modina und ihren Vater mitgenommen.
Er hat sich dafür einen schwarzen Anzug gekauft, und Modina wollte unbedingt neue weiße
Glitzerschuhe, die ihr dann aber nach einer Weile wehtaten. Der Vater schaffte es, ein Selfie mit
sich und Merkel zu machen und lächelte dabei
wie im siebten Himmel. Modina war mehr an der
Gebärdendolmetscherin interessiert.
Ich hatte ein Gedichtheft von jungen Afghanen aus Berlin als Geschenk für Joachim Gauck
ausgesucht. Modina hat noch viele Herzen reingemalt. Doch in dem Moment, als wir im Gewühl
auf Gauck trafen, wollte sie weder die Hand
geben noch das Buch verschenken. Sie ist eben
gern mal trotzig. Gauck entpuppte sich als erfahrener Großvater und blieb heiter. Da kriegte er
das Buch mit den Herzen von Modina dann doch
noch. Wir trafen wieder Eritreer, einen kurdischen Jungen, einen jungen Sudanesen, der bei
einer älteren Goldschmiedin wunderbar Deutsch
gelernt hat. Wie schön Deutschland, wie heiter
Deutschland an diesem Sommerabend sein
konnte! Wie beglückend, unter vielen engagierten Bürgerinnen und Bürgern „ein freier Mensch
unter Freien“ zu sein.
Es wurde eine wunderbare Nacht mit Mond
und Sternen, Tanzen mit bayerischen blondzopfigen Mädchen in ihren Trachten, am Schluss ein
Feuerwerk, wo Modina und ich uns ab und zu die
Ohren zuhielten, doch das Farbenspiel genossen.
Zwischen uns beiden ist wohl eine Liebesgeschichte gewachsen, anstrengend, aber schön.
T Die Autorin (70) ist Mitbegründerin
der Grünen. Die Pazifistin und Feministin
engagiert sich für Flüchtlinge.
IMPRESSUM
Verleger AXEL SPRINGER (1985 †)
Herausgeber: Stefan Aust
Chefredakteur: Dr. Ulf Poschardt
Stellvertreter des Chefredakteurs:
Oliver Michalsky, Arne Teetz
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+
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DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd
DIE WELT
FORUM 5
MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 *
KOMMENTAR
LEITARTIKEL
Eine neue
Realpolitik
10.09.16
Samstag, 10. September
-Belichterfreigabe:
:Z
eit:
2016
Belichter:
Farbe:
KUNDENSERVICE
Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin
distanzierte. Auch Vizekanzler Sigmar
Gabriel tutete ins selbe Horn mit dem
Ergebnis, dass sich die SPD von etwas
über 20 Prozent, die ihr beim Umfragetief prognostiziert wurden, auf
über 30 Prozent am Wahltag steigern
konnte. Aber es gibt noch zwei weitere
Gründe. Innenminister Lorenz Caffier,
der bereits 2011 das bis dahin schlechteste Wahlergebnis für die CDU erzielte, war trotz guter Arbeit bei der Integration von Flüchtlingen und im
Bereich Innere Sicherheit/Polizei meiner Meinung nach nicht der richtige
Spitzenkandidat. Er hat leider zu wenig
Charisma und wirkt bei öffentlichen
Auftritten und in den Medien nicht
souverän genug – im medialen Zeitalter
ein schweres Handicap. Ganz anders
AfD-Spitzenmann Leif-Erik Holm, der
seine Partei zur zweitstärksten Kraft
Verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes:
Seite 1: Henning Kruse Deutschland: Marcus Heithecker Ausland: Oliver Michalsky Forum: Rainer Haubrich Wirtschaft/Finanzen: Thomas Exner Sport:
Jens Bierschwale Wissen: Heike Vowinkel Feuilleton:
Matthias Heine Panorama: Oliver Michalsky Sonderthema: Astrid Gmeinski-Walter Alle: c/o WeltN24
GmbH, 10888 Berlin. Hamburg: Claudia Sewig, «Axel-
as neue iPhone 7 kann
vorbestellt werden.
Allerdings ist nur eine
begrenzte Stückzahl
verfügbar.
Die genaue Zahl kennt
aber Insider vermuten, niemand,
sehr begrenzte Mengen dass es
unterhalb
einer zweistelligen
Milliardenmarke sein werden.
Interessenten
an dem pfiffigen schnurlosen
Telefon für unterwegs
müssen
einen Antrag auf Erteilung
Vorbestellungserlaubnis einer
Apple-Firmenzentrale an die
Dort wird überprüft, stellen.
ob die Voraussetzungen zur
Erteilung einer
Vorbestellungserlaubnis
sind. Man sollte lückenloserfüllt
weisen, dass man innerhalbnachder
vergangenen zehn
Jahre
das neuste iPhone-Modellimmer
gekauft
hat, vorzugsweise
in der Plusversion. Auch sonst
sollte der
Antragsteller durch
einen vorbildlichen Lebenswandel
wozu der Besitz von überzeugen,
iPad,
MacBook und Apple
Watch gehört. Sind diese Voraussetzungen
erfüllt, erhält der Interessent
Formular zur Vorbestellung das
des
iPhone 7. Das Gerät
bekommt
aber nur, wer sich
verpflichtet,
die Versionen 8 bis
22 ebenfalls
zu erwerben sowie
jeden anderen
Digitalquatsch, den
Apple in den
nächsten zehn Jahren
Markt werfen wird. auf den
SAMSTAG, 10.
SEPTEMBER
orst Seehofer läuft auf Hochtouren. Arbeitete er sich zuletzt vor allem an der Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin ab,
hat er nun quasi im Vorübergehen
verkündet, die CSU wolle die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
ARD und ZDF zusammenlegen. Die
Grundversorgung der Zuschauer könne
auch von einer Fernsehanstalt geleistet
werden. Bei ARD und ZDF, so war am
Sonntag zu erfahren, wolle man sich
zurückhalten. Klar zielt Seehofers Vorstoß in das Herz des historisch gewachsenen Rundfunksystems. Doch man
müsse ja nicht über jedes Stöckchen
springen.
Der Fusionsplan, der im neuen
Grundsatzprogramm der CSU stehen
soll, ist im Detail bisher nicht bekannt.
Auch die FDP verfolgte schon einmal
solche Absichten. Und ginge es nach
der AfD, würden die Sendeanstalten
brachial umgebaut. Bei den ÖffentlichRechtlichen selbst ist die Erkenntnis
angekommen, dass es mit Sparreförmchen nicht getan sein könnte. Aus-
gerechnet Ulrich Wilhelm, der Intendant des Bayerischen Rundfunks,
sagte kürzlich in einem Interview:
„Wenn man noch einmal neu anfinge,
würde man sicher nicht ARD und ZDF
getrennt aufbauen, sondern eine Anstalt für ganz Deutschland.“
Richtig ist, dass es angesichts eines
aufgeblähten Apparates und zunehmender Kritik am „Zwangsbeitrag“
auch aus der Mitte der Gesellschaft
dringend angezeigt ist, das öffentlichrechtliche Rundfunksystem neu zu
denken. Sich nicht mit den historischen Gegebenheiten zufriedenzugeben und darum nur an kleinen Stellschrauben zu drehen. Und tatsächlich
überprüft derzeit eine Arbeitsgruppe
der Medienpolitiker den Auftrag des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Allerdings wirkt der nun lancierte
Fusionsplan aber auch arg populistisch
und kaum konstruktiv. Medienpolitik
ist Ländersache, abgestimmt scheint
Seehofers Vorgehen aber nicht zu sein.
Zufällig gewählt ist der Zeitpunkt der
Veröffentlichung indes nicht. In dieser
Woche tagen die Intendanten der ARD
in Berlin. Ihre Aufgabe ist es, auch
wenn es ihnen vermutlich schwerfallen
dürfte, den CSU-Vorstoß nicht nur als
Provokation abzutun. Selbst wenn er
so gemeint ist.
[email protected]
DIE STRENGE STAUSBERG
Brasilien ohne Frauen
S
HILDEGARD STAUSBERG
eit ein paar Monaten hat Brasilien eine Übergangsregierung,
die das Land bis zur Wahl 2018
führen soll. Die seit sechs Jahren regierende Präsidentin Dilma Rousseff,
eine Sozialistin, wurde nach einem
langwierigen Verfahren abgesetzt. Man
kann zum neuen Präsidenten Michel
Temer, bis vor Kurzem Vizepräsident,
stehen wie man will: Der 75-Jährige ist
kein „Greenhorn“, sondern seit mehr
als 40 Jahren im politischen Geschäft.
Und wenn man sich seine Regierung
ansieht, dann sind dabei ein paar versierte Politiker und erfahrene Fachleute. So ist der neue Außenminister José
Serra ein echtes Schwergewicht, dessen
einziges Manko darin besteht, nicht
fotogen zu sein – fast ein Todesurteil in
unserer Zeit. Im Bereich der Finanzen
hat kaum jemand in Brasilien – oder
ganz Lateinamerika – so viel Erfahrung
wie der von Temer ernannte Minister
Henrique Meirelles.
Was braucht ein Land, das seit mehr
als drei Jahren in einer tiefen Rezession
steckt, das eine Inflationsrate hat, die
sich der Zehn-Prozent-Marke nähert,
dessen Staatsfinanzen überhaupt nicht
mehr unter Kontrolle sind? Es braucht
Fachleute. Nun ist das deutsche Wort
„Leute“ ja zum Glück neutral. Richtiger
hätte man mit Blick auf das Kabinett
Temer schreiben müssen: Es ist ein
Kabinett der Fachmänner. Darüber ist
eine Kontroverse entbrannt, die es
sogar auf Seite eins der „International
Herald Tribune“ schaffte.
Da greift man die in Brasilien geschürten Ängste auf, dass nach dem
Ausscheiden Rousseffs Frauen nun um
ihren Einfluss bangen müssten. Was für
eine verquere Welt: Man kritisiert das
Kabinett Temer für die Tatsache, dass
es für die Herkulesaufgabe der Sanierung der Staatsfinanzen einen Fachmann wie Mireilles nominierte – und
dafür nicht eine Frau aussuchte. Gab es
die überhaupt?
So oder so: Hier geht es nicht in
erster Linie um eine echte Auseinandersetzung mit Sachfragen, sondern
um die künstliche Aufregung über die
Tatsache, dass es in diesem Kabinett
keine nennenswerten weiblichen Mitglieder gibt. So als ob das Heil Brasiliens von einer geschlechtsspezifischen
Zusammensetzung seiner Regierung
abhinge! Dabei ist die Wahrheit doch
diese: Weder Rousseff in Brasilien noch
die bis Ende 2015 in Argentinien regierende Präsidentin Cristina
Fernández de Kirchner haben ihren
Ländern Glück gebracht. Frau allein
reicht eben auch nicht.
2016
** D 2,70
E URO
B
Nr. 213
KOMMENTAR
Zäsur
11. September
im Schweriner Landtag machte. Er ist
als ehemaliger Moderator des Radiosenders Antenne MV landesweit bekannt, rhetorisch begabt, und er nutzte
seine immer noch vorhandene Popularität, indem er sich als Stimmenfänger
für die AfD betätigte.
JACQUES SCHUSTER
D
22
CDU nennt Seehofer
Vorschläge grundges s
etzwidrig
MANFRED H. OBLÄNDER, KÖNIGSWINTER
V
Rotes Tuch
G
Ihre Post an:
DIE WELT, Brieffach 2410, 10888 Berlin,
Fax: (030) 2591-71606, E-Mail: [email protected]
Zu: Merkel-Berichterstattung
Kampfansage
an Briten
und Rosinen
auf allen Kanälen
– mit der „Welt“-App
auf dem Smartphone
oder Tablet. Attraktive
Sie auf welt.de/digital Angebote finden
oder auch mit den
neuesten Tablets
auf welt.de/bundle
H
CHRISTIAN MEIER
**
Unsere neue
Nummer eins
Angelique Kerber
ballt die Faust
nach ihrem überzeugenden
Sieg
im Halbfinale der
US Open in New
York. Knapp zwei
Jahrzehnte nach
Steffi Graf steht mit
der 28-Jährigen wieder eine
deutsche Spielerin an der Spitze der
Tennisweltrangliste. Wir erklären
die wichtigsten Stationen
im Leben der
Nummer eins.
Seite
ie meisten Epochengrenzen
sind künstlich gesetzt.
Begann die Moderne
1789 mit
der Französischen
Revolution oder
mit der Erfindung
der Dampfmaschine fast 80 Jahre
früher? Endete das
19. Jahrhundert am
31. Dezember 1899
oder erst mit dem
Ausbruch des Ersten Weltkrieges?
Diese
merten die ZeitgenossenFragen kümwenig. Die
Menschen stehen
im
eignisse; erst später Strom der ErSinne Kierkegaards schauen sie im
zurück: „Das Leben wird vorwärts
gelebt und rückwärts verstanden.“
Doch es gibt Augenblicke,
die alles
bisher Dagewesene
jäh verändern,
zumindest in ein
anderes Licht rücken. Der 11. September
2001 war ein
solcher Augenblick.
Er beendete
nicht nur die Jubelepoche
nach dem
Fall des Eisernen
Vorhanges, sondern
machte auch vielen
am selben Tag klar, Menschen noch
dass nach den Anschlägen von New
York und WashingTHEMEN
ton kaum etwas so
sein würde, wie es
gewesen war. Der
Glaube an das „Ende der Geschichte“
wich der Erkenntnis, Opfer in einem
Krieg
sich nicht allein gegen zu sein, der
die USA richtete, sondern gegen
den Westen insgesamt. Die Überzeugung,
im dauerhaften Frieden zu
leben, zerbarst innerhalb von Tagen.
An ihre Stelle trat
die Einsicht, gegen
einen Feind ohne
REISE
Aussicht auf Versöhnung
kämpfen zu
müssen, weil dieser
Gegner sich dem
Marbellas Altstadt,
Todestrieb verschrieben
Christen dürften
hatte: „Ihr
bei Zuwanderung
liebt das Leben. Wir
neu entdeckt
lieben
nicht besser behandelt
Ministerpräsidentin
Darüber hinaus mussten den Tod.“
werden als Muslime,
die meisKramp-Karrenbauer.
ten Menschen im
Beilage
Westen mit einem
sagt Saarlands
Forderungen in der
Schlag zur Kenntnis
CDU, endlich „zurückzuschlagen“
nehmen, dass sie
or einem Koalitionsgipfel
es mit einer Gefahr
Auch die Forderung
zu
über die Zuwanderungspolisie gestern noch für tun hatten, die
nach einem „EinPOLITIK
wanderungsbegrenzungsgesetz“,
mumienhaft vertik am Sonntag eskaliert
gangen gehalten hatten.
der hofer beschließen
die SeeStreit zwischen den
Hinter den Kulissen
lassen will, lehnt
Hitlers frühere
de des Dreißigjährigen Seit dem EnUnions- CDU schon
wächst in der CDU
die
„Das schadet dem
parteien
Krieges war
der Unmut über
jetzt
das Bewusstsein verschwunden,
die
Raketenbasis ist
politik. Die CSU will über die Flüchtlings- einem isoliertenab: „Wer behauptet, mit
einer internen TagungCSU-Attacken. Auf
heute
heute auf einer Vordass
Ansehen Deutschlands“
Einwanderungsgesetz
eine Religion fanatisiert
standsklausur ein
der Generalsekrekäme kein einziger
eine Hochburg der
und mördetäre und Geschäftsführer
fünfseitiges Papier
Flüchtling mehr,
risch werden kann.
beschließen, indem ein
AfD
aller LandesverbeDer 11. September
bände wurde der
härterer Kurs gefor- lügt die Leute“, schimpft Kramp-Karrenbrachte es wieder
dert wird. In der
Generalsekretär
bauer. „Dafür müssten
an die Oberfläche.
Seite 8
Luxemburgs Außenminister
der
Bundespartei, Peter
Beschlussvorlage
Diese Einsicht hat
wir zum Beispiel
heißt
es: „In Zukunft muss
Tauber,
Jean
auch die InnenAsselborn hat die
merangaben aufgefordert, laut Teilnehgelten: Vorrang für die Genfer Flüchtlingskonvention
und Gesellschaftspolitik
Vorschläge der
Zuwanderer aus
kündiCSU scharf kritisiert.
rückzuschlagen“, nachdem „endlich zuunserem christlich- gen und das Asylrecht im Grundgesetz
Sie führte zur Erkenntnis,verändert.
„Die neuesten
abendländischen
abschaffen.“
der bayerische
Forderungen der
dass der
Ministerpräsident
MOTOR
Multikulturalismus
CSU in
Horst Seehofer
Die
Schwesterpartei lehntKulturkreis“.
Allerdings gestand
schädlich ist,
lingspolitik und Parolen der Flüchtund
sein Finanzminister
das vehement ab.
wenn er über den
die Ministerpräsiwie
dentin, die auch
westlichen
Mit diesem SUV
‚Deutschland muss
terviews erneut die Markus Söder in Inim Präsidium der
steht. Die Gegenbewegung, Werten
will
Deutschland
Flüchtlingspolitik
Bundes-CDU ist, Diskussionsbedarf
VON ROBIN ALEXANDER
bleiben‘ führen zu
der
Bundeskanzlerin
der zuVolkswagen in Amerika
nehmende Druck
einer Abschotkritisiert hatten.
zu: „Wir
müssen schon eine
der Integration und
tung gegenüber
Die
CDU-Spitze scheut
Debatte führen,
Assimilation auf
Flüchtlingen“, sagte
aber den öffentlichen
„Bei der Aufnahme
wieder Fuß fassen
Ausländer, ist ohne
Asselborn der „Welt“.
Konflikt, sie will vor
von Verfolgten un- che Zuwanderung wir bei uns haben welden 11. September
„Sie schaden
terscheidet unser
nicht zu erklären.
dem Ansehen Deutschlands
Berlin am Sonntag der Landtagswahl in
Grundgesetz gerade len und in welchem Rahmen wir wolGenauso wenig wie
Seite 16
nicht, ob jemand
in einer Woche kein
gleichin der
zeitig unseren humanitären
Welt und lösen im
zerstrittenes Unionslager
als Christ, Jude,
der Überfremdung die Furcht vor
Ausland IrritatioVerpflichtunMoslem, Mann oder
präsentieren.
in den Tagen der
nen und Sorge über
Frau oder aus anderen gen nachkommen können.“
Die Christsozialen
Flüchtlingskrise.
den künftigen
Die erneute
Gründen verfolgt
nehmen darauf nach
Kurs der Bundesregierung
der CDU-Wahlniederlage
wird“, sagte die Mini- Forderung der CSU, der Bundestag
Hinzu kommt schließlich
sterpräsidentin des
in der
FEUILLETON
möge
in MecklenMigrationspolitik
burg-Vorpommern
das BeSaarlandes, Annegret eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlinwusstsein, in einem
aus.“ Er glaube,
keine Rücksicht mehr.
Kramp-Karrenbauer
gen pro Jahr gesetzlich
Konflikt zu stedass die CSU damit
CSU-Chef Horst
cken, der nicht
Warum eigentlich
der AfD auf die
Seehofer äußerte
Sie fragt: „Wie soll (CDU), der „Welt“. wirft die Schwesterparteibeschließen, verbeendet ist. Der
Sprünge hilft: „Die
sich
am Freitag zwar etwas
geht
dieser Vorschlag
Kampf gegen den
hingegen kateChristsozialen
der gorisch. „Der
CSU denn in die
moderater im Ton,
Terror wird weiteres nur um die Ängste
aus Bayern können
blieb aber in der
Praxis
Streit über die Obergrenze
gehen. Können wir
noch so scharf
Sache hart. „Wir
den? Bei der Zuwanderungumgesetzt wer- ist angesichts
ihn gewinnen?
schießen, sie werden
brauchen jetzt klare,
der aktuellen Situation,
der Rechtspopulisten?
in den ArbeitsKönnen wir auch
verlässliche Regeln
die AfD nicht
markt kommt es doch
der deutlich weniger
scheitern? Die Antin
überholen. Aber
die Zuwanderung,
für
wort mag in Samuel
Flüchtlinge neu ansie verbiegen das
auch für die Zukunft“,
fikation an statt auf eher auf die Quali- kommen, eine
Becketts ErzähBild von Deutschland,
sagte er im oberpfälzischen
die Religion.“
ziemliche PhantomdiskusSeite 25
lung „Aufs Schlimmste
das
sion“, sagte Kramp-Karrenbauer.
SchwarzenJahr 2015 als solidarischessich im
zu“ liegen:
feld. „Ohne Begrenzung
„Immer versucht.
und
werden wir es
Immer gescheitert.
menschliches Land
nicht schaffen – das
Einerlei. Wieder
gezeigt hat.“ cbs
ist meine tiefe Überversuchen. Wieder
zeugung.“
scheitern. Besser
PANORAMA
scheitern.“
Seite 4
[email protected]
uy Verhofstadt personifiziert
Die große Leere,
die Lust am powenn
litischen Streit wie
kaum ein anderer.
BLICK AUS BRÜSSEL
das Kind auszieht
Der belgische Ex-Premierminister
marktes für ein starkes
soll künftig im
men des Europaparlaments
politisches Ziel und
über die Bedingungen Nadass die EU-Seite
Seite 32
erwarten,
Brexit verhandeln
des
es in den Verhandlungen
„Er hasst
und die Abgeordneten
quent verfolgt. In
fenden halten, was
konse- tekt Nigel alles, wofür wir stehen“, sagte Brexit-Archiauf dem Laueinem noch unveröffentlichten
Kommission und
Farage über den Belgier.
pier mit dem Titel
Rat mit den Briten aushecken. Seine
Pa- der EU Zorn
Farage unterstellt
„Brexit und die Zukunft
und Eifer in der
haben sie die Verhandlungsstrategien
Europas“ Aber
an die Briten — und Ernennung ist eine Kampfansage
Verhandlungsführung.
DAX
ein Zeichen des Parlaments
spieltheoretisch
beider Seiten blicktauch wenn man so kühl auf die Optionen
anderen beiden EU-Institutionen:
an die
betrachtet und eingeordnet.
wie die Ökonomen
der EU
Fortbestand der Union
Wir schauen euch
um Hüther, ergibt
Im Minus
auf die Finger.
Den Handlungsanweisung:
sich eine
les, was dies gefährdensehen sie als essenziell an: „Al„Langfristig ist die
Verhandeln im eigentlichen
wort
optimale
der EU unabhängig
kann, wird für die
AntSeite 19
Sinne müssen
verhandelbar sein.“
von der Verhandlungsposition
EU nicht der britischen
sion und Rat, die
beide VerhandlungsführerKommisRegierung eine kompromisslose
Und die Union, so
haben. Im Zweifel
Dax
handlungsführung“,
geht der Common
müssen sie in mühevoller ernannt
Euro
Versel, würde zerbröckeln,
schreiben sie — die
Dow Jones
Sense
beit Zehntausende
Schluss
DetailarEU stelle sich
EZB-Kurs
wenn der Briten-Deal in Brüs- damit in jedem Falle ökonomisch
Rechtsvorschriften
17.40 Uhr
spiel setzt und sich
FLORIAN EDER
10.573,44 1,1268
klauben. Verhoftstadt
ein Bei- die Briten
auseinanderbesser, egal, ob sich
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18.293,05
kompromissbereit
hat deutlich gemacht,
Punkte
die ihm gerade gefallen. die Teile aussuchen könnte,
US-$
Parlament kein Ergebnis
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dass das
Das werden die Brüsseleroder bockig geben.
–0,95% ↘ –0,24%
Zugang zum Markt
mittragen werde,
Arbeitnehmerfreizügigkeit,
↘ –1,01% ↘
nur gegen freut
Grundfreiheiten des
das die vier
zur Kenntnis nehmen. Verhandlungsteams erdie Kommissionspräsident das ist also die rote Linie,
Rosinen macht, von europäischen Binnenmarktes zu
Denn die britische
rung hat sich bald
Jean-Claude
Regiedenen London sich
drei Monate nach
mende Woche in
aussucht.
die schönsten
Diskutieren
dem Referendum
seiner Rede zur Lage Juncker kom- noch längst nicht
Wir twittern
Sie mit uns
sortiert. Von
Straßburger Plenum
der Union im strategie
Ökonomen um den
live aus dem
auf Facebook:
für die kommenden einer VerhandlungsNewsroom:
wollen sie mit einer ziehen will. Die Abgeordneten
facebook.com/welt
Hüther, halten den Direktor des IW Köln, Michael
Jahre ist sie weit
fernt. Sie weiß noch
twitter.com/welt
eigenen Resolution
Erhalt der Einheit
entDass kurzfristige Kompromisslösungen
nicht
verstärken. tritt
des Binnenformell erklären will. einmal, wann sie den Ausüber hehre Prinzipien
nicht am Ende
„Die Welt“ digital
Auftrag an sich selbst obsiegen, wird Verhofstadts
T Jeden Samstag
Lesen Sie „Die Welt“
sein.
DIE WELT, Axel-Springer-Straße
digital
hier:
65, 10888 Berlin,
Telefon 030 / 25
91 0 Fax 030 / 25
Redaktion: Brieffach
Kundenservice
91
DIE WELT, Brieffach 71 606 E-Mail [email protected] Täglich weltweit in über
130 Ländern verbreitet.
2440, 10867 Berlin
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Telefon 0800 /
/
A 3,80 & / B 3,80
9 35 85 37 Fax 080058 58 90 Fax 030 / 58 58 91 E-Mail Pflichtblatt an allen deutschen
& / CH 5,20 CHF
Wertpapierbörsen.
/ 9 35 87 37 E-Mail
[email protected]
/ CZ 107 CZK /
GB 3,30 GBP /
CY 3,80 & / DK
[email protected]
GR 3,60 & / I 3,80
29,00 DKR / E 3,80
& / L 3,80 & / MLT
& (Cont.) / I.C.
3,60 & / NL 3,80
3,80 & / F 3,80
& / P 3,80 & / PL
&/
16,00 PLN / SK
3,60 &
verschafft ihnen
Wir sind der Bundeskanzlerin noch
nicht überdrüssig, auch wenn viele
Leserbriefe das Gegenteil suggerieren.
Und deshalb schafft sie das – die erneute Kanzlerschaft. Sie wird nicht „wie
Schröder enden“ und auch nicht wie
Horst „Hybris“ Seehofer. Gefährlich
werden kann ihr nicht etwa die Flücht-
Florian Eder von
„Politico“
Einblick in die europäische
Innenpolitik
Leserbriefe geben die Meinung unserer Leser
wieder, nicht die der Redaktion. Wir freuen
uns über jede Zuschrift, müssen uns aber das
Recht der Kürzung vorbehalten. Aufgrund der
sehr großen Zahl von Leserbriefen, die bei
uns eingehen, sind wir leider nicht in der Lage,
jede einzelne Zuschrift zu beantworten.
??/DW/DWBE-HP
10.09.16/1/TIBE AARAVENA
ARD und ZDF fusionieren?
DWBE-HP
0800/935
85 37
Zippert zappt
Viele Punkte in der Analyse des Landtagswahlergebnisses von MecklenburgVorpommern sind richtig; ich kann
Robin Alexander darum weitgehend
beipflichten. Vor allem trifft es zu, dass
die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel eine der wesentlichen Ursachen für
das relativ gute Abschneiden der SPD
und für den Erfolg der AfD, aber auch
für das schlechte Abschneiden der
CDU war. Erschwerend kommt hinzu,
dass SPD-Landeschef und Ministerpräsident Erwin Sellering wenige Wochen vor dem Wahltag unter dem Eindruck schlechter Umfrageergebnisse in
eben dieser Frage eine Kehrtwende
vollzog und sich deutlich von der
Regionalredaktion Hamburg: Jörn Lauterbach,
Stv. Claudia Sewig
1
D
Zu: „Merkel braucht eine neue Antwort auf die AfD“ vom 6. September
Die WELT-Gruppe kooperiert mit „El País“ (Spanien), „La Repubblica“ (Italien), „Le Figaro“ (Frankreich), „Le Soir“ (Belgien), „Tages-Anzeiger“ und
„Tribune de Genève“ (beide Schweiz)
ǑǑ
[email protected]
Die Europäer haben
ihre Sicherheit, murrend
und zahlungsunwillig,
gern den USA überlassen
ROGER CRACKNELL
SPD-Kehrtwende
MICHAEL STÜRMER
GETTY IMAGES/
LESERBRIEFE
Angesichts der Krisen
und Kriege in der Welt
besteht existenzieller
Bedarf an einer
Kooperation mit Russland.
Das gemeinsame
Vorgehen von Washington
und Moskau in Syrien
zeigt, was möglich ist
AP/ DARRON CUMMINGS;
D
er Atlantik wird breiter, und die
Europäer im Allgemeinen,
Deutschland im Besonderen
müssen etwas dagegen tun –
wenn sie denn wüssten, was.
Mehr Nationalfarben denn je
zuvor flattern vor dem NatoHauptquartier am Brüsseler Boulevard Leopold III,
und ähnlich sieht es aus vor dem Berlaymont, wo die
Europäische Union ihr Zentrum hat. Aber man soll
sich nicht täuschen: Ohne die Letztgarantie durch
die Vereinigten Staaten von Amerika würde das
europäische Schachbrett erst langsam und dann
immer schneller in Schieflage geraten. Die europäische Konstruktion ruht nicht in sich selbst.
Russland ist der Machtfaktor, der nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion noch keine dauerhaft stabile, damit berechenbare und voraussagbare
Rolle gefunden hat – ob es um die Annexion der
Krim geht, den Hybridkrieg im Osten der Ukraine,
den Druck auf Georgien und die gefrorenen Konflikte an der unteren Donau. Vieles erinnert heute
wieder an das mahnende Wort von George Shultz,
Reagans weltweisem Außenminister, der warnte,
Russland gleiche einem schwer verwundeten Grizzlybären: stark, unberechenbar und mit langem Gedächtnis. Dass die westlichen Sanktionen als Mittel
der Kommunikation ausreichen, kann niemand
ernsthaft glauben.
Wer auch immer, Hillary Clinton oder Donald
Trump, im November gewählt wird und im Januar
ins Weiße Haus einzieht und aus dem Oval Office
mit der Welt kommuniziert – die Vereinigten Staaten werden die in ihren historischen Genen angelegte Wendung nach innen und zum Pazifik fortsetzen. Sie bleiben zwar mutmaßlich Weltmacht
noch auf lange Zeit in allen Dimensionen, von der
Popkultur und Cyberspace bis zu den Flugzeugträgern und der Fähigkeit, Raketen durch Raketen
zu zertrümmern. Aber um die Europäer vor selbst
gewählter Schwäche und weltpolitischen Abhängigkeiten zu bewahren, fehlt es an Kraft und Bereitschaft.
Das alte Sendungsbewusstsein, das zuletzt noch
als Hybris den Einmarsch in den Irak des Saddam
Hussein beflügelte, ist verloren, die „manifest destiny“ im innenpolitischen Grabenkampf zerrieben.
Der amerikanische Anspruch auf Besonderheit –
„exceptionalism“ – erweist seine gefährliche Doppeldeutigkeit: Führungsanspruch und Rücksichtslosigkeit. Jene „partnership in leadership“, die George Bush der Ältere in Mainz am Vorabend der
großen Umbrüche den Deutschen anbot, blieb damals unbeantwortet und offen, reichte aber noch,
die deutsche Einheit gemeinsam ins Trockene zu
bringen. Aber würde sie, jenseits von G 8 und G 20,
heute noch einmal wiederholt?
Europa ist nicht mehr die „Central Front“ des
Kalten Krieges – und man beeilt sich, ein „Gott sei
Dank“ hinzuzufügen. Aber Europa ist auch nicht
der starke, verlässliche atlantische Partner, den die
USA brauchen, Präsident John F. Kennedys niemals
realisierte „zweite Säule“. Dass weitere dramatische
Kündigungen nach dem Modell Brexit bisher ausblieben, ist erfreulich, aber keine Garantie, dass der
Status quo stabil, verlässlich und prägend für die
Zukunft wäre. Das stellt die Europäer vor Aufgaben,
namentlich in Fragen der Sicherheit, die sie über
viele Jahrzehnte, mitunter murrend und zahlungs-
unwillig, gern den Vereinigten Staaten und ihrer
Steuerung überließen. Am meisten galt dies nach
dem Fall der Berliner Mauer, als die „lone surviving
superpower“ omnipotent dastand, der Aufstieg
Chinas zur Weltmacht sich noch hinter dem Horizont abspielte und Russland mit sich selbst beschäftigt war und mit der Suche nach dem verlorenen Imperium.
Mit einem Wort: Die Sicherheitsarchitektur Europas gibt es nur noch auf dem Papier. In der realen
Welt ist darauf nicht mehr viel Verlass. Der viel
gepriesene Artikel fünf des Nordatlantischen Vertrages ist nicht die „eisenharte Garantie“ der Sicherheit Europas vor russischen Abenteuern, wie der
amerikanische Präsident, auf Abschiedsreise durch
die baltischen Staaten es noch unlängst formulierte.
Artikel fünf gibt ein Beistandsversprechen unbestimmten Inhalts – nicht weniger, aber auch nicht
mehr. Dass Kandidat Donald Trump das auch noch
für die Bündnispartner von pünktlich gezahlten
Rechnungen abhängig machen will, zur Freude der
Kremlgewaltigen, zeigt, wie schwankend der Boden
ist, auf dem das atlantische System steht.
Die vertraglichen Stationierungsverzichte im
Verlauf der Nato-Osterweiterung seit 1997 – keine
Nuklearwaffen, keine substanziellen Truppen, keine
Raketenabwehr – geben nicht nur den Russen einen
Rechtsanspruch, in Nato-Fragen mitzusprechen,
sondern öffnen auch viel zu schnell das Dilemma,
ins Nukleare zu eskalieren oder aufzugeben. Die
Europäer werden in den Krisen und Kriegen der
Gegenwart erbarmungslos getestet.
Es sind, fast auf den Tag genau, 70 Jahre, dass der
amerikanische Außenminister „Judge“ Byrnes im
Stuttgarter Landtag den Nachkriegsdeutschen bessere Zeiten versprach und den Nachkriegseuropäern
die Zusicherung gab, Amerika würde solange in
Europa bleiben, wie es die Lage erfordere und die
Europäer es wünschten. Aus der doppelten Eindämmung, der deutschen Vergangenheit und der
sowjetischen Zukunft, entstand in schneller Folge
ein Weltentwurf, dessen Eckwerte Marshallplan und
Nordatlantikpakt waren, und jenes atlantische System, dessen Anziehungskraft am Ende ausreichte,
die Sowjetmacht zu überwinden.
Was nicht gelang, aus amerikanischen wie aus
russischen Gründen, war die dauerhafte Kooptation
Russlands in einem europäischen Friedens- und
Sicherheitsverbund. Es ist spät, aber nicht zu spät,
daran zu arbeiten. Ausmaß und Gewicht der gemeinsamen Interessen sind nicht gering, von Rauschgiftbekämpfung bis zur nuklearen Proliferation, Terror
und Kriegen im islamischen Krisenbogen bis zu den
anschwellenden Völkerwanderungen. Die aktuelle
Einigung zwischen Washington und Moskau in Sachen Syrien zeigt, was möglich ist.
Nichts davon ist zu bewältigen ohne ernsthafte,
auf Dauer angelegte Kooperation zwischen Russland
und dem Westen. Jenes Kriegsvermeidungskartell
der Nuklearmächte, welches die letzten Jahre des
Kalten Krieges berechenbar machte und das Management des Endspiels entschärfte, kam nicht aus
Erhebung der Herzen, sondern war das Ergebnis
von Furcht und Vernunft. Wer wollte angesichts der
Krisen und Kriege in der Welt heute sagen, dass
nicht existenzieller Bedarf besteht an einer kühnen
neuen Realpolitik? Es gibt keine größere Aufgabe.
ISSN 0173-8437
213-36
ZKZ 7109
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lingskrise, denn die wird sich in der
erlebten chaotischen Weise sicher
nicht wiederholen. Stattdessen scheint
mir die Erdogan-Türkei das neue rote
Tuch der Deutschen zu sein. So könnte
die Visafreiheit tatsächlich zur tsunamiartigen Ablehnung von Merkel führen. Sie sollte und wird das wissen.
MICHAEL MEINSEN, HANNOVER
Akademikerflut
Zu: „Hitler? Gründete die DDR“
vom 5. September
Meine Mutter, Oberstudienrätin und
Jahrzehnte an einem Schulversuch
Niedersachsens aus dem Jahre 1952,
genannt „Differenzierter Mittelbau“,
beschäftigt, sagte immer wieder: „Es
wird kein Unfug in der Pädagogik aus-
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Abonnement kann zum Monatsende beendet werden,
Abbestellungen müssen dem Verlag schriftlich sieben
gelassen, um ihn an den Schülern auszuprobieren.“ Ich kann das nur bestätigen, weil ich als Beamter des Bundesfinanzministeriums mit Fachschulstudium die Entwicklung der
Wirtschaft seit 1962 miterlebt habe.
Die wichtigste „Sozialreform“ der
Nachkriegszeit war die schleichende
Akademisierung der Arbeitswelt. Normale Lehrberufe wurden zu „Studiengängen“ an Hochschulen und Universitäten hochgestylt, um für diese Neuakademiker eine Verbesserung der
Arbeitsentgelte zu erreichen. Und es
ist genau diese Akademikerschwemme,
die heute die Flure so vieler Arbeitsvermittlungsbehörden verstopft. Eine
der Nebenwirkungen ist außerdem,
dass wir für den Niedriglohnsektor
keine Arbeitskräfte auf dem Inlandsarbeitsmarkt mehr haben.
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6 POLITIK
* DIE WELT
MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016
KOMPAKT
KIRCHE
Erzbischof Woelki
kritisiert die CSU
Der Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer
Woelki, wirft der CSU eine Spaltung
der Gesellschaft vor. Mit ihren Forderungen nach Obergrenzen für Flüchtlinge und einer Bevorzugung von Einwanderern aus dem christlich-abendländischen Kulturkreis trage die Partei
zu noch größerer Polarisierung bei und
betreibe das Geschäft der Rechtspopulisten von der AfD. „Ich halte nichts
davon, das nachzubeten, was andere
falsch vorgedacht haben“, sagte Woelki
dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Wenn
die CSU das Grundgesetz ernst nimmt,
kann sie keine Obergrenze verlangen.
Das lässt das Asylrecht nicht zu.
Mehrheit will
Diesel-Fahrverbote
Die Mehrheit der Deutschen unterstützt nach Angaben von Greenpeace
Fahrverbote für Diesel-Autos mit hohem Schadstoffausstoß. Wie die Umweltschutzorganisation mitteilte, bejahten in einer repräsentativen Umfrage 59 Prozent eine entsprechende
Frage. Das Meinungsforschungsinstitut
TNS-Emnid erstellte die Umfrage im
Auftrag von Greenpeace. Dabei fiel die
Zustimmung zu Fahrverboten in Ostdeutschland mit 64 Prozent höher aus
als in Westdeutschland (58 Prozent).
Auch sprachen sich Frauen (63 Prozent) häufiger dafür aus als Männer (54
Prozent). Vor allem junge Menschen
zwischen 14 und 29 Jahren können sich
mit 66 Prozent Zustimmung Fahrverbote gut vorstellen. GreenpeaceEnergieexperte Niklas Schinerl sagte,
viele deutsche Städte litten seit Jahren
unter gefährlich hohen Stickoxidwerten. Der giftige Luftschadstoff stamme
größtenteils aus Dieselmotoren und
verstärke Asthmafälle sowie HerzKreislauf-Erkrankungen. Stickoxide
führten in Deutschland zu 10.000 vorzeitigen Todesfällen pro Jahr.
FRANKREICH
Valls warnt: Maximale
Terrorbedrohung
Nach dem vereitelten Autobombenanschlag in Paris warnt der französische Premierminister Manuel Valls die
Franzosen vor der Gefahr weiterer
Angriffe. In Frankreich seien 1350
Personen von Ermittlungen betroffen
und befänden sich in Haft, 293 ständen in Verdacht, in direktem Kontakt
mit einer terroristischen Vereinigung
zu stehen, sagte er. Die Bedrohung
Frankreichs durch Terrorangriffe sei
maximal, wie man gesehen habe. Erst
am Donnerstag hatte die Polizei drei
Frauen festgenommen, die mit einer
Autobombe ein Blutbad anrichten
wollten.
SYRIEN
20 IS-Kämpfer bei
Luftangriffen getötet
Türkische Kampfflugzeuge haben im
Norden Syriens Stellungen der Terrormiliz Islamischer Staat angegriffen und
20 Extremisten getötet. Das türkische
Militär meldete, die Angriffe vom hätten sich auf drei Gebäude gerichtet, die
zum IS gehörten. Wo genau die Bombardements stattfanden, gab das Büro
des Generalstabschefs nicht bekannt.
Von Montagabend an soll im Bürgerkriegsland Syrien landesweit eine von
den USA und Russland ausgehandelte
Waffenruhe in Kraft treten.
GROSSBRITANNIEN
Arbeitserlaubnis für
EU-Bürger geplant
EU-Bürger, die in Großbritannien einen Job annehmen wollen, brauchen
möglicherweise demnächst eine Arbeitserlaubnis. Die britische Innenministerin Amber Rudd kündigte an,
die Einführung eines entsprechenden
Systems zu prüfen, um die Einwanderung aus Ländern der Europäischen
Union zu begrenzen. Damit solle dem
Wunsch der Wähler beim Brexit-Votum
nach engeren Grenzkontrollen entsprochen werden. Ziel der britischen
Regierung ist es, die jährliche Zuwanderungsrate von 327.000 Menschen auf
unter 100.000 zu drücken.
MARTIN U. K. LENGEMANN
GREENPEACE
Thomas Oppermann ist seit Dezember 2013
Fraktionsvorsitzender der
SPD-Bundestagsfraktion, zuvor war er
Erster Parlamentarischer Geschäftsführer
„Jährlich QUOTE für Einwanderung festlegen“
Z
usammen mit der Kanzlerin hat
die SPD Flüchtlinge aus Ungarn
nach Deutschland geholt. Gemeinsam beschloss man anschließend,
die Grenzen offen zu halten. Über Gemeinsames und Trennendes in der
Flüchtlingspolitik sprach die „Welt“ im
Interview mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann. Was
die Union derzeit macht, nennt er
„grotesk“.
VON MANUEL BEWARDER UND
DANIEL FRIEDRICH STURM
DIE WELT: Es vergeht kaum ein Tag,
an dem die SPD nicht Angela Merkel
attackiert …
THOMAS OPPERMANN: Wir sind in einer gemeinsamen Regierung, aber nicht
in einer gemeinsamen Partei. Die SPD
achtet auf ihre Eigenständigkeit und hat
in wichtigen Fragen Differenzen zu ihrem Koalitionspartner. Das wollen wir
nicht verschweigen. Es ist völlig legitim,
auf Unterschiede hinzuweisen, solange
man gleichzeitig gut regiert.
Immer wieder ist zu hören, die SPD
kritisiere die Flüchtlingspolitik der
Kanzlerin. Exekutiert Merkel Politik,
ohne Sie zu fragen?
In der Flüchtlingspolitik haben SPD,
CDU und CSU unterschiedliche Akzente gesetzt. Uns ging es stets darum, die
außergewöhnliche Situation gut zu bewältigen, ohne die anderen Probleme zu
vergessen. Wir haben früh gesagt: Wir
müssen die Aufnahme von Flüchtlingen
in geordnete Bahnen lenken. Wir haben
die Fluchtursachen zu bekämpfen,
brauchen sichere Außengrenzen – und
dürfen nicht kriminellen Schleppern die
Entscheidung überlassen, wer zu uns
kommt und wer nicht. Wir wollen
Flüchtlinge mit Bleiberecht integrieren,
die anderen rasch abschieben. Um all
das zu erreichen, mussten wir mit der
Union hart ringen.
Was hat die Regierung konkret falsch
gemacht?
Auf die große Zahl von Flüchtlingen waren wir denkbar schlecht vorbereitet.
Aber es hilft nicht, permanent rückwärts zu schauen. In einer historischen
Situation haben wir humanitäre Entscheidungen getroffen, zu denen wir
stehen. Jetzt kommt es doch darauf an:
Was lernen wir für die Zukunft? Die
Aufnahme von Flüchtlingen muss sich
ändern: keine kriminellen Schlepper,
keine Balkanroute, keine Schlauchboote. Wir müssen zu einer kontrollierten
Form der Aufnahme kommen über verabredete Kontingente und sichere legale Wege. Und in Deutschland darf nicht
der Eindruck entstehen, die berechtigten Interessen der Bürger würden unter
die Räder kommen.
SPD-Fraktionschef
Thomas Oppermann
dringt auf ein
Einwanderungsgesetz
mit jährlicher
Obergrenze. Bei
Flüchtlingen hingegen
müsse es zu einer
kontrollierten
Aufnahme kommen
entschieden, nachdem er Frau Merkel
immer wieder von rechts kritisiert
hat. In Berlin wirbt Ihre Partei für
Multikulti. Welche Strategie fährt
denn nun die SPD?
Mecklenburg-Vorpommern und Berlin
sind sehr unterschiedliche Bundesländer – mit sehr unterschiedlichen Menschen und Mentalitäten. Da gibt es natürlich unterschiedliche Probleme und
jeweils entsprechende Lösungen, aber
immer auf sozialdemokratischer Basis.
Und was tut die Bundes-SPD? Gilt
hier Sellerings oder Müllers Formel?
Die SPD im Bund macht sozialdemokratische Politik für ganz Deutschland, die
gilt von Vorpommern bis Oberbayern,
von Sachsen bis NRW.
NRW-Ministerpräsidentin Hannelore
Kraft (SPD) sagt, sie sei froh, „dass
die Grenzen erst mal dicht sind“.
Alle in der SPD wollen die geordnete
Aufnahme von Flüchtlingen. Aber unser
Ziel ist nicht, dass möglichst viele Menschen kommen, sondern dass möglichst
wenig Menschen fliehen müssen.
Spitzensteuersatz
ist für Spahn nicht tabu
In der unionsinternen Debatte
über Steuersenkungen für Gering- und Mittelverdiener warnt
das CDU-Präsidiumsmitglied
Jens Spahn seine Partei vor
Denkverboten wie einer gleichzeitigen Anhebung des Spitzensteuersatzes. „Wir sollten nicht
schon im Vorfeld Tabus aufbauen“, sagte der Parlamentarische
Staatssekretär im Bundesfinanzministerium in einem „FAS“Interview: „Das Ziel muss sein, die
hart arbeitende Mittelschicht zu
entlasten“, sagte Spahn: „Man
muss schauen, welche Kompromisse dafür nötig sind.“ In dieser
Wahlperiode hatte die Union
Steuererhöhungen auch bei Gutverdienern ausgeschlossen. Finanzminister Wolfgang Schäuble
hatte den Steuerentlastungsspielraum in der nächsten Wahlperiode auf rund 15 Milliarden
Euro beziffert. Zudem will er die
Bürger bereits Anfang 2017 im
Volumen von zwei Milliarden Euro
von schleichenden Steuererhöhungen nach Lohnzuwächsen
entlasten. Dazu will er die Inflation in den Steuertarif einarbeiten und die steuerfreien
Freibeträge sowie das Kindergeld
erhöhen. Anders als in der Union
wird bei möglichen Koalitionspartnern, SPD und Grünen,
offen über eine stärkere Belastung von Spitzenverdienern
diskutiert, um die Entlastung
geringer und mittlerer Einkommen gegenzufinanzieren.
Der Bund verlangt nun ein Durchgreifen bei Abschiebungen. Bislang sind
die Länder verantwortlich. Sollte
Bundesinnenminister Thomas de
Maizière (CDU) diese Zuständigkeit
an sich reißen?
Die Zahl der Rückführungen steigt
deutlich. In verschiedene Herkunftsländer können wir jedoch schlecht rückführen, weil deren Regierungen nicht
mit uns kooperieren. Es ist die Aufgabe
des Bundesinnenministers, die Abkommen so zu verhandeln, dass abgelehnte
Asylbewerber etwa in Nordafrika auch
ohne Probleme zurückgenommen werden können.
Muss Außenminister Frank-Walter
Steinmeier (SPD) auch mehr unternehmen, damit die Maghrebstaaten ihre Bürger auch wieder zurücknehmen?
Natürlich geht es auch um auswärtige
Beziehungen, die hat Steinmeier im
Griff. Operativ aber ist es Sache des Innenministers.
Ihr Koalitionspartner CSU hat abermals die Themen Burkaverbot und
Nein zum Doppelpass aufgegriffen …
Die CSU macht einen schweren Fehler.
80 Prozent der Deutschen lehnen wie
die SPD die Burka ab, sie passt nicht zu
einer freiheitlichen, toleranten Gesellschaft. Aber die Menschen wissen: Die
Burka ist kein Problem der inneren Sicherheit. Mit derlei Themen Angst zu
verbreiten und Probleme herbeizureden, spielt der AfD in die Hände. Die
Union hat innerhalb eines Monats vier
verschiedene Papiere zur inneren Sicherheit vorgelegt. Das ist grotesk und
zeigt das Ausmaß der eigenen Zerrissenheit und Verunsicherung. Ich rate
der Union dringend, zur Sacharbeit zurückzukehren – statt permanent folgenlose Symboldebatten zu führen.
Wie bewerten Sie diese Neiddebatte?
Gibt es Gründe, die Flüchtlinge zu beneiden? Ich habe noch niemand getroffen, der mit den Flüchtlingen tauschen
möchte. Aber es gibt Ängste und die
Sorge, dass immer mehr Flüchtlinge
kommen. Darauf müssen wir vernünftige Antworten geben.
Blicken nicht Politiker aller Parteien,
auch Ihrer, viel zu sehr auf die zehn,
15, 20 Prozent AfD-Anhänger, und zu
wenig auf die restlichen 80 bis 90
Prozent?
In der Tat sollte sich niemand von der
AfD die Themen diktieren lassen. Die
Vor einer Woche hat MecklenburgVorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) die Wahl für sich
CSU und Teile der CDU liefern sich leider gerade einen Wettbewerb mit der
AfD um eine möglichst aggressive Haltung gegen Flüchtlinge. Das ist der falsche Weg. Die demokratischen Parteien
sollten für Augenmaß, Vernunft und
Entschlossenheit stehen. Klar ist: Integration funktioniert nur mit Regeln.
Das Integrationsgesetz fördert und fordert. Wir müssen die Flüchtlinge fordern, das wollen sie selbst. Sie wollen
lernen, arbeiten, ihren Lebensunterhalt
verdienen, und nicht Objekt staatlicher
Fürsorge werden.
Halten Sie an Ihrer Idee eines Einwanderungsgesetzes fest?
Mit einem Einwanderungsgesetz wollen
wir die Einwanderung von Arbeitnehmern vernünftig steuern. Weil wir kein
Einwanderungsgesetz haben, kommen
viele, die politisch nicht verfolgt sind,
aber in Deutschland Arbeit und ein besseres Leben anstreben, als Asylbewerber. Das ist der falsche Weg.
Überzeugen Sie die Union von Ihrem
Vorhaben?
Auch die Union kann an der demografischen Entwicklung nicht vorbei: Wenn
wir unseren Wohlstand erhalten wollen,
brauchen wir Einwanderung, weil uns
die Arbeitskräfte ausgehen, allerdings
eine genau definierte, gesteuerte Einwanderung. Anders als im Asylrecht
geht es hier nicht um Schutz für politisch Verfolgte, sondern um unsere
wirtschaftlichen Interessen. Da darf der
Staat fragen: Wen brauchen wir? Wen
wollen wir? Dafür werden wir genaue
Kriterien definieren. Der Bundestag
sollte jedes Jahr die Quote für die Einwanderung festlegen, sodass es ein politisch legitimierter und kontrollierter
Prozess ist.
Wann beginnt eigentlich der Bundestagswahlkampf?
Im August 2017. Wir arbeiten bereits
jetzt an unserem Wahlprogramm, die
Kandidaten werden aufgestellt und
dann auch unser Kanzlerkandidat.
Gibt es überhaupt noch realistische
Alternativen zu einem SPD-Kanzlerkandidaten Sigmar Gabriel?
Darüber entscheiden wir Anfang 2017.
Der Parteivorsitzende hat immer den
ersten Zugriff.
Erst einmal muss Gabriel den SPDParteikonvent am 19. September für
das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen Ceta überzeugen.
Scheitert Ceta, scheitert Gabriel,
oder?
Ich freue mich auf diesen Konvent in
Wolfsburg. Wir werden über den Sinn
und Nutzen von Freihandel diskutieren, und unter welchen Voraussetzungen dieser im Abkommen mit Kanada gut gelingen kann. Wir werden
klären, wie wir Ceta in der parlamentarischen Beratung präzisieren und
verbessern können. Es geht am 19.
September nicht um die Zukunft Sigmar Gabriels.
Aber wer gegen den Leitantrag der
SPD-Spitze stimmt, düpiert Ihre gesamte Führung, oder?
Ja, aber nicht nur die. Wer gegen den
Antrag stimmt, fällt auch all den Ceta-
Kritikern in den Rücken, die mit sachlicher und konstruktiver Arbeit für Verbesserungen gesorgt haben. Deren Erfolge wären mit einem Mal zunichtegemacht. Der Beschluss im Parteivorstand
mit nur einer Gegenstimme und drei
Enthaltungen kommt ja nicht von ungefähr. Die gesamte Partei- und Fraktionsspitze steht hinter diesem Antrag. Außerdem die Führungen des DGB, der IG
Metall und der IG Bergbau, Chemie,
Energie.
Wie erklären Sie die großen Vorbehalte gegen Ceta in der Bevölkerung?
Es gibt nur wenige gute Freihandelsabkommen weltweit. Ceta könnte das beste Freihandelsabkommen der Welt werden. Die kanadische Regierung ist in
vielen politischen, sozialen, ökologischen Fragen ganz nahe bei unseren europäischen Werten. Die Chance, solch
ein Abkommen zu erzielen, das weltweit Maßstäbe setzt, dürfen wir nicht
leichtfertig vertun.
Die Union hat schon für 2017 ein
Wahlkampfthema gefunden: Steuersenkungen. Tappen Sie abermals, wie
2009 und 2013, in die Falle und verlangen Steuererhöhungen?
Die SPD wird sehr genau überlegen, was
wir in unser Wahlprogramm schreiben.
Die Steuersenkungsversprechen der
Union sind nicht seriös. Wir werden solider rechnen und mit einem Teil der
Einnahmeüberschüsse kleine und mittlere Einkommen entlasten.
Steuerlich, oder eher mit einem Freibetrag in der Rentenversicherung?
Wir wollen gezielt normale Arbeitnehmer und ihre Familien entlasten. Das
gelingt mit der Schaffung eines Freibetrags in der Sozialversicherung am besten. Davon profitieren alle.
Wollen Sie eine neue Reichensteuer
schaffen?
Ich rate in Zeiten von Rekordüberschüssen davon ab, mit einem Bündel
an Steuererhöhungs-Ideen in den
Wahlkampf zu ziehen. Wir sollten uns
auf die Frage konzentrieren, wie wir Beund Entlastungen neu und gerecht justieren. Untere und mittlere Einkommen werden wir entlasten und nicht
belasten.
Ist die Aussicht auf eine rot-rot-grüne
Regierung für Sie Grund zur Freude?
Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch
hat Ihnen ja erst neulich wieder eine
Kooperation angeboten.
Ich freue mich über die Verantwortungsbereitschaft
des
Kollegen
Bartsch. Dafür aber wird er noch manchen in seiner Partei und Fraktion
überzeugen müssen. Die Linke spürt,
wie sehr sie Protestwähler an die AfD
verliert. Das Modell linke Protestpartei könnte schon in Kürze ausgedient
haben. Vielleicht ist es deshalb für die
Linke jetzt der richtige Zeitpunkt, politisch Verantwortung zu übernehmen
– wie sie es auf Landesebene überall
im Osten außer Sachsen schon getan
hat.
Macht die AfD Rot-Rot-Grün also
möglich?
Wir sind derzeit von Rot-Rot-Grün
noch weit entfernt – auch inhaltlich.
+
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POLITIK 7
er Name ist programmatisch. In Schwarzenfeld
ist die CSU für knapp
zwei Tage zusammengekommen, um sich hinter
verschlossenen Türen starkzureden.
Hier, in der tiefen Oberpfalz, macht ihr
niemand das Terrain streitig. Der Plan
gelingt offenbar.
VON PETER ISSIG
Ein Minister aus der CSU-Riege stuft
die Klausurtagung als parteihistorisches
Ereignis ein, bei dem der Parteichef einen erneuten Höhepunkt seiner internen Macht erreicht: „Ich kann mich
nicht erinnern, dass Horst Seehofer seit
dem Wahlerfolg 2013 jemals so viel Applaus bekommen hat.“ 2013 war ein
Schicksalsjahr für die CSU, Seehofer
war es damals gelungen, bei den Landtagswahlen wieder die absolute Mehrheit zu erringen.
Einige in der CSU-Riege haben aber
wohl auch etwas geschluckt, als Seehofer in seiner Grundsatzrede seine Partei
– einen Tag vor dem Koalitionsgipfel
mit Angela Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel – nicht nur mit einem
scharf formulierten Papier zur Flüchtlingspolitik und mit einem Grundsatzprogramm zum bayerischen Verständnis von Leitkultur und Integration positionierte.
Der CSU-Chef befeuerte zudem mit
allerlei Andeutungen zur personellen
Aufstellung der CSU auch die schon fast
erlahmte Diskussion um seine Nachfolge und sein Verhältnis zu Markus Söder.
Seehofer sieht es offenbar wieder an der
Zeit, seine Chefposition zu betonen.
Nach den „tektonischen Verschiebungen“ in der Parteienlandschaft
durch die Etablierung einer rechten
Partei rechts von der CSU müsse die
Partei „mit dem besten Team“ für Berlin antreten, „mit Männern und Frauen,
bei denen man keine feuchten Hände
bekommt, wenn sie auftreten“, wie Seehofer sagt.
Diese Vorgabe überraschte noch niemanden im CSU-Vorstand. Aber Seehofer legte nach: Niemand werde sich der
Verantwortung entziehen können,
wenn es um eine Aufgabe in Berlin gehe.
Er werde deswegen in den kommenden
Wochen und Monaten entsprechende
Gespräche führen, entschieden werde
im ersten Quartal 2017.
Damit waren die Personalspekulationen befeuert – allen Beteuerungen des
Parteichefs zum Trotz, dass bis zum
Parteitag von CSU und CDU im November beziehungsweise Dezember es ausschließlich um Sachfragen und Inhalte
gehen werde.
Ex-Generalsekretär und Verkehrsminister Alexander Dobrindt lieferte am
Rande der Tagung die Interpretation
des Parteivorsitzenden nach: Wenn die
beste Mannschaftsaufstellung gewählt
werde, „geht es nicht um Spezialwünsche und Eitelkeiten. Jeder hat die Verantwortung zu übernehmen, für die er
eingeteilt wird.“ Es ist also klar: Die
Mannschaftsaufstellung macht allein
der Vorsitzende, der Wahlkampf ist
dann wieder Team-Sache.
Pikant sind Seehofers Aussagen in
mehrfacher Hinsicht: Die aktuellen Repräsentanten der CSU in Berlin müssen
sich fragen, ob sie zu diesem Team ge-
Genüßlich ärgert
Seehofer seine Freunde
Der CSU-Chef befeuert auf der Klausurtagung seiner Partei die
Spekulationen um seine Nachfolge und Spitzenposten in Berlin
Horst Seehofer verlässt nach dem Spitzentreffen das Kanzleramt in Berlin
Seehofer will ARD und ZDF zusammenlegen
Der CSU-Chef äußerte sich deutlich
zu den Plänen seiner Partei bezüglich
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. „Wir streben langfristig die
Beseitigung von Doppelstrukturen
und die Zusammenlegung von ARD
und ZDF unter einem Dach an“, sagte
Seehofer der „Bild am Sonntag“. „Wir
sind der Auffassung, dass die Grundversorgung auch von einer Fernsehanstalt geleistet werden könnte.“ In
einem vom Parteivorstand gebilligten
Entwurf für das neue CSU-Grund-
hören oder etwas falsch gemacht haben. Seehofer sprach von seiner Zeit als
Bundeslandwirtschaftsminister von einem „Teilzeit-Job“, obwohl direkt neben ihm der amtierende Landwirtschaftsminister Christian Schmidt saß.
Außerdem ist die Bereitschaft der
Münchner CSU-Größen gering, in die
Bundeshauptstadt zu wechseln, wo unklare Machtverhältnisse und ungeliebte
Koalitionen drohen könnten.
Den Widerwillen vor Berlin hat ausgerechnet der Favorit für die Seehofer
Nachfolge erst vor wenigen Tagen deutlich gemacht: „Ich persönlich bin in
satzprogramm steht, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk sich auf
seine Kernaufgaben rückbesinnen
solle. Das ZDF kommentiere die Pläne der CSU nicht, sagte ein Sprecher
am Sonntag. Ein Sprecher der ARD
ergänzte: „Wir nehmen das zur
Kenntnis, kennen aber noch keine
Details. Daher können und wollen wir
das zum jetzigen Stand auch gar
nicht kommentieren.“ Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), Frank Überall,
wies den CSU-Vorschlag zurück. „Ich
sehe auch keine realistische Chance
auf dessen Umsetzung“, sagte Überall am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. „Ein solcher Vorstoß
würde auf jeden Fall zu einer Klage
vor dem Bundesverfassungsgericht
führen.“ Schließlich gebe es nach
geltender Rechtslage eine Bestandsund Entwicklungsgarantie für den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der
CSU-Vorschlag gehöre deshalb in
den Spamordner der Medienpolitik.
Bayern und bleibe in Bayern“, sagte
Markus Söder. „Ich schließe das für
mich komplett aus.“ Söder sieht keinen
Grund, davon etwas zurückzunehmen:
„Es ist alles gesagt“, sagte Söder der
„Welt“.
Söder, der am zweiten Tag der Klausur nicht mehr teilnahm und zum Bad
Hindelanger Viehscheid abreiste, wird
wohl vorerst bei dieser Position bleiben.
Er hat zumindest mit Seehofer schon
darüber gesprochen. Aber es ist ein Zeichen, dass der Waffenstillstand, den
Seehofer und Söder offenbar geschlossen hatten, labil ist. Die Bedingungen
will noch immer Seehofer diktieren. „Es
ist grotesk zu glauben, in München eine
bedeutende Rolle zu behalten, wenn
man nicht bereit ist, in Berlin Verantwortung zu übernehmen“, sagte Seehofer. Es gab allerdings in der CSU eine
Bewegung, die Seehofer selbst gerne
nach Berlin wegloben würde, entweder
als Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl oder so gar als Kanzlerkandidat
der CSU.
Söder und andere „Prinzlinge“ (Seehofer) hätten durchaus ein Motiv. Seehofer wäre sicher der durchsetzungsstärkste CSUler. Er würde in Bayern, wo
die CSU nicht mit Merkel-Plakaten in
den Wahlkampf ziehen will, am meisten
Stimmen ziehen. Und sollte Seehofer
tatsächlich nach Berlin zurückkehren,
in welcher Position auch immer, wäre
der Weg in Bayern zu den höchsten Ämtern schneller geebnet als erwartet. Dieser Weg scheint nun aber verbaut.
Denn eine Variante schließt Seehofer
jedenfalls aus. Er habe seinen Parteifreunden erklärt, dass „die Kanzlerkandidatur eines CSU-Mannes, einer CSUFrau und von mir persönlich nicht zu
meiner Gedankenwelt gehört. Es gab
keinen Widerspruch.“ Ob er vielleicht
nicht doch noch den CSU-Spitzenkandidaten macht, lässt Seehofer aber weiter offen. Genauso wie die Frage, ob ein
CSU-Spitzenkandidat
zwangsläufig
nach Berlin wechseln müsse. Er will
sich größtmöglichen Handlungsspielraum bewahren. Die Drohung, dass er
vielleicht doch wieder in Berlin aufschlägt, kann auch im Unionsstreit über
die Flüchtlingspolitik zu seinem Nutzen sein. Aber noch sei nichts entschieden, alles müsse nun ganz genau vorbereitet werden, sagt Seehofer.
Aber die Suche nach anderen Schwergewichten, die in die Berliner Regierungspolitik möglichst viel CSU hineinpumpen können, ist schwierig. Denn
auch Manfred Weber, Fraktionschef der
konservativen EVP und kein Freund
von Söder, wird nachgesagt, dass er wenig Lust habe, den Brüsseler Spitzenjob
mit Berlin zu tauschen.
Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse
Aigner könnte zwar Hauptstadt-Erfahrung nachweisen. Sie war fünf Jahre
Bundeslandwirtschaftsministerin. Aber
es wäre eine Überraschung, wenn Seehofer ihr die notwendige Durchsetzungskraft zutrauen würde. Und Verkehrsminister Dobrindt war diese Aufgabe schon zugeteilt worden. Verheddert in Maut- und VW-Debatten,
kommt er aber nicht zum Zug.
Anders ist die Situation bei Bayerns
Innenminister Joachim Herrmann. Er
hat sich als ruhiger Sicherheitspolitiker
und konsequenter Verfechter der CSUFlüchtlingspolitik profiliert. Er personifiziert den CSU-Markenkern von Law
and Order, ist aber in der parteipolitischen Auseinandersetzung eher zurückhaltend.
Als
Bundesinnenminister
könnte er aber die Bedeutung der CSU
im Bund deutlich steigern.
Allerdings hat Herrmann Seehofer
schon einmal einen Korb gegeben. 2011,
als die CSU dringend nach einem
Nachfolger für Karl-Theodor zu Guttenberg in Berlin suchte, sagten sowohl
Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon wie Innenminister Joachim
Herrmann aus familiären Gründen ab.
Heute wäre das nicht mehr möglich:
„Es ist mir noch immer unbegreiflich,
wie ich das durchgehen lassen konnte“,
sagt Seehofer.
Jetzt, wo er vollkommen unbestritten
ist in der CSU, will er keinen Widerspruch mehr bei der Personalplanung
dulden. Und er freut sich diebisch über
die neu ausgelöste Unruhe. Es sei doch
interessant zu sehen, wie sich jetzt alle
fragten, ob sie zur Spitzenmannschaft
gehörten oder nicht. Die Ironie war dabei kaum zu überhören. Es gehörte
schon immer zu seinen machterhaltenden Maßnahmen, seine CSU mit vagen
Personalplanungen auf Trab zu halten.
Frauke Petry weiß nicht, was „völkisch“ bedeutet
U
Die AfD-Chefin hält das Wort schlicht für eine Ableitung von „Volk“. Die historische Dimension ignoriert sie
nwissenheit schützt vor Strafe
nicht. Vor allem nicht vorgetäuschte Ahnungslosigkeit. Im
Interview der „Welt am Sonntag“ behauptete Frauke Petry, eine der beiden
Bundessprecher der Alternative für
Deutschland (AfD), „völkisch“ sei
„letztlich ein zugehöriges Attribut“
zum Begriff Volk.
VON SVEN FELIX KELLERHOFF
Das ist einerseits grammatikalisch
falsch, denn von der Wortklasse her ist
„völkisch“ ein Adjektiv, das wie jedes
Adjektiv unter anderem attributiv gebraucht werden kann. Doch Politiker
müssen nicht unbedingt die Feinheiten
der deutschen Grammatik beherrschen, nicht einmal besonders nationalbewusste Vertreter der AfD.
Vor allem aber ist es inhaltlich
falsch. Denn „völkisch“ ist eben keine
normale adjektivische Ableitung vom
Stammwort „Volk“, sondern eine bewusste, politisch motivierte Neuschöpfung, die von Beginn an mit einem bestimmten Inhalt aufgeladen war.
Zwar verzeichnet das 32-bändige
Wörterbuch der Brüder Grimm auch
vereinzelte frühere Belegstellen, etwa
1811 bei Johann Gottlieb Fichte. Doch
setzte sich diese Begriffsbildung zu-
nächst nicht durch, ebenso wenig wie
die Prägung „volkisch“.
In Gebrauch kam „völkisch“ erst
nach der Neuerfindung des Begriffs um
die Mitte der 70er-Jahre des 19. Jahrhunderts. Geprägt hatte es der Offizier
und Schriftsteller Hermann von Pfister-Schwaighusen (1836 bis 1916). Er
suchte nach einer Eindeutschung des
als fremd abgelehnten, nämlich aus
dem Lateinischen stammenden Adjektivs „national“.
Nach dem Deutsch-Französischen
Krieg 1870/71, an dem Pfister teilgenommen hatte und in dem er zum Halbinvaliden wurde, gab es unter Intellektuellen im neuen Kaiserreich eine
Bewegung von Sprachpuristen. Sie
wollte das Deutsche möglichst von allen historisch gewachsenen Einflüssen
anderer Sprachen befreien.
Zu den radikalsten dieser „Eindeutscher“ gehörte Pfister; 1883 gab er eine
Broschüre mit dem Titel „Deutsches
Wort – Volkes Hort!“ heraus, in deren
Vorwort es hieß, die deutsche Sprache
gehe, „wenn sie auf dem jetzt betretenen
Wege weiter wandelt“, also weiter „fremde“ Wörter aufnimmt, „nicht nur einer
Verschlechterung, sondern selbst der
Zerrüttung unausweichlich entgegen“.
Offensichtlich traf das Wort den
Geist der Zeit, denn es breitete sich ra-
sant aus – zunächst im alldeutschen
Umfeld Österreichs. In seiner Zeitschrift „Die Fackel“ schrieb der scharfzüngige Feuilletonist Karl Kraus 1903:
„Wenn ich mich entscheiden sollte,
welche Parteipresse ich für die vernageltste halte, so würde ich doch der
deutschnationalen den Vorzug geben.
Zu ergründen, was in den ,völkischen‘
Gehirnen dieser in den deutsch-österreichischen
Provinzen
postierten
,Schriftleiter‘ eigentlich vorgeht, wäre
von pathologischem Interesse.“
Erst nach diesem Umweg über
Deutschösterreich gelangte das Wort
„völkisch“ um die Jahrhundertwende
ins Deutsche Reich und wurde „zum
politischen Schlagwort für einen hybriden,
integralen
Nationalismus“,
schreibt der Berliner Ideenhistoriker
Uwe Puschner, der unbestritten beste
Kenner aller „völkischen Bewegungen“.
Puschner, der an der Freien Universität Berlin lehrt, warnte im „Welt“-Interview davor, die gesamte AfD pauschal als „völkisch“ zu bewerten. Allerdings ähnele die Struktur der PetryPartei den völkischen Bewegungen der
Zeit vor dem Ersten Weltkrieg: „Die
AfD ist, wie es die Völkischen waren, eine in hohem Maße von Feind- und Exklusionsdenken geprägte Anti-, eine
Gegenbewegung, die sich in erster Linie gegen etwas wendet.“ Zwar wurde
das Adjektiv „völkisch“ nie systematisch und allgemein verbindlich definiert – eine Folge der Vielschichtigkeit
der „völkischen Bewegung“, die sich
bis zum Aufkommen der NSDAP vor allem mit Kämpfen untereinander beschäftigte.
Allerdings kann man einen „Gesinnungskern“ beschreiben, wie es der
Ideenhistoriker Stefan Breuer getan
hat. Demnach gehören zum „völkischen Denken“ einige „charakteristische Grundüberzeugungen, die von allen Anhängern der völkischen Bewegung geteilt wurden“.
Wer „völkisch“ denkt, lehnt liberale
und kosmopolitische Werte ab. Untrennbar gehört zum „völkischen Denken“ der Rassismus. Puschner schreibt
im Standardwerk „Handbuch des Antisemitismus“ prägnant: „Das Fundament der völkischen Weltanschauung
bildet die völkische Rassenideologie.“
Demnach gebe es Völker höheren und
niedrigeren Wertes; eine Segregation,
also Trennung verschiedener Völker sei
notwendig. Stets wird das eigene Volk
als überlegen wahrgenommen, andere
Ethnien dagegen als minderwertig.
Ein wichtiges Blatt der „völkischen
Bewegung“ in Bayern war seit 1918 der
„Völkische Beobachter“, der Ende 1920
von der NSDAP gekauft wurde. Als Parteizeitung, herausgegeben von Adolf
Hitler, prägte der „Beobachter“ fortan
die inhaltliche Identität der beiden Begriffe „völkisch“ und „nationalsozialistisch“.
Im Dritten Reich wurden die beiden
Wörter absolut synonym benutzt. So
konnte direkt nacheinander vom „nationalsozialistischen Staat“ und vom
„völkischen Staat“ die Rede sein – gemeint war erkennbar stets dasselbe.
Das hat die Sprachwissenschaftlerin
Cornelia Schmitz-Berning in ihrem
Standardwerk „Vokabular des Nationalsozialismus“ festgestellt.
Nach 1945 nahm der Gebrauch des
Wortes „völkisch“ außerhalb der historischen Wissenschaft daher radikal ab;
der Begriff galt allgemein als gebrandmarkt. Entsprechend stufte der Duden
1983 „völkisch“ in der allgemeinen Bedeutung von „national“ als „veraltet“
ein. All das hätte übrigens auch Frauke
Petry leicht herausfinden können. Dazu hätte sie nur einen der staatlich bezahlten Mitarbeiter der AfD-Fraktion
in Dresden in die Bibliothek des Sächsischen Landtages oder in die nur vier
Kilometer entfernte, hervorragend sortierte Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek schicken müssen.
Linke-Politiker
bringt Afrikaner
über die Grenze
Diether Dehm wertet das
als „zivilen Ungehorsam“
V
iele Politiker fordern die freie
Wahl des Aufnahmelandes für
nach Europa eingereiste Asylsuchende, durchsetzen konnten sie sich
mit der Forderung bisher nicht. Der
Linke-Bundestagsabgeordnete Diether
Dehm hat dies nun selbst in die Hand
genommen. Der 66-Jährige bestätigte
der „Bild am Sonntag“, dass er einen
jungen Halbwaisen aus Afrika von Italien aus zu seinem Vater nach Deutschland gebracht hat. „Die Grenzbeamten
haben ihn nicht registriert“, sagte
Dehm.
VON THORSTEN MUMME
Auf Dehms Facebook-Profil fand sich
bereits vor zwei Wochen der inzwischen
wieder gelöschte Eintrag einer Flüchtlingshelferin, die nach eigenen Auskünften für eine „Gesundheitsversorgung
für Papierlose“, also illegal aufhältige
Ausländer, arbeitet: „Hatte Diether
Dehm gebeten, meinen Bekannten ein
paar Tage bei sich in Italien aufzunehmen. Er lud ihn kurzerhand in sein Auto
und brachte ihn über drei Grenzen nach
Deutschland, wo seine Familie lebt. Hatte ich eigentlich nicht erwartet! Wohl
auch’n Straftatbestand trotz Immunität? Jedenfalls: Danke, Diether Dehm!“
Unter dem Eintrag waren unter anderem zwei Fotos zu sehen. Das eine zeigt
Dehm neben einem jungen, dunkelhäutigen Mann mit Baseballmütze. Das andere einen in einem geöffneten Kofferraum liegenden Mann. Unter dem Post
kommentiert als Erster der verlinkte
Bundestagsabgeordnete Dehm selbst:
„Liebe (...) nein wirklich, da musst Du
Dir keine Sorgen machen wenn ich mal
einen Anhalter mitnehme ;-) wir haben
schon Härteres durchgestanden!“
Dem Bericht der „Bild am Sonntag“
zufolge soll der junge Mann aus einem
Bürgerkriegsland stammen und nach
PA/ DPA/PETER STEFFEN
MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016
DPA/RAINER JENSEN
D
DIE WELT
Der Musikproduzent Diether Dehm (66)
sitzt für die Linke im Bundestag
dem Tod seiner Mutter über das Mittelmeer nach Italien geflohen sein, um von
dort aus zu seinem Vater zu gelangen,
der bereits seit einiger Zeit in Deutschland lebt. Dehm habe den Afrikaner in
seinem Haus am Lago Maggiore beherbergt und schließlich über die Schweizer Grenze nach Deutschland gebracht.
Inzwischen soll der Flüchtling wieder
mit seinem Vater vereint sein.
Dass Dehm durch seine Hilfestellung
womöglich gegen geltende Gesetze verstieß, scheint ihm bewusst zu sein. Unter dem Kommentar eines FacebookNutzers, der schrieb, man könne es
„von einem Abgeordneten des Deutschen Bundestages“ erwarten, „sich wie
jeder andere Bürger an die vom Parlament erlassenen Gesetze zu halten“,
schrieb der so Angesprochene: „Zivilen
Ungehorsam erwarte ich von allen, statt
Menschen dem Erstickungstod und
Fußmärschen auszusetzen.“ Der „Bild
am Sonntag“ sagte er nun: „Ich bin mit
mir im Reinen.“
Der Linke-Politiker muss jetzt mit
juristischen Konsequenzen rechnen.
Auf „Beihilfe zur unerlaubten Einreise“ im Sinne der Paragrafen 27 des
Strafgesetzbuches und 95 des Aufenthaltsgesetzes drohen laut Bundespolizei „mehrmonatige Freiheits- oder
Geldstrafen.“ Ob der Afrikaner sich illegal in Italien aufhielt oder dort
schon einen Asylantrag gestellt hatte,
war bisher nicht in Erfahrung zu bringen. Eine Anfrage der „Welt“ ließ
Dehm unbeantwortet. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl warnte im
August vor „Zonen des Elends und der
Inhaftierung“ für Flüchtlinge in Italien. Das dortige Aufnahmesystem sei
„am Kollabieren“. Nach den in der
Dublin-Verordnung festgelegten europäischen Asylregeln muss ein Schutzsuchender eigentlich in jenem Land
bleiben, in dem er erstmals europäischen Boden betrat.
+
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DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd
8 POLITIK
P
awlo Klimkin, 48, ist seit
Juni 2014 Außenminister
der Ukraine. Zuvor vertrat
der diplomierte Physiker
sein Land zwei Jahre lang
als Botschafter in Deutschland. Das Interview konnte er daher auf Deutsch
führen. Zum Gespräch im Axel-Springer-Haus kam er direkt aus dem Auswärtigen Amt, wo er seinen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier getroffen
hatte.
DPA/DENNIS BRACK
VON RICHARD HERZINGER
UND SASCHA LEHNARTZ
DIE WELT: Wie ist der Stand der Dinge
bei der Gewährung von Visafreiheit
für ukrainische Bürger durch die EU?
Gibt es da Fortschritte?
PAWLO KLIMKIN: Ja, ich glaube schon.
Es gab noch eine Bedingung, die dafür
zu erfüllen war: die Einführung eines
elektronischen Deklarierungssystems
für alle Einkünfte und Ausgaben von
Staatsbediensteten. Dieses System ist
zum 1. September in Betrieb gegangen
und funktioniert hundertprozentig. Es
ist im Hinblick auf die Transparenz des
öffentlichen Bereichs übrigens ohne
Beispiel. Wir legen mehr Daten offen als
in westlichen Demokratien üblich. Die
Daten sind dem von uns eingerichteten
Antikorruptionsbüro unmittelbar zugänglich.
mer stärker, wir bräuchten ein neues
Vertrauensverhältnis zu Russland?
Man muss klar zwischen vertrauensbildenden Maßnahmen zur Rüstungskontrolle und einem Vertrauensverhältnis
zu Russland unterscheiden. Durch vertrauensbildende Maßnahmen und Rüstungskontrolle im Rahmen der OSZE
wird es viel schwieriger, den hybriden
Krieg zu führen und einfach 2000 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge in den
Donbass zu bringen. Doch ein echtes
Vertrauensverhältnis zu Russland ist
momentan nicht möglich, nicht nur wegen des aktuellen hybriden Kriegs in der
Ostukraine. Zu einem Land mit einer
Führung, die sich vorsätzlich an keine
Regel hält, kann es für die EU ein solches Verhältnis nicht geben. Gewiss
muss man weiter mit Russland sprechen. Russland ist eine Realität – auch
wenn man sie, betrachtet man die dortigen Verhältnisse, für eine virtuelle Realität halten könnte. Aber Vertrauen in
Russland – das ist für einige Zeit vorbei.
Um es wieder aufbauen zu können,
muss sich erst Russland ändern.
Fürchten Sie, dass nach den kommenden Wahlen in den USA, in Frankreich
und Deutschland Regierungen an die
Macht gelangen, die mehr oder wenige offen putinfreundlich sind?
Das besorgt mich schon. Ich kann aber
nicht darüber spekulieren, wer in anderen Ländern Wahlen gewinnen wird.
Wir werden weiter dafür kämpfen, dass
die Solidarität in EU und G7 erhalten
bleibt. Wir werden jedenfalls nicht
nachgeben, denn es geht hier um die Zukunft der Ukraine.
Wie sähe denn Ihrer Meinung nach eine kohärente Strategie des Westens
gegenüber Russland aus?
Sicher braucht Russland eine Zukunftsperspektive. Das System Putins ist in
dieser globalen Welt ja eigentlich über-
Die Ukraine wünscht sich von der EU
Waffenlieferungen, was diese ablehnt.
Welche Waffen brauchen Sie konkret
am dringendsten?
Man muss zwischen defensiven und Angriffswaffen unterscheiden. Defensive
Waffen brauchen wir unbedingt. Das
wird die Lage im Donbass nicht weiter
verschärfen, aber uns helfen, dafür zu
sorgen, dass sich auch Russland an
Grenzen hält. Es geht dabei um elektronische Waffen, Kommunikationstechnik und Panzerabwehrwaffen. Die kann
man nicht zum Angriff benutzen, aber
wenn man uns attackiert, wären sie für
uns schon eine Art Garantie.
War es hilfreich, dass die EU die Visafreiheit an Veränderungen in der
Ukraine gekoppelt hat?
Wir hätten diese Veränderungen sowieso angehen müssen. Aber es ist unter
diesem Druck doch etwas schneller gegangen. Zumal von europäischer Seite
genau überprüft wurde, ob die Umsetzung der Reformen wirklich funktioniert. Man muss klar sagen, dass das eine willkommene Hilfe war.
PA/DPA/BERND VON JUTRCZENKA
AFP/SPENCER PLATT
AFP/DREW ANGERER
genüber Russland fehlt. Dieses Problem
geht weit über das hinaus, was im Augenblick im Donbass geschieht.
Der ukrainische Außenminister
Pawlo Klimkin mahnt Europa,
gegenüber Russland nicht naiv zu sein
Wo sehen Sie noch den größten Nachholbedarf im Hinblick auf das Erreichen europäischer Standards?
Nach wie vor in der Korruptionsbekämpfung. Dann in der Reformierung
des Justizsystems. Es ist sehr wichtig,
dass die ukrainischen Gerichte wirklich
transparent und effektiv arbeiten. Mit
der Polizeireform sind wir bereits weit
vorangekommen und müssen sie zu Ende bringen. Eine ganz vordringliche
Aufgabe ist aber die Dezentralisierung.
Die politischen Eliten müssen vor Ort
entscheiden können, wie die lokale Infrastruktur zu entwickeln ist. Dafür
sind die lokalen Haushalte deutlich erhöht worden. Es ist wichtig, dass die
Entscheidungen nicht mehr von oben
nach unten vorgegeben werden.
US-Präsident Barack Obama hat die Opfer der Anschläge vom 11. September
2001 geehrt und die Nation zur Einheit aufgerufen. In einer Rede am Pentagon,
einem der Anschlagziele der Terroristen vor 15 Jahren, verwies Obama auf die
Fortschritte im Kampf gegen al-Qaida und andere Terrorgruppen. Wichtig sei
aber nicht nur ein entschlossener Kampf gegen den Terror, sondern auch, dass
die USA ihre Werte bekräftigten. Obama forderte: „Lasst nicht zu, dass andere
uns spalten.“ In New York gedachten Angehörige und andere Trauergäste der
tausenden Opfer von damals. Genau um 8.46 Ortszeit – zu dem Zeitpunkt, als
das erste von den Terroristen entführte Flugzeug vor 15 Jahren in den Nordturm
des World Trade Center einschlug – begannen Kirchenglocken zu läuten. Die am
Ground Zero versammelte Menge hielt eine Schweigeminute ab. Danach wurden die Namen der fast 3000 Toten verlesen, die im World Trade Center, im
Pentagon und in einem Feld in Pennsylvania ums Leben kamen. Auch die beiden
Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton und Donald Trump nahmen an der
Veranstaltung teil. Clinton musste wegen gesundheitlicher Probleme vorzeitig
gehen. Sie habe sich „überhitzt“ gefühlt und sich in die Wohnung ihrer Tochter
zurückgezogen, so ihr Sprecher. Es sei ihr aber schnell wieder besser gegangen.
MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016
„Vertrauen
zu Putin ist
nicht möglich“
Sie rechnen also mit der Visafreiheit,
obwohl die Stimmung in Europa
nicht sehr günstig ist, was die größere
Durchlässigkeit von Grenzen betrifft ...
Ich erwarte, dass noch in diesem Monat
oder im Oktober das Europäische Parlament über die Visafreiheit abstimmt
und wir eine positive Entscheidung der
EU bis November haben. Wir haben ja
bewiesen, dass wir alles, was als Vorbedingung für die Visafreiheit an Reformen in der Ukraine durchzuführen war,
tatsächlich ernsthaft umsetzen. Und es
ist eindrucksvoll, was in letzter Zeit gerade auf dem Gebiet der Korruptionsbekämpfung geschehen ist. Es werden
jetzt fast täglich Verhaftungen vorgenommen. Der nächste Schritt wird nun
sein, alle Beschuldigten vor Gericht zu
bringen.
In Gedenken an die Opfer
Ist es dann nicht fiktiv, an Minsk festzuhalten? Oder wie wollen Sie aus der
Sackgasse herauskommen?
Das geht nicht ohne politischen Druck
von der EU wie der ganzen zivilisierten
Welt. Dazu ist es wichtig, dass die
Sanktionen in Kraft bleiben, bis wir
wirkliche Ergebnisse der Implementierung des Minsker Abkommens sehen.
Wir sind aber nicht naiv und wissen,
dass das nicht von heute auf morgen
geht. Entscheidend ist dabei auch, dass
die Ukraine vorankommt, dass sie sich
gesellschaftlich und wirtschaftlich weiterentwickelt. Im Westen wird oft
nicht verstanden, dass die Ukraine
nicht mehr dieselbe ist wie vor den
Protesten auf dem Maidan. Die Ukrainer verstehen jetzt, dass es Unabhängigkeit nicht umsonst gibt, sondern
dass Freiheit etwas ist, um das man
kämpfen muss. In gewisser Weise hat
die russische Aggression die Ukraine
somit sogar gestärkt.
* DIE WELT
Außenminister Pawlo Klimkin ist Diplom-Physiker. Er studierte in Moskau
Aerophysik und Weltraumforschung
Krimbewohner sollen Duma wählen
Wo sich gar nichts tut, ist die Umsetzung des Minsker Abkommens. Ist es
überhaupt noch zu retten?
Zunächst einmal: Ich bin gegen diese
Terminologie, die das Minsker Abkommen in „Minsk 1“ und „Minsk 2“ einteilt. Man muss Minsk in seiner Gesamtheit betrachten. Sonst kommt man
Russland entgegen, das immer nur auf
Umsetzung bestimmter Teile des Abkommens besteht. Minsk ist ein Friedensplan, der das Ende der Kampfhandlungen, die Kontrolle des Waffenstillstands durch die OSZE und die
Freilassung der politischen Gefangenen
im Donbass vorsieht. Ob wir damit vorankommen, liegt in der Entscheidung
Russlands. Der russische Präsident Putin sieht Minsk jedoch ganz anders,
nämlich als Mittel, um die von ihm eingesetzten Machthaber in der Ostukraine zu legitimieren. Er will überhaupt
keine Kontrolle der OSZE im Donbass
zulassen, keinen Zugang für sie zu den
russischen Waffen und zur Grenze zwischen Russland und den okkupierten
ukrainischen Gebieten. Sein Ziel ist die
Errichtung eines russischen Protektorats, das dann wie ein Trojanisches
Pferd für die anhaltende Destabilisierung der gesamten Ukraine sorgt. Für
Putin ist das eine Art existenzielle Frage, denn wenn es der Ukraine besser
geht, stellt das auch das von ihm in
Russland errichtete System infrage.
Die bevorstehende Parlamentswahl in Russland hat neuen Streit
zwischen Moskau und Kiew um die
Schwarzmeerhalbinsel Krim ausgelöst. Die ukrainische Führung
protestiert dagegen, dass die Bewohner der Krim am 18. September
erstmals seit der Einverleibung
durch Russland an einer Dumawahl
teilnehmen sollen. Zudem kündigte
Kiew an, die Teilnahme an der Wahl
für Russen in der Ukraine nicht zuzulassen. In Moskau löste dies mas-
Sind Sie sicher, dass dieses neue
Selbstbewusstsein nachhaltig ist?
Oder droht ein „Rollback“, sollte die
Lage der Ukraine noch jahrelang so
schwierig bleiben?
Nein, diese Entwicklung ist unumkehrbar. Die Alternative ist jetzt: Entweder
die Ukraine ist erfolgreich, oder es gibt
sie als ein einheitliches, europäisches
Land nicht mehr. Das ist für uns tatsächlich eine Existenzfrage. Und auch
die EU sollte dies als existenzielle Frage
verstehen.
Nun bröckelt die Sanktionsfront in
der EU aber doch eher. Fürchten Sie
nicht, dass die Sanktionen kommendes Jahr aufgehoben oder zumindest
abgeschwächt werden?
Ich glaube, das ist fundamental für die
Zukunft der EU insgesamt. Wenn man
jetzt sagt, wir können gegen Russland,
das sich an keine Regeln hält, nichts machen, wir geben deshalb nach und kündigen unsere Solidarität auf, wird das
Konsequenzen für das Selbstverständnis der EU und für ihre Glaubwürdigkeit vor sich selbst und in der Welt haben. Das Problem ist, dass Europa keine
einheitliche Strategie hat und es ihm an
gemeinsamem politischem Willen ge-
sive Kritik aus. Russland hatte die
Krim 2014 unter Protest der Ukraine
und Kritik des Westens in sein
Staatsgebiet eingegliedert. Auch die
Bundesregierung sieht darin einen
Völkerrechtsbruch. Eine von Russland organisierte Volksabstimmung
auf der Krim wurde international
nicht anerkannt, und die EU und die
USA hatten Sanktionen gegen Russland verhängt. Bereits 2014 hatte
Russland auf der Halbinsel erstmals
Regionalwahlen abgehalten.
holt, oder sagen wir: Es ist zumindest
nicht das effizienteste System. Doch darüber muss in Russland selbst entschieden werden. Der EU aber würde die Entwicklung einer kohärenten Strategie
neue Dynamik verleihen. Dazu muss
man erst einmal fragen, was man von
Russland eigentlich erwarten kann. Es
ist ein europäisches Land, aber mit einer
anderen Mentalität, einer anderen Gesellschaft und anderen Werten. Das russische Interesse liegt darin, die EU weiter zu schwächen und dann mit einzelnen Ländern parallel zu reden, um sie
gegeneinander auszuspielen. Der Kreml
unterstützt direkt oder indirekt politische Kräfte von links bis rechts in der
EU, um das europäische Wertesystem zu
unterminieren oder grundsätzlich zu
verändern. Die Propaganda, die aus Moskau herüberdringt, ist ohne Beispiel. Um
dem glaubwürdig entgegenzutreten,
braucht die EU einen gemeinsamen politischen Willen. Man muss für die Zukunft deutliche rote Linien ziehen, die
Russland nicht überschreiten darf.
Wie stehen Sie denn zu Initiativen
von Frank-Walter Steinmeier wie der
für eine neue Rüstungskontrolle? Der
deutsche Außenminister betont ja im-
Haben Sie noch die Hoffnung auf einen Beitritt zur Nato, oder haben Sie
das als Illusion abgeschrieben?
Es ist aufschlussreich, dass der russische hybride Krieg gegen die Ukraine
die Zustimmung zum Nato-Beitritt in
der Ukraine vehement nach oben gebracht hat. Vor drei Jahren waren etwa
19 Prozent der Ukrainer für den Beitritt,
heute sind es mehr als 60 Prozent. Sie
sehen darin nicht nur die Sicherheitsgarantie, sondern auch die Möglichkeit,
dadurch die Nato-Standards für unsere
Streitkräfte zu erreichen. Wir haben
uns das Ziel gesetzt, diesen Standard bis
2020 zu erreichen. Dann sehen wir weiter. Aber die Nato ist für uns jedenfalls
die einzige Allianz, die auf unseren Werten basiert.
Die Nato verstärkt gerade ihre Präsenz in Osteuropa und im Baltikum.
Halten Sie das für ausreichend?
Ich habe oft gesagt, dass die Ukraine eine Art östliche Flanke der Nato ist,
wenn auch nicht formell. Entscheidend
ist nicht nur die Truppenpräsenz, sondern der Zusammenhalt und die Solidarität. Dass man wirklich mit einer Stimme spricht. Dass man gemeinsame Pläne hat und den Willen, sie zu implementieren. Deutschland wird hierbei eine
ganz entscheidende Rolle spielen, nicht
nur regional, sondern global. In der
Ukraine erfüllt es diese Rolle bereits,
aber Deutschland wird noch weiter gehende Verantwortung übernehmen
müssen.
Wo sehen Sie die Ukraine in zehn Jahren? Was ist das Best-Case- und was
ist das Worst-Case-Szenario?
Ein Worst-Case-Szenario gibt es für uns
nicht. Das Best-Case-Szenario: Da sehe
ich die Ukraine als Land mit demokratischen Strukturen, die nachhaltig funktionieren und die wirtschaftliche Entwicklung voranbringen. Aber ich sehe
die Ukraine auch als Land, das die europäische Gesellschaft voranbringen
kann. Die Ukraine gehört geschichtlich
und mental zu Europa.
Paradoxerweise ist der Glaube an Europa in der Ukraine stark, während er
in der EU selbst immer mehr schwindet ...
Fällt Ihnen irgendein anderes Land ein,
indem man so engagiert für die Zukunft
kämpft, wie die Ukraine? So charismatisch, mit so viel Leidenschaft? Das sind
ja nicht nur 2000 oder 20.000 Leute. Es
ist wirklich das ganze Land. Diese Energie und diese Bereitschaft, weiterzukämpfen, braucht auch Europa. Die Zukunft mag nicht rosig aussehen, aber
Europa hat enorme Chancen. Es liegt an
unserer Bereitschaft, was wir daraus
machen.
Die Ukraine also als Turbo, als Erneuerer der europäischen Werte?
Vielleicht nicht ganz. Wir sind aber jedenfalls durch die jüngsten Entwicklungen in der Ukraine in diesen Werten bestärkt worden. Wir verstehen jetzt, was
es bedeutet, für etwas zu kämpfen. Diese neue Energie und dieses neue Verständnis für die Zukunft braucht auch
Europa insgesamt.
+
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DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd
POLITIK 9
GETTY IMAGES/KIRILL RUDENKO
MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 *
F
ür Frankreichbesucher war
es jahrzehntelang ein schönes Rätsel, wie die Cafés
und Geschäfte in den Dörfern überleben konnten. Sie
hießen „Bar des Sports“ oder „Café de
la Gare“. Man stand morgens am Tresen und kippte den ersten kleinen
Schwarzen runter, verhandelte das
Weltgeschehen und spülte mit einem
Glas Wein nach. Auf dem Boden sammelten sich die Zigarettenkippen. Nebenan gab es eine Bäckerei, vielleicht
sogar einen Zeitungskiosk und mit etwas Glück eine Apotheke und eine Epicerie, also einen kleinen Lebensmittelladen.
VON MARTINA MEISTER
AUS PARIS
Doch abseits der großen touristischen Anziehungspunkte sind das inzwischen Szenen, die man nur noch
aus Filmen kennt. Das Gesicht von
Frankreichs Dörfern hat sich verändert. Heruntergezogene Rollläden,
verstaubte Schaufenster mit dem
Schild „À louer“, zu vermieten, ausgestorbene Dorfkerne mit langsam verfallenden Häusern haben ersetzt, was
der Romantiker in Frankreich zu finden immer sicher sein konnte: ländliche Idylle, gepaart mit fast urbaner Lebendigkeit. Erst schlossen die Geschäfte, dann die Bistros, schließlich
gab die Verwaltungsreform unter ExPräsident Nicolas Sarkozy den kleinen
Gemeinden den Rest. Postämter
machten dicht, Gerichte wurden ver-
legt, Verwaltungen zusammengeschlossen.
In Frankreich schreitet das, was Experten die „Metropolisierung der
Wirtschaft“
nennen,
besonders
schnell voran. Drei Viertel des Wohlstands werden in den 15 größten französischen Ballungsräumen erwirtschaftet. Das ist ein Anteil weit über
dem Durchschnitt westlichen Industrieländer, der bei 60 Prozent liegt. So
steht es in der jüngsten Studie von
„France Stratégie“, ein Thinktank des
Innenministeriums. Mit anderen Worten: Jenseits der großen Metropolen –
in den Dörfern und in den Kleinstädten – ist die Arbeitslosigkeit hoch, das
Pro-Kopf-Einkommen niedrig. Und wo
kein Geld ist, schließen die Geschäfte.
In Forbach im Elsass etwa oder in
Marmande im Südwesten des Landes
stehen bis zu ein Viertel der Geschäftsräume leer. „Es gibt Bürgermeister, die regelrecht in Panik geraten“, sagt Pascal Madry, Stadtforscher
des Institut du Commerce et de la Ville. Mit gutem Grund: Die ohnehin geringen Einkünfte der Kommune werden noch spärlicher.
Der Staat ist mit seinen Bemühungen, diese Entwicklung zu bremsen,
gescheitert und zieht jetzt die Konsequenzen. Die Autoren der staatlichen
Studie sehen Frankreichs Zukunft
nicht auf dem Land und raten, öffentliche Gelder in Zukunft vor allem andernorts zu investieren. Kurz nach
Veröffentlichung des Papiers kündigte
der Premierminister Manuel Valls einen „Zukunftspakt“ an: Ab nächstem
Jahr werden 150 Millionen Euro in die
15 größten Ballungszentren, an erster
Stelle Paris und Umgebung, fließen. Es
klingt, als hätte die sozialistische Regierung die ländlichen Gemeinden
schlicht abgeschrieben.
Mit dem Handel verschwinden auch
die Bewohner. Weil die Instandhaltung
oder Restaurierung alter Bausubstanz
unbezahlbar wird, kaufen sie lieber geförderte Einfamilienhäuser. Die liegen
meist am Stadtrand, zwischen den alten Zentren und den Gewerbegebieten
mit ihren Hypermarchés, den typischen
französischen Riesen-Supermärkten.
Es ist vor allem der Nordosten
Frankreichs, der abgehängt wird. In
Sierck-les-Bains, einer 1700-Einwohner-Kommune an der Grenze zu
Deutschland und Luxemburg, versucht
der Bürgermeister, die 25 leer stehenden Häuser zu retten, die Spekulanten
im Zentrum verfallen lassen. Auch ein
großes Restaurant steht leer. Um es
wieder instand zu setzen, wären zwei
Millionen Euro nötig. „Das ist mehr als
das Jahresbudget der Kommune“, sagt
Bürgermeister Laurent Steichen.
Gut 15 Prozent der Wohnungen stehen in Sierck-les-Bains leer, das ist landesweiter Rekord. Selbst die Pendler,
die in Luxemburg arbeiten und gut
verdienen, ziehen Neubauten vor. In
anderen Altstädten ist der Leerstand
binnen eines Jahrzehnts von sechs auf
knapp neun Prozent gewachsen.
„Frankreich erlebt eine zweite Landflucht“, konstatiert Emmanuel Ducasse, Experte des Immobilien-Finanzierers Crédit Foncier. „Die meisten Im-
In Frankreich
sterben
die Dörfer
Menschen ziehen in die Metropolen,
Restaurants und kleine Geschäfte geben auf.
Regierung lenkt Fördergelder in die Städte
PA/ MAXPPP/DPA/JEAN-PIERRE AMET
DIE WELT
Die Dörfer (oben) machen zwar einen romantischen Eindruck – aber nur auf
die Touristen. Die Franzosen zieht es in die Neubauviertel. Sie geben dann ihr
Geld in den großen Einkaufszentren aus (unten)
mobilienverkäufe konzentrieren sich
auf 3000 Kommunen. In den restlichen 12.000 läuft gar nichts mehr. Bei
manchen Häusern dauert es drei, vier
Jahre, bis ein Käufer gefunden wird.“
Aber kann man tatsächlich von
Landflucht sprechen, wenn es die Menschen „raus“ in die Natur zieht?
„Nein“, behauptet der Pariser Urbanist
Daniel Behar. „Wir beobachten im
Grunde das genaue Gegenteil. Die Dörfer und Zentren leeren sich, während
an ihren Rändern neo-rurale Territorien
entstehen.“ Dort entstehen Siedlungen
mit Einfamilienhäusern und neue Einkaufszentren. Man braucht nur einmal
von Belgien nach Spanien quer durch
Frankreich zu reisen: Von Dunkerque
bis Pau das gleiche Bild: neben dem Hypermarché die Tankstelle, der Baumarkt, riesige Flächen für Parkplätze.
Urbanist Behar spricht von „territorialem Zapping“: Die Zentren sind
nicht komplett verwaist, behauptet er,
aber die Franzosen zögen es vor, dort
nicht mehr zu leben, sie bestenfalls
noch als Touristen zu besuchen. Aber
wie lange kann das gut gehen? Und was
passiert mit Dörfern, die keine Touristen anziehen? „Das Ausbluten dörflicher und kleinstädtischer Zentren, die
Frankreichs Kern ausmachten, ist eine
unbestreitbare und beunruhigende
Entwicklung“, räumt Behar ein. Große
Teile Frankreichs wären damit endgültig abgehängt. „Paris, ein paar Metropolen und der Rest dann nur noch
französische Wüste?“, fragt die Regionalzeitung „L’Est Républicain“ besorgt. Und kein Bistro weit und breit.
Clinton rudert nach Attacke gegen Trump-Anhänger zurück
D
Starke Kritik an Äußerung über „bedauernswerte“ Unterstützer ihres Gegners. Der vergleicht Clintons Äußerung mit Ausrutscher Romneys 2012
Clinton. „Einige dieser Leute sind unverbesserlich, aber zum Glück sind sie
nicht Amerika.“ Es gebe auch noch die
andere Hälfte der Trump-Unterstützer,
denen man zuhören müsse, weil sie sich
von der Regierung und der Wirtschaft
des Landes im Stich gelassen fühlten.
„Sie glauben nicht alles, was er sagt,
aber er scheint ihnen Hoffnung in Aussicht zu stellen, dass ihr Leben sich ändert.“ Mit diesen Menschen müsse geredet werden.
„Wow, Hillary Clinton war SO BELEIDIGEND gegenüber meinen Unterstützern, Millionen toller, hart arbeitender Menschen“, schrieb Trump am
Samstag im Kurzbotschaftendienst
Twitter. „Ich denke, das wird sie in den
Umfragen einiges kosten.“ Er verglich
Clintons Äußerung mit einem Ausrutscher des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney. Dieser
hatte sich im Wahlkampf 2012 abfällig
über jene „47 Prozent“ der Bevölkerung
geäußert, die wegen ihrer Abhängigkeit
vom Staat ohnehin seinen Rivalen Barack Obama wählen würden und sich
selbst als „Opfer“ betrachteten. „Hillary
hatte gerade ihren 47-Prozent-Mo-
ment“, erklärte Trump via Twitter. In
dem Onlinedienst sorgte Clintons Attacke für reichlich Diskussionsstoff. Der
Hashtag „#BasketOfDeplorables“ verbreitete sich rasend schnell.
In vielen Kommentaren wurde die
Demokratin scharf angegriffen. Trumps
Vizepräsidentschaftskandidat
Mike
Pence sagte bei einer Rede: „Hillary, sie
sind kein Korb voller irgendwas. Es sind
Amerikaner und sie verdienen deinen
Respekt.“
Auf Trumps Twitter-Account gab es
auch Äußerungen zugunsten Clintons:
„Sie glauben also, dass die Leute, die öffentlich fordern, dass Clinton eingesperrt werden müsse, Sie jetzt nicht
mehr wählen werden?“, fragt ein Besucher der Seite. Ein anderer: „Warum
darf man Rassisten jetzt nicht mehr
Rassisten nennen?“
Wenige Stunden später schwächte
Clinton ihre Äußerungen aber ab: „Gestern Abend habe ich mich grob verallgemeinernd geäußert“, erklärte die 68Jährige am Samstag. Sie sagte, dass es
nie „eine gute Idee“ sei, etwas grob zu
verallgemeinern. „Ich bedaure, von der
‚Hälfte‘ (der Anhänger) gesprochen zu
REUTERS/BRIAN SNYDER
ie US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton hat mit einer
scharfen Attacke gegen die Anhänger ihres Rivalen Donald Trump für
Empörung gesorgt. „Um es grob zu verallgemeinern, die Hälfte von Trumps
Anhängern könnte man in etwas stecken, was ich Korb der Bedauernswerten nenne. Oder? Die Rassisten, die Sexisten, die Homophoben, die Xenophoben, die Islamophoben – Sucht euch was
aus“, sagte sie am Freitagabend in New
York. Trump warf ihr daraufhin die Beleidigung von „Millionen“ Menschen
vor. Clinton nahm am Samstag Teile ihrer Äußerungen zurück.
Bei einer Spendenveranstaltung vor
Verfechtern von Homosexuellenrechten sagte Clinton mit Blick auf Trumps
Anhänger, etwa die Hälfte von ihnen
seien „Rassisten, Sexisten, Homophobe,
Ausländerfeinde oder Islamfeinde“. Sie
nannte diese Leute „hoffnungslos“.
Weiter sagte die Demokratin: „Und leider gibt es solche Leute. Und er hat ihnen Auftrieb gegeben. Er hat ihren
Webseiten eine Öffentlichkeit gegeben,
auf die früher nur 11.000 Menschen zugriffen. Jetzt sind es elf Millionen“, so
ES IST NIE
EINE GUTE IDEE,
ETWAS GROB ZU
VERALLGEMEINERN
HILLARY CLINTON,
US-Präsidentschaftskandidatin
haben – das war falsch“, fügte die frühere US-Außenministerin hinzu – um
dann eine Reihe „bedauernswerter“
Vorfälle in Trumps Wahlkampf aufzuzählen. „Es ist bedauernswert, dass
Trump seinen Wahlkampf in erster Linie auf Vorurteilen und Paranoia aufgebaut hat und eine nationale Plattform
für hasserfüllte Ansichten und Stimmen
geschaffen hat“, erklärte Clinton. „Ich
werde nicht aufhören, auf Fanatismus
und rassistische Äußerungen in seiner
Kampagne hinzuweisen.“
In den USA wird am 8. November ein
neuer Präsident gewählt. In den Umfragen war Ex-Außenministerin Clinton
zuletzt wieder abgerutscht. Nachdem
sie zuvor zeitweise deutlich vor Trump
gelegen hatte, liegen beide Kandidaten
derzeit etwa gleichauf. Der US-Botschafter in Deutschland, John B. Emerson, hält das Rennen um die Präsidentschaft „für total offen“. Trump habe
zwar „viele krasse Dinge vom Stapel gelassen“, sagte der Diplomat. Ein Teil
seines Erfolges liege aber darin, dass er
sich auf „den Zorn und die Perspektivlosigkeit eines Teils des Bevölkerung
stützen kann“.
Trump warb am Wochenende in Washington um die Stimmen der erzkonservativen Wähler. Bei einer Versammlung des rechten Parteiflügels der Republikaner versprach er, dass eine Regierung unter seiner Führung „unser
christliches Erbe wertschätzen, schützen und verteidigen wird“.
Clinton war derweil darum bemüht,
ihr sicherheitspolitisches Profil zu
schärfen. Sie traf sich in New York mit
mehreren Experten, unter ihnen ExCIA-Chef David Petraeus und der frühere US-Kommandeur in Afghanistan,
John Allen, um über den Antiterrorkampf und die nationale Sicherheit zu
beraten.
Der republikanische Vizepräsidentschaftskandidat Mike Pence veröffentlichte unterdessen seine Steuererklärungen der vergangenen zehn Jahre.
Clinton und ihr Vizekandidat Tim
Kaine hatten bereits Mitte August ihre
Finanzen offengelegt. Damit erhöhten
sie den Druck auf Trump. Dieser argumentiert jedoch weiterhin, dass er seine
Steuererklärung wegen einer seit Jahren laufenden Steuerprüfung nicht veröffentlichen könne.
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10 POLITIK
M
** DIE WELT
MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016
aja Lasić fängt immer
ganz oben an. Und ganz
oben wohne ich. Achter
Stock. Deshalb klingelt
sie an diesem Nachmittag zuerst bei mir, um sich einfach mal
vorzustellen. Sie spricht gegen die Tür.
In den Spion.
Hallo, ich bin Maja Lasić.
MARTIN U. K. LENGEMANN (2)
VON LUCAS VOGELSANG
Lässt die Worte auf einem Lächeln
tanzen. Dabei müsste sie sich nicht
mehr erklären. Jeder im Viertel kennt
ihr Gesicht. Seit Wochen hängt es in unserer Straße, auf Plakaten an Laternen.
Rote Bluse, das Haar offen, der Blick
spricht Zuversicht. Leute, wir machen
das. Wedding für alle. Dr. Maja Lasić ist
hier, im Wahlkreis 7, die Kandidatin der
SPD für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus. Eine für alle.
Und man entkommt ihr nicht.
Sie fährt ihren Infostand mit dem Rad
durch den Wahlkreis, steht am Leopoldpatz, am Nettelbeckplatz, steht für sich
selbst. Und wer möchte, kann sie zu sich
nach Hause einladen, sie bringt dann
Kuchen mit, der nach dem Land ihrer Eltern schmeckt. Vor allem aber läuft sie
durchs Viertel, das ist ihr Wahlkampfding: Zu den Wählern gehen, persönlich
vorbeischauen, ein paar Sätze und einen
Flyer dalassen. Von Tür zur Tür, nennt
sie das. Es ist ein sehr amerikanisches
Prinzip. Mal was anderes, sagen die Leute im Wedding. Mal wirklich was Neues.
Maja Lasić ist noch nicht lange in der
Politik. Vor ein paar Jahren war sie
Nachwuchsmanagerin in einem Pharmaunternehmen in Rosenheim. Bayern,
Hosenanzüge, Firmenwagen. Weiter
weg vom Wedding geht ja nun kaum. Im
ersten Moment also, durch den Spion in
der Tür betrachtet, passt Maja Lasić, die
Frau Doktor, Biochemie, nicht so richtig
hierher – in diese Berliner Hartpflasterecke, den Arbeiterbezirk, der die Faust
in der Visage Berlins sein kann, zwischen die Hartz-IV-Biografien, in den
„Kanaken-Kiez“.
Man muss aber in dem tabellarischen
Lebenslauf auf ihrer Webseite von Rosenheim aus nur mal ein bisschen nach
oben und dann ganz nach unten schauen, um zu verstehen, wieso sie jetzt im
Wedding an allen Türen klingelt. Sie hat
hier etwas zu erledigen.
Und weil sie eine Politikerin im Wahlkampf ist, nimmt sie dazu heute auch
den Reporter aus dem achten Stock mit.
Also Treppe runter, erste Klingel.
Gleich schwierig. Hinter der Tür rumpelt es, als müsse der Mieter dort erst
noch sich selbst einsammeln. Dann aber
Tür uff, is ja Wedding. Tach!
Lasićlächeln an. Sie sagt ihr Sprüchlein auf. Mein Name ist Maja Lasić, ich
bin Ihre Kandidatin fürs Abgeordnetenhaus und möchte mich nur einmal kurz
in der Nachbarschaft vorstellen.
Ditt is schön, sagt der Herr, aber da
kommwa nich ins Jeschäft! Ich bin FDPWähler, überzeugt. Sie lächelt, egal. Ich
lasse Ihnen, sagt sie, trotzdem mal meinen Flyer hier, denn ich bin guter Hoffnung, dass ich die Abgeordnete für diesen Wahlkreis werde.
Ja, sagt er, dagegen spricht ja auch
nüscht. Jeder nach seiner Fassong. Tür
wieder zu.
Maja Lasić lässt sich von so viel Berliner Charme, also Scharm, nicht beirren.
Es gilt: Jede Klinke eine neue Chance.
An der Tür ist sie Vertreter ihrer eigenen Biografie. Und die bietet zwei Geschichten, mit denen sie hier im Wedding erst die Türen und dann die Menschen zu öffnen versucht. Das eine ist
die Geschichte ihrer Entscheidung für
die Politik. Sie spielt nicht weit von hier.
Das andere ist die Geschichte ihrer
Herkunft, die Biografie, die sie bei sich
trägt wie einen ihrer Flyer. Sie spielt in
Bosnien, Bielefeld, Münster.
Maja Lasić kommt als Kriegsflüchtling nach Deutschland, 14 Jahre alt, 23
Jahre her. Ein Mädchen aus Mostar,
größte Stadt von Herzegowina, in der
sich 1993 Kroaten und Bosniaken bekämpften, Brücken sprengten, die Zukunft zerschossen. Sie, Hunderttausende mit ihr, flieht. In ein Land, Njemačka,
das sie nicht versteht. Die paar Worte,
die sie kennt, sind Filmworte, das Wehrmachtsstakkato aus den Partisanenfilmen ihrer Kindheit. Das Deutsche, es
klingt hart, fast schmerzt es.
Deutschland ist dann erst mal eine
Vorbereitungsklasse, in der Ausländer
neben Ausländern sitzen. Die Neuen, die
noch nicht vergessen haben, was war,
und noch nicht wissen können, was
kommt. Deutsch lernt sie dort kaum,
weil sich die Kinder in die Sprache der
Heimat zurückziehen. Deutsch lernt sie
vor dem Fernseher, sie kann bald jede
Werbung mitsprechen.
Hier kommt der Genuss.
Dann klappt’s auch mit dem Nachbarn.
Die längste Praline der Welt.
Ihr Deutschland ist bevölkert von
Hausfrauen, die ihre Hände staunend in
Die TÜRÖFFNERIN
Mal was anderes, sagen die Leute: Die SPD-Kandidatin Maja Lasić nimmt Politik persönlich - hier an der Tür unseres Autors in Berlin-Wedding
Maja Lasić möchte am nächsten Sonntag in das Berliner Abgeordnetenhaus einziehen. Sie schaut deshalb persönlich
bei den Wählern im Wedding vorbei. Auch bei unserem Autor klingelte sie – und nahm ihn mit, von Tür zu Tür
Angekommen: Frau Dr. Maja Lasić, 37, mit ihrem Wahlkampffahrrad in Berlin –
die gebürtige Bosnierin kam vor 23 Jahren als Kriegsflüchtling nach Deutschland
Schälchen mit Spülmittel halten und
von Esslöffeln, in die der Geschmack einen Knoten biegt. Die 90er-Jahre sind
ein merkwürdiger Ort für eine Ankunft.
Und an jedem Tag ist da das Heimweh,
ein bitterer Geschmack, der einen Knoten in ihre Seele biegt.
Zurück aber kann sie nicht. Mir war,
sagt sie, mein Land abhandengekommen. Dieser Satz, er ist auch im Wedding zu Hause. Und erzählt vom monströsen Gefühl einer Obdachlosigkeit.
Ein Identitätsirrgarten, man kann sich
darin verlaufen.
In den engen Gängen der Sozialbauten im Wedding legt sie sich erst einmal
eine Route zurecht. Heute gegen den
Uhrzeiger. Muss sein. Sonst kann man in
der Wiederholung der Türen leicht die
Orientierung verlieren. Die Klingelschilder sind keine Hilfe. Herr Öz, Herr Oz,
Herr Özkan. Zweimal Polat, oft ist gar
kein Name an der Tür. Eine Unachtsamkeit nur, und sie steht wieder vor der
ersten Tür. Und der Nachbar, der noch
mal öffnet, schaut sie an, als wäre sie
nicht Maja Lasić, sondern Sigmar Gabriel, der mal eben das Gas ablesen
möchte.
Jetzt horcht sie in die Stille der Stockwerke, in das Schweigen hinter den Türen. Viele Mieter sind verreist, machen
Urlaub in der Heimat oder versuchen,
im Urlaub Heimat zu finden.
Auch der Serbe im Sechsten ist nicht
da. Schade, sagt sie. Begegnungen mit
Ex-Jugoslawen sind kurze leuchtende
Momente, in denen sich Vergangenheit
und Gegenwart begegnen. Aber oft, sagt
sie, nutzen die mir nichts. Viele der Jugos haben keinen deutschen Pass.
Die Frage nach dem Pass, Maja Lasić
stellt sie immer sofort, unmittelbar. Eine Frage, die Zeit spart, Verhältnisse
klärt. Menschen ohne deutschen Pass
dürfen nicht wählen, sie stehen dann,
ohne Stimme, sprachlos an jeder zweiten Tür.
Die Hälfte der Menschen hier hat keinen, sagt sie. Statistik, Erfahrung. Dann
verabschiedet sie sich gleich. Dann, sagt
sie, können Sie mir leider nicht helfen.
Aber eigentlich, das weiß sie auch, ist
es andersherum.
Im vierten Stock öffnet ein Türke im
Feinrippunterhemd, an den Beinen je
ein Kind. Es riecht nach frisch Gekochtem, er schwitzt. Ich kenne ihn, wir haben in der Nacht des Putsches in der
Türkei gemeinsam vor der Bäckerei an
der Ecke gegenüber türkische Nachrichten geschaut. Er ist Alevit, er war damals
sehr aufgebracht. Und ist es auch jetzt.
Weil er gerne wählen gehen würde. SPD,
gute Partei. Aber eben nicht wählen darf,
die andere Hälfte im Viertel.
Wir leben hier, sagt er, wieso dürfen
wir nicht wählen. Sie nickt. Das erste
Land, sagt er, ist doch hier. Das zweite
Land ist die Türkei. Sie nickt.
Die Sache mit der Staatsbürgerschaft
trifft sie persönlich. Maja Lasić, die Kandidatin der SPD im Wedding, besitzt ihren deutschen Pass selbst erst seit etwa
einem Jahr. War lange nicht bereit, ihn
anzunehmen. Weil es sich nach Verrat
anfühlte. Diese Entscheidung. Für das
eine Land und gegen das andere.
Die Wahlen jetzt zum Berliner Abgeordnetenhaus, es sind deshalb die ersten
Wahlen in Deutschland, an denen sie
teilnehmen darf. Maja Lasić war in ihrem Leben überhaupt erst einmal wählen, 2014 bei der Europawahl, da aber
war ihre Stimme eine kroatische. Und
nun, zur Premiere, tritt sie gleich selbst
an. Das, sagt sie, ist schon verrückt. Sie
lacht, ohne Spaß.
Ich fühle mich, sagt sie, doch schon
viel länger deutsch als ich den Pass habe.
Ich bin hier zu Hause, seit 23 Jahren. Für
die SPD hat sie den Prozess des Ankommens einmal aufgeschrieben, 15 Schritte,
wie man deutsch wird. Sie erzählt darin
von der Schulzeit in Bielefeld, dem Abitur an einer konservativen Schule, dem
Vater, der für sie kämpft. Von einem Leben, das lange ein zweigeteiltes ist. Mit
einem deutschen Vormittag und einem
Nachmittag unter Flüchtlingen. Sie verbringt ihre Zeit damals ausschließlich
mit Bosniern.
Das ändert sich mit dem Beginn des
Studiums der Biologie, sie zieht nach
Münster und ist plötzlich wieder das
Mädchen aus Bosnien, der einzige Ausländer. Weil Ausländer nicht Bio studieren. Und statt der alten Volksweisen, die
immer geholfen haben gegen das Heimweh der ersten Jahre, singt sie nun die
Lieder der Kommilitonen. Kettcar und
Tomte.
In dieser Erzählung ist Ankommen
Pop. Und zwischen den Zeilen entsteht
etwas. In Bosnien dann, Heimaturlaub,
sagt sie irgendwann den großartigen
Ballermannsatzanfang: Bei uns in
Deutschland. Und damit hatte sich die
Sache dann auch erledigt.
Ich habe, sagt Maja Lasić, irgendwann
ein Selbstverständnis von mir als in
Deutschland lebendem Migranten entwickelt. Und dabei gemerkt, das ist das
Land, dem ich mich zugehörig fühle. Das
Land, das ich verändern will.
Im Grunde ist sie deshalb auch, trotz
Biologiestudiums, trotz der eigentlich
schon durchgeplanten, auf Hochglanz
polierten Managerkarriere, im Wedding
gelandet. Brunnenviertel, die unwahrscheinlichste Abzweigung, der bekloppteste Umweg. Wenn man schon mal mit
dem Firmenwagen unterwegs ist.
Aber Maja Lasić ist unter all den bosnischen Flüchtlingskindern aus Bielefeld die einzige, die es an die Universität geschafft hat. Und sie will wissen,
warum.
Es ist der Sommer vor sieben Jahren,
als sie während einer Fahrt mit dem ICE
in der Zeitung etwas entdeckt, das wie
eine Möglichkeit aussieht, tatsächlich
noch eine Antwort auf diese Frage zu
finden: Maja Lasić, 30 Jahre alt nun, bewirbt sich als Fellow bei Teach First, einer Initiative, die Spitzenabsolventen
deutscher Universitäten für zwei Jahre
an Brennpunktschulen vermittelt. So
landet sie im Wedding. Brunnenplatz.
Sie nennt es: Schwierige Lage. Pädagogik im Crashkurs. Und wenn sie mit den
Kindern allein in der Klasse ist, gibt es
dort niemanden ohne Migrationshintergrund. Sie sind dann unter sich. Die Jugendlichen und die Frau Lasić, die sich
verstehen, weil sie wissen, wie es ist,
nicht verstanden zu werden.
Der Wedding, das lernt sie schnell, ist
ganz harte Schule. Wedding ist, wenn in
einer Klasse von zwanzig nur ein einziges Elternteil arbeitet. Wenn da Jungs
sitzen, für die ein Job in der Pharma
heißt, nach der Schule am Nettelbeckplatz Pillen zu verticken. Die den Rapper
Frauenarzt kennen, aber noch keinen
weiblichen Doktor gesehen haben. Eine
wie sie. Frau Doktor, das kann eine echte
Beleidigung sein. Frau Doktor, das ist
bald eine Form des Respekts.
Maja Lasić also durfte am Brennpunkt
lehren und so vom Brennpunkt lernen,
es klingt wie ein Austauschprogramm
für junge Sozialdemokraten. Eine gute
Geschichte, man kann sie auf Flyer drucken. Und sie erzählt heute von der Müdigkeit und den Abenden, an denen sie
der Mut verließ. Von den Kollegen, die
unter Selbstaufgabe in den Klassenräumen kompensieren mussten, was in den
Sitzungssälen versäumt wurde.
Noch 6 Tage
bis zur Wahl
Am Ende, nach zwei Jahren im Wedding, hat sie ihre Antworten. Und sie
hat, so sagt sie es, den Fehler gefunden.
In unserem System. Maja Lasić ist zu jener Zeit fast 20 Jahre in Deutschland,
das sind fünf Tomte-Alben, das sind vier
Jahre Kohl, sieben Jahre Schröder und
fast zehn Jahre Angela Merkel. Man
kann in dieser Zeit viel lernen über den
Musikgeschmack der Deutschen und
über ihr Politikverständnis.
Deutschland, das ist nun auch ihr System.
Der Wedding nun auch ihr Bezirk.
Out of Rosenheim.
Sie ist hier hängen geblieben, weil sie
aus der Nähe beobachten konnte, wie
die Kinder hier hängen bleiben, gleich
keine Chance haben, weil sie eben im
Wedding geboren wurden. Der Wedding,
das meint in ihrer Erzählung: der tote
Winkel, in dem tote Biografien entstehen. Natürlich musste sie danach in die
SPD, der nächste Schritt. Wenn du den
Fehler im System gefunden hast, aber
kein älterer Herr in Tweed bist, sondern
eine junge Migrantin im Wedding, ist
das vielleicht die einzig mögliche politische Heimat, dafür aber auch gleich volles Programm. Der Rote Wedding, Ehrensache. Die Arbeiterbewegung, Erich
Weinert.
Als Sozialdemokratin hat sie hier einen im Grunde historischen Auftrag. Ich
will, sagt sie, das Viertel schon auch verteidigen. Gegen die Gesichter auf den
Plakaten über ihr, die keine Alternative
sein dürfen. Am besten, logisch, mit den
Kindern des Wedding, die sie noch vom
Brunnenplatz kennen.
Die Frau Doktor.
Vor einer der Türen schaut sie länger
auf das Klingelschild. Der Name kommt
ihr bekannt vor. Ich hatte mal, sagt sie,
eine Schülerin, die so hieß. Mal sehen.
Erst einmal aber macht eine Mutter auf.
Sie versteht nicht viel vom Lasićaufsager zur Lage im Wedding und den Wahlen am 18. September. Und holt ihre
Tochter, die dann tatsächlich jene Schülerin ist, von der Maja Lasić dachte, dass
sie es sein könnte.
Oh, sagt die Tochter, Frau Lasić. Große, ganz ehrliche Wiedersehensfreude.
Sie hat die Frau Lasić schon auf den Plakaten gesehen, sie macht mittlerweile
eine Ausbildung im Krankenhaus. Für
einen Moment stehen sich die beiden
Frauen gegenüber und begeistern sich
für den Lebensweg der jeweils anderen.
Gehen Sie wählen?
Auf jeden Fall.
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WIRTSCHAFT
DIE WELT
MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016
Raumfahrt
Amerika ist von den Russen
abhängig – noch Seite 14
SEITE 11
MENSCHEN
UND MÄRKTE
MATTHIAS MÜLLER
Volkswagen will die Elektromobilität mit einem Schnelllade-Projekt
und einer Modelloffensive vorantreiben. Dabei gehe es darum, „in 15
Minuten 80 Prozent der Batterie zu
laden“, sagte Konzernchef Matthias
Müller der „Bild am Sonntag“. „Das
wird schon bald spruchreif.“ Die
Federführung liege bei Porsche.
„Das Thema E-Mobilität hat VW in
den vergangenen Jahren sicher noch
nicht mit der nötigen Intensität
betrieben.“ Dies werde aber aufgeholt. „2020 kommt VW geballt
mit einer völlig neuen Plattform.“
Dann werde der Autobauer 30 elektrisch betriebene Modelle anbieten,
es gehe um Reichweiten von 500 bis
600 Kilometern.
MARCEL FRATZSCHER
DIW drängt zur Eile
bei Investitionen
Das Deutsche Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) mahnt zur
Eile bei Investitionen in Infrastrukturen. „Wir haben nach wie vor
einen gigantischen Investitionsstau,
vor allem bei den Kommunen“, sagt
Marcel Fratzscher, der Präsident
des DIW, der „Welt am Sonntag“.
Bisherige Initiativen reichten nicht
aus. Zwar hat der Bund im vergangenen Jahr schon im Rahmen
seiner „Investitionsinitiative 2015“
zusätzliche Mittel für finanzschwache Kommunen zur Verfügung gestellt. Doch die auf mehrere Jahre
gestreckten Gelder in Höhe von
zehn Milliarden Euro sind für Fratzscher „nur ein Tropfen auf den
heißen Stein“. Schließlich veranschlage die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) den Investitionsstau bei den Städten und Gemeinden auf 136 Milliarden Euro. „Dies
zeigt die Größenordnung der Aufgabe“, mahnt der Ökonom.
WOLFGANG SCHÄUBLE
Suche nach Apples
Steuermilliarden
Steuern von Apple nachfordern,
aber wie? Diese Frage konnte die
EU-Kommission Europas Finanzministern in Bratislava nicht beantworten. Bundesfinanzminister
Wolfgang Schäuble (CDU) zeigte
sich deshalb skeptisch, dass
Deutschland und andere EU-Staaten
Teile der 13 Milliarden Euro beanspruchen können, die der iPhoneBauer in Irland nachzahlen muss. Er
glaube, „dass die Erwartungen, die
da zum Teil geschürt werden, ein
bisschen voreilig sind“. „Natürlich“
prüfe auch Deutschland, ob es Ansprüche gegenüber Apple geltend
machen könne, sagte Schäuble.
Auch Österreich und Spanien sind
unter den Interessenten. Nur Frankreich schloss einen Nachzahlungsbescheid aus: „Frankreich beansprucht nichts von den 13 Milliarden“, sagte Minister Michel Sapin.
CHRISTIAN SCHMIDT
Agrarminister gegen
neues Öko-Siegel
Bundeslandwirtschaftsminister
Christian Schmidt (CSU) hat sich
gegen ein neues Öko-Siegel zur
Kennzeichnung von Lebensmitteln
wie Rindfleisch ausgesprochen.
Bundesumweltministerin Barbara
Hendricks (SPD) will damit Nahrungsmittel kennzeichnen, bei deren Herstellung viel Treibhausgas
freigesetzt wird. „Einen gesetzlichen Warnhinweis auf Rindfleisch
lehne ich ab“, sagte Schmidt. „Mein
Ziel ist nicht der Bevormundungsstaat. Wir müssen die Verbraucher
transparent informieren, aber wollen ihnen die Entscheidungsfreiheit
lassen.“ Auch Hendricks Pläne, das
Baurecht zu verschärfen und so den
Bau von Großställen auszubremsen,
lehnte er ab. „Um die Ställe aus den
Ortszentren herauszuhalten, haben
wir das privilegierte Baurecht im
Außenbereich geschaffen.“
AP/ MAS
VW arbeitet an
Schnelllade-Projekt
Solarzellen fluten den Weltmarkt
D
China bremst überraschend den Ausbau der neuen Energien. Überschüssige Billig-Module gehen
in den Export und bringen andere Hersteller unter Druck. Europa wehrt sich mit Schutzzöllen
ie Bundesregierung muss
sich von Solar-Lobbyisten
derzeit viel Kritik anhören: Der für die Energiewende geplante Neubau
von Fotovoltaik-Anlagen bleibt in
Deutschland auch in diesem Jahr deutlich hinter den politischen Versprechungen zurück.
VON DANIEL WETZEL
Der von Berlin vorgegebene Zielwert
von 2,5 Gigawatt neuer Solarkraft wurde im vergangenen Jahr schon nicht erreicht – und wird es in diesem Jahr wohl
noch viel weniger. Solarmodule mit gerade einmal 0,4 Gigawatt wurden im ersten Halbjahr 2016 auf Dächer und Felder montiert. Man könnte fast den Eindruck bekommen, als bekäme es das
Land Ludwig Erhards mit der Planwirtschaft nicht wirklich gut hin.
Trost könnte der für die Energiewende zuständige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) finden, wenn er seinen Blick einmal nach China richten
würde: Die große Volksrepublik hat sogar nach 67 Jahren Erfahrung in kommunistischer Planwirtschaft noch viel
größere Schwierigkeiten damit, die poli-
,,
DIE BITTERE WAHRHEIT
IST – ES GIBT KEIN
ANDERES INSTRUMENT
ALS DIESE
ANTI-DUMPINGMASSNAHME
MILAN NITZSCHKE, Präsident der
europäischen Hersteller-Initiative EU ProSun
tischen Produktionsziele auch nur einigermaßen einzuhalten. Deutlich wird
das ebenfalls an einem Solarausbau, der
völlig aus dem Ruder gelaufen ist.
Chinesische Regierungskreise haben
natürlich schon seit Jahren hohe Ambitionen, die dreckige Luft Pekings und
umliegender Landstriche endlich wieder sauber zu kriegen. Dennoch reagierten Beobachter im Westen ungläubig,
als Peking sich das Ziel setzte, allein in
diesem Jahr Solarstrom-Anlagen mit
rund 18 Gigawatt im ganzen Reich errichten zu lassen: Die installierte Leistung all dieser Module entspricht immerhin der von 18 Atomkraftwerken.
Schon die Gigantomanie dieser Ankündigung ließ den Marktbeobachtern
den Atem stocken. Was China da innerhalb eines Jahres bauen wollte, hätte
dem Volumen nach noch vor zwei Jahren dem gesamten Weltmarkt für Fotovoltaik-Anlagen entsprochen. Geradezu
die Luft blieb den Experten jedoch weg,
als im Juni diesen Jahres deutlich wurde, dass China das astronomische Jahresziel bereits in der Hälfte der Zeit erreicht – und sogar noch übertroffen hat-
noch geschützt: Auf Antrag und Betreiben des letzten deutschen FotovoltaikKonzerns Solarworld hatte die EUKommission bei chinesischen Solarimporten auf Dumping befunden und die
Importe aus China mit einem Strafzoll
belegt. Seither gilt in Europa für Solarkraft ein Mindestpreis von 56 Cent pro
Watt, was deutlich über den Preisen in
te. 22 Gigawatt Solarstromleistung ist
die Hälfte dessen, was der frühere Weltmarktführer Deutschland nach 15 Jahren Energiewende erreicht hatte. China
hatte dafür nur sechs Monate gebraucht.
Der alte DDR-Begriff von der „Planübererfüllung“ wäre angesichts solcher
Dimensionen ein Euphemismus. Die
Zahlen mussten vielmehr als sichtbarer
Beleg dafür gelten, dass Peking die Kontrolle über die mit Staatsgeldern aufgepumpte Solarindustrie völlig verloren
hatte. Ob die zentralen Planer in ihren
Pekinger Büros angesichts der schwindelerregenden Entwicklung bleich wurden, ob jemand laut „Stopp“ schrie und
welches Maß Panik er dabei in der Stimme hatte, ist nicht bekannt. Fest steht
nur, dass die chinesische Zentralregierung die Förderung ihres Solarmarktes
über die Sommermonate drastisch eindampfte und nunmehr für die zweite
Jahreshälfte 2016 nur noch einen vergleichsweise bescheidenen Neubau von
sechs Gigawatt zulassen will.
Die chinesische Vollbremsung hat
Auswirkungen auf den Rest der Welt.
Die Lager der Solarkonzerne im Reich
der Mitte sind immer noch prall gefüllt.
Zugleich lässt die Nachfrage nach Solarpaneelen derzeit deutlich nach. „Solar
power – not everyone needs it right
now“, überschrieb die Agentur Bloomberg New Energy Finance ihren jüngsten Marktbericht. Die Beobachter von
Roth Capital Partners sehen sogar
einen „perfekten Sturm“ über der Solarbranche herauf ziehen, weil die Nachfrage nach Solartechnik in den wichtigsten drei Abnehmerregionen Europa,
USA und Japan im kommenden Jahr
schwach sein werde. Dessen ungeachtet
seien aber neue Solar-Fabriken mit
einer Kapazität von 12 Gigawatt im Bau,
was „die Gefahren und Herausforderungen noch verschlimmern“ werde.
Der Markt stehe vor einer neuen Phase,
die von Überkapazitäten geprägt sein
werde.
Chinesische Fotovoltaik-Konzerne
wie Yingli, JinkoSolar oder Canadian
Solar haben nur eine Möglichkeit, ihre
überquellenden Lager abzubauen und
dabei wenigstens noch ein bisschen
Cash zu machen: Sie verkaufen ohnehin
günstigen Solarzellen und Module jetzt
noch billiger ins Ausland ab. Bloomberg
New Energy Finance erwartet im zweiten Halbjahr 2016 am Markt einen Überschuss bei Fotovoltaik-Modulen von 30
bis 40 Prozent, was sich in „vollen Lagern und einem Preis-Kollaps in allen
Märkten einschließlich der USA“ widerspiegeln werde.
Wenn die chinesische ÜberschussProduktion den Weltmarkt flutet, dürfte das die Preise für Solaranlagen weiter
fallen lassen. Wie viele Hersteller die
Tiefpreis-Phase überleben werden, ist
unklar. Marktbeobachter vom Analysehaus IHS rechnen aber mit einer weiteren Konsolidierung, sprich: es könnte
mehr Pleiten, Übernahmen und Fusionen geben, die Zahl der Anbieter wird
sinken.
Ob sich die europäischen Hersteller
weiter gegen die Flut chinesischer Billig-Module stemmen können, ist ebenfalls unsicher. Vorerst fühlt man sich
anderen Weltregionen liegt. Doch
Europas Zollmauern bekommt bereits
Risse. Denn der chinesische Produktionsüberschuss fließt bereits in Länder
wie Indien, Vietnam oder Thailand, die
längst eigene Solarmodule-Fabriken zur
Versorgung der heimischen Bevölkerung aufgebaut hatten. Unter dem
Druck chinesischer Billigimporte sehen
nun etwa indische Hersteller keine andere Wahl mehr, als sich ihrerseits neue
Abnehmer in Europa und den USA zu
suchen. Damit dürften auch die bislang
künstlich hoch gehaltenen europäischen Preise für Solarzellen und Module unter Druck kommen. Ohnedies
könnte die EU-Kommission versucht
sein, bei der nächsten Überprüfung der
Zollschranke zu dem Schluss zu kommen, dass auch die euroSolarpark in päischen Mindestpreise
angesichts eines weltweit
der Provinz
verfallenden Preisniveaus
Fujian.
gesenkt werden sollten.
Peking hat
Auch wenn der Schutzdie Installawall bröckelt: Für übertion neuer
flüssig
hält
Milan
Anlagen
Nitzschke, Präsident der
reduziert
europäischen HerstellerInitiative EU ProSun die Schutzzölle
gegen China nicht. „Die bittere Wahrheit ist – es gibt kein anderes Instrument als diese Anti-Dumping-Maßnahmen, um uns gegen unfairen Staatseinfluss zu schützen.“ Wenn chinesische
Dumping-Preise in einer „Kettenreaktion“ über andere Staaten nach Europa
durchgereicht würden, müsse die Effektivität des Instruments eben verbessert
werden.
Eine Position, die in der europäischen Solarbranche längst stark umstritten ist. Eine ganze Reihe von Unternehmen haben sich in der Gegen-Initiative „Solar Alliance for Europe“
(Safe) zusammengeschlossen, um die
Strafzölle gegen China aus der Welt zu
schaffen. Die Safe-Firmen, darunter
große Solarprojektierer, kritisieren,
dass die seit Jahren fallenden Solartechnik-Preise wegen der Handelsbeschränkungen bei europäischen Investoren
und Verbrauchern nicht mehr ankommen. Nach ihrer Einschätzung würde
die Nachfrage nach Solaranlagen in
Europa wieder stärker anziehen, wenn
die Barrieren fallen – und günstigere
Importe aus dem Ausland nicht mehr
behindert würden.
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DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd
12 WIRTSCHAFT
DIE WELT
KOMPAKT
Leiharbeitnehmer nach Berufen und Branchen
Zahl der Leiharbeitnehmer seit dem Jahr 2000
RENTEN
CDU will Mindestniveau
nach 2030 garantieren
In der Rentendiskussion will nun auch
die CDU Rentnern ein Mindestniveau
nach 2030 zusichern. Aus einem der
Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag vorliegenden neunseitigen Beschluss des Bundesfachausschusses der
CDU geht hervor, dass zudem die Anlagevorschriften für die Rentenversicherung gelockert werden sollen, um
die Renditechancen für das von der
Rentenversicherung eingesammelte
Kapital zu erhöhen. Geplant ist auch
eine Altersvorsorgepflicht für Selbstständige und eine Reform der RiesterRente. Die CDU positioniert sich damit
vor dem Wahljahr 2017 in einer Debatte
über die Zukunft des Rentensystems,
die zuvor von CSU und SPD angestoßen worden war. Seit Monaten wird
diskutiert, ob die 2030 auslaufende
Garantie eines Mindestniveaus der
Rente verlängern werden soll. Die geltende Rentenanpassungsformel führt
dazu, dass Renten langsamer steigen
als Löhne – dies soll ermöglichen, dass
Renten auch noch in einer Zeit bezahlbar sind, in der sich das Verhältnis von
Beitragszahlern zu Rentenempfängern
aus demografischen Gründen drastisch
verschlechtert. Dies führt aber dazu,
dass das prozentuale Rentenniveau im
Vergleich zum letzten Lohn eines Arbeitnehmers schrittweise sinkt, 2029
bis unter 45 Prozent. Würde dieser
Prozess nach 2030 fortgesetzt, würden
immer mehr Versicherte unter das
Grundsicherungsniveau sinken.
DEUTSCHE BANK
Postbank bleibt
auch im Fusionsfall
Die Postbank ist Teil der Fusionsgespräche zwischen Deutscher Bank und
Commerzbank. Wie die „Welt am
Sonntag“ berichtet, planen beide Banken für den Fall eines Zusammen-
gestellt. Insgesamt summiere sich
damit die finanzielle Unterstützung
von Kik auf 6,15 Millionen Dollar, so
das Unternehmen. Der Textil-Discounter war zum Zeitpunkt des Brandes Hauptkunde von Ali Enterprises.
LKW-MAUT
Einnahmen
leicht gesunken
Die Einnahmen aus der Lkw-Maut sind
im vergangenen Jahr leicht zurückgegangen. Verbucht wurden 4,39 Milliarden Euro, wie das Bundesverkehrsministerium dem Bundestag mitteilte.
Das waren rund 46 Millionen Euro
mehr als veranschlagt, aber 78 Millionen Euro weniger als im Jahr zuvor.
Grund ist, dass die nach Schadstoffausstoß gestaffelten Mautsätze zum 1.
Januar 2015 überwiegend gesenkt worden waren, da der Bund niedrigere
Zinskosten für seine Fernstraßen hat.
Das Einnahme-Minus konnte also nicht
voll dadurch aufgefangen werden, dass
die Maut im Juli 2015 auf weitere 1100
Kilometer Bundesstraße sowie im Oktober auf leichtere Lkw ab 7,5 Tonnen
ausgedehnt wurde. In diesem Jahr
sollen diese Erweiterungen ihre volle
Wirkung zeigen und insgesamt 380
Millionen Euro mehr einbringen. „Die
zurückliegenden Monate zeigen, dass
diese Prognose erfüllt wird“, hieß es.
Die Maut-Einnahmen sind – nach Abzug von Kosten – für Investitionen in
die Fernstraßen reserviert.
LIEFERDIENSTE
Scheinselbstständigkeit
soll gestoppt werden
Die florierende Branche der EssensLieferkuriere, die mit ihren Fahrrädern
seit ein paar Monaten die Straßen
deutscher Großstädte bevölkern, ist
Gewerkschaften und Oppositionspolitikern ein Dorn im Auge – wegen
Mindestlohnverstößen und Schein-
GALAXY NOTE 7
Samsung warnt vor Benutzung des Smartphones
DPA/ FLORIAN SCHUH
Das Premium-Smartphone Galaxy Note 7 entwickelt sich für Weltmarktführer Samsung immer
mehr zum Desaster. Wegen der Brandgefahr fehlerhafter Akkus warnte der Konzern davor, das
erst vor wenigen Wochen auf den Markt gekommene Vorzeigemodell zu benutzen. „Wir rufen die
Nutzer dazu auf, ihr Galaxy Note 7 abzuschalten
und es so bald wie möglich auszutauschen“, erklärte der Chef der Smartphone-Sparte, Koh
Dong Jin. Weltweit verbannten Airlines das Galaxy Note 7 von ihren Flügen. Samsung arbeite mit Hochdruck daran, die fehlerhaften Geräte auszutauschen, erklärte der Konzern. Die US-Verbraucherbehörde CPSC arbeitet nach eigenen
Angaben mit der südkoreanischen Firma an einem offiziellen Rückruf in den USA.
Solange sollte das Modell nicht genutzt werden.
schlusses, die Postbank nicht zu verkaufen. „In diesem Fall würde es Sinn
machen, die Postbank zu behalten“,
heißt es aus Verhandlungskreisen. Die
Deutsche Bank hatte im Vorjahr überraschend erklärt, sich von der erst
2008 erworbenen Privatkundenbank
wieder trennen zu wollen. Offen ist,
wie die Wettbewerbsbehörden auf
einen Zusammenschluss der beiden
Großbanken inklusive der Postbank
reagieren würden. „Es wäre sicher kein
Selbstläufer, einen solchen Zusammenschluss durchzubringen“, sagte
Justus Haucap, der ehemalige Vorsitzende der Monopolkommission.
KIK
Weitere Millionen für
Opfer in Pakistan
Vier Jahre nach der Brandkatastrophe
in einer pakistanischen Textilfabrik
stellt der Textildiscounter Kik weitere
5,15 Millionen Dollar (4,6 Millionen
Euro) für die Opfer und ihre Angehörigen zur Verfügung. Auf diese Summe
habe sich das Unternehmen in Gesprächen mit Vertretern der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, dem
Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit (BMZ) sowie Opfervertretern wie der Kampagne für Saubere Kleidung geeinigt, teilte Firmenchef Patrick Zahn mit. Bei dem Feuer
waren am 11. September 2012 in der
pakistanischen Textilfabrik Ali Enterprises mehr als 255 Beschäftigte getötet
und weitere 57 verletzt worden. Bereits
unmittelbar nach dem Brand hatte Kik
eine Million Dollar Soforthilfe bereit-
selbstständigkeit vieler der Fahrradkuriere. In der Kritik steht dabei vor
allem der Lieferdienst Deliveroo, der
etwa die Hälfte seiner rund 900 Fahrer
als Selbstständige beschäftigt. „Geht
keine Bestellung ein, gibt es keine Lieferung, keine Bonuszahlung und kein
Trinkgeld. Das wäre ein klarer Verstoß
gegen das Mindestlohngesetz“, sagte
der stellvertretende Vorsitzende der
Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Burkhard Siebert, der
„Welt am Sonntag“. Die betroffenen
Fahrer verdienen einen Grundlohn von
nur 7,50 Euro pro Stunde, also einen
Euro weniger als der gesetzliche Mindestlohn. Bedenklich sei dies gerade
mit Blick auf das Risiko, dem sich die
Fahrer während ihrer Arbeit aussetzen.
800.000
600.000
400.000
200.000
2015
21,7
10,7
4,3
3,9
3,1
2,9
2,2
2,1
2,0
1,9
Quelle: Bundesagentur für Arbeit (BA)
Quelle: Bundesagentur für Arbeit (BA)
Beschäftigte nach Anforderungsniveau
Beschäftigte nach Berufsabschluss
in Prozent
in Prozent
52,8
19,1
Fachkraft
38,9
57,0
Spezialist
E
Experte
Leiharbeitnehmer
Beschäftigte insgesamt
Leiharbeitnehmer
Helfer
5,1
11,3
3,3
22,7
54,6
Meister/Techniker
2,4
Bachelor
1,4
1,4
4,5
10,1
1.000.000
Leiharbeiter –
so viele wie nie
Zeitarbeiter verdienen in der Regel deutlich
weniger als Stammbeschäftigte. Die Politik
will das nun ändern – aber es gibt Bedenken
Zeitarbeit ist zu einem beliebten Instrument geworden, Auftragsspitzen
abzudecken, ohne gleich die Stammbelegschaft aufzustocken. Das Modell ist
in Deutschland mittlerweile so erfolgreich, dass Betriebsräte, Gewerkschaftler und Politiker eine ungute Machtverschiebung hin zu den Arbeitgebern beklagen. Sie bemängeln, Firmen würden
Leiharbeiter nutzen, um die Stammbelegschaft einzuschüchtern und Löhne
und Gehälter zu drücken.
Die Unternehmen hingegen beharren
darauf, dass Zeitarbeit keine regulären
Jobs ersetze; die Leiharbeiter ergänzten
die regulären Beschäftigten nur. Zeitarbeit mache den deutschen Arbeitsmarkt
flexibler und trage dazu bei, dass die
deutsche Industrie auf konjunkturelle
Schwankungen reagieren könne. Gerade für Geringqualifizierte seien die Jobs
auf Zeit eine Chance, leichter am Erwerbsleben teilzuhaben.
„Auf dem Arbeitsmarkt sind Leiharbeit und Werkverträge längst keine
Randphänomene mehr. Und in der Regel zahlen Vertragsnehmer und Leiharbeiter dabei drauf – sie verdienen weniger und haben deutlich schlechtere Arbeitsbedingungen“, kritisiert jedoch
Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied
im Deutschen Gewerkschaftsbund
(DGB). Es sei dringend geboten, dass
der Gesetzgeber Missbrauch und Ausbeutung einen Riegel vorschiebe.
Daten der Bundesagentur für Arbeit
(BA) zeigen, dass die Zahl der Leiharbeiter in Deutschland im vergangenen
Jahr auf einen Rekordstand geklettert
ist. In manchen Monaten registrierte
die Bundesagentur mehr als eine Million Zeitarbeiter. Im Dezember 2015 waren es 950.644. Im Jahresmittel lag die
Zahl der Leiharbeiter knapp 53.000
über dem Wert von 2014. Dieser Anstieg
ist auch Ausdruck der soliden Auftragslage der Unternehmen. „Das Maß der
Zeitarbeit schwankt mit dem Auf und
Ab der Konjunktur“, sagt Holger Schäfer, Ökonom beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln). Nehme die Leiharbeit zu, sei das zunächst
einmal nichts anderes als ein Indikator
für eine gut laufende Ökonomie. Eine
Verdrängung von regulären Beschäftigungsverhältnissen kann er nicht erkennen. Dafür gebe es keine Belege.
Allein in den vergangenen zwölf Monaten sind im Automobilbau mehr als
15.000 neue Jobs entstanden, rechnet
Schäfer vor, weitere 6000 im Metallbau
und 3000 in der optischen und elektronischen Industrie. Trotz der imposant
anmutenden Zahl von einer Million
Leiharbeitern beträgt der Anteil an der
Gesamtbeschäftigung nur rund drei
Prozent.
Feststellen lässt sich allerdings ein
langfristiger Trend zur verstärkten „Arbeitnehmerüberlassung“, wie die Zeitarbeit in der Sprache der Bundesagentur offiziell heißt. Vor zehn Jahren zählte die Bundesrepublik erst halb so viele
Leiharbeiter wie heute. Das muss nicht
zwangsläufig bedeuten, dass Leiharbeit
nicht befristete Stellen überflüssig
macht. „Oft beobachten wir, dass Unternehmen Stammbelegschaft und Zeit-
12,6
54,4
4,3
0,3
Quelle: Bundesagentur für Arbeit (BA)
VON DANIEL ECKERT
Beschäftigte insgesamt
Ohne Berufsabschluss
Berufsausbildung
Diplom/Master/
Staatsexamen
Promotion
11,1
in mittelständischer Automobilzulieferer erhält kurzfristig einen Auftrag. Um
die Kundenwünsche zu bedienen, heuert der Mittelständler für drei Monate Leiharbeiter
an. Nach Ablauf der Frist verzichtet das
Unternehmen wieder auf die Arbeitskräfte. Eine feste Stelle wird daraus nie.
Das passiert in Deutschland tausendfach. Leiharbeit boomt.
arbeit gleichzeitig aufstocken“, sagt
Schäfer. Tatsächlich hat sich die Erwerbslosigkeit seit 2005 nahezu halbiert. Zuletzt meldete die Bundesagentur eine Arbeitslosenquote von 6,1 Prozent, vor zehn Jahren lag sie noch bei elf
bis zwölf Prozent. Viele Ökonomen argumentieren, dass Leiharbeit hilft,
Menschen in Lohn und Brot zu bringen,
die sonst Schwierigkeiten hätten, einen
Job zu finden.
Allerdings bleibt es eine Tatsache,
dass Leiharbeiter deutlich weniger verdienen als reguläre Beschäftigte. Nach
einer BA-Erhebung lag das Einkommen
der Zeitarbeiter 2013 bei durchschnittlich 1725 Euro, während sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer statistisch auf 2954 Euro Verdienst kamen.
Mehr noch: Fast zwei von drei Leiharbeitern bleiben unterhalb der Niedriglohnschwelle von rund 1970 Euro, wie
aus einer Auskunft der Bundesregierung auf eine Parlamentarische Anfrage
der Linkspartei hervorgeht. Diese
Schwelle liegt bei zwei Dritteln des
mittleren Gehalts aller Beschäftigten.
Zudem stocken 5,7 Prozent der Leiharbeitnehmer ihr Gehalt mit Hartz IV auf.
Aus Sicht der arbeitgebernahen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft
(INSM) spricht das jedoch nicht gegen
Leiharbeit. Zwei Drittel der eingestellten Zeitarbeiter seien unmittelbar vorher gar nicht beschäftigt gewesen.
0,8
Quelle:
Bundesagenturfür
fürArbeit
Arbeit(BA)
(BA)
Quelle
(4): Bundesagentur
Sprich: Die Alternative zur Zeitarbeit
sei oft nicht das reguläre Beschäftigungsverhältnis, sondern schlicht Erwerbslosigkeit. „Diese Menschen haben
eine neue Chance und sind jetzt zu 93
Prozent
sozialversicherungspflichtig
und zu fast 100 Prozent auch tariflich
beschäftigt“, heißt es bei der Initiative.
Das IW Köln betont, es sei irreführend, den Lohn von Zeitarbeitern mit
anderen Arbeitnehmern zu vergleichen.
Zeitarbeiter würden überwiegend für
Aufgaben eingestellt, für die keine abgeschlossene Berufsausbildung nötig sei.
Auch die Bundesagentur kommt in einer Auswertung zum Schluss, dass
„Helfertätigkeiten bei der Arbeitnehmerüberlassung deutlich überrepräsentiert sind.“ Der BA-Statistik zufolge
sind 53 Prozent mit Tätigkeiten betraut,
für die keine besondere Qualifikation
erforderlich ist, unter den Beschäftigten insgesamt liegt dieser Anteil nur bei
rund 19 Prozent.
Dennoch spricht die Politik von
Handlungsbedarf. Nicht zuletzt die Betriebsräte haben Druck gemacht. Noch
im September will Arbeitsministerin
Andrea Nahles (SPD) ein Gesetz gegen
Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen durch den Bundestag bringen. Erstmals soll es dann eine Höchstverleihdauer für Arbeitnehmer geben:
Sie dürfen längstens 18 Monate an denselben Betrieb verliehen werden. Eine
sogenannte Equal-Pay-Regelung soll zudem verhindern, dass Leiharbeitnehmer dauerhaft zu niedrigeren Löhnen
als Stammbeschäftigte eingesetzt werden. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass
Leiharbeitnehmer nach neun Monaten
wie die Stammbelegschaften bezahlt
werden. Von diesen Grundregeln dürfen Arbeitgeber und Gewerkschaften
gemeinsam abweichen, wenn die Tarifpartner das vereinbaren. Die Regelungen sollen Anfang 2017 in Kraft treten.
Aus Sicht des DGB ist das geplante
Gesetz ein Schritt nach vorn, weil darin
erstmals eindeutige Kriterien für Missbrauch formuliert seien. Die Arbeitgeber fürchten dagegen zusätzliche Bürokratie und Rechtsunsicherheit, gerade
im Zusammenhang mit der Equal-PayRegelung. Beobachter fragen sich zum
Beispiel, wie genau der Verdienst der
Stammbelegschaft zu definieren sei.
Mietwagen entpuppen sich als Datenkrake
Strecken des Rivalen
Air Berlin im Visier
A
Die Lufthansa will einem Zeitungsbericht zufolge einige Strecken des
angeschlagenen Rivalen Air Berlin ab
dem Winterflugplan übernehmen. Der
Lufthansa-Aufsichtsrat solle das Geschäft bei seiner nächsten Sitzung
Ende September absegnen, berichtete
die „Süddeutsche Zeitung“ ohne Angabe von Quellen. Geplant sei auch
eine Zusammenarbeit mit dem AirBerlin-Großaktionär Etihad. Es gebe
jedoch noch Differenzen über den
Umfang der Kooperation. Die mit ihrem Mallorca-Shuttle bekanntgewordene Air Berlin steckt wegen eines übereilten Expansionskurses und einer
unklaren Strategie tief in der Krise.
Die amerikanische Handelsbehörde
Federal Trade Commission (FTC)
warnt nun jedoch davor, das eigene
Smartphone auch bei Mietwagen einfach mit dem Bordcomputer zu verbinden. Der Grund ist einfach: Durch die
Verbindung können persönliche Daten
an das Auto übertragen und dort gespeichert werden. „Wenn Sie ein mobiles
LUFTHANSA
in Prozent
Lagerwirtschaft
Metallverarbeitung
Büro und Sekretariat
Maschinenbau
Metallbau
Kunststoffproduktion
Gastronomie
Kaufmännischer Bereich
Bauelektrik
Elektrotechnik
950.644
1.000.000
2000
MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016
Das eigene Smartphone mit dem Bordcomputer eines Leihautos zu verbinden, ist praktisch – aber auch riskant
Gerät mit dem Auto verbinden, können
dort Ihre Handynummer, Verbindungsdaten oder sogar die Kontakte aus Ihrem Telefonbuch und Textnachrichten
gespeichert bleiben“, schreibt Lisa
Weintraub Schifferle auf der FTC-Webseite. Die Anwältin arbeitet dort in der
Abteilung für Verbraucheraufklärung.
Laut der Behörde werden die an das
Auto übertragenen Daten auch nicht automatisch wieder gelöscht, wenn der
Fahrer die Verbindung zwischen Fahrzeug und Smartphone unterbricht.
„Wenn Sie Ihre Daten nicht löschen, bevor Sie das Auto zurückgeben, können
sie andere Menschen sehen, zum Beispiel künftige Mieter, Mitarbeiter der
Verleihfirma oder sogar Hacker“,
schreibt Weintraub Schifferle.
Die Behörde empfiehlt daher, das Gerät keinesfalls mit dem Auto zu verbinden, wenn es nur darum geht, den Akku
uch im Auto wollen die meisten
Fahrer inzwischen nicht mehr
auf ihr Smartphone verzichten.
Deshalb bieten fast alle neuen Fahrzeuge die Möglichkeit, das eigene Telefon
mit dem Bordcomputer zu verbinden.
So lassen sich Telefonate über die Freisprechanlage führen, man kann die eigene Musik im Auto hören oder als Beifahrer sogar im Internet surfen.
VON PHILIPP VETTER
zu laden. Wenn es unbedingt nötig sein
sollte, rät die FTC, den Strom über den
Zigarettenanzünder zu laden, statt das
Smartphone per USB mit dem Auto zu
verbinden. „In einigen Fällen kann die
USB-Verbindung automatisch Daten
übertragen“, heißt es. Sollte man sich
dennoch entscheiden, dass Gerät mit
dem Bordcomputer zu vernetzen, müsse man sich genau überlegen, auf welche
Daten man Zugriff gewähre. In jedem
Fall sollten Verbraucher vor der Rückgabe des Autos manuell die sichtbar gespeicherten Daten wieder löschen. Dafür müsse man unter Einstellungen im
Menü des Bordcomputers das Profil des
eigenen Gerätes löschen.
Bei Deutschlands größtem Autovermieter Sixt sieht man den Mieter in der
Pflicht. „Ob ein Kunde sein Smartphone
mit dem Kommunikationssystem eines
Mietfahrzeugs verbindet, ist seine per-
sönliche Entscheidung und Verantwortung – so wie er zum Beispiel auch entscheiden muss, ob er ein öffentliches
WLAN nutzt“, sagte ein Sprecher. „Sixt
gibt hierzu schon deshalb keine Empfehlungen, weil sich die Kommunikationssysteme dem Einflussbereich eines
Autovermieters entziehen.“
Die Autobauer lassen sich bei ihren
Bordcomputern nicht in die Karten
schauen. Das liegt auch daran, dass die
Systeme inzwischen so wichtig geworden sind, dass sich die Hersteller über
deren Funktionen von der Konkurrenz
abheben und so ein Kaufargument liefern wollen. Die BordkommunikationsSysteme innerhalb der Flotte seien extrem unterschiedlich, heißt es bei Sixt.
Welches Auto welche Daten speichert,
bleibt daher offen. Allerdings versichert
Sixt, dass man kein Interesse an den
Smartphone-Daten der Mieter habe.
+
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DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd
DIE WELT
WIRTSCHAFT 13
MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 *
König der Preisausschläge
T
In diesem Ort ist der Name Programm.
Autos an der Tankmeile in Wasserbillig/
Luxemburg. Den günstigsten Preis erfährt
man mit einer Preis-App
Bei keiner Tankstelle pendeln die Spritkosten so stark wie bei Aral, hat der ADAC festgestellt
anken ist an den rund 14.000
Stationen in Deutschland zu
einem Wettkampf gegen die
Zeit geworden. Viele Autofahrer wissen inzwischen,
dass Benzin und Diesel abends günstiger zu haben sind als tagsüber. Aber es
lohnt sich ein noch viel genauerer Blick
darauf.
PICTURE ALLIANCE / DPA/ HARALD TITTEL
VON BIRGER NICOLAI
Hoch und runter an der Zapfsäule
Preisänderungspolitik deutscher Tankstellen
durchschnittlich, pro Tag:
in Cent
16
14
12
10
8
6
4
2
0
ARAL
Gesamterhöhung
Esso
JET
Gesamtsenkung
Shell
TOTAL
Quelle: ADAC
Zum ersten Mal hat der Automobilklub ADAC jetzt in einer aufwendigen
Analyse ermittelt, wie häufig und in
welcher Höhe die fünf großen Tankstellenkonzerne ihre Preise über den Tag
anheben oder senken. Die Muster dahinter sind sehr aufschlussreich, und sie
räumen mit einem Vorurteil auf: Die Ölkonzerne agieren an ihren Stationen alles andere als willkürlich; im Gegenteil,
sie sind sehr berechenbar geworden.
In früheren Jahren mussten sich die
Tankstellenpächter mehrmals am Tag
ins Auto setzen, die Konkurrenzstationen in der Nachbarschaft abfahren, deren Preise notieren und sie anschließend der Firmenzentrale melden. Seit
es die Markttransparenzstelle beim
Bundeskartellamt gibt, entfällt für sie
diese lästige Pflicht. Seither müssen alle
Tankstellen im Minutenzeitabstand ihre Preise melden. Jeder im Land kennt
zu jeder Zeit die Preise von Flensburg
bis Konstanz. Dutzende Internetportale
bieten Preisvergleiche etwa per App an,
das Auffinden der günstigsten Tankstelle in der eigenen Region ist in Sekundenschnelle möglich. Doch all diese Daten nutzen natürlich auch die Ölkonzerne bei ihren Kalkulationen.
Um das Geheimnis hinter den Preisbewegungen zu lüften, hat der ADAC in
den Monaten April, Mai und Juni 2016
jede einzelne Preisbewegung bei den
fünf größten Tankstellenkonzernen in
Deutschland aufgezeichnet – bei Aral,
Shell, Total, Esso und Jet. Eine derartig
umfangreiche Analyse hat es bislang
noch nicht gegeben. „Entgegen unseren
ersten Annahmen haben wir eine große
Regelmäßigkeit und Kalkulierbarkeit
festgestellt“, sagt Jürgen Albrecht, der
Verkehrspolitische Sprecher des Automobilklubs. Die wichtigste Erkenntnis
daraus ist: Aral, Shell und Total unterscheiden sich deutlich in ihrer Preisgestaltung von den anderen Anbietern.
Zwar ermittelte der ADAC bei allen fünf
Marken etwa zwei Preiserhöhungen am
Tag. Esso liegt mit 2,4 Anhebungen etwas darüber, Jet mit 1,8 Erhöhungen darunter.
Doch der Umfang ist ganz unterschiedlich: Aral, Shell und Total langen
mit etwa acht Cent als durchschnittliche Preisanhebung besonders kräftig
zu. Dagegen begnügen sich Esso und Jet
mit Preisaufschlägen von rund vier
Cent. Das heißt aber auch: Über den Tag
gesehen schrauben Aral, Shell und Total
ihre Benzin- und Dieselpreise um rund
16 Cent in die Höhe, wohingegen Esso
etwa zehn Cent und Jet rund acht Cent
aufschlagen.
Bei den Preissenkungen gibt es nun
eine große Überraschung: Hier liegen
alle fünf Ölkonzerne in einer Bandbreite von durchschnittlich vier bis fünf
Preisreduzierungen am Tag vergleichsweise eng beieinander. Shell senkt im
Durchschnitt 5,5 Mal am Tag die Preise,
Aral macht dies 4,3 Mal.
In der Höhe unterscheiden sich die
Benzinmarken jedoch deutlich vonei-
Tausende Jobs bei Kaiser’s in Gefahr
B
Hohe Verluste lassen die Zeit für eine Rettung der Supermarktkette knapp werden
ei der angeschlagenen Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann
stehen wegen hoher Verluste
Tausende Jobs auf der Kippe. Mindestens 8000 Stellen seien akut gefährdet,
erfuhr die Deutsche Presse-Agentur von
einer Person, die mit den Vorgängen
vertraut ist. Die Kette erwirtschafte inzwischen monatlich zehn Millionen Euro Verlust und könne nicht mehr auf eine juristische Lösung im Streit um die
Ministererlaubnis für den Zusammenschluss mit Edeka warten. Die Geschäfte der Kette litten auch unter sinkenden
Kundenzahlen. Außerdem hätten wichtige Mitarbeiter – etwa aus der IT – von
sich aus gekündigt. Kaiser’s Tengelmann laufe deshalb die Zeit davon. „Es
geht ums Eingemachte“, hieß es in den
Branchenkreisen. Nach Informationen
der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ will Tengelmann-Chef Karl-Eri-
van Haub bei einer außerordentlichen
Aufsichtsratssitzung am 23. September
einen Plan vorlegen, der die Schließung
von Filialen und den Abbau von 5000
Arbeitsplätzen vorsieht, die meisten davon in Nordrhein-Westfalen. Eine Tengelmann-Sprecherin bestätigte den Termin für das Treffen. Zum Inhalt der Sitzung machte sie jedoch keine Angaben.
Die Gewerkschaft Ver.di erinnerte
den Tengelmann-Chef an seine Verantwortung für die Beschäftigten. „Wir beteiligen uns nicht an Spekulationen
über einen möglicherweise drohenden
Stellenabbau bei Kaiser’s Tengelmann.
Wir erwarten aber vom Eigentümer
Karl-Erivan Haub, dass er im Rahmen
des von ihm betriebenen Verkaufs die
Verantwortung für den Erhalt und die
Sicherheit der Arbeitsplätze in den Mittelpunkt stellt, um in einer schwierigen
Situation eine gute Zukunft für die Be-
schäftigten zu ermöglichen“, sagte ein
Gewerkschaftssprecher.
Die Hängepartie um die Übernahme
von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka
dauert bereits zwei Jahre an. Zuletzt
hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf
die von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erteilte Ministererlaubnis für den Zusammenschluss
vorläufig gestoppt. Eine juristische Klärung des Streitfalles könnte Jahre dauern. Die „WAZ“ berichtete unter Berufung auf einen Insider, Eigentümer
Haub sei nach zwei Jahren inzwischen
mit seiner Geduld am Ende. Statt die
Verluste in der Supermarktsparte weiter auszugleichen, neige er nun zur Aushandlung eines gleichermaßen teuren
Sozialplans, um Filialen mit roten Zahlen loszuwerden. Sollte Haub dies umsetzen, wäre allerdings Gabriels Ministererlaubnis hinfällig.
nander: Während Jet um durchschnittlich weniger als zwei Cent verringert,
sind es bei Aral fast vier Cent. Wiederum über den Tag berechnet, reduziert
Aral den Benzinpreis um 16 Cent, beim
Konkurrenten Jet sind es knapp acht
Cent. Das Kalkül dahinter ist klar: In
Zeiten nur wenig schwankender Rohölpreise und damit auch nahezu konstanter Produktpreise für Benzin und
Diesel müssten sich auch die Tankstellenpreise kaum mehr von der Stelle bewegen. Tatsächlich kehren die Markentankstellen am Ende eines Tages auch
wieder zur Ausgangssituation zurück
und verändern die Literpreise im Tagesvergleich kaum.
Doch in der Zeit dazwischen passiert
um so mehr. „Aral startet mit wenigen,
aber hohen Anhebungen und endet mit
doppelt so hohen Preissenkungen im
Vergleich zu einigen Konkurrenten“, erklärt ADAC-Manager Albrecht das Muster. Für Konzerne wie Aral zahlt sich
diese Preispolitik aus. Das Geld verdienen die Unternehmen in den Zwischenzeiten, in denen sie sich von den Wettbewerbern unterscheiden. So hat Aral
im Geschäftsjahr 2015 einen Rekordgewinn erzielt, gab das Management unlängst bekannt, ohne aber Zahlen zu
,,
40 PROZENT
TANKEN IM LETZTEN
MOMENT BEI
DER NÄCHSTBESTEN
STATION
JÜRGEN ALBRECHT, ADAC
nennen. Der Autofahrer kann gegensteuern und in den teuren Stunden einer bestimmten Benzinmarke die Station meiden und zum günstigeren Konkurrenten weiterfahren. „Der Kunde
sollte die Kenntnis über die Preise und
die hohe Transparenz des Benzinmarktes konsequent nutzen“, sagt Albrecht.
Nach Erkenntnissen des ADAC orientieren sich rund 60 Prozent der Autobesitzer beim Tanken an den Preistafeln
und nicht so sehr an den Marken.
„Eine kritische Masse von rund 40
Prozent der Kundschaft tankt jedoch im
letzten Moment und dann bei der
nächstbesten Station“, sagt Albrecht.
Auch die Markentreue spielt bei ihnen
eine Rolle. „Die Nachfrager ziehen aus
der Transparenz des Marktes immer
noch weniger Nutzen als die Anbieter“,
lautet das Fazit des Marktkenners Albrecht. Auch die Werbung der Konzerne
dürfte ihren Teil zur Auswahl und Kaufentscheidung der Kundschaft beitragen.
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* DIE WELT
D
er teuerste Flug der Welt
beginnt um 9.51 Uhr, als
Alexej Owtschinin eine
Verriegelung löst, seine
Kapsel in den freien
Raum steuert und dreht, bis der Bug
nach Hause weist. Owtschinin macht
die letzten Checks, dann zündet er das
Haupttriebwerk, jagt die Sojus in die
tieferen Schichten der Atmosphäre, 30
Mal schneller als der Schall. Acht Kilometer über dem Boden öffnet sich ein
Fallschirm, kurz darauf landet das
Raumschiff südöstlich der Stadt Scheskasgan, mitten in der kasachischen
Steppe.
Millionen-Poker um
das TICKET ins All
US-Astronauten müssen mit der Sojus-Kapsel der Russen fliegen.
Diese aber erhöhen ständig die Preise. Nun gibt es einen Ausweg
VON STEFAN BEUTELSBACHER
AUS NEW YORK
Der Russe war der Pilot der Mission TMA-20M, die am vergangenen Mittwoch endete. Mit seinem Landsmann Oleg Skripotschka und dem Amerikaner
Jeff Williams verbrachte er 172
Tage im All. Es war der 46. Besuch eines Sojus-Raumschiffs auf
der „Internationalen Raumstation“ (ISS) – und für die Nasa der
bisher kostspieligste: Den Sitzplatz
ihres Astronauten Williams musste
die Weltraumbehörde mit 70 Millionen
US-Dollar bezahlen.
Ein Preis, der zeigt, wie die Abhängigkeiten in der Raumfahrt derzeit verlaufen. Das Programm der Amerikaner erlebt eine Krise. Die Kosten für die Trips
in den Orbit steigen rasant, wie ein neuer Report der Nasa zeigt. Seit das Space
Shuttle ausgemustert ist, müssen US-
Dicht gedrängt in einer
Sojus-Kapsel: Jeff Williams
aus den USA und die Russen
Alexej Owtschinin und
Oleg Skripotschka
(v. l. n. r.)
Astronauten mit den Raketen der Russen fliegen – und die erhöhen immer
wieder die Ticketpreise. Deshalb
hofft die Nasa auf private Anbieter,
auf Firmen wie den alten Luft- und
Raumfahrtriesen Boeing oder das
junge Space X, eine Gründung des
Milliardärs Elon Musk. Aber deren Technik ist noch nicht ausgereift. Die modernste Rakete von
Space X etwa, die Falcon 9, explodierte vor einigen Tagen schon auf
der Startrampe. Und das Milliarden-Dollar-Gefährt von Boeing erwies sich bei Flugversuchen schlichtweg als zu schwer. Houston hat nun ein
Problem.
Nur die Sojus bleibt, um Menschen
400 Kilometer hoch in die Umlaufbahn
zu katapultieren, sie auf der ISS abzusetzen und später wieder zur Erde zu
bringen. Die Uraltkapsel, im Dienst seit
1967, wurde immer wieder modernisiert, sieht aber noch aus wie beim ers-
ten Flug. Eine Kugel, aufgesteckt auf einen Zylinder, aus dem golden glänzende
Solarpanele wachsen. Geändert hat sich
vor allem der Preis, den ein Ritt in der
Kugel kostet, auf einem ihrer drei Plätze, die so dicht beieinander liegen, so
eingezwängt zwischen Knöpfen, Hebeln
und Instrumenten, dass sich die Passagiere kaum bewegen können.
Vor zehn Jahren musste die Nasa den
Russen 22 Millionen Dollar zahlen, etwa
ein Drittel des aktuellen Betrags. Der
Anstieg begann 2011 – zu dem Zeitpunkt, als die Amerikaner ihre SpaceShuttle-Flotte einmotteten. Und er
dürfte noch nicht vorüber sein. In den
kommenden Jahren werden sich die
Flüge weiter verteuern, auf mehr als 80
Millionen Dollar, wie die Weltraumbehörde schätzt. „Wir hängen von Russland ab, seit wir das Shuttle nicht mehr
haben“, sagt der hochrangige Nasa-Manager Paul K. Martin. „Und wenn die
privaten Anbieter ihre Probleme nicht
MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016
er 534 Tage im Raum verbracht, Tausende Male die Erde umrundet, Millionen
Kilometer zurückgelegt. Er schwebte
schon im Jahr 2000 durch die ISS, als
sie noch eine galaktische Baustelle war.
Seine Aufgabe bei der vergangenen
Mission, der TMA-20M, hatte Symbolcharakter: Während eines Weltraumspaziergangs installierte er einen Adapter, der allen möglichen Raumfahrzeugen das Andocken ermöglichen soll –
und nicht mehr nur der russischen Sojus. Williams bereitete damit nichts weniger vor als die Zukunft der amerikanischen Raumfahrt. Die Ära, in der nicht
mehr der Staat allein das Universum erforscht, sondern
dazu die Hilfe von Konzernen braucht.
Die ersten Nutzer
Die
des neuen Kopplungs„Internationale
systems sollen der
Raumstation“ ISS
CST-100
Starliner
auf dem Flug über
von Boeing und die
Madagaskar.
Dragon von Space X
In der Mitte
sein, wiederverwenddie angedockte
bare Kapseln, die wie
russische
die Sojus auf die Spitze
Sojus-Kapsel
einer Rakete montiert
werden. Die Dragon soll
mit der Falcon fliegen, der
Starliner mit der Atlas V, eine Gemeinschaftsentwicklung von Boeing
und dem Rüstungskonzern Lockheed
Martin. Die Nasa hatte gehofft, dass zumindest eines der beiden Gefährte bis
2015 einsatzbereit sein würde. Jetzt
rechnet Manager Paul K. Martin damit,
dass sie frühestens 2018 zur ISS fliegen
werden.
Martin und seine Kollegen stehen vor
einer schwierigen Aufgabe. Sie sollen sicherstellen, dass US-Astronauten weiterhin zu der Station im All reisen können – und gleichzeitig vermeiden, die
Sojus länger als nötig zu buchen. Das
Problem: Die Plätze an Bord müssen
drei Jahre im Voraus reserviert werden.
„Die Rückschläge der privaten Anbieter
machen eine genaue Planung so gut wie
lösen, müssen wir bald weitere Sitzplät- unmöglich“, ist aus Nasa-Kreisen zu höze kaufen.“ Wer auf der ISS präsent sein ren. „Wahrscheinlich werden wir am
wolle, habe derzeit keine andere Wahl.
Ende den einen oder anderen SojusSechs Flüge für 424 Millionen Dollar, Flug zu viel gebucht haben.“
inklusive Training der Besatzung, BerDie missglückten Tests haben aber
gung nach der Landung und eventuelle noch einen weiteren unangenehmen EfRettungsaktionen – das ist der Deal, den fekt. Sie führen zu einem gewaltigen
die Nasa im April dieses Jahres mit ih- Imageschaden der Branche. Unfälle wie
rem russischen Pendant Roskosmos un- die Explosion der Falcon 9 Anfang des
terzeichnete. Die Amerikaner schätzen, Monats geben all jenen recht, die die
dass die Flüge mit Boeing oder Space X private Raumfahrt ohnehin für zu wagdeutlich günstiger sein werden. Pro Sitz halsig halten. „Sie stärken den Glauben,
rechnen sie mit 60 Millionen Dollar, al- dass nur staatlich durchgeführte Misso zehn Millionen weniger als bei der sionen sicher sind“, sagt der amerikaniSojus. Die Kalkulation wirkt fast klein- sche Raumfahrtexperte Jeff Foust. „Das
lich, wenn man bedenkt, was das alte Vertrauen in die kommerziellen AnbieSpace Shuttle kostete. Berechnet man ter könnte verloren gehen.“
alles mit ein, die Entwicklung des
Tatsächlich gilt die alte Sojus als sehr
Raumschiffs, die Wartung, das Gehalt sicher. Ein zuverlässiges Arbeitspferd,
der Ingenieure, dann wurden je Passa- erprobt auf mehr als 150 Missionen.
gier 215 Millionen Dollar fällig.
Und im Moment sieht es so aus, als würDas wurde der Nasa zu teuer, außer- de es weitere Flüge geben, als müsste
dem war die Lebensdauer der Gleiter die Nasa neue Verträge mit Roskomos
erreicht. Das Programm gab es zu die- schließen. Die Beziehung der beiden Orsem Zeitpunkt schon 30 Jahre – etwa ganisationen ist damit eine besondere.
doppelt so lange wie ursprünglich ge- Normalerweise fließt kein Geld, wenn
plant. Komfortabel war auch das Space die Raumfahrtbehörden zweier Staaten
Shuttle nicht, aber immerhin konnte es kooperieren. Die Esa in Europa oder die
nicht nur drei Astronauten ins All beför- Jaxa in Japan etwa bezahlen ihren Andern, wie die Sojus-Kapseln, sondern teil an der ISS über Tauschgeschäfte. Sie
acht, plus 23 Tonnen Fracht. Russland beliefern die Amerikaner mit Proviant
hatte mit seiner Buran ein ganz ähnli- oder Treibstoff, dafür dürfen sie auf der
ches Fluggerät entwickelt, aber es star- Station forschen.
tete nur zu einem einzigen, unbemannJeff Williams, Alexej Owtschinin und
ten Testflug. Dann verwarf Moskau die Oleg Skripotschka dürfte all das GeIdee eines wiederverwendbaren Raum- schacher wenig interessiert haben, als
schiffs und stellte das Programm ein.
sie am Mittwoch in die Steppe segelten.
Jeff Williams flog noch mit dem Spa- Die Bodencrew half ihnen aus der Kapce Shuttle in den Orbit, mit der Atlantis. sel, brachte Decken, Tee, sogar eine echEr ist Amerikas erfahrenster Astronaut, te kasachische Melone. Auch die war im
ein Weltall-Veteran. Auf vier Flügen hat Preis von 70 Millionen Dollar inklusive.
Moderne Haushaltsgeräte machen es Sehbehinderten schwer
Ob Waschmaschine, Elektroherd oder Kaffeevollautomat: Neue Apparate lassen sich zunehmend nur noch über Drehknöpfe und Touchdisplay steuern
E
inen Schönheitspreis gewinnt
der Herd von Küppersbusch
nicht mehr. Dutzende weiße
Punkte übersähen das Display des
schwarzen hochwertigen Haushaltsgeräts. Vom schicken Touchdisplay ist
kaum noch etwas zu erkennen. Die
Brailleschrift überdeckt es fast komplett.
VON MAX ZIMMERMANN
Was das Design des Geräts zerstört,
ist für sehschwache und blinde Verbraucher allerdings essenziell. Nur so wissen
sie, welche Funktionen sie auf dem Gerät gerade aktivieren. Die technische
Evolution und Digitalisierung der sogenannten Weißen Ware (Waschmaschinen, Kühlschränke und Co.) hat sich für
diese Zielgruppe eher ins Negative verkehrt. Denn Touchdisplays und Drehknöpfe sorgen bei Blinden für Verwirrung. Sie können nicht mehr richtig
wahrnehmen, welche Funktion sie am
Gerät eigentlich aktivieren.
„Traditionelle mechanische Bedienelemente wie Dreh- und Druckknöpfe,
Kipp- und Schiebeschalter waren mit allen Sinnen wahrnehmbar“, meint Oliver
Nadig von der Deutschen Blindenstudienanstalt. Doch diese Schalter haben
an modernen Hausgeräten ausgedient.
Schalter lassen sich nun bis ins Unendliche drehen und kennen keinen Nullpunkt – also Begrenzungen – mehr. Nur
so können deren Nutzer aber im Kopf
mitzählen, ob sie jetzt im richtigen Programm angekommen sind.
Eine Entwicklung, die der Deutsche
Blinden- und Sehbehindertenverband
(DBSV) mit Sorge betrachtet und bei
der er gegensteuern will. Auf der Internationalen Funkausstellung (Ifa) in Berlin mietete sich der Verband deshalb zuletzt gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (Bagso) einen eigenen Stand.
Keinen mit unzähligen Quadratmetern
Fläche, schicken Hostessen und unzähligen Maschinen wie die der Hersteller
Bosch, Siemens oder Miele. Nur einen,
auf den gerade einmal vier Haushaltsgeräte, ein TV und jede Menge Infomaterial passen.
Die Größenordnung macht klar, wie
schwierig es für die Verbände ist, auf ihr
Problem aufmerksam zu machen. Vom
Gesetzgeber erhalten sie bisher kaum
Schützenhilfe. Zwar müssen staatliche
Stellen bei ihren Einkäufen darauf achten, dass sie barrierefreie Produkte bestellen. Doch die Privatwirtschaft muss
sich daran nicht halten.
Zudem gibt es Normen, die die Barrierefreiheit definieren. Nur muss jeder
Hersteller selbst entscheiden, ob er sie
auch anwendet. So wird das Problem für
Sehschwache und Blinde nicht kleiner.
Denn immer mehr Touch-Funktionen
und Displays halten Einzug bei der Weißen Ware. Selbst Kaffeevollautomaten
verzichten immer seltener auf Farbdisplays zur Bedienung.
Von diesen neuen Geräten wollen
auch Blinde und Sehbehinderte profitieren. Sowieso ist ein Verzicht auf Weiße
Ware für sie nicht praktikabel. „Barrierefreiheit muss zum grundlegenden Design- und Qualitätsmerkmal werden
und darf nicht länger ein ‚Gefälligkeitsfeature‘ sein, das nachträglich einer
Handvoll Produkten aufgepfropft wird,
um eine nörgelnde ‚Kundenrandgruppe‘
zufriedenzustellen“, meint Nadig, der
sich von der Industrie mehr Engagement wünscht – nicht nur von deutschen Premiumherstellern.
Denn Küppersbusch, Miele oder
Bosch-Siemens-Haushaltsgeräte (BSH)
zeigten nun auf dem Stand des DBSV,
wie es auch anders geht. Die Marken
hatten auf einen Aufruf der Verbände
reagiert und barrierefreie Geräte mitgebracht. So bietet Miele für seine Waschmaschinen mit einem Touchdisplay kei-
ne Braillebeschriftung an, sondern setzt
auf einen Aufkleber, der den Verbraucher mithilfe von erhobenen Linien
durch das Menü führt. Unterschiedliche
Piepgeräusche lassen zudem erkennen,
welche Schleuderstufe oder welche
Temperatur gerade eingestellt wurde.
Moderne BSH-Geräte bieten dagegen
eine barrierefreie Bedienung über
Smartphones und Tablets an. Per
Smart-Home-Anwendungen lassen sich
die Geräte mithilfe von speziell optimierten Apps vernetzen und steuern.
Aus Sicht des DBSV ist das ein guter Ansatz, doch es gebe auch noch viele Verbesserungsmöglichkeiten. So verfügt
die App für Sehschwache laut DBSVMitarbeiterin Hilke Groenewold über
zu viel Weißraum und einen zu geringen
Kontrast bei der Schrift. Wer nicht gut
genug sehen kann, könne sich deswegen
schnell in den Weiten der App verlieren.
Eine absolut zufriedenstellende Lösung stellt die App-Bedienung von Wei-
ßer Ware aus Sicht des DBSV ohnehin
nicht dar. So sollten die Geräte für Sehbehinderte und Blinde auch ohne eine
App oder ein „Zweitgerät“ bedienbar
sein. „Potenziell gefährliche Bedienschritte wie das Einschalten von Hitze
und Strom müssen immer über das Gerät selbst möglich und zugänglich sein“,
meint Oliver Nadig. Gegen Premiumfunktionen, die nur per App zu erreichen sind, hat der Verband dagegen
nichts.
Grundsätzlich sehe man bei den Herstellern eine höhere Aufmerksamkeit
für diese Themen, finden Nadig und
Groenewold. Doch nicht alle Hersteller
seien bewusst aufmerksam. Manche
brächten auch nur ganz zufällig Geräte
auf den Markt, die barrierefrei sind, weil
sie auf alte Bauteile setzen. Eine glückliche Fügung, die sich für die abhängige
Zielgruppe von sehschwachen und blinden Verbrauchern allerdings jederzeit
wieder ändern kann.
+
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DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd
FINANZEN
DIE WELT
MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016
Ruhestand
So klappt der Lebensabend
im Ausland Seite 16
SEITE 15
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Quelle: biallo.de
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E
igentümer müssen es nicht hinnehmen, wenn eine Wohneigentümergemeinschaft (WEG)
ihr Sondereigentum eigenmächtig instand setzt. Die Kosten für die Sanierung müssen sie in einem solchen Fall
nicht ohne weiteres übernehmen, wie
ein Urteil des Landgerichts München I
zeigt (Az.: 1 S 12786/15), über das die
Zeitschrift „Das Grundeigentum“
(Heft 16/2016) jetzt berichtet hat. Dies
gilt auch, wenn die Wohneigentümergemeinschaft vor Beginn der Arbeiten
irrtümlich davon ausgegangen ist, dass
das Sondereigentum Gemeinschaftseigentum ist.
In dem vor dem Landgericht München I verhandelten Fall ging es um die
Sanierung von Doppelparkanlagen in
der Tiefgarage. Die Wohneigentümergemeinschaft war davon ausgegangen,
dass es sich bei diesen Duplex-Stellplätzen um Gemeinschaftseigentum
handelt und hatte mehrheitlich die Sanierung beschlossen. Finanziert wurden die Arbeiten aus der Instandhaltungsrücklage.
Einige Eigentümer hatten der Sanierung widersprochen. Die Hausverwaltung ließ die Arbeiten dennoch durchführen. Als sich nach einem Urteil des
Bundesgerichtshofs herausstellte, dass
Duplex-Stellplätze als Sondereigentum
anzusehen sind, wollte die Gemeinschaft die Kosten von den Eigentümern erstattet haben.
Damit hatten sie allerdings keinen
juristischen Erfolg: Einen Anspruch
der
Wohneigentümergemeinschaft
konnte das Landgericht nämlich nicht
erkennen. Denn die Beschlusskompetenz der Wohneigentümergemeinschaft gehe nicht so weit, dass sie einzelnen Wohnungseigentümern einfach
Kosten auferlegen kann, hieß es in der
Urteilsbegründung. Zudem hätten sich
die Betroffenen gegen die Arbeiten
ausgesprochen, erklärte das Landgericht weiter. Daher könne ihnen nicht
vorgeworfen werden, dass sie sich bereichern wollten.
dpa
Beim Dog-Sharing treffen Tierbesitzer
mit wenig Zeit auf Menschen, die sich
keinen eigenen Vierbeiner anschaffen
wollen oder können. Die Konstruktion ist
aber nicht immer unproblematisch
S
tefanie S. hatte sich immer
einen Hund gewünscht,
schon als Kind. Doch in der
Mietwohnung ihrer Eltern
waren Haustiere nicht erlaubt. Als sie auf eigenen Beinen stand,
setzte die 24-jährige Würzburgerin ihren Wunsch in die Tat um: Über eine
Tierschutzorganisation ließ sie sich einen Straßenhund aus Rumänien vermitteln. Allerdings merkte sie bald, dass die
Hundehaltung auch viel Zeit kostet –
die Ansprüche des Tiers ließen sich
nicht immer mit ihrem ZahnmedizinStudium verbinden.
VON HARALD CZYCHOLL
Im Internet suchte sie nach jemandem, der einige Stunden am Tag die Betreuung ihrer Hündin Wanda übernehmen würde. „Ich habe über die große
Resonanz gestaunt“, sagt die Hundebesitzerin. Schnell fand sie eine ältere Dame als Dog-Sharing-Partnerin – ausschlaggebend war, dass sie in der Nähe
wohnt. „Es ist weiterhin mein Hund,
aber sie wird ihn ein paar Stunden am
Tag haben“, erklärt sie die Abmachung.
Hunde zählen zu den beliebtesten
Haustieren in Deutschland: Nach Angaben des Zentralverbands Zoologischer
Fachbetriebe Deutschlands leben 7,9
Millionen Hunde in insgesamt 16 Prozent aller Haushalte. Doch ein Hund
braucht viel Aufmerksamkeit. Bei einigen Hundeliebhabern scheitert der
Wunsch daher an der fehlenden Zeit.
Eine Lösung verspricht das sogenannte
Dog-Sharing, bei dem man sich die Versorgung des Tiers mit einer zweiten Betreuungsperson teilt.
Ob es um Spaziergänge, Tagesbetreuung oder Verpflegung bei längerer Abwesenheit geht: „Dog-Sharing ist für
Tierfreunde geeignet, die alleine nicht
ausreichend Zeit für die Betreuung eines Hundes aufbringen können“, sagt
Rolf Mertens, Experte für HundehalterHaftpflichtversicherungen bei der Ergo
Versicherungsgruppe. Das kann etwa
für Hundehalter gelten, die plötzlich
neue Arbeitszeiten haben oder nach einem Jobwechsel den Vierbeiner nicht
mehr mit ins Büro nehmen dürfen.
Einen Hund tagsüber für längere Zeit
allein zu lassen, ist nicht artgerecht. Mit
Dog-Sharing bekommt er zwei Herrchen oder Frauchen, die sich die Versorgung teilen. So kann der Hundebesitzer
tags zur Arbeit gehen, und das ErsatzHerrchen übernimmt während dieser
Zeit die Pflege. Oder wer nicht mehr so
gut zu Fuß ist, findet in einer zweiten
Betreuungsperson einen idealen Spaziergehpartner für den Vierbeiner.
Wer sich für Dog-Sharing interessiert, für den ist der Familien- und
Freundeskreis meist die erste Anlaufstelle. Hilfreich sind auch Webseiten
wie
www.stadthunde.de
oder
www.dogsharing-deutschland.de.
„Manche Tierarztpraxen und Hundeschulen vermitteln ebenfalls Dog-Sharing-Partner“, weiß Ergo-Experte Mertens. Daneben gibt es auch kommerzielle Angebote, bei denen Vermittlungsplattformen Hundebesitzer, die Unterstützung suchen, mit Leuten zusammenbringen, die sich zeitweise um einen Hund kümmern möchten. Es gibt
sogar Firmen, die mehrere Hunde besitzen und diese gegen Gebühr stunden-,
tage- oder sogar jahresweise vermieten.
Von letzterem hält Heidi BernauerMünz von der Tierärztlichen Vereini-
treuer, wie der Besitzer mit dem Hund
umgeht und kann sich entsprechend anpassen. „Wichtig sind einheitliche Regeln für den Umgang mit dem Hund.
Verhaltensregeln, Körpersprache und
Kommandos sollten abgestimmt sein.
Darf der Hund im Haushalt seines Besitzers zum Beispiel nicht am Tisch betteln, sollte dies das Ersatz-Herrchen
ebenfalls so handhaben“, so Mertens.
Auch wenn es beim Dog-Sharing zwei
Herrchen gibt: Nur einer von beiden
sollte der verantwortliche Halter sein.
Das ist nicht zuletzt deshalb wichtig,
um juristische Angelegenheiten klären
zu können: Irgendjemand muss schließ-
Spezielle Haftpflicht
sinnvoll und teils Pflicht
Für die Schäden, die ein Hund
anrichtet, muss der Besitzer
aufkommen. Eine Hundehalterhaftpflichtversicherung ist daher
sinnvoll. Denn im Gegensatz zu
anderen Haustieren wie Katzen,
Kaninchen oder anderen Kleintieren sind Hunde nicht in der Privathaftpflichtversicherung
eingeschlossen. In einigen Bundesländern ist eine Hundehalterhaftpflicht sogar vorgeschrieben.
Die Police leistet bei Personenschäden, kommt also zum Beispiel für die Behandlungskosten
nach einem Biss auf. Auch Sachoder Vermögensschäden wie
etwa ein Verdienstausfall sind
versichert. Beim Abschluss sollten Kunden darauf achten, dass
auch ein privates Tierhüter-Risiko
abgedeckt ist. Übernimmt ein
Bekannter für eine gewisse Zeit
die Aufsicht des Hundes, so ist
dessen Haftungsrisiko über den
Halter mitversichert.
czy
lich gegenüber der Gemeinde die Hundesteuer entrichten – auch wenn sich
das Zweitherrchen daran beteiligt. Und
wenn sich ein Hund beim Spazierengehen von der Leine losreißt und einen
Schaden verursacht, sind Schadensersatz und unter Umständen Schmerzensgeld fällig. „Haftbar ist dabei stets
der Halter – egal, ob dieser eine Mitschuld trägt oder nicht“, sagt Ergo-Experte Mertens. „Unter anderem für solche Fälle ist eine Hundehalter-Haftpflichtversicherung dringend zu empfehlen.“ Sie schützt Hundebesitzer vor
den finanziellen Folgen eines Schadens.
Das gilt in der Regel auch, wenn der
Hund unter der Aufsicht des ErsatzHerrchens Personen- oder Sachschäden
anrichtet. Wichtig: Der Versicherer sollte dem Dog-Sharing-Modell zustimmen, damit es später keine Komplikationen gibt. „In manchen Versicherungspolicen sind nicht-gewerbliche
Tierhüter – also auch Dog-Sharer – bereits mitversichert“, erläutert Mertens.
Für Stefanie S. und ihre Hündin hat
sich Dog-Sharing bisher bewährt: „Wanda ist sehr unkompliziert und freut sich
über jedes Wesen“, sagt die Besitzerin.
Sie selbst kann sich nun ganz auf die
Uni konzentrieren – und nimmt am frühen Abend ihre Hündin in Empfang.
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Es gibt eine
deutsche Bank,
gung für Tierschutz (TVT) allerdings
gar nichts. „Das ist ein neues Geschäftsmodell, nur dass man es jetzt nicht mit
einem Auto oder einer Wohnung zu tun
hat, sondern mit einem Lebewesen mit
Gefühlen und einer Psyche“, sagt die
Expertin. Kommerzielles Dog-Sharing
sei daher grundsätzlich abzulehnen: Es
müsse immer eine Person geben, die die
Verantwortung übernimmt und für den
Hund da ist. Denn ständig wechselnde
Bezugspersonen und Umgebungen bedeuteten Stress für Hunde.
Die Wahl des Zweitherrchens sollte
daher gut überlegt sein. „Eine wichtige
Bedingung ist, dass sich die beiden Hundefreunde gut verstehen. Schließlich
kümmern sie sich bis zu 15 Jahre um den
Vierbeiner – das muss ihnen klar sein“,
so Mertens. Die gemeinsamen Hundeherrchen sollten vorab klären: Wo verbringt der Hund wann wie viel Zeit? Wie
sind die Regelungen in den Ferien? Was
passiert, wenn einem der Dog-Sharer
etwas zustößt? Aber auch: In welcher
neuen Umgebung wird sich der Hund
aufhalten? Und wie sind Gesundheitszustand und Impfstatus des Hundes?
Werden diese Fragen nicht im Vorfeld
geklärt, ist Streit zwischen den beiden
Teilzeit-Herrchen vorprogrammiert.
Tierschützerin Bernauer-Minz geht
ohnehin davon aus, dass es beim DogSharing früher oder später zu Konflikten kommt: „Man baut eine emotionale
Bindung zu dem Hund auf, da sind Konflikte programmiert“, sagt die Expertin.
Ob derartige Konflikte eskalieren, hängt
aber auch vom Wesen des Hundes ab:
„Es gibt Hunde, die sich mehreren Menschen problemlos anschließen, und
Hunde, die einfach alle Menschen gut
finden“, sagt Bernauer-Münz.
Grundsätzlich sollte der Tagesablauf
des Hundes trotz des Wechsels Struktur
haben, sonst kommt der Vierbeiner nur
schwer zur Ruhe. Bevor es losgehen
kann, ist eine Eingewöhnungszeit sinnvoll. Es empfiehlt sich, öfter gemeinsam
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DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd
16 FINANZEN
DIE WELT
PRODUKTCHECK
Ein sorgloses Leben
am Strand. Doch
trotz aller
Entspannung sollte
man nicht
vergessen,
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zu trinken
Schneller zur Entschädigung
er Zug lässt mal
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streikt oder auch mal eiHotelrechnungen ab und
ne Gewerkschaft, das Wetter spielt ver- lädt sie hoch. Danach muss der Nutzer
rückt, oder es spielen Verrückte auf den persönliche Daten und die ursprüngliGleisen. Und manchmal sind es einfach chen Fahrzeiten angeben – fertig. Um
die berühmten „Verzögerungen im Be- den Rest kümmert sich der Anbieter –
triebsablauf“. Irgendwas ist immer.
und wenig später überweist die Bahn
Für Bahnkunden sind verspätete Zü- die Entschädigung. Ein Antrag pro Jahr
ge ein Ärgernis. Exakt 174,63 Millionen ist kostenlos, danach verlangt Zug-ErVerspätungsminuten haben die Perso- stattung.de für die Übermittlung 0,99
nen- und Güterzüge hierzulande im Euro pro gestelltem Antrag.
vergangenen Jahr eingefahren. Das entDas klingt fair, vor allem wenn man
spricht unglaublichen 7974 Stunden – diese Kosten ins Verhältnis zum Aufpro Tag. Außer zu warten, können die wand setzt, der sonst entstehen würde:
betroffenen Fahrgäste wenig tun. Aber Wer den Antrag selbst im Reisezenimmerhin haben sie ein Anrecht auf trum stellt, muss warten – und wer ihn
Entschädigung: Ab einer Verspätung ausdruckt und per Post verschickt, hat
von 60 Minuten muss die Bahn 25 Pro- Kosten von 0,70 Euro für das Porto zuzent des Fahrpreises erstatten, ab 120 züglich Papier, Briefumschlag und DruMinuten 50 Prozent.
ckertinte. Die 0,99 Euro sollten es eiDoch all jenen, die an ihr Geld kom- nem also wert sein.
men wollen, hat die Bahn einige büroEtwas teurer ist der Service bei der
kratische Hürden in den Weg gestellt: Konkurrenz von Bahn-Buddy.de: 1,99
Zunächst muss man noch während der Euro verlangt das Portal für die ÜberFahrt den Schaffner suchen, um sich mittlung des online ausgefüllten Erdie Verspätung schriftlich und mit stattungsformulars an die Bahn. Der
Stempel bestätigen zu lassen. Alterna- Vorteil hier: Sollte die Bahn feststellen,
tiv kann man sich auch nach der An- dass gar kein Anspruch auf eine Entkunft im Reisezentrum anstellen und schädigung besteht und eine entspredort die Bestätigung der Verspätung er- chende Zahlung verweigern, erstattet
halten, wenn die Informationen dort Bahn-Buddy.de die Gebühr vollständig
schon vorliegen. Im Anschluss muss zurück – Zug-Erstattung.de dagegen
das offizielle Formular ausgefüllt und nicht. Ob dieser recht unwahrscheinlivor Ort eingereicht oder alternativ per che Fall einem aber wirklich einen Euro
Post an das Servicecenter der Bahn ge- mehr wert sein sollte, muss jeder Bahnschickt werden. Nach einem Bearbei- kunde für sich selbst entscheiden.
tungszeitraum von etwa 30 Tagen über- Fazit: Zug-Erstattung.de verhilft Bahnweist die Bahn dann die Entschädi- kunden unkompliziert zu ihrer Verspägung.
tungsentschädigung: Statt Papierkrieg
Es geht aber auch anders – möglich kann der Erstattungsantrag einfach onmacht es ein findiges Portal namens line gestellt werden. Die 0,99 Euro, die
Zug-Erstattung.de: Hier können Bahn- das Portal dafür verlangt, sind fair. Die
kunden einfach ein Foto des Tickets, Konkurrenz ist teurer – und den Antrag
die Buchungsbestätigung als PDF-Datei selbst zu stellen, kostet Zeit oder Briefoder bei Bahncard100-Kunden ein Foto porto.
HARALD CZYCHOLL
KOMPAKT
SOMMERZEIT
Türkei stellt im Oktober
die Uhren nicht um
Wer Ende Oktober in die Türkei fliegen
will, sollte unbedingt die aufgeführte
Abflugzeit auf seinem Ticket überprüfen. Eventuell ist die Angabe nicht
mehr aktuell: Denn das Land behält
künftig dauerhaft die Sommerzeit bei,
während in Europa alle auf Winterzeit
wechseln – also alle Uhren in der
Nacht zum 30. Oktober um eine Stunde zurückstellen. Das führt dazu, dass
von Ende Oktober bis Ende März die
Türkei Deutschland nun zwei Stunden
voraus ist. Die Entscheidung der türkischen Regierung könnte Auswirkungen
auf den Flugverkehr haben, informiert
der ADAC. Passagiere sollten beim
Veranstalter oder der Airline nachfragen, welche Abflugzeit gilt.
KREDITKARTENGEBÜHR
Ende der
Extrazahlungen naht
Verbraucherschützer setzen im Kampf
gegen hohe Kreditkartengebühren auf
eine neue Richtlinie der EU. Die Richtlinie verbiete Fluggesellschaften oder
Händlern die Berechnung von Aufschlägen, wenn Kunden mit gängigen
Kreditkarten wie Visa oder Mastercard
zahlen, sagte Frank-Christian Pauli,
Finanzexperte des Bundesverbands der
Verbraucherzentralen (VZBV). Derzeit
dürfen Anbieter noch Extragebühren
verlangen, solange sie auch ein kostenloses, gängiges Zahlungsmittel wie
Überweisungen anbieten. „Verbraucher
sollten nichts dafür zahlen müssen,
dass sie bezahlen können“, forderte
Pauli. Die EU-Richtlinie muss den
Angaben zufolge bis spätestens 2018
umgesetzt werden.
POSTBANK
Institut abgemahnt
wegen Kontogebühren
Die Postbank kann ihre geplanten Kontoführungsgebühren möglicherweise
nicht bei allen Kunden durchsetzen.
Die Verbraucherzentrale Hamburg
mahnte die Deutsche-Bank-Tochter ab,
weil diese Tausenden Kunden ein dauerhaft kostenloses Girokonto zugesagt
hatte, wie die Verbraucherschützer
mitteilten. In zahlreichen Verträgen,
die die Postbank bei Kundengewinnungsaktionen geschlossen habe, sei
davon die Rede, dass diese „dauerhaft
und bedingungslos kein Entgelt“ zahlen müssten, erklärte Verbraucherschützerin Julia Rehberg. Trotzdem
sollen sie von November an eine monatliche Kontoführungsgebühr von
3,90 Euro zahlen, wenn auf dem Girokonto weniger als 3000 Euro im Monat
eingehen. Die Verbraucherzentrale gab
der Postbank bis 20. September Zeit,
auf die Abmahnung zu reagieren und
auf die Gebühren zu verzichten. Sonst
drohe ihr eine Klage.
MIETRECHT
Untervermietung ist
zustimmungspflichtig
Mieter sollten sich immer eine schriftliche Erlaubnis beim Vermieter holen,
wenn sie ein Zimmer beispielsweise an
Touristen untervermieten wollen.
Denn wer ohne eine Genehmigung des
Vermieters untervermietet, dem droht
eine Abmahnung und schlimmstenfalls
eine fristlose Kündigung, informiert
der Mieterverein München. Außerdem
müssen Mieter wissen: Die Einnahmen
aus der Untervermietung müssen sie
beim Finanzamt im Rahmen der Einkommensteuererklärung angeben und
gegebenenfalls versteuern.
EXISTENZGRÜNDUNG
Nachfolgeregelung
frühzeitig bedenken
Je älter ein Gründer ist, desto wichtiger ist Frage nach einer Nachfolgeregelung. Schon im Businessplan kann
aufgenommen werden, wer sicherstellt,
dass die Firma funktionsfähig bleibt,
wenn der Gründer ausfällt. Das geht
aus einer neuen Broschüre des gemeinnützigen RKW Kompetenzzentrums hervor, in der es um Gründer im
Alter von 45 Jahren und älter geht. Das
kann etwa ein Mitarbeiter sein, der
Gesellschaftsanteile hat. Eine Nachfolgeregelung wird insbesondere bei
der Aufnahme von Krediten wichtig. Ist
klar, wer bei einem Ausfall des Gründers die Rückzahlung übernimmt, wirke sich das häufig positiv auf die Kreditentscheidung aus.
GETTY IMAGES/MECKY
D
MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016
M
illionen Deutsche träumen vom Rentnerdasein in wärmeren Gefilden, wo man sich
vielleicht auch mehr
leisten kann im Alter. Gut 229.160
Deutsche träumen nicht nur vom Weggehen. Sie haben es getan – und ließen
sich im vergangenen Jahr die Rente ins
Ausland überweisen.
VON BERRIT GRÄBER
Das sind laut aktueller Statistik der
Deutschen Rentenversicherung Bund
(DRV) 4.574 mehr als noch im Jahr davor. Die Ruheständler zieht es nicht
nur zum Überwintern unter der Sonne
Spaniens, Floridas oder Thailands. Viele ziehen gleich auf Dauer weg, speziell
in die Schweiz, nach Österreich oder
Polen. Die gesetzliche Rentenversicherung zahlt derzeit rund 1,75 Millionen
Renten ins Ausland. Auch an über 1,5
Millionen frühere Gastarbeiter, die
nach dem Arbeitsleben wieder in ihre
alte Heimat zurückgingen. Der Traum
vom angenehmen Lebensabend im
Ausland muss allerdings gut vorbereitet sein. Sonst kann es finanziell enger
werden als so manche Senioren glauben. Statt Ersparnis drücken dann Zusatzausgaben – und der lange Arm des
Fiskus reicht bis in viele Ecken der
Welt.
LÄSST SICH DIE RENTE
PROBLEMLOS MITNEHMEN?
Grundsätzlich bekommt jeder deutsche Ruheständler, der seiner Heimat
den Rücken kehren will, seine Rente
auch ins Ausland gezahlt, wie Stefan
Braatz, Sprecher der DRV Bund erklärt.
Ob das Geld in voller Höhe oder mit
Abschlägen fließt, hängt davon ab, ob
die Senioren nur vorübergehend oder
dauerhaft wegziehen. Und wohin. Außerdem ist entscheidend, welche
Zeiten der Rente zugrunde liegen.
Überwintern Rentner nur einige Monate lang innerhalb der EU-Grenzen,
müssen sie keine Einbußen befürchten.
Für Adria-, Bretagne- oder MallorcaRentner beispielsweise „läuft alles problemlos“, sagt Braatz. Gleiches gilt für
längere Aufenthalte an vielen beliebten
Alterssitz-Zielen wie etwa der USA
oder Thailand.
Werden die Zelte in Deutschland
komplett abgebrochen und der Lebensmittelpunkt auf Dauer außerhalb der
EU verlagert, kann es auch anders aussehen. Abschläge sind etwa dann möglich, wenn die Rente auch Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz
(FRG) enthält, was häufig Vertriebene
oder deutsche Spätaussiedler aus Osteuropa betrifft. Oder wenn eine Erwerbsminderungsrente nicht nur aus
medizinischen Gründen gezahlt wird.
Ein rechtzeitiges Beratungsgespräch
beim Rententräger kann klären, ob die
Auswanderungspläne
Auswirkungen
auf die Rente haben.
So klappt der
RUHESTAND
unter Palmen
Immer mehr Rentner zieht es ins Ausland.
Dabei gilt es jedoch einiges zu beachten
Deutsche Rentner – echte Globetrotter
Anzahl der Renten an Deutsche im Ausland
229.160
Tsd.
200
125.015
150
100
50
0
1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014`15
Quelle: DRV Bund; Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV)
WOHIN WIRD DAS GELD
ÜBERWIESEN?
Vor dem (Teil-)Umzug sollte der Ruheständler am besten seinen Rentenversicherungsträger informieren und seine neue Adresse angeben. Grundsätzlich besteht die Wahl, sich die Rente
auf ein deutsches Konto überweisen zu
lassen oder zu einer Bank im Ausland.
„Wer sich sein Geld zum Beispiel nach
Thailand transferieren lässt, muss
Kursschwankungen und Bankgebühren
selbst bezahlen“, gibt Braatz zu bedenken. Viele Auslandsrentner müssen zudem einmal jährlich eine Lebensbescheinigung einreichen. Kommt kein
Lebenszeichen aus der Ferne, wird die
Rentenzahlung gestoppt. Bei Ländern
wie Spanien, mit denen es einen elektronischen Sterbedatenabgleich gibt,
wird auf die Meldeprozedur verzichtet.
WAS IST MIT PRIVATRENTEN?
Für Rentner mit Bezügen aus privaten
Renten- oder Lebensversicherungen
gilt: Der Versicherer zahlt immer, unabhängig vom Wohnsitz. Ruheständler
mit Riester-Vertrag sollten aufpassen.
Nur diejenigen, die sich innerhalb des
Europäischen
Wirtschaftsraums
(EWR) niederlassen, müssen ihre
staatliche Förderung nicht zurückzahlen, wie der Europäische Gerichtshof
entschied (Az.: C-269/07). Zum EWR
gehören neben den EU-Staaten noch
Liechtenstein, Island und Norwegen.
Auswandern nach Übersee oder Thailand dagegen kann spürbare Einbußen
bedeuten. Der Fiskus verlangt die Zulagen und Steuervorteile dann zurück.
Das summiert sich auch bei kleineren
Riester-Vermögen schnell auf mehrere
tausend Euro.
WAS IST MIT DEM FISKUS?
Auch die Steuerpflicht gilt es zu beachten. Das gilt nicht nur für wohlhabenden Senioren mit Wohnsitz in der Karibik oder der Schweiz. Sondern auch für
ehemalige Gastarbeiter, die nach Kroatien oder Italien zurückgehen, wie
Markus Deutsch, Vizepräsident des
Deutschen Steuerberaterverbands Berlin-Brandenburg erklärt. Denn: Seit
2005 werden die Renten Schritt um
Schritt stärker besteuert. Zuerst waren
es 50 Prozent der Einkünfte.
Wer dieses Jahr in Rente geht, muss
schon 72 Prozent versteuern – auch im
Ausland. Davon betroffen sind Senioren, die in einem Land leben, das
Deutschland den steuerlichen Zugriff
erlaubt. Wie beispielsweise Österreich,
Belgien, Dänemark, Polen, Kroatien,
die Niederlande oder Kanada. Ausnahmen bilden etwa Spanien, USA und die
Schweiz. Mit diesen Ländern bestehen
Doppelbesteuerungsabkommen, wonach die deutsche Rente vor Ort steuerpflichtig ist — und nicht in der ehemaligen Heimat.
WAS TUN?
Will der Fiskus Geld, kann es für Auslandsrentner richtig teuer werden. Betroffene müssen ihre Altersbezüge
vom ersten Euro an versteuern. Der innerhalb Deutschlands übliche Grundfreibetrag entfällt für sie sowie auch
das Ehegattensplitting für Verheiratete
oder Verpartnerte. Ein Ausweg: Rentner mit Auslandswohnsitz, die mindestens 90 Prozent ihres Einkommens aus
Deutschland beziehen, können den Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht
stellen. Dann gelten Steuerfreibeträge
und Ehegatten-Splitting weiter. Zuständig ist das Finanzamt Neubrandenburg (www.finanzamt-neubrandenburg.de).
WAS IST MIT KRANKEN- UND
PFLEGESCHUTZ?
Auch hier gibt es Fallstricke für alle, die
nicht nur überwintern wollen. Ziehen
Rentner innerhalb Europas um, können sie zwar in ihrer Krankenkasse
bleiben. Doch die neue Heimat bestimmt nun über die Versorgung. Und
die kann deutlich schlechter sein als in
Deutschland. Auf jeden Fall ist sie teurer. So gibt es in etwa Frankreich hohe
Selbstbehalte, in Spanien muss Zahnersatz immer privat gezahlt werden. Mit
der Schweiz und der Türkei bestehen
besondere Abkommen, ebenso mit
Kroatien, Mazedonien, Montenegro,
Serbien, Bosnien-Herzegowina und
Tunesien. Wichtig: Auch in der Pflegeversicherung werden häufig nur die
Grundkosten übernommen. Ambulante Hilfe oder Essen auf Rädern muss
selbst bezahlt werden. In Ländern wie
der Türkei, Kroatien oder Tunesien
gibt es gar keine Pflegeleistungen. Für
Rentner, die bis ins hohe Alter im Ausland bleiben möchten, ist eine zusätzliche private Pflegeversicherung ratsam.
Außerhalb Europas und der genannten
Länder endet die Kassenabsicherung
komplett. Wer in die USA, nach Kanada
oder Thailand ziehen will, braucht dort
eine meist teure private Krankenversicherung.
WER HILFT BEI DEN
VORBEREITUNGEN?
Informationen zur Kranken- und Pflegeabsicherung im Ausland erteilt jede
Krankenkasse. Auch privat Krankenversicherte sollten nach möglichen
Leistungseinschränkungen fragen. Die
deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung-Ausland hat ein kostenloses „Merkblatt für Rentner“ erarbeitet,
das unter www.dvka.de abrufbar ist.
Ruheständler können sich beim katholischen Raphaels-Werk (www.raphaelswerk.de) oder der Evangelischen Auslandsberatung (www.ev-auslandsberatung.de) helfen lassen – auch wenn es
um eine Rückkehr wegen enttäuschter
Erwartungen oder finanzieller Probleme geht.
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SPORT
MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016
FUSSBALL
Mainz verspielt
Drei-Tore-Führung
Der FSV Mainz 05 hat die Generalprobe für die große Europa-Bühne
vermasselt. Der Bundesligist kam
trotz einer 4:1-Führung zur Pause
nur zu einem 4:4 (4:1) gegen 1899
Hoffenheim und bleibt wie der Gegner weiter sieglos. Für das Debüt in
der Gruppenphase der Europa League am Donnerstag gegen St. Etienne aus Frankreich müssen sich die
Rheinhessen steigern. Pablo de
Blasis (3., 23), Jhon Cordoba (27.)
und Neuzugang Levin Öztunali (43.)
trafen zur historischen Halbzeitführung für die Gastgeber, die erstmals
vier Tore in den ersten 45 Minuten
erzielten. Getrübt wurde die Stimmung durch die Rote Karte gegen
Gaetan Bussmann (57.), der nach
einer Notbremse vom Platz musste.
Hoffenheim kämpfte sich nach einer
schwachen ersten Hälfe zurück.
Sandro Wagner hatte bereits vor der
Pause getroffen (39.), der eingewechselte Mark Uth per Doppelpack
(71., 72.) und der Ex-Mainzer Adam
Szalai (84.) krönten die Aufholjagd.
Champions League:
Herrmann fällt aus
Borussia Mönchengladbach muss
vorläufig auf Nationalspieler Patrick Herrmann verzichten. Der
Mittelfeldmann zog sich in der
Bundesligapartie bei Aufsteiger SC
Freiburg (1:3) einen Muskelfaserriss
im linken Adduktorenbereich zu.
Damit fällt der 25-Jährige am
Dienstag im Champions-LeagueMatch bei Pep Guardiolas neuem
Klub Manchester City aus.
Dresden gewinnt
Verfolger-Duell
Dynamo Dresden hat in der Zweiten
Liga bei Hannover 96 gewonnen
und ist somit der erste Verfolger des
Spitzenreiters Eintracht Braunschweig. Der Aufsteiger setzte sich
am vierten Spieltag in Hannover mit
2:0 (1:0) durch und liegt mit vier
Punkten Rückstand auf dem zweiten Platz. Für Dresden, das erst am
Freitag den Vertrag mit Trainer
Uwe Neuhaus um zwei Jahre bis
2019 verlängert hatte, erzielten
U21-Nationalspieler Marvin Stefaniak (18.) per direkt verwandeltem
Freistoß und Florian Ballas (57.) die
Tore. Bei Hannover sah Salif Sane
wegen einer Tätlichkeit die Rote
Karte (79.). Die SpVgg Greuther
Fürth verpasste den Sprung auf
Rang zwei. Der Ex-Bundesligist lag
bei Fortuna Düsseldorf lange Zeit
durch einen Distanzschuss von
Khaled Narey (23.) in Front. Oliver
Fink (78.) erzielte jedoch den späten Ausgleich zum 1:1 (0:1). Braunschweig hatte seine Aufstiegsambitionen durch ein 2:0 (1:0) beim
heimstarken Team von Erzgebirge
Aue unterstrichen. Dank eines Doppelpacks von Torjäger Domi Kumbela behielten die Norddeutschen ihre
weiße Weste und kamen zum vierten Sieg im vierten Spiel.
Guardiola besiegt
Erzfeind Mourinho
Pep Guardiola hat sein erstes Manchester-Derby gegen den alten Rivalen Jose Mourinho gewonnen. Der
ehemalige Bayern-Trainer feierte
mit City in der Premier League ein
2:1 (2:1) gegen United dank Toren
von Kevin De Bruyne (15.) und Kelechi Iheanacho (36.). Obwohl Claudio Bravo im City-Tor mehrfach
unsicher agierte, gelang United nur
noch der Anschlusstreffer durch
Zlatan Ibrahimovic (44.). Superstar
Paul Pogba blieb beim englischen
Rekordmeister blass. Eine erfolgreiche Heimpremiere feierten Jürgen Klopp und der FC Liverpool im
ausgebauten Stadion an der Anfield
Road. Die Reds kamen zu einem 4:1
(2:1) gegen Meister Leicester City
und verbesserten sich mit sieben
Punkten auf den fünften Platz. Leicester hat dagegen den Start verpatzt, liegt acht Zähler hinter City.
sich bis zur Grundlinie durchspielen.
Und wenn doch, dann wurde der Ball
meist wieder zurückgespielt: Flanken,
ein probates Mittel, um gefährliche Situationen im Strafraum einzuleiten, waren kaum zu sehen. Der BVB versuchte
sich den Gegner zurechtzulegen und das
Spiel zu kontrollieren. Es blieb bei dem
Versuch – weil die Dortmunder die Leipziger eben doch nicht wirklich in den
Griff bekamen und zudem in der Offensive fast jegliches Risiko scheuten.
„Wir haben viel zu wenig aus unserem
Ballbesitz gemacht“, räumte Kapitän
Marcel Schmelzer ein.
Erstmals nach
An dem Linksverteidiger
1229 Tagen
war ein Teil des Probestreitet Mario
blems
festzumachen:
Götze (l.)
Viel zu selten gelang es
wieder ein
ihm, mit gefährlichen
Pflichtspiel
Vorstößen seine Seite zu
für den BVB –
öffnen. „Das Problem
und verliert
war, dass wie die Räume,
mit seinem
die Leipzig uns angeboTeam 0:1 gegen
ten hat und von denen
RB Leipzig
wir wussten, nicht permanent angespielt haben“, kritisierte er. Dies sei neben einigen anderen Defizite auch darauf zurückzuführen, dass die Mannschaft noch
nicht eingespielt sei. „Wir haben nicht
umsonst gesagt, dass wir eine gewisse
Zeit brauchen werden“, forderte
Schmelzer Geduld ein.
In den kommenden Wochen werden
sich die noch fehlenden Automatismen
jedoch einstellen müssen. Dann kann
die Mannschaft beweisen, dass sie sich
schnell auf den anspruchsvollen und dominanten Tuchel-Stil einstellen kann –
muss es allerdings auch. Am Mittwoch
startet Dortmund in Warschau in die
Champions League, dann geht es in der
Bundesliga gegen die unangenehm defensiven Darmstädter und nach Wolfsburg, dann kommen Freiburg, Real Madrid und schließlich Leverkusen.
Beim Comeback von Weltmeister Mario Götze verliert Borussia Dortmund gegen Aufsteiger
In diesen sechs Spielen innerhalb von
RB Leipzig. Das Spiel dokumentiert, wie schwierig es der runderneuerte BVB haben wird
18 Tagen muss die Grundlage gelegt werden, um aus dem Umbruchspieljahr
2016/17 ein erfolgreiches zu machen.
uf diesen Tag hatte Mario nicht nur wegen des Ergebnisses eine durch die Hereingabe von Oliver Burke individuelle Fehler gemacht, uns zu vie- „Wir sind immer noch dabei, uns kenGötze hingefiebert, doch äußerst ernüchternde Angelegenheit und den Abschluss von Naby Keita dann le Ballverluste erlaubt. Das war einfach nenzulernen. Wir treffen noch zu viele
am Ende fühlte es sich dann für den letztjährigen Meisterschafts- besiegelt wurde. Gleich drei Abwehrfeh- nicht gut für unser Gefühl, für die Statik falsche Entscheidungen auf dem Platz“,
sagte Tuchel, der aber davon überzeugt
trotzdem nicht ganz so gut zweiten war. „Wir wollten drei Punkte ler innerhalb von zehn Sekunden bra- in unserem Spiel.“
Tatsächlich war das Zustandekom- ist, dass der Kurs stimmt. „Die Fehler
an. „Ich war einfach froh, holen, das haben wir nicht geschafft“, chen dem BVB das Genick. Die Leipziger
dass ich wieder auf dem Platz stehen erklärte Götze und führte zum Beleg Falle, den technisch besseren Gegner men der Niederlage ein Beleg dafür, dass vom Samstag waren nicht so groß, dass
der in der Sommerpause personell rund- man alles infrage stellen muss. Unsere
und spielen konnte“, sagte der National- für seine hörbar gedrückte Stimmung auszukontern, schnappte doch noch zu.
„Wir hatten zu viele unerneuerte BVB noch ein Wettbewerbsfähigkeit für die kommenspieler nach seiner ersten Pflichtpartie dann auch gleich die statistischen FakStück weit von der Stabili- den Wochen steht nicht infrage.“
für den BVB seit seiner Rückkehr nach ten an: „Wir haben zehn Torschüsse erzwungene Fehler in unseder Leipziger zugelassen und selbst rem Spiel“, sagte Thomas
tät der Mannschaft der verErst recht nicht die von Mario Götze.
Dortmund.
acht Torschüsse gehabt, nur einer ging Tuchel nach dem Schlussgangenen Saison entfernt Der prominente Rückkehrer kämpft
VON OLIVER MÜLLER
auf das Tor. Das ist zu wenig.“
pfiff. Denn so ganz wollte
ist. Mit Innenverteidiger zwar immer noch darum, wieder richtig
Online
Die Dortmunder waren an diesem der BVB-Trainer die These,
Marc Bartra, mit dem im in Form zu kommen. Trotzdem war er in
Exakt 1229 Tage nach seinem letzten Samstagabend in der Tat in eine Falle dass es das Leipziger Umzentral defensiven Mittel- Leipzig einer der wenigen stabilisierenRB Leipzig feiert
Einsatz für den Verein, bei dem er fuß- getappt: Sie hatten die Partie, die im schaltspiel gewesen sei, das
feld agierenden Sebastian den Faktoren des Teams: Er war stets
seinen ersten
ballerisch groß geworden war und den Vorfeld fast zu einer ideologischen Aus- die Partie entschieden haRode, mit Götze, der auf anspielbereit und versuchte immer wieBundesligasieg:
er dann vor drei Jahren in Richtung Bay- einandersetzung zwischen dem neurei- be, dann doch nicht stehen
der
Spielmacherposition der, seinen Kollegen Möglichkeiten für
„Das ist großartig
ern München verlassen hatte, trug Göt- chen Aufsteiger aus dem Osten und dem lassen. Sein Team hätte sich
agierte, und Andre Schürr- fantasievollere Angriffe aufzuzeigen.
– für die Stadt,
ze wieder das gelb-schwarze Trikot. Das Traditionsverein aus dem Westen hoch- vielmehr selbst geschlagen.
le, der gemeinsam mit Doch der Götze, den sie in Dortmund
für den Verein, für
habe sich uneingeschränkt gut ange- stilisiert worden war, dominiert und be- Keinesfalls seien die BorusPierre-Emerick
Aubame- aus früheren Zeiten kannten, kann er
die Spieler“, sagt
fühlt, sagte er. Nur das Resultat seines stimmt – aber sie waren, sobald sie in sen von jener Mischung aus
yang in der Spitze spielte, freilich noch nicht sein. „Ich spüre bei
Sportdirektor Ralf
Comebacks eben nicht.
die Nähe des Leipziger Tores kamen, Aggressivität, Laufbereithatte Tuchel vier neue Spie- ihm eine Sehnsucht nach Ruhe, nach
Rangnick:
„Es gibt heute nichts zu lachen“, fast vollkommen harmlos. Wer so spielt, schaft und Schnelligkeit,
ler in der Startelf, später Normalität und nach Vertrauen“, sagte
sagte Götze, als er in den Katakomben kann nicht nur nicht gewinnen, sondern für die Leipzig bekannt ist,
wurden noch Raphael Guer- Tuchel über den Weltmeister.
welt.de/sport
des Leipziger Zentralstadions ein Fazit baut einen Gegner zugleich auch auf.
überrascht worden. Erst
reiro und Ousmane DembeEs ist eine Aussage, die nicht nur zur
des für ihn sehr speziellen Spiels zieJe länger das Spiel dauerte, desto mu- recht hätten sie den Gegle eingewechselt.
Situation von Götze passt, dessen
hen sollte. „In der letzten Minute das tiger wurden die Leipziger. Deshalb war ner, der von der Qualität
Noch nicht jedem der Selbstvertrauen in den frustrierenden
Gegentor zu bekommen, ist bitter“, re- es auch nicht unbedingt überraschend, her zweifellos einer der stärksten Auf- hoch talentierten Akteure war am Sams- Münchener Jahren doch erheblich gelitsümierte er nach der 0:1-(0:0)-Nieder- was in der 89. Minute passierte. Eine steiger der Bundesligageschichte ist, tag zu jeder Zeit klar, was er zu tun hat- ten hat: Sie könnte auch auf die komlage bei RB Leipzig. Es bringe wenig, verunglückte Kopfballabwehr von Marc nicht unterschätzt. Im Gegenteil. „Wir te. Und weil Dortmund permanent den plette und in wesentlichen Teilen neue
nun über seine durchaus gelungene Bartra war das Menetekel; ein Pass von haben das hier komplett angenommen, Ball hatte, fiel das auch besonders auf: Dortmunder Mannschaft angewandt
Vorstellung zu sprechen – außer im Leipzigs Emil Forsberg war die Ouvertü- waren in keinster Weise überrascht“, er- Selten konnten sich die Borussen gegen werden – auch sie ist noch auf der Suche
Gesamtkontext dieses Spieles, das re zur Dortmunder Niederlage, die klärte Tuchel: „Aber wir haben zu viele die Leipziger Defensive durchsetzen, nach Stabilität.
Leichtigkeit gesucht
A
Schalke schöpft Hoffnung aus einer Niederlage
C
Ruhrpottklub ist zwar noch punkt- und torlos, aber der starke Auftritt gegen den FC Bayern dient als Mutmacher
hristian Heidel war „beeindruckt“, und auch Neuzugang
Naldo saugte die „fantastische
Stimmung“ dankbar auf. „Wenn wir
kämpfen, wenn wir leidenschaftlich
spielen, wenn wir alles geben, dann
springt der Funke auch auf die Tribüne
über“, sagte der Innenverteidiger des
FC Schalke 04. Trotz des 0:2 (0:0) gegen den FC Bayern München und des
Null-Punkte-Saisonstarts applaudierten die Fans noch lange nach dem Abpfiff und zollten den Profis Respekt für
den Kampf, den sie dem am Ende effektiveren Gegner geliefert hatten.
„Wenn jemand gekommen wäre, der
das Spiel nicht gesehen hat, hätte er
geglaubt, wir hätten das Spiel gewonnen. Das habe ich in dieser Art selten
erlebt“, lobte Sportvorstand Heidel
den Zuspruch der Fans, der dem Team
guttue. „Und wenn es 0:0 ausgegangen wäre, hätten die Spieler in der
Kabine gestanden und gesagt: War
das geil!“
Ausgerechnet der Rekordmeister, Qualität. Jetzt muss die Mentalität da- die beiden kampf- und laufstarken
der das Topspiel am Freitagabend zukommen. Das war heute so.“
Sechser Nabil Bentaleb und Benjamin
durch die späten Tore von Robert LeDazu trugen mutige Entscheidun- Stambouli oder Flügelspieler Jewgeni
wandowski (81.) und Joshua Kimmich gen von Markus Weinzierl bei seiner Konopljanka – alle Neuzugänge über(90.+2) gewann, dient den Knappen als Bundesligaheimpremiere bei. Das zeugten und werden den KonkurrenzStimmungsaufheller.
Kampfmodus Team gleich auf sechs Positionen um- kampf weiter anheizen.
statt Kapitulation: Benedikt Höwedes zukrempeln, erwies sich als richtig. Ob
Stark präsentierte sich auch Leon
kennt die Schalker Seele, weiß, dass Linksverteidiger Abdul Rahman Baba, Goretzka, der nach seiner bei den
die Anhänger Einsatz, Willen,
Olympischen Spielen in BrasiLeidenschaft und Kampf erlien erlittenen Schulterverletwarten. „Wir haben das Schalke
zung für den ebenfalls mit
gesehen, das wir sehen wollen.
Olympiasilber dekorierten Max
Das haben die Fans wahrgeMeyer auf die „Zehn“ rückte.
nommen und honoriert“, sagte
Matija Nastasic verlieh der Abder Kapitän nach dem frappiewehr in seinem ersten Spiel
renden Wandel des Teams, das
nach mehr als einem Jahr Versich beim 0:1 in Frankfurt zwei
letzungspause
(AchillessehWochen zuvor noch leb- und
nenriss)
mehr
Stabilität.
kraftlos präsentiert hatte.
Später sorgte auch noch
Danach hatte Heidel die EinSturmhoffnung Breel Embolo
stellung einiger Profis infrage
für Belebung.
gestellt und Selbstüberschät„Es waren viele Neue dabei,
zung angeprangert. Nun fiel
die einen klasse Job gemacht
sein Urteil anders aus: „Die Klaas-Jan Huntelaar (Nr. 25) scheitert an Bayerns Keeper haben und sehr schnell ins
Mannschaft hat fußballerische Manuel Neuer, später trifft er nur die Latte
Spiel gefunden haben“, lobte
AP/MARTIN MEISSNER
KOMPAKT
SEITE 18 *
BONGARTS/GETTY IMAGES/ALEXANDER HASSENSTEIN
DIE WELT
Höwedes. „Wir haben Bayern in Bedrängnis gebracht. Genau das brauchen wir auch in den kommenden Spielen. Es steht ja nicht jeden
Tag Bayern München auf dem Programm. Deswegen bin ich guter
Dinge.“
Zwar hatte die Elf wegen der Länderspielpause kaum Gelegenheit, sich
aufeinander einzustimmen. Doch es
funktionierte, bis die Kraft nachließ.
„Wir waren 80 Minuten nicht schlechter als die Bayern, haben sie vor viele
Aufgaben gestellt“, meinte Weinzierl,
der nur mit dem Ergebnis und den ausgelassenen Chancen wie bei Klaas-Jan
Huntelaars Lattenknaller zu Beginn
der zweiten Halbzeit haderte. Dennoch blickt auch der Coach dem Europa-League-Auftakt bei OGC Nizza am
Donnerstag und den anstehenden Englischen Wochen nun zuversichtlicher
entgegen: „Genau so müssen wir in
den kommenden Partien agieren, dann
werden wir auch punkten.“
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DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd
SPORT 19
MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 *
m Oktober 1492 befand sich Kolumbus im Auftrag der kastilischen
Krone auf hoher See, er sah Festland, wähnte sich in China und
schrieb in sein Bordbuch, er werde
jetzt die Stadt Hangzhou aufsuchen – in
Wahrheit entdeckte er aus Versehen
Amerika.
Am Samstag hat sich die Geschichte
wiederholt, in Darmstadt. Der Kolumbus hieß diesmal Sandro Sirigu, er sollte
im Auftrag seiner Majestät des Trainers
das 0:0 gegen Eintracht Frankfurt nach
hinten verteidigen – und entdeckte vorne aus Versehen den Sieg. Statt auf Norbert Meier zu hören und das torlose
Null-null zu retten, verlief sich der kurz
zuvor Eingewechselte in der Schlussminute blindlings auf den rechten Flügel,
wollte mit einem Befreiungsschlag Zeit
schinden, verwechselte dabei die Beine,
und der Ball rutschte ihm ab und landete
nicht wie geplant in Hangzhou, sondern
über den Frankfurter Torwart hinweg im
Dreieck.
Wie auf hoher See passieren auch im
Fußball oft die verrücktesten Dinge, vor
allem am Ende. Erinnern Sie sich an Bastian Schweinsteigers Schlussakkord bei
der EM, nachdem er gegen die Ukraine
zwei Minuten vor Schluss eingewechselt
wurde? „Eigentlich“, verriet Bundestrainer Joachim Löw hinterher, „sollte Basti
für Ruhe sorgen und ein paar Bälle verteilen.“ Stattdessen ging Schweini beim
letzten Konter wie von der Tarantel gestochen steil, der Oberkellner Özil servierte ihm den Ball auf dem Tablett, und
im nächsten Moment drehte der späte
Schütze seine Ehrenrunde über den ganzen Platz – es war die emotionale Krönung einer grandiosen Karriere.
Joker sind Spaßmacher. Beim Kartenspiel sind sie „Wild Cards“ und bebildert
mit Hofnarren – beim Fußball narren sie
am Ende die Gegner. Wie am Wochenende. Viele Ehrenrunden haben wir da erlebt, scharenweise kamen die Geheimwaffen von den Bänken und vollstreckten wie im Schlaf. Ungefähr jeder zweite
Schütze war ein Joker, Joshua Kimmich
machte den Sack für die Bayern zu, Nils
Petersen in Freiburg und Julian Schieber
für Hertha nun schon im zweiten Spiel.
„Seine Zeit wird kommen“, sagt Trainer
BONGARTS/GETTY IMAGES/ ALEXANDER HASSENSTEIN
I
DIE WELT
Leipzigs Naby Keita (M.) trifft nach seiner Einwechslung zum 1:0
gegen Borussia Dortmund
QUERPASS
Mit Kolumbus
zum Böllenfalltor
Die Bundesliga bestaunt an diesem
Spieltag etliche Jokertore
OSKAR BECK
Pal Dardai – und winkt Schieber mit
Vollbeschäftigung, aber im Moment
kommt dessen Zeit noch, wenn es eng
wird, auf den letzten Drücker.
Auch Ralph Hasenhüttl, der Leipziger,
gehört zu den klugen Trainern: Wenn
ihm nichts Besseres einfällt, wechselt er
kurzerhand das Glück ein. „Die Schwie-
rigkeit war“, sagte der Österreicher nach
dem 1:0 gegen Dortmund, „den richtigen
Moment zu finden, in dem man Qualität
nachlegt.“ Er fand ihn, brachte Emil
Forsberg, Oliver Burke und Naby Keita,
der Schwede passte zum Schotten, der
zur Kanone aus Guinea, und Hasenhüttl
lachte: „Naby hat ein Näschen.“
Und Joel Pohjanpalo erst, aber hallo.
„Danger“ nennen sie den in Leverkusen,
weil er einem gleichnamigen Mimen in
„Fack Ju Göhte“ ähnelt. Jetzt weiß auch
der HSV, was ein abgefackter Finne ist.
Der kam in der 72. Minute beim 0:1 und
hatte drei rasche Antworten. 1:1, 2:1, 3:1.
Hattrick in einer Viertelstunde. Mit vier
Jokertoren steht Joel jetzt an der Spitze
der Torjägerliste, bei 30 Minuten Einsatzzeit. Und warum? Weil Trainer Roger Schmidt ihm auf den Platz nachschrie: „Schieß ein Tor!“ Der Physiotherapeut soll noch geistesgegenwärtig hinterhergebrüllt haben: „Nein, mach drei
Buden!“
Lachen Sie nicht, so was funktioniert.
Warum sind wir Weltmeister? Weil Jogi
Löw im Maracana Mario Götze mit dem
Befehl ins Spiel jagte: „Zeig, dass du besser bist als Messi!“ Supermario scharrte
kurz mit den Hufen, ging rein, wartete
auf die erstbeste Flanke des anderen Luxusjokers Andre Schürrle – und abends
twitterte Rihanna aus dem „Sheraton“
in Rio stolz ein Foto um die Welt, das sie
mit dem Helden des Tages zeigte. Löw
ahnte schon vor jener WM 2014: „Noch
nie waren die Spieler, die von der Bank
kommen, so wichtig. Sie sind die Spezialkräfte, die den Gegner empfindlich
treffen werden, wenn die Sonne im Zenit steht.“
Das klingt nach GSG 9 und Sondereinsatzkommando, jedenfalls sind wir
Deutschen auch da gründlich. Bei der
WM 1970 waren Spielerwechsel erstmals
erlaubt, und mit undurchschaubaren
Dribblings untergrub der Frankfurter
Jürgen Grabowski wie der „Maulwurf
Grabowski“ im gleichnamigen Kinderbuch die gegnerischen Abwehrreihen
und erwarb sich den Titel „Bester Einwechselspieler der Welt“. Bei der EM
1976 stand es im Halbfinale 1:2 gegen Jugoslawien, und als die 79. Minute begann, brachte Bundestrainer Helmut
Schön den 22-jährigen Debütanten Dieter Müller. Am Ende der 79. Minute
stand es 2:2 durch Müller, 3:2 Müller, 4:2
Müller. „Der Müller“, sagte Kapitän Beckenbauer, „hat den siebten Sinn.“
Aber vor allem ein Trainer muss diesen Sinn haben oder die Frau des Trainers. „Nimm den Bierhoff mit“, riet vor
der EM 1996 die Gattin von Vogts ihrem
Berti. Oliver Bierhoff galt als spielflusshemmend, aber dann stand es im Finale
1:0 für die Tschechen, und der Bundestrainer griff zur Brechstange. Der Rest
ist Denkmalpflege: Kopf Bierhoff, 1:1.
Fuß Bierhoff, 2:1. Spätestens seither ist
der Auswechselspieler kein verpönter
Bankdrücker mehr, sondern gesellschaftsfähig – und der Vaterlandsretter
Bierhoff das Paradebeispiel des perfekten Jokers: Keine Torschlusspanik, keine
Torschusspanik, kein langes Fackeln im
Stress der Schlussphase. Kommen,
schießen, siegen.
„Ein Joker muss mit wenig Anlaufzeit
auskommen“, weiß der DFB-Psychologe
Hans-Dieter Hermann. „Er muss gedanklich schon im Spiel sein, bevor er
überhaupt den Platz betritt.“ Wie jetzt
Pohjanpalo, Kimmich, Petersen, Schieber, Sirigu und Keita. Oder (um den kalt
erwischten Dortmundern etwas Trost
zu spenden) wie früher Lars Ricken. Den
brachte BVB-Trainer Ottmar Hitzfeld
1997 im Finale der Champions League
gegen Juventus, der 21-Jährige lief aufs
Feld, setzte schnurstracks zu einem
rotzfrechen Heber an – und der Stadionlautsprecher gab den neuen Spielstand
bekannt.
Das klingt, als handele es sich beim
Ein- und Auswechseln um die kinderleichteste Übung der Welt. Dabei ist es
die kniffligste, fragen Sie Otto Rehhagel.
Der war am 29. April 1978 Trainer von
Borussia Dortmund, und gegen Mönchengladbach stand es 0:8, als er den 35Jährigen Siggi Held als letzten Trumpf
aus dem Hut zaubern wollte. Mitspieler
Manni Burgsmüller erzählt heute noch
gern, wie Siggi darauf zu Otto sagte:
„Trainer, soll ich dat Ding noch rumreißen?“ Es ist dann vollends 0:12 ausgegangen, ohne Siggi, der als Joker nicht
der Depp sein wollte.
So ändern sich die Zeiten: Heute ist
der Joker der König. Im richtigen Moment muss halt alles passen, das Näschen des Trainers, die Müdigkeit des
Gegners, der Killerinstinkt eines blutrünstigen Jokers. Und wenn dann noch
„90 Prozent Glück“ dazukommen, wie
Sandro Sirigu sagt, wird man am Ende
zum Kolumbus vom Böllenfalltor.
Krise bei
Werder Bremen
verschärft sich
Tabellenletzter verliert
daheim 1:2 gegen Augsburg
F
ür Werder-Coach Viktor Skripnik
wird es nach der dritten Pflichtspiel-Niederlage immer ungemütlicher. Die Bremer verloren am
Sonntag auch das erste Heimspiel der
noch jungen Bundesliga-Saison mit 1:2
(1:0) gegen den FC Augsburg. Der bereits seit Monaten in der Kritik stehende Fußballlehrer gerät dadurch noch
mehr unter Druck, während Dirk Schuster seinen ersten Sieg als Coach der
Augsburger feiern durfte.
Der FCA kam vor 39.430 Zuschauern
im Weserstadion zu Toren durch Jeffrey
Gouweleeuw (52.) und Konstantinos
Stafylidis (73.). Für Bremen traf lediglich Aron Johannsson per Foulelfmeter
(45.+2). Noch darf sich der Bremer
Coach aber der Rückendeckung durch
die Vereinsführung sicher sein. „Wir
stehen komplett hinter Viktor Skripnik“, sagte Marco Bode, der Boss des
Bremer Aufsichtsrates. „Ich finde es unangebracht, zu so einem frühen Zeitpunkt der Saison eine Trainerdiskussion anzufangen. Das wird mit uns nicht
passieren.“
Die mit einem 0:6-Desaster bei Bayern München gestarteten Bremer zeigten eine wenig begeisternde Vorstellung
vor eigenem Publikum. Ohne Leistungsträger wie Claudio Pizarro, Max
Kruse, Santiago Garcia oder Philipp
Bargfrede taten sich die Bremer im
Spielaufbau schwer. Gegen den dicht
gestaffelten und tief stehenden Abwehrverbund der Augsburger hatten die
Gastgeber große Mühe, gefährliche Aktionen zu kreieren. Auch der am vorletzten Transfertag vom FC Arsenal
verpflichtete Olympiaheld Serge Gnabry, der von Beginn an für Werder auslaufen durfte, vermochte daran nichts
zu ändern.
DW/dpa
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20 SPORT
* DIE WELT
BUNDESLIGA 2. Spieltag
0:2
(0:0)
0:2
(0:0)
KAPITÄN DES TAGES
D
Leno 5
D
D
Höwedes 3 Naldo 3 Nastasic 3 Baba 3
D
D
D
Goretzka 3
D Choupo-Moting 4
Huntelaar 4
D
D
D
Kostic 4
Thiago 3
D
D
D
Alaba 3 Hummels 3 Martinez 2 Lahm 3
D
D
D
Ostrzolek 4 Spahic 3 Cleber 4
D
Sakai 4
D
Neuer 2
Adler 3
Tore:
0:1 Wood
(58.),(58.),
1:1 Pohjanpalo
(79.), 2:1(79.),
PohTore:
0:1 Wood
1:1 Pohjanpalo
janpalo (90.+1.), 3:1 Pohjanpalo (90.+3).
2:1 Pohjanpalo (90.+1.), 3:1 Pohjanpalo
Auswechslungen: Brandt 2 (3.) für Bellarabi,
(90.+3).(72.) für Mehmedi, Jedvaj (88.) für
Pohjanpalo
Auswechslungen:
Brandt
2
Wendell.
– Ekdal (66.) fürLeverkusen:
Holtby, Lasogga
(81.) für
Wood,
(86.) für
Kostic.
(3.)Halilovoc
für Bellarabi,
Pohjanpalo
(72.) für
(71.)
für Sanches,
Douglas (61.) für 0:00:0
Wolfsburg
––Köln
Wolfsburg
Köln
Hamburg:
Ekdal
(66.) fürBSC
Holtby,
Lasogga
Ingolstadt
––Hertha
0:2
(0:1)
Ingolstadt
Berlin
0:2
(0:1)
Huntelaar, Kolasinac (86.) für Stambouli.
München: Vidal (61.) für Alaba, Kimmich
D Bruma 3 Knoche 4
D
Blaszczykowski 4
Rodriguez 3
D
(81.) für Wood, Halilovoc (86.) für Kostic.
D (Wiesbaden).
Schiedsrichter: Welz
Nyland
3
Zuschauer: 30 210
(ausverkauft).
D
D
Caligiuri 4
Draxler 3
D
Gomez 4
D
Hartmann 5
D
D
D
D
D
Darida 2
Haraguchi 2
Weiser 3
D
Höger 4
D
D
Leckie 3
D
Lezcano 4
Ibisevic 2
D
Lehmann 3
D
Morales 4
D
Risse 3
D
D
Groß 3
Modeste 4
Bittencourt 4
D
D
Roger 5
D
D
Didavi 4
D
Osako 3
D
D
Matip 3 Tisserand 4 Suttner 3
Levels 3
Luiz Gustavo 4 Gerhardt 3
D
D
D
Hector 3 Heintz 4 Mavraj 3 Sörensen 3
D
D
Lustenberger 3
Stark 3
D
D Pekarik 3
Langkamp 3
Plattenhardt 4 D
Brooks 3
D
D
Müller 3
Jarstein 3
Tore: keine.
Tore: keine.
Auswechslungen: Bruno Henrique (62.) für Caligiuri,
Auswechslungen:
Bruno
Arnold
(63.) für Gerhardt,Wolfsburg:
Brekalo (79.) für
Didavi. –
Henrique
(62.) für
Caligiuri,
Arnold MladeJojic
(67.) für Osako,
Zoller
(79.) für Modeste,
novic
(87.)für
fürGerhardt,
Lehmann. Brekalo (79.) für
(63.)
Tore: 0:1 Ibisevic (8.), 0:2 Schieber (86).
Tore: 0:1 Ibisevic (8.), 0:2 Schieber (86).
Auswechslungen: Hinterseer 3 (58.) für Morales,
Auswechslungen:
Ingolstadt:
HinterLeipertz
(76.) für Hartmann,
Christiansen
(79.) für
3 (58.) für
Morales,
Leipertz
(76.)
seer
Roger.
– Esswein
(62.)
für Weiser,
Schieber
(79.)für
für
Ibisevic,
Hegeler (81.)
für Stark. (79.) für Roger
Hartmann,
Christiansen
Didavi
Köln: Jojic (67.) für Osako, Zoller (79.)
für
Modeste, Mladenovic
(87.) 1:0
für (0:0)
Darmstadt
Frankfurt
Darmstadt
––Frankfurt
1:0 (0:0)
Lehmann.
D
Schiedsrichter: Winkmann
(Kerken).
Esser 2
Zuschauer: 29 067.
D
D
D
D
Jungwirth 4 Höhn 3 Milosevic 3 Holland 3
D
D
Niemeyer 2
Berlin: Esswein (62.) für Weiser, Schieber
(79.) für Ibisevic, Hegeler (81.) für Stark.
Schiedsrichter:
Drees (Münster-SarmsFreiburg
Gladbach
3:13:1
(0:1)
Freiburg
– –M‘gladbach
(0:1)
heim).
Zuschauer: 14 100. D
Schwolow 4
D
D
D
D
D
D
Huszti 3
Hasebe 3
D
D
Stindl 3
D
Wendt 3
D
D
Orban 2 Compper 3 D
D
Klostermann 3
Halstenberg 3
D
D
Ilsanker 2 Demme 2
D
D
D
Finnbogason 4
D
D
Castro 4
Weigl 3
D
D
Schmelzer 3 Bartra 2 Sokratis 2 Piszczek 4
Caiuby 4
D
Tor:Tor:
1:0 Keita
(89.).(89.).
1:0 Keita
Auswechslungen: Leipzig: Forsberg (64.) für
Auswechslungen: Leipzig: Forsberg
Sabitzer, Burke (69.) für Poulsen, Keita (84.) für
(64.)
für Sabitzer,
Burke
(69.)
für
Kaiser.
– Dembele
(71.) für
Castro,
Guerreiro
(71.)
Keita
(84.)
Kaiser.
für Poulsen,
Götze, Ramos
(85.)
fürfür
Aubameyang.
Dortmund: Dembele (71.) für Castro,
D
Tore: 1:0 Johannsson (45., Foulelfmeter), 1:1 Gouweleeuw (53.), 1:2 Stafylidis (73.). Auswechslungen: Hajrovic (69.) für Johannsson, Thy (79.) für
Bauer, Petsos (82.) für Grillitsch. – Ji 3 (46.) für
Bobadilla, Kacar (79.) für Koo, Janker (90.) für
Baier.
Mainz – Hoffenheim
D
D
D
D
D
Malli 3
D
D
Frei 3 De Blasis 1
D
Cordoba 2
D
D
Kramaric 2 Wagner 3
D
D
Rudy 3
Rupp 4
Schwegler 4
D
Toljan 5
D
Polanski 4
Süle 5
D
Leverkusens Stürmer Joel Pohjanpalo erzielt nach seiner Einwechslung
einen Hattrick gegen den HSV und macht seinem Spitznamen alle Ehre
C
ool ist er. Und so etwas
wie der heimliche Anführer der Klasse 10b. In dem
Film „Fack Ju Göhte“ folgen die Mitschüler Daniel,
der von allen nur „Danger“ genannt
wird. Nun entspricht Joel Pohjanpalo
zwar nicht dem Charakter der Filmfigur. Weil der Stürmer des Fußball-Bundesligavereins Bayer Leverkusen aber
so ähnlich aussieht wie „Danger“, der
von Max von der Groeben gespielt wird,
haben ihm seine Mitspieler diesen
Spitznamen verpasst. Und spätestens
seit Samstag ist der in aller Munde.
Nur eine Woche nach seinem Jokertor zum Bundesligasaisonstart in Mönchengladbach (1:2) setzte „Danger“ (zu
Deutsch Gefahr) gegen den Hamburger SV gleich drei Achtungszeichen.
Eingewechselt in der 72. Minute erzielte er innerhalb von 15 Minuten drei Tore. Es war der erste Hattrick eines Bayer-Profis nach 19 Jahren. Zuletzt war
dies Ulf Kirsten gelungen. „Das war
der größte Moment in meiner Karriere“, sagte der Finne nach dem 3:1 gegen
den HSV auf Englisch und fügte an: „I
had a good finish.“
ment meiner Karriere. Ich genieße es
jetzt“, sagte Pohjanpalo nach seinem
Hattrick. Die Fans von Bayer waren so
begeistert von der Vorstellung des Stürmers, dass ihn der „Capo“ (Vorsänger)
nach dem Abpfiff auf den Zaun bat, um
gemeinsam das 3:1 zu feiern.
Obwohl er allen Grund dazu hätte,
nun Ansprüche auf einen Platz in der
Startelf anzumelden, bleibt der gefeierte Leverkusener Held bescheiden. „Ich
bin gut genug für die Bundesliga“, sagte
er lediglich. Trainer Schmidt attestierte
ihm eine fantastische Leistung, ließ
aber offen, ob er am Mittwoch zum Auftakt in der Champions League gegen
ZSKA Moskau auf Pohjanpalo in der Anfangself setzen wird. „Das müssen wir
jetzt nicht entscheiden“, sagte Schmidt.
So sehr sich der Trainer über die Treffsicherheit seines Stürmers freut, so
sehr ärgert er sich über Karim Bellarabis Ausfall. Der Nationalspieler hatte
nach nur zwei Minuten ausgewechselt
werden müssen. Eine MRT-Untersuchung gestern ergab einen Muskelbündelriss mit Sehnenbeteiligung im Bereich der rechten Adduktoren. Bellarabi
fällt mehrere Wochen aus.
LAGA
Der Angreifer, der am Dienstag 22
Jahre alt wird, liefert nach nur zwei
Spieltagen eine Geschichte, die derzeit
ihresgleichen sucht. Denn kaum einer in
Leverkusen hatte noch damit gerechnet, dass der Finne, den sie 2013 von
HJK Helsinki geholt hatten, in der Bundesliga Eindruck hinterlassen könnte.
Als ihn die Werkself vor drei Jahren unter Vertrag nahm, reichte sie Pohjanpalo auf Leihbasis für ein Jahr an den VfR
Aalen weiter, damit er dort Spielpraxis
sammelt. 2014 ging die Reise weiter zum
Zweitligaverein Fortuna Düsseldorf, wo
er in der vergangenen Saison lediglich
zwei Tore erzielte. „Wir haben schon
überlegt, ihn nochmals auszuleihen“,
berichtete Bayer-Sportchef Rudi Völler.
Doch der Plan wurde verworfen. Weil
sich der etatmäßige Angreifer Stefan
Kießling in der Vorbereitung verletzte,
durfte Pohjanpalo im Trainingslager in
Zell am See in Österreich vorspielen. Er
trainierte gut und konnte Trainer Roger
Schmidt überzeugen, dass es sich lohnt,
auf ihn zu setzen. „Als die Fans in der
Kurve meinen Namen riefen, bekam ich
Gänsehaut. Mein Spitzname ,Danger‘
passte heute. Das war der größte Mo-
D
Schär 5
Baumann 5
Tore: 1:0, 2:0 De Blasis (3., 23.), 3:0 Cordoba (27.),
3:1 Wagner (39.), 4:1 Öztunali (43.), 4:2, 4:3 Uth (71.,
72.), 4:4 Szalai (84.). Ausw.: Brosinski (61.) für De
Blasis, Clemens (73.) für Öztunali, Onisiwo (79.) für
Cordoba. – Uth 2 (36.) für Schär, Kaderabek 3 (46.)
für Toljan, Szalai (64.) für Polanski.
ip wollen sie sein. Und viel
mehr zu ihrer Stadt passen. Wie
bestrebt sie bei Hertha BSC
diesbezüglich sind, ist in Berlin nicht zu
übersehen. An vielen markanten Stellen
prangt das Leitmotiv „We try. We fail.
We win.“, das sich die renommierte
Werbeagentur Jung van Matt für den
Bundesligisten ausgedacht hat.
„Versuchen, scheitern, gewinnen“
lautet also das Motto, mit dem es die
Hertha mal wieder versucht, mehr Zuspruch zu finden. In einer Stadt, die so
viel Abwechslung zu bieten hat, dass
man schon besondere Akzente setzen
muss, um sich abzuheben, aufzufallen.
Umso mehr dürfte es da die klugen
Köpfe bei Hertha freuen, dass die
Mannschaft derzeit beeindruckt. Auf
das 2:1 gegen den SC Freiburg ließ der
Klub ein 2:0 in Ingolstadt folgen. Damit
landete Hertha den ersten Sechs-Punkte-Start in seiner Bundesliga-Geschichte. Und einen großen Verdienst daran
hat Vedad Ibisevic.
Im Juli 2015 vom VfB Stuttgart gekommen, ist er inzwischen der große
Anführer in Berliner. Er strafte alle Kritiker, die es ihm nicht mehr zugetraut
hatten, noch einmal Akzente bei einem
Klub und in der Liga zu setzen. In 26
Ligaspielen gelangen ihm zehn Tore
und vier Torvorlagen. Ibisevic stieg zu
einem der wertvollsten Spieler im Kader auf. Er wurde sportlich wichtig –
und auch als Führungsfigur. Letzteres
hatte die Absetzung von Kapitän Fabian
Lustenberger und die Beförderung von
Ibisevic zur Konsequenz.
In Ingolstadt dauerte es acht Minuten, da nutzte Ibisevic die erste Chance
für Hertha. Kurz vor Schluss traf Julian
ELFMETER DES TAGES
Feinfühliger Anhang
Kapitän und Kämpfer: Vedad Ibisevic (r.)
ist Herthas Erfolgsgarant
Freiburgs Fans ermutigen Nils Petersen lautstark, zum Strafstoß anzutreten
D
ass sie besonders sind, stellte
sich erst vor wenigen Wochen
wieder heraus. Einem Ranking
des Karrierenetzwerks Xing zufolge
sind die Anhänger des SC Freiburg die
klügsten in Deutschland. Xing hatte die
Angaben von mehr als 45.000 seiner 10,5
Millionen Mitgliederprofile im deutschsprachigen Raum nach Fangruppenzugehörigkeit ausgewertet.
Am Samstag, als Aufsteiger Freiburg
daheim gegen Borussia Mönchengladbach spielte, bewies der intelligente Anhang aus dem Breisgau ein besonderes
Gespür für die Situation. Zwei Minuten
waren noch zu spielen, als es Elfmeter
für die Gastgeber gab. Es wurde laut im
Stadion. Die Fans riefen den Namen eines Spielers, den von Nils Petersen.
Den Namen jenes Angreifers, der am
20. August im Fußballfinale der Olympi-
schen Spiele zwischen Deutschland und
Brasilien als letzter Elfmeterschütze
der Deutschen angetreten war und verschossen hatte. Brasilien setzte sich am
Ende 5:4 im Elfmeterschießen durch –
und Petersen war der große Pechvogel.
21 Tage später aber wurde der 27-Jährige lauthals ermutigt, wieder zum Elfmeter anzutreten. Es war eine bemerkenswerte Geste in einem Spiel, in dem
Mönchengladbach zwar in Führung gegangen war, dann aber gegen starke
Gastgeber keinen Stich mehr sah. Auf
die zwei Treffer von Maximilian Philipp
folgte das Elfmetertor von Petersen, der
den Ball mit einem platzierten Schuss
ins Tor beförderte.
„Wir haben Gladbach wehgetan. Das
musst du tun, wenn du überleben willst.
Das hat denen nicht gefallen, das hat
man gemerkt“, sagte Petersen nach dem
Spiel. Er lächelte und wirkte – verständlicherweise – nicht so niedergeschlagen
wie in der Nacht nach dem verlorenen
Finale im Maracana-Stadion. „Am Ende
ging es ins Elfmeterschießen, wo es immer einen Dummen gibt. Der Dumme
bin heute ich. Das tut weh, das ist
schwer für das Fußballerherz. Die Kunst
wird es sein, jetzt wieder aufzustehen.
Das werde ich tun“, sagte er damals.
Gegen Borussia Mönchengladbach ist
ihm das eindrucksvoll gelungen. Auch
dank der Fans und ihres Feingefühls.
Christian Streich, der Coach, lobte nach
dem Abpfiff die Leistung seiner Mannschaft. „Das war eine sehr starke Willensleistung. Zwischendrin haben wir
immer Fußball gespielt. Ich bin auch
überrascht. Ich hätte nicht gedacht,
dass wir so ein Spiel gegen Gladbach
machen können.“
LAGA
Sp
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u
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Tore
Df
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Tore
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2
2
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8:0
8
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4:1
3
6
1
0
0
2:1
3
1
0
0
2:0
3
3. 1. FC Köln
3. VfL Wolfsburg
5. RB Leipzig
2
2
2
1
1
1
1
1
1
0
0
0
2
2:0
2
2:0
1
3:2
4
4
4
1
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0
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0:0
1:0
3
1
3
0
1
0
1
0
1
0:0
0
2:0
0
2:2
0
1
3
1
6. Bayer 04 Leverkusen
2
1
0
1
4:3
1
3
1
0
0
3:1
3
0
0
1
1:2
0
6. SC Freiburg
2
1
0
1
4:3
1
3
1
0
0
3:1
3
0
0
1
1:2
0
8. Borussia Dortmund
2
1
0
1
2:2
0
3
1
0
0
2:1
3
0
0
1
0:1
0
9. Eintracht Frankfurt
2
2
1
1
0
0
1
1
0
1:1
-1
3:4
3
3
3
1
1
0
0
0
0
0
0
1
1:0
2:1
0:2
3
3
0
0
0
1
0
0
0
0:1
1
1:3
1
2:1
0
0
0
3
2:3
-1
12. SV Darmstadt 98
2
1
0
1
1:2
-1
3
1
0
0
1:0
3
0
0
1
0:2
0
13. 1899 Hoffenheim
2
0
2
0
6:6
0
2
0
1
0
2:2
1
0
1
0
4:4
1
11. FC Augsburg
14. 1. FSV Mainz 05
15. Hamburger SV
16. FC Ingolstadt
2
2
2
2
1
0
0
0
0
1
1
1
1
1
1
1
-1
5:6
-2
2:4
-2
1:3
1
1
1
0
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0
1
1
0
0
0
1
4:4
1:1
0:2
1
1
0
0
0
0
0
0
1
Schieber wie schon gegen Freiburg als
Joker (86.). „2:0 hört sich easy an, aber
so war es nicht“, sagte Ibisevic und befand: „Wichtig ist, dass die Mannschaft
gut in die Saison gestartet ist.“ Die Sache mit der verpassten Teilnahme an
der Europa League, ergänzte er, sei abgehakt. Ibisevic, der am Sonntag beim
Training wegen einer Wadenblessur
fehlte, meinte gar: „Vielleicht wäre das
auch zu viel für die Mannschaft.“
Gut möglich, ohne die Doppelbelastung könnte Hertha für eine positive
Bundesligarunde sorgen. Wie fähig und
begabt die Mannschaft ist, bewies sie in
der vergangenen Saison, insbesondere
in der Hinrunde. Am Ende landete Hertha auf Platz sieben. „Wir sollten nicht
alle gleich wieder über die Champions
League reden und realistisch bleiben“,
mahnte Trainer Pal Dardai. Wohl wissend, dass Hertha BSC für die Anerkennung sportliche Erfolge braucht. LAGA
Zweite Liga, 4. Spieltag
auswärts
zu Hause
gesamt
1. Bayern München
2. Hertha BSC
10. Bor. Mönchengladbach
D
D
D
Bicakcic 3
Gefahr im Verzug
Bundesliga
Lössl 5
Bell 2 Balogun 3 Bussmann 3
Gbamin 3
D
Öztunali 2
JOKER DES TAGES
4:4 (4:1)
D
D
Donati 2
Freitag, 16. September, 20.30 Uhr
1. FC Köln – SC Freiburg
Sonntag, 18. September, 15.30 Uhr
Borussia Mönchengladbach – Werder Bremen
Bobadilla 5
Hitz 3
Nächster Spieltag
Samstag, 17. September, 15.30 Uhr
Bayern München – Ingolstadt 04
Borussia Dortmund – Darmstadt 98
Hamburger SV – RB Leipzig
1899 Hoffenheim – VfL Wolfsburg
Eintracht Frankfurt – Bayer Leverkusen
Samstag, 17. September, 18.30 Uhr
Borussia Mönchengladbach – Werder Bremen
D
Kohr 5
D
D
Torjägerliste der Bundesliga
Guerreiro (71.) für Götze, Ramos (85.)
1. Robert Lewandowski (Bay. München) ..........4 Tore
für Aubameyang.
Joel Pohjanpalo (Bayer Leverkusen).......................4
Schiedsrichter:
Stark
(Ergolding).
3. Pierre-E.
Aubameyang
(Borussia
Dortmund) .....2
Zuschauer:
42 959
Maximilian
Philipp
(SC(ausverkauft).
Freiburg)..............................2
Julian Schieber (Hertha BSC) ...................................2
Bobby Wood (Hamburger SV) ..................................2
7. Vedad Ibisevic (Hertha BSC).......................................1
Joshua Kimmich (Bayern München)........................1
Philipp Lahm (Bayern München)...............................1
Franck Ribery (Bayern München) .............................1
Alexander Meier (Eintracht Frankfurt)...................1
Anthony Modeste (1. FC Köln) ...................................1
D
Koo 4
D
Baier 1
D
D Verhaegh 3
Stafylidis 3 D
Hinteregger 4 Gouweleeuw 3
Bürki 3
Sonntag, 18. September, 17.30 Uhr
Hertha BSC – Schalke 04
D
Bartels 4
DD
Johannsson
Johannsson33
Aubameyang
4
D
Schürrle 3
D
D
Gnabry 3 Fritz 4 Junuzovic 3
Poulsen 3
Götze 3
D
D
D
D
D
Sane 4 Caldirola 5
Bauer 5
Gebre Selassie 4
D
Grillitsch 4
D
D
D
D
Rode 4
Tore:0:1
0:1 Hazard
Hazard (35.),
1:11:1
Philipp
(54.),
2:1 Philipp
Tore:
(35.),
Philipp
(54.),
2:1
(85.), 3:1 Petersen (88., Foulelfmeter).
Philipp
(85.), 3:1 Petersen (88., FoulAuswechslungen: Haberer (68.) für Frantz, Peterelfmeter).
sen (82.) für Niederlechner, Abrashi (89.) für Grifo. –
Auswechslungen:
Freiburg:
Haberer
Vestergaard (70.) für
Hazard, Hahn
(70.) (68.)
für
für
Frantz,
Petersen
(82.)
für Niederlechner,
Raffael,
Herrmann
(78.)
für Elvedi.
Abrashi (89.) für Grifo.
Gladbach: Vestergaard (70.) für Hazard,
Bremen
– Augsburg
1:2für
(1:0)
Hahn
(70.) für
Raffael, Herrmann (78.)
Elvedi. Schiedsrichter:DOsmers (Hannover).
Wiedwald 5
Zuschauer: 24 000.
D
D
Sabitzer 4
D
Elvedi 3
Sommer 4
Hatira
Frankfurt: Vallejo 3 (8.) für Varela,
Blum (65.) für Hrgota, Seferovic (89.)
Leipzig
Dortmund
1:0
(0:0)
Leipzig
––Dortmund
1:0
(0:0)
für Meier.
Schiedsrichter: Zwayer (Berlin).
D
Zuschauer: 17 000
(ausverkauft).
Gulacsi
3
Werner 3
D
Christensen 3
Hradecky 3
D
Strobl 3
D
D
Jantschke 3
D
Tor:Tor:
1:0 Sirigu
(90.).(90.).
1:0 Sirigu
Auswechslungen:
Kleinheister
(67.) für KleinBezjak,
Auswechslungen:
Darmstadt:
Guwara (70.) für Niemeyer, Sirigu (87.) für Benheister (67.) für Bezjak, Guwara (70.)
Hatira. – Vallejo 3 (8.) für Varela, Blum (65.) für
für Niemeyer,
Sirigu
Hrgota,
Seferovic (89.)
für (87.)
Meier.für Ben-
Kaiser 3
D
Traore 3
D
Kramer 2
D
Varela D
D
Abraham 4 Chandler 3
D
D
Raffael 4 Hazard 2
D
D
D
Niederlechner 3
D
Hrgota 4
Mascarell 3
D
Oczipka 2
Grifo 3
Frantz 4
Philipp 2
D
D
D
Bulut 4
Bezjak 3 D
Schipplock 4
D
D
D
Höfler 3
D
Heller 4
D Meier 4
Gacinovic 2
D
Stenzel 3 Gulde 3 Söyüncü 2 Günter 3
Gondorf 3
D
Ben-Hatira 4
Joel Pohjanpalo
führt nun gemeinsam mit Robert
Lewandowski die
Torschützenliste der
Bundesliga an
Mehmedi, Jedvaj (88.) für Wendell.
D
D
H
Müller 4
D
Hunt 4
D
Tore:
0:1 Lewandowski
(81.), 0:2
Kimmich
(90.+2).
Tore:
0:1 Lewandowski
(81.),
0:2 KimAuswechslungen: Embolo 3 (55.) für Konopljanka,
mich (90.+2).
Meyer (67.) für Huntelaar, Kolasinac (86.) für
Auswechslungen:
Schalke:
Embolo
3 für
Stambouli.
– Vidal (61.) für
Alaba, Douglas
(61.)
(55.)
für Konopljanka,
Meyer (67.) für
Ribéry,
Kimmich
(71.) für Sanches.
Ribéry.
D (Berlin).
Schiedsrichter: Gräfe
Casteels 2
Zuschauer: 62D271.
D
Erster Sechs-Punkte-Start
in der Liga-Geschichte
D
Gregoritsch 2
D
Holtby 4
D
D
Wood 3
D
Alonso 4
D
Kampl 3
D Mehmedi 4
D Calhanoglu 4
Chicharito 3
D
Müller 4
D
D
Sanches 4
Bender 3
D
D
D
Bellarabi -
D
Lewandowski 2
Ribéry 3
D
Toprak 3 Wendell 3
D
Stambouli 3 Bentaleb 2
D
Konopljanka 4
D
Henrichs 3 Tah 3
D
D
BONGARTS/GETTY IMAGES/LARS BARON
D
D
Ibisevic hilft
bei Herthas
Imagekorrektur
Leverkusen
3:1
(0:0)
Leverkusen––Hamburg
Hamburg
3:1
(0:0)
D
Fährmann 3
BONGARTS/GETTY IMAGES/MICHA WILL
Schalke
––München
Schalke
München
MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016
1
1
0
1:2
1:3
1:1
0
0
1
17. Schalke 04
2
0
0
2
0:3
-3
0
0
0
1
0:2
0
0
0
1
0:1
0
18. Werder Bremen
2
0
0
2
1:8
-7
0
0
0
1
1:2
0
0
0
1
0:6
0
Stuttgart – Heidenheim............................ 1:2 (0:0)
Aue – Braunschweig ................................... 0:2 (0:1)
Würzburg – Bochum .................................. 2:0 (0:0)
St. Pauli – Bielefeld ..................................... 2:1 (1:0)
Union Berlin – Karlsruhe ............................ 4:0 (2:0)
Hannover – Dresden ................................... 0:2 (0:1)
Sandhausen – Kaiserslautern.................. 2:0 (1:0)
Düsseldorf – Greuther Fürth ................... 1:1 (0:1)
Nürnberg – 1860 München................... Mo., 20.15
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
Eintr. Braunschweig
Dynamo Dresden
Hannover 96
Würzburger Kickers
1. FC Heidenheim
SpVgg Greuther Fürth
Fortuna Düsseldorf
VfB Stuttgart
1. FC Union Berlin
VfL Bochum
1860 München
SV Sandhausen
Erzgebirge Aue
FC St. Pauli
Karlsruher SC
Arminia Bielefeld
1. FC Nürnberg
1. FC Kaiserslautern
4
4
4
4
4
4
4
4
4
4
3
4
4
4
4
4
3
4
12:2
6:3
8:4
6:4
5:4
6:6
4:3
5:5
11:8
4:5
1:1
5:6
4:6
3:6
1:5
5:7
3:8
1:7
12
8
7
7
7
7
6
6
5
5
4
4
3
3
3
2
2
2
Dritte Liga, 6. Spieltag
Aalen – Rostock ............................................ 1:1 (1:0)
Halle – Preußen Münster........................... 2:1 (2:1)
Osnabrück – W. Wiesbaden .................... 1:0 (1:0)
Köln – Chemnitz .......................................... 1:0 (1:0)
Sportfr. Lotte – Regensburg.................... 3:2 (1:2)
FSV Frankfurt – Großaspach .................. 1:3 (1:1)
Mainz II – Magdeburg ................................ 1:0 (1:0)
Duisburg – Bremen II .................................. 1:0 (1:0)
Paderborn – Kiel .......................................... 1:3 (0:1)
Zwickau – Erfurt ..........................................1:2 (1:2)
14
10:3
6
1. MSV Duisburg
12
8:4
6
2. VfR Aalen
12
7:6
6
3. Fortuna Köln
11
11:5
6
4. Sonnenhof Großaspach
11
10:7
6
5. Sportfreunde Lotte
11
8:6
6
6. Rot-Weiß Erfurt
11
10:9
6
7. Osnabrück
10
10:5
6
8. Holstein Kiel
10
11:9
6
9. Jahn Regensburg
8
6:7
6
10. Hallescher FC
7
8:5
6
11. Wehen Wiesbaden
7
3:4
6
12. Hansa Rostock
6
5:6
6
13. Chemnitzer FC
6
7:11
6
14. SC Paderborn
6
7:12
6
15. Werder Bremen II
5
6:11
6
16. FSV Zwickau
5
6:12
6
17. 1. FSV Mainz 05 II
4
6:9
6
18. 1. FC Magdeburg
4
3:7
6
19. Preußen Münster
3
5:9
6
20. FSV Frankfurt
+
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DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd
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22 SPORT
* DIE WELT
Golowkin
schlägt Gegner
krankenhausreif
Kasache untermauert
seinen Ruf als K.o.-Maschine
Am Ende einer langen REISE
O
b der Bundespräsident
tatsächlich aufgestanden
ist oder aber ein vorbereitetes Glückwunschtelegramm nur aus dem
Speicher des PC holen ließ, bleibt ungewiss. Es ist auch egal. Tatsache ist, dass
selbst der höchste Repräsentant aller
Deutschen unbedingt Angelique Kerber
nach der Krönung ihrer erfolgreichsten
Tenniswoche gratulieren wollte. Womöglich war er sogar der erste aus der
Heimat. Sein Schreiben erreichte die
neue Weltranglistenerste nur wenige
Minuten nach ihrem ersten Triumph
bei den US Open in New York.
Angelique Kerber
gewinnt die US Open
und krönt eine
fantastische Saison.
Dabei wollte sie vor
fünf Jahren noch mit
dem Tennisspielen
aufhören
VON TUNNEY HUNSAKER
„Spiel, Satz und Sieg: Mit Ihnen freuen sich heute viele Menschen in
Deutschland über Ihren großen Erfolg“,
hieß es im Schreiben des Bundespräsidialamtes kurz nach Mitternacht. „Mit
Ihren Spielen – sei es bei den Australian
Open, in Wimbledon oder bei den
Olympischen Spielen – begeistern Sie
die Tennisfreunde und haben sicher
auch viele neu für diesen traditionsreichen Sport gewinnen können.“
Bevor jedoch die Gedanken in die Zukunft gerichtet werden, gilt es, den
denkwürdigen Augenblick noch ein wenig zu genießen. Schließlich musste
hierzulande zwei Jahrzehnte gewartet
werden, bis wieder eine Spielerin den
DPA/JUSTIN LANE
ie lange wird es diesmal dauern, bis sein Rivale auf den
Brettern liegt? Wann immer
Gennadi Golowkin, 34, in den Boxring
steigt, stellt sich die gleiche Frage. Dass
der einst für den Hamburger Universum-Boxstall aktive Mittelgewichtler
seinen Gegner besiegt, daran wird nie
gezweifelt. Spannend ist bislang immer
nur gewesen, wann die K.o.-Maschine
den finalen Schlag landen wird.
Am Samstagabend in Londons größter Arena kam das Ende für Golowkins
Herausforderer in Runde fünf nach 1:57
Minuten. Der Trainer von Kell Brook
warf das Handtuch. Golowkin hatte den
30 Jahre alten Engländer krankenhausreif geprügelt. Mit seinen Powerschlägen zerschmetterte er Brooks rechte
Augenhöhle. Der Verlierer musste operiert werden.
Für Golowkin, der zum 17. Mal in Folge seinen Weltmeistertitel verteidigte,
war es der 23. K.o.-Sieg in Serie. Von seinen insgesamt 36 Duellen gingen nur
drei über die volle Distanz von zwölf
Runden, das letzte Mal vor acht Jahren.
Mit seiner K.o.-Prozentrate von 91,7 ist
der Titelträger des World Boxing Councils (WBC), der World Boxing Association (WBA) und der International Boxing
Federation (IBF) nicht nur in seiner Gewichtsklasse einsame Spitze.
„Ich möchte ein Drama bieten“, versprach der Champion aus Kasachstan
im Vorfeld. Er hielt Wort. Ihn boxen zu
sehen, war wieder eine Augenweide. Er
kann einfach alles. So einen technisch
versierten und obendrein kompromisslosen, aggressiven Preisboxer hat die
Welt lange nicht erlebt. Dabei war
Brook keinesfalls ein Unbekannter.
Auch er hatte noch nicht verloren (36
Kämpfe) und versuchte sein Glück als
Weltmeister. Allerdings hält er den IBFTitel im etwas leichteren Weltergewicht.
Wer nun ist Golowkins nächster Herausforderer, besser gesagt: nächstes
Opfer? Die Titel der vier wichtigsten
Weltverbände zu vereinigen, besitzt für
ihn oberste Priorität. Der Gürtel, der
ihm noch fehlt, ist der der World Boxing
Organization (WBO). Ihn besitzt Billy
Joe Saunders, 27. Der Engländer ist in 23
Kämpfen unbesiegt, zeigt sich bislang
auch trotz eines sehr verführerischen
Millionenangebots nicht willens, mit
Golowkin in den Ring zu steigen.
Der vermeintlich Unbesiegbare buhlt
aber auch schon seit Monaten vergeblich um ein Duell mit dem Mexikaner
Saul Alvarez, 26. Es wäre der Megafight
schlechthin. Börsen in zweistelliger Millionenhöhe wären beiden Kämpfern garantiert. Mit Alvarez ließen sich Stadien
füllen, versichert Tom Löffler, Golowkins Promoter. Der Weltmeister im
Halbmittelgewicht gilt gewichtsklassenübergreifend neben Golowkin als bester
Kämpfer seiner Zunft. Aber auch der Latino kneift noch. „Ich bin offen für jeden“, sagt Golowkin schon seit Jahren.
Die Frage aber ist: Wer möchte ihn? gm
Angelique Kerber küsst nach dem 6:3,
4:6, 6:4 im Finale der US Open gegen die Tschechin Karolina Pliskova
stolz den Siegerpokal
legendären Center Court im Arthur Ashe Stadium als Siegerin verließ. Kerbers
großes Vorbild Steffi Graf war 1996 die
Erste und zugleich Letzte.
Die Uhrzeiger standen in Flushing
Meadows, gelegen im nördlichen New
Yorker Stadtteil Queens, am Samstag
auf 18.26 Uhr, in Deutschland war der
Sonntag gerade einmal 26 Minute alt,
als Angelique Kerber die ganze Welt vor
Glückseligkeit hätte umarmen können.
Soeben hatte sie im Finale gegen Karolina Pliskova ihren erste Matchball zum
6:3, 4:6, 6:4 verwandelt. 20.000 Zuschauern erhoben sich von ihren Plätzen, applaudierten frenetisch der Gewinnerin des letzten Major-Turniers
des Jahres. Die Kielerin hatte sich nicht
nur in ihre Herzen gespielt, sondern
sich selbst einen lang ersehnten Herzenswunsch erfüllt.
Die blonden Haare fielen ihr offen
über die Schulter, die Halskette von Tiffany's glitzerte im Scheinwerferlicht, als
Kerber in der Pressekonferenz immer
wieder lächelnd die vor ihr postierte silberne Henkeltrophäe betrachtete. Für
sie schloss sich an dem schwülen Spätsommerabend ein Kreis. Und das passenderweise auf der größten aller Tennisbühnen. Unter den Blicken etlicher
Hollywoodstars wie Hillary Swank und
dem gleißenden Flutlicht vollendete sie
eine sportliche Zeitreise durch Höhen
und Tiefen, die vor fünf Jahren genau an
diesem Ort begonnen hatte.
AFP/ELSA
W
Ausgangspunkt war ein Tag im Sommer 2011. Kerber saß völlig verzweifelt
im polnischen Puszczykowo bei Oma
Maria in der Küche, als sie nach acht
Jahren auf der Profitour mit dem Tennisspielen aufhören wollte. Elf Auftaktniederlagen in der ersten Saisonhälfte
des Jahres ließen sie auf Platz 100 in der
Weltrangliste abstürzen, woraufhin sie
sich die Sinnfrage stellte: „Soll ich alles
hinzuschmeißen und vielleicht eine
Ausbildung als Physiotherapeutin beginnen – oder neu anfangen und nochmals alles versuchen?“
Nach gutem Zureden von Mutter
Beata und Oma Maria entschied sie sich
für einen letzten Versuch, ihren Kindheitstraum doch noch wahr werden zu
lassen. „Schon als 15-Jährige hat Angie
im Leistungstraining auf einem Bogen
ausgefüllt, dass es ihr Ziel ist, die Nummer eins zu werden – es war ganz klar
definiert, ohne Wenn und Aber“, erzählte Bundestrainerin Barbara Rittner, die
Kerber seit Jugendtagen kennt.
Doch Kerbers Durchbruch ließ auf
sich warten. Auch, weil sie trotz ihres
Talents körperlich nicht fit war. Zudem
stand sie sich oft selbst im Weg, wie sie
ohne Umschweife zugibt. Sie haderte,
zauderte, kämpfte immer auch gegen
Zweifler und Skeptiker und machte ihrem Ruf als „Trotzkopf“ alle Ehre: „Ich
war irgendwie zerrissen.“
Das aber sollte sich gravierend ändern. Von ihrer Freundin und Fed-Cup-
MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016
Kollegin Andrea Petkovic in die
„Schüttler Waske Tennis-University“
nach Offenbach gelotst, schuftete sie
sie wochenlang wie „noch nie in meinem Leben“. Der Lohn folgte postwendend. Beim WTA-Turnier im August
2011 in Dallas trotzte sie dank ihrer Physis den Temperaturen von 40 Grad und
scheiterte als Qualifikantin erst im
Halbfinale.
Zwei Wochen später begann mit den
US Open und dem sensationellen Einzug ins Semifinale als Nummer 92 der
Welt ihre märchenhafte Wandlung über
eine konstante Top-Ten-Spielerin mit
dem Hang zur Nervenschwäche und
Niederlagen in engen Situationen hin
zur körperlich fittesten und mental abgezocktesten Spielerin auf der Tour. Ihre fantastische Reise, mit den Zwischenstationen Australian-Open-Titel
und Wimbledonfinale, erreichte jetzt
ihren vorläufigen Höhepunkt.
„Es sollte wohl so sein, dass ich mit
28 Jahren mein bestes Tennis spiele
und nicht schon mit 18“, sagte die neue
Tennis-Queen spürbar erleichtert.
„Ich wollte immer Grand Slams holen,
jetzt habe ich zwei in einem Jahr geholt. Das kann mir keiner mehr nehmen. Ich weiß, ich gehöre da jetzt
wirklich hin.“
Vier Stunden nach ihrem überwältigenden Erfolg gönnte sich Kerber endlich ein halbes Glas Champagner. Als sie
ihre Auftritte im Fernsehstudio überstanden und den Interview-Marathon
absolviert hatte, kam sie zu ihrem Trainer und ihrer Mutter in den ansonsten
menschenleeren Spielergarten. „Angie,
Angie“, intonierte ihr Coach Torben
Beltz, fiel ihr um den Hals und drückte
ihr den Schampus in die Hand.
Nachdem sich die Bejubelte schon
zwei Tage vorher zur ersten deutschen
Nummer eins seit Steffi Graf vor 19 Jahren gekrönt hatte, ließen auch die
Glückwünsche aus Las Vegas nicht lange auf sich warten. „Klasse erarbeitet,
gekämpft und Nervenstärke bewiesen!“,
schrieb die „Gräfin“ auf Facebook. „SUPER Angie!!!“ Dem Deutschen Tennis
Bund (DTB) sagte sie am Sonntag: „Es
ist wirklich ein Traum, wie gut Angie
während des gesamten Turniers und
jetzt im Finale in Flushing Meadows gespielt hat.“ Im Frühjahr hatte Kerber
mit Graf und dessen Ehemann André
Agassi in Las Vegas trainiert.
„Angelique im Paradies. Zäh, elegant,
unbesiegbar. Eine neue Ära im Damentennis hat begonnen“, schwelgte die
„Gazzetta dello Sport“. Die Italiener
könnten Recht haben. Kerber ist mit ihren 28 Jahren im besten Tennisalter –
und blieb bislang von langwierigen Verletzungen verschont. Die bisherige
Branchenführerin Serena Williams
(USA) wird in wenigen Tagen 35 Jahre
alt. Und eine weitere große Rivalin, die
Weißrussin Wiktoria Asarenka, fällt wegen ihrer Schwangerschaft mindestens
noch eine Saison aus.
Stolz und befreit wirkte die Championesse, als sie sich gegen halb elf am
Abend endlich bei ihrem Team ein klein
wenig entspannen und zur Ruhe kommen konnte. Ein bisschen Rotwein
stand herum, in Alufolie eingepackte
belegte Brote lagen auf dem Tisch. Doch
viel Zeit gönnte sie sich nicht, da noch
ein Sponsorentermin anstand. Außerdem wollte sie „unbedingt etwas Richtiges essen“, bevor sie mit einem Barbesuch in Manhattan richtig feiern wollte.
„Ich habe festgestellt, dass viel mehr möglich ist, als man denkt“
A
ls Franziska Liebhardt vor sieben
Jahren das Krankenhaus verließ,
hatte sie eine Spenderlunge und
neuen Lebensmut. Wie es denn mit
Sport aussehe, fragte die frühere Regionalliga-Volleyballerin ihre Ärzte. Die damals 27-Jährige wollte einfach wieder fit
werden, ihrem Körper und der Seele etwas Gutes tun. Ein bisschen Bewegung,
sagten die Ärzte, könne sie machen, aber
Leistungssport sei nicht mehr möglich.
Sie irrten sich.
VON MELANIE HAACK
Jetzt wartet Liebhardt in Rio de
Janeiro auf ihre Premiere bei den Paralympics. Im Kugelstoßen tritt sie Dienstag sogar als Weltrekordhalterin ihrer
Klasse an und will um Gold kämpfen. Einen Tag später startet sie im Weitsprung. Dabei hat Liebhardt gleich mehrere Handicaps. Die 34-Jährige leidet an
einer systemischen Autoimmunerkrankung, bei der verschiedene Organe beeinträchtigt sind, lebt neben der Spenderlunge auch mit einer Spenderniere.
Seit einem Schlaganfall ist ihre rechte
Körperhälfte zudem teils spastisch gelähmt. Dass sportliche Höchstleistungen nach einer Transplantation möglich
sind, hatten ihre Ärzte nicht für möglich
gehalten. Doch von Zweifeln und Angst
lässt sich Liebhardt nicht leiten. „Ich habe festgestellt, dass viel mehr möglich
ist, als man denkt“, sagt sie.
Grenzen verschieben – das möchte sie
jetzt auch in Rio de Janeiro. In den paralympischen Spitzensport hineinzurutschen, war allerdings nie ihr Ziel gewesen. „Es hat sich einfach entwickelt“,
sagt die Leverkusenerin immer noch etwas ungläubig. Vor zwei Jahren hatte sie
sich dann das Ziel gesetzt, in Rio dabei
zu sein, seit Ende 2014 ist sie nun von ihrem Beruf als Kinder-Physiotherapeutin
freigestellt und kann sich vollkommen
auf den Sport konzentrieren. Es folgten
EM- und WM-Medaillen.
Hinter
dieser
Erfolgsgeschichte
steckt eine ehemalige Weltmeisterin:
Liebhardt trainiert bei Steffi Nerius. Die
44-Jährige gewann 2004 Olympia-Silber
und 2009 WM-Gold im Speerwurf. Heute leitet sie eine Trainingsgruppe in Leverkusen, zu der auch Paralympics-Star
und Weitsprung-Weltrekordhalter Markus Rehm gehört. „Steffi hat Behindertensport studiert, ist vom Fach“, sagt
Liebhardt. „Und sie hat ihre eigenen
sportlichen Erfahrungen, weiß, wie es
sich anfühlt, wie der Druck ist, was in
uns vorgeht.“ Für Liebhardt ist das besonders wichtig, schließlich sind die
Spiele in Rio ihre ersten. Das Spektakel
2012 in London, als die Paralympics in
Sachen Organisation und Zuschauerinteresse in ungeahnte Dimensionen vorstießen und den Olympischen Spielen
zuvor in nichts nachstanden, hatte sie
noch im Fernsehen verfolgt. „Wir müssen uns dessen bewusst sein, dass die
Spiele in London etwas ganz Besonderes
waren – gerade für die Behindertensportler. Ich glaube, besser geht es
nicht“, sagt sie.
Bei ihrer Paralympics-Premiere am
Dienstag (23.15 Uhr MESZ) geht es
gleich um alles: Kugelstoßen ist Liebhardts Paradedisziplin, mit 13,82 Metern
hält sie in der Klasse F37 den Weltrekord. „Wenn es sehr gut läuft, ist Gold
möglich“, sagt sie. Am Mittwoch (16.05
Uhr MESZ) tritt sie dann im Weitsprung
an. Durch den Ausschluss russischer
Athleten von den Paralympics fallen in
dieser Disziplin zwei Medaillenkandidaten in ihrer Klasse weg, sodass Liebhardts Podestchancen auch in ihrer Nebendisziplin gestiegen sind.
Dass die Leverkusenerin überhaupt in
Rio starten darf, hat im Grunde nichts
mit ihrer eigentlichen Erkrankung zu
tun, sondern mit den Folgen. Es war im
Jahr 2005, als sich das Leben der jungen
Frau durch die Diagnose einer systemischen Autoimmunerkrankung komplett
veränderte. Seitdem ist nichts mehr, wie
es war. Kein Jahr verging, in dem Liebhardt nicht größere gesundheitliche
Probleme hatte. „Die Erkrankung
schreitet ständig fort, und man kann
nicht wahnsinnig viel dagegen tun“, erzählt sie. Die Medikamente helfen, aber
sie heilen nicht. „Ich merke, dass sich
peu à peu alles verschlechtert“, sagt sie.
Liebhardt hat viele unterschiedliche
gesundheitliche Probleme: Ihre Haut
und ihre Blutgerinnung sind betroffen,
dazu unter anderem Lunge, Niere, Herz
und Speiseröhre. 2009 wurde ihre Situation dann dramatisch: Ihre Lunge versagte. Die Transplantation rette ihr im
letzten Moment das Leben. Drei Jahre
später brauchte sie eine neue Niere und
erhielt eine Lebendspende ihres Vaters.
Zuvor hatte die Blutgerinnungsstörung zu einem Schlaganfall geführt, seitdem ist ihre rechte Körperhälfte teilweise gelähmt. Und genau deshalb darf sie
bei den Paralympics teilnehmen. Denn
alles, was keine klassische Körperbehinderung ist, findet in der Klassifizierung
keine Anerkennung – Liebhardts Organ-
PA/BEAUTIFUL SPORTS/AXEL KOHRING
Franziska Liebhardt leidet an einer systemischen Autoimmunerkrankung, lebt mit einer Spenderlunge und einer Spenderniere. Morgen startet sie bei den Paralympics
Franziska Liebhardt zählt im Weitsprung und Kugelstoßen zur Weltspitze
transplantation sowie ihre Krankheit
spielen keine Rolle. Eine deutliche Einschränkung und ein zusätzliches Handicap sind sie aber gewiss. „Ich kann nicht
so trainieren wie jemand, der eine gesunde Lunge hat, oder jemand, der allgemein internistisch völlig gesund ist“,
sagt sie. Und dennoch gehört sie in der
Klasse F 37 (Athleten mit halbseitiger
spastischer Lähmung) zur Weltspitze.
Wie lange die 34-Jährige den Sport
noch so intensiv betreiben kann, bleibt
jedoch ungewiss. Sie weiß nicht, was
kommt. „Niemand kann voraussagen,
ob ich mit meiner Erkrankung noch 100
Jahre lebe oder in zwei Jahren sterbe“,
sagt sie mit erstaunlich fester Stimme.
Eine Ungewissheit, an der viele zerbrechen würden. Ein ohnmächtiges Gefühl,
das schwer zu ertragen ist. „Ich komme
damit klar“, sagt Liebhardt. Sie kann gegen ihre Erkrankung ankämpfen, aber
sie wird sie nie besiegen. Immer lachen
und fröhlich sein – das geht deshalb
trotz all der Stärke, die sie ausstrahlt,
einfach nicht.
„Es wäre gelogen zu sagen, dass ich
nie Angst hatte“, sagt sie. „Wenn Du auf
einer Intensivstation liegst und nicht
weißt, ob du die nächste Woche überlebst, ist das nicht leicht.“
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DIE WELT
SPORT 23
MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016 *
KOMPAKT
Grimmiger Blick und
muskelbepackte, tätowierte Arme: Marcus
Schneider sieht auf den
ersten Blick nicht aus wie
ein Geistlicher – trotz
Bibel in seinen Händen
MARCUS SIMAITIS (2)
BASKETBALL
D
Marcus Schneider ist der ungewöhnlichste Pastor Deutschlands. Seine Art kommt in der Gemeinde an
VON JULIEN WOLFF
Für viele Menschen sieht Marcus
Schneider auf den ersten Blick wie ein
Rocker aus, wie ein wilder Heavy-MetalMusiker, für manche wie ein Türsteher
eines In-Klubs. Wann immer er das
hört, lacht er. „Wenn man so will, arbeite ich wirklich für einen Klub. Für den
größten Klub, die Gemeinde Gottes“,
sagt er. Marcus Schneider ist Pastor.
Der breiteste Pastor Deutschlands. So
nennt er sich, und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass tatsächlich kein
Geistlicher des Landes muskulöser ist
als er.
Sport – genauer gesagt: Bodybuilding
– ist seine Leidenschaft. Und das hat ihn
bei Jugendlichen zum Star gemacht. Bei
Facebook und bei Instagram folgen ihm
Zehntausende. Junge Menschen aus der
ganzen Republik schauen seine Videos
an: kurze, positive Predigten im
Smartphone-Format, die er regelmäßig
postet. Viele schildern ihm in Nachrichten ihre Probleme.
Und das, obwohl viele seiner Zuschauer gar nicht in die Kirche gehen.
Doch der Prediger mit den Kanonenkugelschultern fasziniert sie. Schneider
findet mit Themen wie dem Sinn des
Lebens einen Zugang zur Generation
Snapchat. Er verzichtet auf seinen
Social-Media-Seiten auf Werbung, stellt
den Jugendlichen stattdessen kostenlose Trainingspläne zur Verfügung: Seelsorge 2.0 von Onlinepastor Schneider.
Einem Pastor, der Punkrock und HipHop liebt. Einem, der neben Bodybuilding auch andere Sportarten in seiner
Gemeindearbeit einsetzt, Fußballcamps
und Selbstverteidigungskurse organisiert, mit Flüchtlingen zu Fußballspielen des Viertligaklubs Wuppertaler SV
geht. „Viele denken, man müsse brav
und beinahe heilig sein, um in die Kirche gehen zu dürfen. Das stimmt nicht.
Meine Message ist: Wenn ein Freak wie
ich Pastor sein kann, dann könnt ihr
auch in den Gottesdienst kommen“,
sagt Schneider lächelnd.
Jeden Sonntag veranstalten er und
seine Kollegen der Gemeinde drei Gottesdienste. Den ersten um 10 Uhr, den
letzten um 18 Uhr. „Für die Schüler und
Studenten, die nach einer langen Samstagnacht gerne ausschlafen“, sagt der
Muskelpastor, der auch beim Predigen
vor der Gemeinde Turnschuhe und TShirts trägt. Wenn er seine Aufgaben in
der Kirche erledigt hat, geht es oft zum
Training in das Classic Gym in Dortmund, ein kleines Hinterhofstudio.
Schulterübungen stehen auf dem Programm, in einem Trägershirt stemmt
Schneider 40 Minuten Eisen.
Mindestens dreimal in der Woche
trainiert er. Bei den Grundübungen
Kniebeugen, Bankdrücken und Kreuzheben stemmt er mehr als das Doppelte
seines Körpergewichts, Schneider wiegt
77 Kilogramm. Seine Kraft hilft ihm in
seinem zweiten Beruf: Er arbeitet in
halber Stelle für die Kirche, in der übrigen Zeit als Dachdecker.
Beinahe hätte er sogar mal an einem
Bodybuilding-Wettkampf
teilgenommen, hatte seinen Körperfettanteil mit
einer strengen Diät bereits enorm gesenkt. Doch der Termin kollidierte
letztlich mit einer Pastorentagung. Als
Bodybuilder auf die Bühne, das ist jetzt
aber kein Ziel mehr für ihn. Er will seinen Sport nutzen, um Jugendliche zu
Dreimal in der Woche trainiert
Marcus Schneider im Fitnessstudio
motivieren und auf die richtige Bahn zu
lenken. Mit Aktionen wie „Pumpen für
den guten Zweck“ sammeln er und sein
Team Spenden. Die Christus Gemeinde
ist eine freie Gemeinde und liegt in
Oberbarmen, einem sozialen Brennpunkt Wuppertals. Die EU und das
Land Nordrhein-Westfalen unterstützen soziale Projekte in dem Bezirk, und
Schneider hat sich vor allem der Jugend
verschrieben.
Er und sein Freund Nils, 34, der einst
in der Zweiten Bundesliga für BG Göttingen Basketball spielte, planen gerade
ein Fitnessstudio, in dem Jugendliche
unter Aufsicht trainieren können. „Viele
Jugendliche vergleichen sich mit professionellen Bodybuildern, die gedopt
sind. Wir sagen ihnen, dass das Quatsch
ist. Uns geht es um das naturale Bodybuilding. Wir wollen ihnen klarmachen,
dass dicke Muskeln und Kraftsport toll
sind und man sie ohne Doping kriegen
kann. Dass sie ein Teil des Lebens sind.
Aber nicht das komplette Leben. Das
Wichtigste ist ein starkes Herz“, erklärt
Schneider.
Als Pastor sei er auch Trainer, auch
Mentor, und mithilfe des Kraftsports
ließen sich Werte wie Disziplin, Wille,
Zuverlässigkeit und Zusammenhalt
wunderbar vermitteln. „Mir liegt daran,
dass Jugendliche wachsen, charakterlich und geistig. Körper und Herz gehören zusammen. Mir geht es vor allem
um die Begegnung“, so Schneider. Er
habe über den Sport schon viele Menschen kennengelernt, mit denen er an-
zum Team. Alexander Zverev (Hamburg) und Dustin Brown (Winsen/
Aller) hatten zuvor mit ihren Absagen
für einige Misstöne gesorgt.
Die deutsche Auswahl hat sich in der
EM-Qualifikation die nächste Blamage
geleistet. Das Team von Bundestrainer
Chris Fleming verlor in Naestved beim
zuvor sieglosen Dänemark nach drei
Verlängerungen mit 102:106 (92:92,
84:84, 73:73, 37:48) und muss nach der
zweiten Niederlage um den Sprung zur
EM 2017 bangen. Drei Tage nach dem
71:75 gegen die Niederlande zeigte sich
die deutsche Mannschaft völlig verunsichert und unterlag den Dänen im
19. Duell erstmals. Auch 26 Punkte von
Danilo Barthel reichten nicht zum fest
eingeplanten Pflichtsieg. Nun geht es
am Mittwoch gegen Österreich und
drei Tage später in den Niederlanden
um den Sprung zum Kontinentalturnier 2017. Zuletzt hat eine deutsche
Nationalmannschaft vor 25 Jahren die
Teilnahme an der EM-Endrunde verpasst.
FORMEL 4
TENNIS
Kohlschreibers Einsatz
im Davis Cup fraglich
Mit Bizeps und Bibel
ie Augen des Totenkopfes
auf seinem rechten Arm
werden größer. Der Mann
mit den vielen Bildern auf
der Haut sitzt auf einer
Bank in der zweiten Reihe, spannt aus
Spaß seinen riesigen Bizeps an, schlägt
die Bibel zu und greift sich einen Proteinshake sowie einen Apfel. „Eine kleine Stärkung mit Kohlenhydraten, und
auf geht’s zum Training“, sagt Marcus
Schneider, 37, und schlendert zum Ausgang des Saals der Christus Gemeinde
in Wuppertal. Er hat weiße Basketballschuhe, zerrissene Jeans und ein
schwarzes Shirt an. Auf seiner Haut
prangt eine Vielzahl Tattoos, er trägt einen langen Bart.
Blamage für deutsche
Nationalmannschaft
schließend tief gehende Gespräche
führte und die sich heute ehrenamtlich
in der Gemeinde engagieren. Gemeinsam haben sie einen Möbelbasar und ein
Flüchtlingscafé ins Leben gerufen.
Kürzlich reiste er zudem nach Thailand,
engagierte sich dort für ein Kinderheim
und organisierte eine Aktion gegen Kinderprostitution. Im Gepäck: fünf Kilogramm Haferflocken. „Die Ernährung
muss halt stimmen“, sagt der Pastor.
Er trainiert seit über 17 Jahren. Früher wog er 50 Kilogramm, aß und trainierte sich auf 90 Kilogramm hoch. Als
junger Mann sagte er sich eines Tages:
Ich will die Welt verändern – entweder
als Arzt oder als Theologe. Er fühlte
sich zum Pastor berufen, studierte
Theologie in den USA, ließ sich in dieser
Zeit das erste Tattoo stechen. Seine Tattoos sind vor allem christliche Motive
oder haben zumindest für ihn eine religiöse Bedeutung, der Totenkopf auf seinem rechten Bizeps steht beispielsweise für die Sünde und die Erlösung.
Hat er je darüber nachgedacht, dass
seine Tattoos und Muskeln ihn bei seiner Arbeit behindern und Leute abschrecken könnten? „Tattoos, Bodybuilding und Kirche – das passt für viele
vielleicht erst einmal nicht zusammen.
Meine Optik kann vielleicht schon abschrecken, doch das ist nur die Verpackung. Wenn ich den Mund aufmache,
merkt jeder, dass er vor mir keine Angst
haben muss. Auch die Omas mögen
mich“, sagt Schneider und lächelt zufrieden. Im Inneren sei er total konservativ. Treue, Ehe, Familie – das bedeute
ihm sehr viel. Und gleichzeitig spielt er
mit dem Gedanken, sich auch noch im
Gesicht und auf den Händen tätowieren
zu lassen. Warum? „Ich finde Tattoos
einfach schön“, sagt er.
Die
Jugendlichen
beeindruckt
Schneiders Lebenswandel. Keine Drogen, keine Zigaretten, kaum Alkohol.
Während viele Gemeinden über leere
Gotteshäuser am Sonntag und schwindende Mitgliederzahlen klagen, wächst
die Christus Gemeinde, und zu den
Gottesdiensten kommen oft 600 Leute.
„Unser Anspruch ist, gesellschaftsrelevante Kirche zu machen. Und das
kommt an“, sagt Schneider.
Inzwischen tourt er sogar wie ein
Rockstar durch das Land, Kumpel Nils
fungiert als Manager. Kürzlich lud der
Veranstalter einer Tattoo-Convention
den Pastor ein, an einem der Messetage
eine Predigt zu halten. Und auch die
Landeskirchen haben zum Teil ihre anfängliche Skepsis abgelegt und bitten
ihn, für eine Predigt zu ihnen zu kommen. Sein Motto: „Sei mutig und stark.“
Es stammt aus dem Buch Josua.
Der breiteste Pastor Deutschlands
hat es auf T-Shirts drucken lassen. Und
gerade sein Buch fertiggestellt. Ende
des Jahres soll es erscheinen, der Pastor
und Freund Nils sammeln dafür Geld
via Crowdfounding. Titel des Buches:
„Stark“. Ein Ratgeber soll es sein. „Ich
glaube, dass sich viele mit mir identifizieren können. Und ich die junge Generation prägen kann.“
Nach dem Training fährt Nils den
Pastor nach Hause. In einem mattschwarzen Bus mit getönten Scheiben.
Das Auto sieht mehr nach Rapper als
nach Pastor aus. Bei Marcus Schneider
ist eben so einiges ungewöhnlich.
Schneider schnappt sich seine Sporttasche und springt aus dem Auto. Vor
dem Haus warten drei seiner vier Kinder. Eines von ihnen hat Geburtstag,
und Schneider hat sich für sie und ihre
Freunde und Kinder aus der Gemeinde
einen Graffiti-Workshop ausgedacht,
den er gleich leiten wird. Die Kleinen
stürmen auf ihn zu.
Jetzt ist er mal nicht der breiteste
Pastor Deutschlands. Jetzt ist er einfach
nur der breite Papa.
Der Einsatz des deutschen Spitzenspielers Philipp Kohlschreiber in der
Davis-Cup-Relegation gegen Polen am
kommenden Wochenende in Berlin ist
fraglich. Der 32-Jährige laboriert nach
wie vor an den Folgen einer Stressfraktur im Fuß, die bereits seine Teilnahme am olympischen Turnier im
August in Rio verhindert hatte. „Philipp ist am Montag zu einer abschließenden Untersuchung bei einem Spezialisten in München“, sagte Teamkapitän Michael Kohlmann. „Danach
gibt es eine Entscheidung.“ Neben
Kohlschreiber gehören Florian Mayer
(Bayreuth), Jan-Lennard Struff (Warstein) und Daniel Brands (Deggendorf )
Vierter Saisonsieg
für Schumacher
Mick Schumacher hat sich eindrucksvoll im Titelkampf der italienischen
Formel-4-Meisterschaft zurückgemeldet. Der 17-Jährige vom Prema Power
Team feierte am Sonntagmorgen auf
der Rennstrecke Vallelunga vor den
Toren Roms seinen vierten Saisonsieg.
Zum Abschluss des Wochenendes holte
der Sohn von Formel-1-Rekordweltmeister Michael Schumacher am Nachmittag zudem den zweiten Platz. Schumacher, der im ersten Rennen am
Samstag schon Rang drei belegt hatte,
greift zwei Wochenenden vor dem
Saisonende damit wieder nach der
Gesamtführung. Noch liegt Marcos
Siebert mit 191 Punkten vorne, der
Argentinier holte auf dem Autodromo
Vallelunga jedoch nur die Plätze sechs,
fünf und sechs. Schumacher hat mit
nun 184 Punkten nur noch sieben Zähler Rückstand.
BEACHVOLLEYBALL
Ludwig/Walkenhorst
holen Meistertitel
23 Tage nach ihrem Olympiasieg von
Rio haben Laura Ludwig und Kira Walkenhorst auch die deutschen Meisterschaften gewonnen. Das Duo setzte
sich im Endspiel in Timmendorfer
Strand gegen Chantal Laboureur/Julia
Sude (Stuttgart/Friedrichshafen) mit
2:0 (22:20, 23:21) durch. Vor ihrem
letzten Saisonauftritt in Toronto holten die Weltranglistenersten damit
ihren dritten gemeinsamen DM-Titel.
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Große Siege fährt man nur ein,
wenn man Runde für Runde um sie kämpft.
Porsche gratuliert seiner Markenbotschafterin Angelique Kerber
zum Sieg bei den US Open und Weltranglistenplatz 1.
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WISSEN
DIE WELT
MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016
SEITE 24
EINE MINUTE BIOLOGIE
Würmer in der Neuen Welt
Ganz ruhig, ganz allein
J
KOMPAKT
MEDIZIN
Rätsel um Massentod
von Vögeln in Boston
Gesundheitsbehörden in den USA
untersuchen ein Massensterben von
Vögeln in Boston. Im Stadtteil Dorchester seien 47 Stärlinge vom Himmel gefallen, teilte die Bostoner
Stadtverwaltung mit. Viele Vögel
seien schon tot gewesen, andere eingeschläfert worden. 35 Kadaver würden jetzt an der Tufts-Universität
untersucht. Die Tierschützer der
Animal Rescue League teilten mit,
insgesamt seien 32 Tiere gestorben. 15
Vögel hätten überlebt. Sie würden
nun zur weiteren Untersuchung in
eine Universitätstierklinik geschickt.
Der Einsatz der Tierschützer wurde
ursprünglich durch eine tote Katze
ausgelöst, berichtete die Zeitung
„Boston Herald“. Ihre Besitzerin
hatte das Tier am Morgen tot auf der
Veranda gefunden und die Behörden
verständigt. Als ein Helfer der Animal
Rescue League vor Ort eintraf, fand
er nicht nur die leblose Katze, sondern auch reihenweise sterbende
Vögel vor. „Die Vögel fielen aus den
Bäumen und von den Zäunen in der
Nachbarschaft“, sagte der Mann dem
„Boston Herald“. „Wir versuchten, sie
aufzufangen.“ Sowohl eine Viruserkrankung als auch Umweltverschmutzung oder eine absichtliche
Vergiftung würden als mögliche Ursachen in Betracht gezogen. Auch die
Futterstellen für Vögel in dem Viertel
würden untersucht. „Jemand könnte
aus Versehen etwas ausgelegt haben,
das den Vögeln dieser Spezies schadet“, sagte ein Sprecher der Stadt
Boston.
ERDERWÄRMUNG
Klimawandel bedroht
auch US-Küsten
Überflutungen, Küstenerosion, extreme Stürme – der Klimawandel
kann zu einem ernsten Problem auch
für die amerikanische Bevölkerung
werden. 13,1 Millionen US-Amerikaner
sollen bis Ende des Jahrhunderts
unmittelbar vom Anstieg des Meeresspiegels betroffen sein, prognostiziert
Geograf Mathew Hauer von der Universität Georgia mit seiner For-
schungsgruppe in einer aktuellen
Studie. Der Meeresspiegel werde bis
dahin im Durchschnitt pro Jahr um
4,6 Millimeter steigen. Ob zunehmende Dürren in Afrika, Hitzewellen
in Südeuropa oder schwindendes
Packeis in der Arktis – weltweit wirkt
sich der Klimawandel in einer Vielzahl von Umweltveränderungen aus.
Vor allem das drohende Versinken
von Südseeinseln ist ein Symbol für
die Folgen der globalen Erwärmung
geworden. Auch in den USA machen
sich die Auswirkungen bemerkbar. Im
Bundesstaat Alaska hat das Government Accountability Office 184 Dörfer
bereits 2009 offiziell als überflutungsgefährdet eingestuft, 31 davon
seien unmittelbar bedroht. Eines
dieser Dörfer ist Shishmaref. Ein
Großteil der Strände ist bereits überspült. Vor Kurzem hat das kleine
Inuitdorf per Volksentscheid einen
Komplettumzug von einer Insel aufs
Festland beschlossen.
ARTENSCHUTZ
Größter deutscher
Elfenbeinfund
Der mit 1,2 Tonnen bislang größte
deutsche Elfenbeinfund ist in Berlin
der Öffentlichkeit vorgestellt worden.
Zu sehen waren zahlreiche Stoßzähne, aber auch Deko-Objekte aus
Elfenbein wie Figuren, Schmuckdosen und Salatbesteck. Der Präsident der Generalzolldirektion, Uwe
Schröder, sprach von einem „besonders herausragenden Fall“ der
Artenschutzkriminalität. Kistenweise
hatte der Zoll zudem Abfälle der
Elfenbeinbearbeitung gesichert. Den
Fund der illegalen Ware mit einem
Marktwert von mehr als einer Million
Euro hatte die Cottbuser Staatsanwaltschaft bekannt gegeben. Das
Elfenbein wurde an zwei Orten entdeckt: Zunächst flog im Mai beim
Hauptzollamt Potsdam eine Menge
von 625 Kilogramm Elfenbein auf, die
– deklariert als Kaminuhren aus Marmor – über den Flughafen BerlinSchönefeld nach Vietnam geschmuggelt werden sollte. Bei weiteren Ermittlungen stießen Zollbeamte auf
ein Gebäude in Rheinland-Pfalz, wo
Rohelfenbein verarbeitet wurde. Dort
sicherten sie 570 Kilogram, darunter
„sage und schreibe 40 Stoßzähne“.
DPA
Alles, was wir uns wünschen, ist genau dieser Blick, aus diesem Gefährt, das da
über den Mars rumpelt und die fantastischsten Bilder zur Erde funkt. Als Papamobil, wie der Papst eines hat. Angenehm temperiert, gegen die dreistelligen Minusgrade, etwas Sauerstoff darf auch dabei sein. Doch
die Leute von der Nasa haben gelernt, bescheiden zu sein. Sie
sind hingerissen von den Aussichten auf den Mars, die
„Curiosity“ ihnen sendet. Fast fühlen sie sich schon
wie zu Hause. „Sieht nach Grand Canyon“ aus,
eb
rief einer durch den Kontrollraum.
Zweite Haut, scheibchenweise
D
er 3. Juli 2014 war ein bedeutender Tag für das
Kinderspital Zürich: Erstmals transplantierte dort
ein Team einem Kind ein
Stück Ersatzhaut, die zuvor aus Zellen
des jungen Patienten gezüchtet worden
war. „Es war ein besonderer Moment,
den wir auch etwas zelebriert haben“,
sagt Martin Meuli, Direktor der Chirurgischen Klinik am Kinderspital. Die
Operation war der Auftakt zu einer klinischen Prüfung mit zehn Kindern, deren Narben, Muttermale oder Verbrennungen auf die gleiche Weise behandelt
wurden.
Mediziner aus der
Schweiz züchten
Ersatzgewebe für
Verletzte. Es wirkt
wie natürlich
nachgewachsen
VON FELIX STRAUMANN
VALÉRIE JACQUET
PIA HEINEMANN
edes Tier hat eine
Würmer invasionsartig
Nische, in der es
über den nordamerikaniim
Ökosystem
schen Kontinent auslebt. Es ist wie ein Beruf,
breiten. Sie sind dort
eine Lebensaufgabe, der
nämlich auf keine Kones in der Gemeinschaft
kurrenten gestoßen, da
nachgehen muss. Erlenach der letzten Eiszeit
digt es seinen Job nicht, so gerät das vor 12.000 Jahren die Bodenwürmer in
System aus dem Gleichgewicht. Än- dieser Region fast völlig ausgestorben
dert sich die Umwelt, muss sich das sind. Seither hatte sich die Fauna und
Lebewesen an diese Bedingungen an- Flora auf ein Leben ohne Würmer einpassen. Kommt ein neues Lebewesen gestellt.
ins Ökosystem, das sich nicht in die
Die Neuankömmlinge aus Europa
vorhandenen Nischen einpassen kann durchwühlen nun den Boden und ver– so kommt es oft zu großen Verände- ändern dessen physikalische und cherungen.
mische Eigenschaften. Wegen ihrer
Durch die Globalisierung ist das Gänge fließt das Wasser schneller ab,
tagtäglich der Fall. Ständig werden Pflanzen, die es feucht lieben, komneue Arten eingeschleppt, ständig än- men in Bedrängnis.
dern sich die äußeren Umstände. In
Die Würmer ziehen Laub, das norNordamerika waren es Angler, die die malerweise an der Oberfläche zersetzt
Natur maßgeblich durcheinander- wird, in ihre Gänge und verändern dabrachten. Sie schleppten Lumbricus durch den Nährstoffgehalt und die
terrestris, den europäischen Regen- chemische Zusammensetzung der
wurm, in die USA und Kanada ein. Die oberen Bodenschichten. All das stört
dortigen Fische bissen gut auf die andere Lebensgemeinschaften im Bofremden, exotischen Würmer.
den. Die Forscher berichten im FachDoch die Würmer verschwanden journal „Global Change Biology“, dass
nicht alle in den gefräßigen Mäulern die Artenvielfalt der Bodenorganisder Fische, sondern gingen den Ang- men in Nordamerika sich bereits stark
lern auch vom Haken. Sie flohen aus verändert hat - wegen der eingeden Köderboxen, gruben sich in die schleppten Regenwürmer. Viele einErde und vermehrten sich. Nun wer- heimische Pflanzen kommen mit den
den sie zunehmend zu einem Problem. neuen Bedingungen nicht zurecht.
Denn anders als in Europa, wo die
Die Regenwurm-Invasion ist wohl
Ökosysteme an den Regenwurm ge- nicht zu stoppen. Wie eine Front, so
wöhnt sind und ohne ihn starke Pro- die Forscher, schieben sich die Würbleme bekämen, sorgt er in den USA mer mit etwa fünf Metern pro Jahr
für große Unruhe. Eine Studie von durch die Wälder. „Die langfristigen
Wissenschaftlern des Deutschen Zen- Folgen könnten massiv sein und durch
trums für integrative Biodiversitäts- den Klimawandel weiter verstärkt
forschung und der Uni Leipzig zeigt werden“, schreibt Studienleiter Nico
nun, dass sich die eingeschleppten Eisenhauer.
Die Studie ist jetzt abgeschlossen,
und die erste Bilanz fällt positiv aus.
Wie Meuli berichtete, sind die Hauttransplantate bei fast allen Patienten
gut angewachsen. Wundinfektionen seien zudem keine aufgetreten. Kosmetisch und funktionell soll die laborgemachte Haut zu mindestens gleich guten Ergebnissen führen wie herkömmliche Methoden. „Die Resultate sind noch
nicht endgültig, aber solide genug“, sagt
Meuli. Sie sollen jetzt zur Publikation
eingereicht werden.
Die Studie ist Teil des internationalen Forschungsprojekts EuroSkinGraft,
welches das Kinderkrankenhaus koordiniert und das von der EU gefördert
wird. Beteiligt sind dabei neben Meuli
auch der Zellbiologe Ernst Reichmann
sowie Clemens Schiestl, Leiter des Zentrums für brandverletzte Kinder. Der
Abschluss dieser Phase-1-Studie ist für
die Forscher ein wichtiger Schritt auf
dem Weg zu einer verbesserten Behandlung von Patienten mit schweren Verbrennungen oder Hautdefekten. Ihr Ziel
Besteht zu 100 Prozent aus eigenen
Zellen: die Ersatzhaut
ist es, das in Zürich entwickelte Verfahren routinemäßig in der Klinik einzusetzen. Falls dies gelingt, könnten insbesondere die jährlich 70 Verbrennungsopfer profitieren, die am Kinderspital
mit schweren Verletzungen behandelt
werden.
Bereits seit 2001 arbeiten die Zürcher
Forscher und Chirurgen an der Herstellung einer im Labor gezüchteten Haut.
Die nun geprüfte Haut nennen sie „denovoSkin“. „Sie besteht zu 100 Prozent
aus Zellen der jeweiligen Patienten und
gehört ihnen sozusagen“, sagt Ernst
Reichmann, der die Tissue Biology Research Unit leitet. Die Besonderheit von
„denovoSkin“: Sie ist aus zwei Schich-
ten zusammengesetzt, welche der natürlichen Haut entsprechen. Die Forscher verwenden dafür Zellen der Oberund der Unterhaut, die sie aus einem
briefmarkengroßen Stück unverletzter
Haut der Patienten entnehmen. Diese
Zellen bringen sie mit speziellem Gel
aus Kollagen zusammen und lassen sie
sich vermehren.
In drei bis vier Wochen kann das
Team um Reichmann Ersatzhautstücke
von sieben mal sieben Zentimeter Fläche und einem Millimeter Dicke herstellen. Die Hoffnung ist, dass die Ersatzhaut besser einheilt und dadurch
weniger vernarbtes Gewebe entsteht als
bei zurzeit üblichen Verfahren. Zudem
möchten die Forscher künftig größere
Flächen aus kleinen Hautproben produzieren. Heute wird bei schweren Verbrennungen von nicht betroffenen Körperstellen oberflächlich Haut entnommen. Bei solchen Patienten sind aber
oft nur wenige unversehrte Areale vorhanden. Zudem vernarbt die transplantierte Haut. „Verbrennungschirurgie hat
viel mit Demut zu tun“, sagt Clemens
Schiestl. Es sei belastend, dass alles, was
man mache, um das betroffene Kind zu
retten, Narben hinterlasse. Für ihn ist
die Hoffnung wichtig, dank der Forschung irgendwann aus dem Dilemma
herauszukommen.
Die Zürcher sind nicht die Einzigen,
die an einer zweischichtigen Haut aus
körpereigenen Zellen forschen. Bereits
1999 führte ein amerikanisches Forschungsteam in Cincinnati eine erste
Studie mit Patienten durch. Doch ist es
den Forschern bisher nicht gelungen,
das Verfahren so weit zu entwickeln,
dass es im größeren Stil in der Klinik
angewandt werden könnte. Offenbar
auch wegen strenger Auflagen der USArzneimittelbehörde FDA. Ein anderes
Team, das ähnlich weit wie die Zürcher
sei, befindet sich in Kanada. Die Forscher um Reichmann, Meuli und
Schiestl machen unbeirrt weiter. Nachdem sie in der Phase-1-Studie gezeigt
haben, dass „denovoSkin“ für die Patienten sicher ist, müssen sie nun in
größeren Studien den Nutzen der Therapie testen. Dabei sind unter anderem
die regulatorischen Anforderungen von
Swissmedic und der Ethikkommission
eine Herausforderung. Bereits bei der
ersten Studie füllte das Team 15 Ordner. „Langsam wissen wir, wie es geht“,
sagt Meuli. Aber sie wollen noch mehr.
So sind sie zusammen mit der ETH dabei, die Herstellung der Ersatzhaut zu
automatisieren. Und sie möchten ihr
Verfahren kommerzialisieren und
künftig Krankenhäusern weltweit anbieten. Ein entsprechendes Spin-offUnternehmen haben sie bereits gegründet. Parallel dazu geht es auch im
Labor weiter. Dort experimentieren die
Forscher mit verbesserter Ersatzhaut,
die zusätzlich über Blutgefäße und Pigmente verfügt.
Eine große Hürde ist die Finanzierung. Rund 25 Millionen Franken (23
Mio. Euro) haben die Zürcher bis jetzt
verbraucht. Davon stammen sieben Millionen für die erste klinische Studie von
der EU. Weiteres Geld kommt von der
Universität Zürich, dem neuen Wyss
Translational Center sowie der Fondation Gaydoul und weiteren privaten
Sponsoren. „Wir haben großzügige Unterstützer, leider reichen die Mittel
trotzdem nicht“, sagt Meuli.
In Kooperation mit dem
„Tagesanzeiger“, Schweiz.
„Noahs Arche wird nie gefunden“
Der Archäologe Erich Cline entzaubert in seinem neuen Buch beliebte Geschichten aus der Bibel
D
ie Suche nach der Arche Noah?
Aussichtslos. Joshuas Attacke
auf Jericho? Ein Mythos. Die
Zehn Gebote? Hatten historische Vorläufer. Und der Exodus des Volkes Israel
aus Ägypten? Hat so wohl nie stattgefunden. In seinem Buch „Warum die Arche nie gefunden wird“ analysiert der
US-Archäologe Eric Cline beliebte Erzählungen aus der Bibel – und weist Interpretationen frei nach dem Bestseller
„Und die Bibel hat doch recht“ zurück.
Cline wehrt sich gegen selbst ernannte
Experten, die behaupten, sie hätten die
Arche Noah am Berg Ararat entdeckt
oder die verlorene Bundeslade gefun-
den. „Es ist höchste Zeit für professionelle Archäologen, Althistoriker und
etablierte Bibelkundler, ihr von Pseudowissenschaftlern besetztes Terrain zurückzuerobern“, sagt er. Die Bibel müsse wie jede andere antike Quelle behandelt werden: als ein Text, der „analysiert werden muss“.
Die Forschung sei sich weitgehend einig, dass das Alte Testament aus vielen
Quellen zusammengefügt wurde, von
denen „die ältesten auf das 9. oder 10.
und die jüngsten auf das 6. oder 5. Jahrhundert vor Christus zurückgehen“, so
Cline. Einen historischen Kern billigt er
der Erzählung vom Turmbau von Babel
zu. Die biblische Beschreibung passe zu
archäologischen Überresten von religiösen Bauten in Babylon, Uruk und Ur.
Religiös und politisch heikel sind
Clines Anfragen an die Erzählungen
vom Exodus Israels und von Joshuas
Heldentaten – schließlich zählen sie zu
den Gründungsmythen des Staates Israel. Widersprüche sieht er bei biblischen
Zahlen. Dass „sechshunderttausend
Mann zu Fuß“ Ägypten verließen, sei
unvorstellbar. Insgesamt wären dann
mit Frauen und Kindern 2,5 Millionen
Menschen 40 Jahre durch die Wüste gezogen. Denkbar sei, dass der Exodus ein
Prozess war, der sich über Jahrhunderte
erstreckte. Möglich auch, dass der Auszug aus Ägypten von Bibelautoren während des babylonischen Exils erfunden
wurde. Archäologische Hinweise aber
gebe es nicht.
Ähnliches bei den Eroberungen Jerichos und Kanaans: Archäologen hätten
nachgewiesen, dass „die Städte, von denen die Bibel sagt, sie seien von Israeliten zerstört worden, zu jener Zeit nicht
zerstört wurden oder nicht bewohnt
waren, während Zerstörungen anderer
Stätten in der Bibel fehlen“, sagt er.
„Unsere Daten lassen die biblische Darstellung der Eroberung von Kanaan
nicht glaubwürdig erscheinen.“
WISSENSCHAFTSREDAKTION: TELEFON: 030 – 2591 719 50 | E-MAIL: [email protected] | INTERNET: WELT.DE/WISSENSCHAFT
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FEUILLETON
R
MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016
KOMPAKT
KUNST
Christoph Graf
Douglas ist tot
Der wichtigste Kunstberater
Deutschlands, Christoph Graf Douglas, ist überraschend im Alter von
68 Jahren gestorben. Egal ob auf der
großen Bühne als Auktionator bei
den historischen Versteigerungen
der Adelsgeschlechter Thurn und
Taxis, den Welfen oder dem Hause
Baden oder in seiner stärksten Rolle
als Strippenzieher im Hintergrund,
Graf Douglas blieb immer seiner
Rolle treu: des Vermittlers. Er
brachte alle an einen Tisch, die
europäischen Adelshäuser und den
deutschen Staat, wenn es zum Beispiel um den Ankauf der HumboldtTagebücher oder um Casanovas
Erinnerungen ging. Und so haben
wir nicht selten ihm den gerechten
Verbleib einiger der wichtigsten
Kulturschätze in Deutschland zu
verdanken.
KINO
Serienmörder Honka
interessiert Fatih Akin
Fatih Akin will die Geschichte des
Frauenserienmörders Fritz Honka
auf die Leinwand bringen. „Mein
übernächstes Projekt wird wieder
eine Literaturverfilmung: ,Der goldene Handschuh‘ von Heinz
Strunk“, sagte der Regisseur in der
„NDR Talk Show“. Es ist eine halb
dokumentarische, halb fiktive Erzählung über Honka (1935–1998),
der in der Hamburger Kiezkneipe
„Zum Goldenen Handschuh“ seine
Opfer fand. Bevor sich Akin damit
befasst, dreht er von Oktober bis
Dezember diesen Jahres mit Diane
Kruger in Hamburg das Zeitdrama
„Aus dem Nichts“, worin es um
gesellschaftliche Ablehnung, die
linksradikale Szene und ein geplantes Attentat geht.
POLITIK
Grütters: Fonds für
Kauf nationaler Kunst
Kulturstaatsministerin Monika
Grütters hat sich für einen Fonds
zum Ankauf national wertvoller
Kunst ausgesprochen. Anlass für
den Vorstoß ist das neue Kulturgutschutzgesetz, das besonders
bedeutende Werke vor der Abwanderung ins Ausland schützen soll.
„Ich könnte mir vorstellen, dass der
Bund mit 20 Millionen Euro einen
Grundstock finanziert. Die Wirtschaft könnte dann über eine Art
Beirat abgeflossene Gelder immer
wieder auch von der privaten Seite
einwerben.“ Die Abwicklung sollte
laut Grütters über die Kulturstiftung der Länder laufen.
AUSZEICHNUNG
„Bibliothek des
Jahres“ ist in Hilden
Der Deutsche Bibliotheksverband
zeichnet die Stadtbücherei Hilden
als „Bibliothek des Jahres 2016“ aus.
Die Preisjury lobte die Investitionen
der Stadt Hilden in das „exzellente“
Bibliotheksangebot als „zukunftsweisend und beispielhaft, da sie
dazu dienen, den sozialen Zusammenhalt zu fördern“.
VOLKSMUSIK
„Schnulzenkönig“
Erich Storz gestorben
Der Schlagersänger und Musikverleger Erich Storz ist mit 88 Jahren in Bad Sachsa im Harz gestorben. Einen seiner größten Hits hatte
er mit dem 1956 komponierten Lied
„Die kleine Bimmelbahn“. Es schaffte es als „The Little Train“ sogar in
die US-Charts. Storz wurde als
„Schnulzenkönig“ bekannt. Zu seinen Erfolgen zählten auch „Köhlerliesel“ und „Hohe Tannen“.
SEITE 25 *
otes Linoleum, steile Treppen, eiserne Umgänge,
Schiebetüren, grobe Wände,
eine Fahrbrücke. Könnte eine
Justizvollzugsanstalt
sein. Ist es aber nicht. Genauso wenig,
wie das dafür von seiner Fassade her
viel zu noble Gebäude aus dem 18. Jahrhundert stammt. Beides ist DDR-Architektur der Fünfziger. Außen ist es immer noch die historistisch gefälschte
Rückseite des Funktionsgebäudes der
Berliner Staatsoper an der Französischen Straße, innen war es einmal hochmodisches Kulissenlager, dessen Mechanik freilich schon lange nicht mehr
funktionierte.
VON MANUEL BRUG
Und jetzt ist es „eine private Hochschule mit Konzertsaal, die vom Bund
finanziert wird, aber dem Berliner
Hochschulgesetz unterliegt“. So präzisiert es Michael Naumann in seinem
neuen, nüchternen, noch nicht ganz fertig eingerichteten, aber ebenfalls mit
rotem Linoleum ausgelegten Büro. Der
74-Jährige war bereits Journalist, Publizist, Verleger, Herausgeber – und erster
deutscher Kulturstaatsminister. Und
jetzt ist er, obwohl er sich bis vor Kurzem gar nicht so sehr für Klassik begeistern konnte, inzwischen aber stundenlang vor dem Fernseher alte Konzertmitschnitte genießt, der Gründungsdirektor der dritten Berliner Musikhochschule, aber einer besonderen: der Barenboim-Said-Akademie.
Naumann und die Akademie residieren links, in den 21 von dem Architekturbüro hg merz gestalteten Büros und
Probenräumen, die teilweise als akustisch abgekapselte Kisten in den hohen
Räumen mit den extrem dicken Wänden
liegen. Einst rumpelten mittels eines
komplizierten Rollensystems die Container mit den Bühnenbildern da rein.
Jetzt wird hier verwaltet, doziert, geübt.
Rechts aber geht es in den PierreBoulez-Saal. Hell ist es hier, der Denkmalschutz hat die vielen verdunkelbaren Fenster bewahrt, durch die tagsüber
die Stadt hineinreflektiert, die darin
bald Probenden und Spielenden zwar
geräuschisoliert, aber trotzdem am alltäglichen Leben teilhaben lässt. Man
geht hinunter ins Parkett, dessen einziehbare Sitzsegmente noch nicht installiert sind. Darüber schwebt, als konzentrisch verwobene Doppelellipse aus
Stahl, der Rang. Alles geht hier. Musikalisch. Und es war, abgesehen von den
Baukosten, umsonst. Ein Geschenk.
Architekturguru Frank Gehry hat es
aus Freundschaft für die Musikhöhenflüge von 620 Zuhörern designt. Seine
sonst gern egozentrisch dekonstruktivistischen Gedankenflüge musste er
freilich dem streng rational vorgehenden Akustikgenie Yasuhisa Toyota unterordnen. Beide haben etwa die futuristische Walt Disney Hall in Los Angeles zu verantworten. Und jetzt also bekommt Berlin neben der weltberühmten
Scharoun-Philharmonie, seit über 50
Jahren leuchtender Prototyp eines modernen, demokratischen Konzertsaals,
ein weiteres, wegweisend multifunktionales Auditorium, in dem beinahe jede
Art von Musik möglich scheint.
Und genau dieser Pierre-Boulez-Saal
wird es jetzt wohl sein, der diesem so visionären wie riskanten Unternehmen
namens Barenboim-Said-Akademie in
der Öffentlichkeit zu einer breiteren
Akzeptanz verhelfen wird. Denn ihre
Genese ist so verschlungen wie von einem Netz persönlicher Sympathie und
Gutmenschentum begleitet. Mit diesem
Saal aber offeriert sie dem Musikleben
der Hauptstadt mit ihren allein sieben
großen Orchestern genau das, was ihr
noch fehlte: ein zentraler, hochmoderner flexibler Spielort mittlerer Größe.
Denn der Kammermusiksaal der Philharmonie hat über 1000 Plätze, die beiden kleinen Säle des nahen Konzerthauses am Gendarmenmarkt fassen höchstens 350 Besucher. In der Französischen
Straße aber wird künftig von der Barocksonate bis zum allerneusten elektroakustischen Klangkunststück alles
möglich sein.
In einem Gebäude, das auch der nebenan überteuert sanierten Staatsoper
zugute kommen sollte. Das wegen der
dortigen Kostenexplosion das Land Berlin und die Opernstiftung aber zur Hälfte in Erbpacht für einen Euro pro Jahr
(der wirklich überwiesen wird) für 99
Jahre dem sofort zugreifenden Barenboim-Unternehmen zur Verfügung gestellt haben. Michael Naumann kann es,
obwohl er bei der Verwirklichung wesentlich daran mitgestrickt, genetz-
FRANK GEHRY ASSOCIATES
DIE WELT
Neue Serie
Silke Bodenbender löst
ungelöste Fälle Seite 26
Nächsten März wird hier der Konzertbetrieb aufgenommen: Ein Modell des Boulez-Saals auf der Rückseite der Staatsoper
Die schöne,
teure UTOPIE
Berlin, freue dich! Der von Frank Gehry
entworfene neue Boulez-Saal der
Barenboim-Said-Akademie stellt heute
sein Programm vor. Der Staat finanziert
hier einen privaten Verein
Projekt begonnen hatte: ein weiterer
Jugendorchester-Campus, aber, weil
vor allem von Daniel Barenboim angeschoben, mit weitreichender Botschaft.
Das von ihm und seinem mittlerweile
verstorbenen Philosophenfreund Edward Said im Goethe-Geist gegründete
West-Eastern Divan Orchestra. Das ist
von Thüringen durch die Festival- und
Konzertsaalwelt gewandert, wurde mal
vom Chicago Symphony unterstützt,
dann wieder von Andalusien; gegenwärtig wird es auch mit argentinischem
Fördergeld finanziert.
Der Klangkörper ist in die Jahre gekommen, ist längst kein sich ständig
austauschendes, wirkliches Jugendorchester mehr. Barenboims Sohn Michael amtiert als ständiger Konzertmeister,
ein Großteil sind spanische Musiker. Bei
wichtigen Konzerten spielen auch mal
Edelaushilfen der Berliner Staatskapelle
und Philharmoniker mit.
Inzwischen gibt es aber drei Barenboim-Babys: neben dem Orchester die
Daniel-Barenboim-Stiftung, welche die
Barenboim-Said-Akademie als GmbH
betreibt und seit 2005 den Berliner Musikkindergarten, der eigentlich auf dem
Akademiedach eine neue Heimat finden
sollte; was aus statischen und monetären Gründen aber nicht geschah.
So bleibt der mittelalte Bau mit dem
neuen Innenleben den etwas älteren Semestern vorbehalten. Ein Pilotprogramm hat 2015 begonnen, jetzt wird
der Lehrbetrieb mit neuen Studenten
und mit von Barenboim, der auch selbst
unterrichten wird, ausgewähltem Dekan und Professoren hochgefahren.
Heute aber wird das vorgestellt, was
die Allgemeinheit wirklich begeistern
soll: das Programm des Boulez-Saals,
der nach einer Einspielphase am 4.
März 2017 eröffnet werden wird. Ab
heute können auch bereits über Boulezsaal.de die Tickets gebucht werden. Ole
Baekhoej, der neue Intendant des Saales, hat vorher das Dänische Rundfunkorchester und das Mahler Chamber Orchestra geleitet, jetzt hat er bereits 100
Veranstaltungen für die erste Rumpfsaison disponiert. Hier werden Studenten
spielen, aber auch das gemeinsam aus
Akademisten und Divan-Musikern geformte Boulez-Ensemble. Die Staatskapelle hat pro Spielzeit ein Anrecht auf
sieben Abende, die sie mit Barenboim
zunächst mit Schubert-Sinfonien füllt.
Das Konzerthaus konzipiert eine Reihe,
und natürlich soll und muss der Saal
auch vermietet werden, für nicht musikalische Veranstaltungen inklusive.
„Natürlich rechnen wir im laufenden
Konzertbetrieb mit kleineren Verlusten“, sagt Michael Naumann. „Die können wir auffangen. Wichtig ist es Daniel
Barenboim und dem Intendanten Ole
Baekhoej, künstlerisch etwas riskieren
zu können. Dafür sind wir neben dem
Akademiebetrieb schließlich auch für
die Öffentlichkeit da.“
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werkt und all seine Verbindungen hat
spielen lassen, immer noch nicht ganz
glauben, was hier jetzt ab Herbst vom
akademischen Stapel geht: „Das war der
Prototyp einer Public-private-Partnership, aber jetzt begeben wir uns in die
Obhut des Deutschen Staates. Als gemeinnützige GmbH. Ja, das dürfte einmalig sein. Bei Vollbelegung mit 90 Stipendiaten kostet das etwa 7 Millionen
jährlich.“
Damit ist die Zahl für den Betrieb von
Akademie plus Saal auf dem Tisch. Man
kann sich darüber einfach nur freuen,
über diese so unerwartete wie unübliche Großzügigkeit gegenüber der Kultur. Oder man kann das als ewig weiterreichend schlechtes deutsches Gewissen deuten, dass der deutsche Staat
über 70 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus die Akademie eines weltberühmten, inzwischen stark mit Berlin
assoziierten jüdischen Dirigenten finanziert, die eben in Berlin israelische,
palästinensische, syrische, jordanische
und ägyptische Musiker ausbildet und
zusammenbringt. Eine schöne Utopie
fürwahr, aber keine ganz billige.
Braucht es die überhaupt? Ja, man
wolle so den Friedensprozess im Nahen
Osten begleiten, kommt es etwas pastorentöchterhaft von Naumanns Nachfolgerin als Kulturstaatsministerin, Monika Grütters. Natürlich ist auch sie
schnell in dieses Musikboot eingestiegen – mit viel Geld, es liegt ganz auf ihrer inhaltlichen wie ideellen Linie.
Michael Naumann nennt die Zahlen:
„20 Millionen hat der von unserer Mission überzeugte Haushaltsausschuss via
Bundeskulturministerium zugestanden.
Mit 32 Millionen Euro Baukosten sind
wir rund 1,5 Millionen teurer als geplant
geworden, das ist größtenteils den
Preissteigerungen geschuldet. Eine gute
Million davon muss ich noch finanzieren.“ Was er zu schaffen gedenkt.
Naumann macht aber auch unbedingt
klar, dass hier wirklich nur Spitzenförderung bedient wird, allen aktuellen
Umständen in der Heimat der Erwählten zum Trotz: „Ich bin überrascht, wie
hoch das Niveau der Bewerber ist. Ja,
trotz der politischen Situation in diesen
Ländern wird dort kontinuierlich unterrichtet, gibt es genug Musikstudenten,
die es wert sind, bei uns den letzten Exzellenzschliff zu bekommen. Wir werden das Projekt übrigens in Kürze auch
auf die Türkei erweitern.“
Und somit wird hier jetzt mitten in
Berlin gebaute und bezahlte, vor allem
aber erweiterte Realität, was 1999 in
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DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd
26 FEUILLETON
DIE WELT
MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016
der Liebhaber der Toten von der Lichtung, jagt einen Mann durch die Berliner
U-Bahn. Der war – Rückblende – bei der
Jagd in Wandlitz dabei. Lotte Jäger liegt
in der Sonne. Handgemenge auf der
Treppe hoch zum Alexanderplatz. Der
Verfolger fällt auf den Kopf. Der alte
Mann entkommt. Die Geschichte geht
richtig los.
Der Verfolger, der deswegen dankenswerterweise im Koma liegt, damit er keine Auskunft geben kann und Lotte Jäger
auf den Plan ruft (das ist die dünne Stelle
Fall zu einer ganz besonderen Authentizität. Wenn Andreas Schmidt-Schaller, der
sich und seine IM-Tätigkeit auf mustergültige Weise selbst in „Soko Leipzig“ gespielt und öffentlich verarbeitet hat, den
Oberwendehals gibt, der schon 1988, als
sich der Todesfall von Hubertushof ereignet und die DDR schon tot war, ohne dass
sie es wusste, wenn also Schmidt-Schaller
seinen Stasi-Obervertuschungsoffizier in
allen Farben der Geschmeidigkeit leuchten lässt, dann ist allein das schon mehrere Monate GEZ-Gebühren wert.
Immer wieder schneidet Sherry Hormann zurück in die in allen Beteiligten noch sehr lebendige Geschichte. Birgit Wachowiak, das Opfer, bezirzt sie noch
aus der Erinnerung alle. Es war
ein großer Sommer. Isolda Dychauk, die mal Lucrezia Borgia
war im Fernsehen und Gretchen
im fabelhaften Faust-Film des
russischen Obermystagogen Alexander Sokurow, spukt in ihrer
mädchenhaften
Sinnlichkeit
sichtbar im Film, unsichtbar in
den teilweise schon trüben Hirnen der Zeugen herum. Silke Bodenbender bringt sie auch damit zum
Sprechen, dass sie mit genau dieser Sinnlichkeit spielt, als wäre sie Birgit, die nie
Gestorbene.
Es wird viel geredet in „Lotte Jäger“, es
wird viel erklärt. Hin und wieder merkt
man die Anstrengung zur Vergegenwärtigung. Die Geschichte von Rolf Basedow
weiß wieder viel zu viel, was man aber
nicht merkt, weil er dieses Wissen elegant in Andeutungen, in erzählerische
Nebenarme leitet, die Geschichte wird
trotzdem lebendig. Wird leicht und sinnlich und so dringlich wie traurig. Vergisst
man ja gerade gern, was war vor nicht viel
mehr als einem Vierteljahrhundert. Wird
undankbar über die Freiheit von einem
System, das mehr als auf allem andren auf
Vergessen, Verdrängen, Duckmäusertum
beruhte. Ein System, dessen Kindheitsmuster bis heute gültig sind.
Hier wird Helene Fischer
nicht so oft gewinnen
W
as dabei herauskommt, ist
die Wahrheit.“ Dieser Satz
muss wahrscheinlich dem
euphorischen Überschwang zugerechnet werden, als er vergangenen Freitag
bei der ersten Verleihung des Preises
für Popkultur fiel. Noch vor dem offiziellen Beginn begrüßten die Veranstalter ihre geladenen Gäste auf der Terrasse der Berliner Veranstaltungshalle
Tempodrom. Zu Sekt und belegten Broten erklärten die Vorstandsmitglieder
des extra dafür gegründeten Vereins,
warum gerade ihre Trophäen der Popmusik hierzulande noch fehlen würden.
Ernster und nachdrücklicher als den
Satz mit der Wahrheit sagten sie dabei
Wörter wie: „basisdemokratisch“, „fair“
und „transparent“. Das klingt gut, hätte
von den Wahlkampfplakaten, die die
Straßen vor der Halle zieren, stammen
können und ist gleichzeitig grundfalsch.
VON FELIX ZWINZSCHER
DPA / BRITTA PEDERSEN
Deutschland hat bereits einen großen
Preis für Popmusik, nämlich den Echo.
Jedes Jahr wird er im Rahmen einer
nicht enden wollenden Show präsentiert, bei der Barbara Schöneberger flache Altfrauenwitze reißt, vergessene in-
Symbolische Schallplatte: Ferris MC
nimmt den Preis für Popkultur für seine
Band Deichkind entgegen
ternationale Künstler auftreten und am
Ende Helene Fischer alle Preise bekommt. Gern stilisiert sich der Echo
zum deutschen Grammy hoch, was natürlich völliger Blödsinn ist. Während
die Grammy-Gewinner von einer Jury
ausgewählt werden, richtet sich der
Echo ganz schnöde nach Verkaufszahlen.
Wer also in einer der frei erfundenen Kategorien (zum Beispiel „Musik-DVD/BluRay National“) die meisten Produkte
verkauft hat, der bekommt einen Echo.
Wenn Anne Haffmans, die einzige
Frau im Vorstand des Preises für Popkultur, nun in die laue Berliner Sommerluft sagt: „Wir wollen uns nicht in
Opposition zu anderen Preisen setzen“,
dann wissen alle Anwesenden Bescheid,
welcher Preis da gemeint ist und dass
das Gegenteil dieses Satzes gilt, zumindest wenn es künftig um die Frage der
Bedeutsamkeit geht. Natürlich ist der
Preis für Popkultur, der hoffentlich nie
einen fetzigen Spitznamen bekommt,
der Gegenentwurf zum Echo. Wäre er
es nicht, müsste Helene Fischer eine
dritte Trophäenkammer in ihrer Wohnung einrichten. Statt Verkaufszahlen
entscheidet hier eine Jury, ähnlich wie
beim Grammy. Mitglied dieser Jury
können alle werden, deren Arbeit im
weitesten Sinne mit Popmusik zu tun
hat – Produzenten, Musiker, Journalisten – und die für 60 Euro im Jahr dem
dazugehörigen Verein beitreten.
Ist das fair, transparent und basisdemokratisch? Eher nicht. Der Echo ist da
wesentlich demokratischer. Er bildet
ab, welche Musik und welche Künstler
die meisten Leute in Deutschland kaufen (immer mit der Einschränkung: Wer
erhebt diese Zahlen und wie?). Klingt eigentlich ziemlich fair. Dass das Ergebnis
vielen vermeintlichen Experten auf dem
Gebiet nicht gefällt, ist ein grundlegendes Problem der Basisdemokratie.
Trotzdem spricht das nicht gegen den
Preis für Popkultur. Im Gegenteil. Beim
Echo würden die Berliner Anarcho-Rapper von K.I.Z, die Sängerinnen von BOY
oder DJ Koze nicht mal in Rufweite
einer Auszeichnung kommen, eben weil
mehr Menschen ihr Geld für Pur und
Frei.Wild ausgeben. Darüber mag man
denken, was man will.
Der Preis für Popkultur belohnt nun
unter Umständen bessere, sicher aber
Künstler, die eine wesentlich kleinere
Fangemeinde haben, ganz diktatorisch
von der Kanzel einer Fachjury herunter.
Und das ist so wunderbar wie notwendig. So wurden zum Beispiel Moderat
zur „Lieblingsband“, Caspers „Lang lebe der Tod“ zum „Lieblingslied“ und
Drangsal
zum
„Hoffnungsvollsten
Newcomer“ gekürt. Das sind alles
streitbare Ergebnisse. So gab es kaum
weibliche Gewinner und ob Drangsal,
eine kuriose Erscheinung zwischen Max
Raabe und Marilyn Manson, die beste
Wahl war, naja. Aber eben weil eine Expertenjury entscheidet, hat der Preis
schon jetzt einen höheren Stellenwert.
Und zur Not kennen jetzt all jene, die
die Liste der Nominierten gelesen haben, die großartige Band Von Wegen
Lisbeth. Und alle, die bei der Verleihung
in Berlin dabei waren, wissen jetzt, dass
der ehemalige Sänger von Die Antwort,
Bernd Begemann, das Indie-Äquivalent
zur Echo-Moderatorin Barbara Schöneberger ist.
Die Veranstalter des Preises für Popkultur müssen aber aufpassen, dass sie
nicht den gleichen Fehler begehen wie
der Echo: sich vermarkten als etwas,
was sie nicht sind. Der Echo ist kein Expertenpreis, sondern ein Marktpreis.
Und der Preis für Popkultur ist auch bei
einer Jury mit 400 Mitgliedern noch
kein großes demokratisches Projekt.
Das macht ihn allerdings kein bisschen
schlechter, denn Musik sollte sich ja
auch nicht nach gesellschaftlichen
Mehrheiten richten.
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ZDF UND HANS-JOACHIM PFEIFFER
„Preis für Popkultur“ zum ersten Mal verliehen
D
Tanzen für die Diplomatenjäger: Anna Maria Mühe (r.) und Isolda Dychauk
ass das Vergangene nicht
nur nicht tot, sondern
noch nicht einmal vergangen ist, wie es Silke Bodenbender als Kriminalkommissarin Lotte Jäger einem besonders
perfiden Beispiel unvergangener deutscher Vergangenheit ins Gesicht sagt im
ersten von hoffentlich einer ganzen Serie
von „Lotte Jäger“-Kriminalfilmen, das
wusste als Erster William Faulkner. Na ja,
geahnt haben das wahrscheinlich vorher
auch schon ziemlich viele. Aufgeschrieben hat das aber keiner, bis es Faulkner in
„Requiem für eine Nonne“ tat.
VON ELMAR KREKELER
Dann hat Christa Wolf den Satz geklaut. Und damit – 40 Jahre ist das her –
einen Roman begonnen, der von einer Jugend im Dritten Reich handelt und davon, wie die Zurichtung einer Familie in
einem Verbrecherregime deren Leben
auch nach Ende des Regimes bestimmt.
Fritz J. Raddatz hat damals geschrieben,
Wolfs Roman handele von der Suche
nach einer verdrängten Zeit, davon, dass
eine Gegenwart nur gelingen kann, wenn
„Erinnerung begriffen wird als Ausforschung von Gewissen“.
Das mit der Vergangenheit und ihrer
seltsamen Unsterblichkeit ist Geschäftsgrundlage eines ganzen Genres von Kriminalfilmen, deren Ursprung die Serie
„Cold Case“ gewesen sein dürfte. In beinahe jedem Land, das kriminalerzählerisch einigermaßen was auf sich hält und
seiner Geschichte misstraut, schossen Ermittlerteams aus dem Boden, die sich liegen gebliebener Mordfälle (Mord muss es
sein, weil Mord in den meisten Ländern
nicht verjährt) annehmen.
Das heißt, meistens schossen sie nicht
aus, sondern in den Boden, denn ganz
gern und natürlich symbolhaft hausen die
Detektive der Vergangenheit wenigstens
im Souterrain ihrer Kriminaldezernate,
häufiger noch in dunklen Kellern, finstere
Gestalten ohnehin, ausgebrannt gern, abgehalftert, nicht zurechnungsfähig.
Lotte Jäger ist auch so eine. Zwölf Jahre Mordkommission. Sie kann keine To-
ten mehr sehen. Sie kann gar nicht viel
sehen, als wir sie zum ersten Mal sehen,
liegt sie mit Sonnenbrille im Garten des
Hauses, das sie von ihrer Mutter geerbt
hat. Da kommen die Toten, sie sind lange
tot, und holen sie in ihre Vergangenheit,
die schön war und schrecklich. Eine Vergangenheit, die 27 Jahre nicht vergangen
ist. Und zwingen Lotte Jäger dazu, sich
zu erinnern, ihr Gewissen auszuforschen.
Der Film ist ja wie keine andere erzählerische Kunstform in der Lage, gerade
das Nichtvergangene sichtbar zu machen,
Das Vergangene
zum Reden bringen
In der neuen ZDF-Serie „Lotte Jäger“ forscht
Silke Bodenbender ungeklärten Fällen nach
das Überkragen der Erinnerung in die Gegenwart, durch einfache Schnitte, Gegenerzählungen. Sherry Hormann nimmt das
alles, nutzt das alles und macht in ihrer
Verfilmung des Drehbuchs von Rolf Basedow, dem Zentralautor von Dominik Graf,
ein schillerndes Zeitgeschichtsdrama.
Wir sehen eine Frau durch einen Wald
jagen. Sie ist schön. Sie ist jung. Männer
mit Gewehren legen an. Schüsse fallen.
Es ist der Sommer des Jahres 1988. Eine
Lichtung. Der Hirsch ist tot. Die Frau
liegt in den Armen ihres Geliebten. Die
Strecke wird verblasen. Es ist Diplomatenjagd auf Schloss Hubertushof, wo
Schmidt war und Strauss und Honecker
am Abend vor dem Mauerfall sein letztes
Stück kapitales Rotwild geschossen hat.
Es wird gesoffen. Männerrituale. Zwei
Mädchen, viele Kerle. Von der Partei, der
Partei wird gesungen, und vom Kampf
gegen Lüge und Ausbeuterei. Ein paar
Stunden später liegt die Frau tot im Wald.
Blende. 27 Jahre später. Ein Mann, er ist
in der Dramaturgie des großartigen
Films), hat anderthalb Jahrzehnte im
DDR-Knast gesessen für einen Mord, den
er nicht begangen hat. Seine Geliebte soll
er getötet haben. Lotte Jäger, die aus dem
Westen kommt, das ist wichtig, glaubt
das nicht.
Der Rest des Films ist Klinkenputzen
am Haus der Erinnerung. Lotte Jäger
fährt mit ihrem dunkelgoldenen Peugeot
Cabrio einen Zeugen nach dem andern
ab. Das klingt jetzt schrecklich. Wird es
aber nicht. Weil Basedow, dieser akribische Rechercheur, der Mann, der gern
mal zu viel weiß über Orte, Zeiten und Figuren, seine staunende Detektivin an immer neuen Aggregatzuständen des Vergessens, der Verdrängung, des Schönredens vorbeilotst.
Dass Hormann sämtliche Nomenklaturarollen mit Schauspielern mit DDR-,
manchmal mit Stasi-Vergangenheit besetzt hat und sie auf Westschauspieler
prallen lässt, verhilft Lotte Jägers erstem
KULTURTIPP
T Lotte Jäger und das tote Mädchen:
ZDF, heute Montag, 20.15 Uhr
Es lebe das Kino der Verlangsamung
A
Venedig gibt den Goldenen Löwen an die Philippinen und der Deutschen Paula Beer den Nachwuchspreis
FILMFESTSPIELE VENEDIG
m Freitagabend um Viertel nach
sieben hatte die 73 Filmbiennale
von Venedig nach einer Woche
der Enttäuschungen doch noch einen
Kandidaten für den Goldenen Löwen:
„Ang Babaeng Humayo“ (frei übersetzt:
„Die Frau, die ging“), den mit dreidreiviertel Stunden außergewöhnlich kurzen
neuen Film des philippinischen Regisseurs Lav Diaz.
VON HANNS-GEORG RODEK
NEU ABGEMISCHT & DIGITAL REMASTERED
THE BEATLES LIVE AT
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AB 15. SEPTEMBER IM KINO. NUR FÜR KURZE ZEIT.
Beste Nachwuchsschauspielerin: Paula
Beer in „Frantz“
Eine der ungeschriebenen Regeln großer Festivals lautet: Ein Regisseur gewinnt nicht mit dem ersten Film, so gut
der auch sein mag, den Hauptpreis. Denn
auch bei Festivals existiert die Praxis des
Hochdienens: Diesmal noch nicht, aber
wenn seine nächsten Filme ebenso gut
sind, reden wir wieder.
Lav Diaz, inzwischen 57, dreht seit 20
Jahren. Seinen ersten internationalen
Preis gewann er 2002 in Brüssel, in Venedig holte er 2008 den Nachwuchspreis
der Sektion Orizzonti, in Toronto vier
Jahre später den On Screen Award, aus
Locarno nahm er 2014 den Goldenen
Leoparden mit und auf der Berlinale gab
man im Februar seinem „Schlaflied für
ein trauriges Geheimnis“ den Silbernen
Bären, der für neue Perspektiven der
Filmkunst verliehen wird.
Diaz war, mit anderen Worten, reif für
eine Haupttrophäe bei einem der großen
drei, in Cannes, Berlin oder Venedig. Die
Venedig-Jury, die fast das gesamte Festival über keinerlei Perspektiven für die
Filmkunst zu sehen bekommen hatte,
setzte mit dem Goldenen Löwen für
„Die Frau, die ging“ ein doppeltes Signal:
Sie überreichte Diaz die Mitgliedskarte
für den fiktiven Klub der globalen Filmemacher (zu dem Almodóvar, von Trier,
Scorsese, Haneke, Malick, Weerasethakul und Ähnliche gehören) und sie belohnte den Extremisten des Kinos der
Verlangsamung.
Lav Diaz ist für das Kino, was die
Slow-Food-Bewegung fürs Essen darstellt: der radikale Gegenentwurf zum
Konsumismus eines YouTube-Videos
oder einer in Dreiviertelstundenhappen
portionierten Serie. Schon sein erster
Film dauerte länger als fünf Stunden,
sein Berlinale-Beitrag brachte es auf gut
acht; da ist „Die Frau, die ging“ mit ihren knapp vier Stunden dagegen geradezu ein Kurzfilm.
Darin verlegt Lav Diaz Tolstois Erzählung „Gott sieht die Wahrheit, aber
er wartet“ auf die Philippinen. Vor der
Jahrtausendwende wird eine Frau wegen angeblichen Mordes verurteilt, leidet 30 Jahre im Arbeitslager und wird
erst freigelassen, als die wahre Täterin
sich offenbart. Nun ist sie frei und möchte Rache üben, doch diese Welt ist nicht
mehr ihre Welt, und dieser Vorsatz erscheint desto zweifelhafter, je näher er
seiner Verwirklichung rückt.
Diaz’ Markenzeichen sind lange, magisch ausgeleuchtete Schwarz-Weiß-Einstellungen von bis zu fünf Minuten, in
denen sich die Kamera kaum bewegt,
und wenn man ihn dazu befragt, widerspricht er dem Aufkleber des langsamen
Kinos: Ich mache nicht langsames Kino,
ich mache Kino.“ Damit hat er recht,
aber liefert natürlich – wie der Ukrainer
Sergej Loznitsa mit „Austerlitz“, ebenfalls bei der Biennale – einen Gegenentwurf zu dem Sekundentaktkino, das die
Leinwände beherrscht.
Lav Diaz widmete den Löwen seinen
Landsleuten: „Er ist für das philippinische Volk, für unseren Kampf, den
Kampf der Menschlichkeit.“ Gegen den
in seiner Heimat seit Juni amtierenden
Präsidenten wirkt Donald Trump wie ein
Waisenknabe; Rodrigo Duterte befürwortet offen Vergewaltigungen und
Lynchjustiz.; so wird ein Film über Sinn
und Unsinn des Rachenehmens plötzlich
hochpolitisch.
Der Große Preis ging an das Psychodrama „Nocturnal Animals“ des US-Regisseurs Tom Ford. Den Silbernen Löwen für die beste Regie bekamen der Mexikaner Amat Escalante für das AlienErotikdrama „La región salvaje“ und der
Russe Andrej Kontschalowski für den
Holocaust-Film „Ray“. Als beste Schauspielerin wurde die Amerikanerin Emma
Stone für „La La Land“ geehrt, für die
beste männliche Darstellung der Argentinier Oscar Martínez als zynischer Nobelpreisträger in „El ciudadano ilustre“.
Wim Wenders’ „Die schönen Tage von
Aranjuez“ ging leer aus; immerhin bekam die 21-jährige deutsche Schauspielerin Paula Beer („Poll“, „Das finstere
Tal“) für ihre Rolle in „Frantz“ von François Ozon den Preis als beste Nachwuchsschauspielerin. Das Melodram
spielt kurz nach dem Ersten Weltkrieg
und kommt Ende September ins Kino.
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DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd
A
DIE WELT
PANORAMA 27
MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016
uf den ersten Blick ist
Horst Wenzel ein unscheinbarer Typ: schlaksig, blonde
Locken, enge Röhrenjeans.
Doch der 27-Jährige mit
dem unerbittlichen Dauerlächeln ist
nicht irgendwer – er ist Deutschlands
bekanntester TV-Flirtcoach. Behauptet
jedenfalls Google. Und auch er selbst.
Zumindest, so sagt er, habe er mit seinem Fachwissen in Sachen Flirten
schon die eine oder andere Ehe zustande gebracht.
– da ist kaum Raum, sich gegenseitig
kennenzulernen.“ Um die Jugendlichen
mit ihren Fragen nicht alleine zu lassen,
hat die Awo Niederrhein ein deutschlandweit einzigartiges Projekt ins Leben gerufen: „Liebes-Welten“. Hier setzen sich Flüchtlinge mit Themen wie
Homosexualität, Geschlechtskrankheiten und Schwangerschaft auseinander.
Flirtcoach Wenzel teilt sein Wissen
heute unentgeltlich mit den Männern
aus dem Irak, Libanon und Syrien.
„Jetzt erst recht“, habe er sich nach den
Anfeindungen gedacht.
Ob er auch über seine Zielgruppe an
diesem Tag nachgedacht hat? In seinem
Vortrag geht es erst einmal ziemlich
abstrakt zu. Von „Bedürfnispyramide“
und „Kommunikationsebenen“ ist die
Rede. Horst Wenzel weiß, dass er seine
Zuhörer überfordert. Weiter geht es darum mit praktischen Beispielen. Als
Kind, erzählt er, sei er wegen seines
Vornamens gehänselt worden, habe sogar die Schule gewechselt. Doch auch
die neuen Mitschüler fanden den Namen Horst offenbar ziemlich schlimm
und die Hänseleien gingen weiter.
Bis zu dem Tag, an dem seine Mutter
sich entschied, dem pubertierenden
Jungen eine Kiste Radler in den Keller
zu stellen – samt Freifahrtschein, ein
paar Freunde einzuladen. Von da an habe es regelmäßig Partys im Hause Wenzel gegeben und Horst war plötzlich der
coole Party-Horst. Die jungen Flüchtlinge hören gespannt zu – und fragen
sich wahrscheinlich, was sie daraus lernen sollen. Eine Party im Flüchtlingswohnheim? Horst Wenzel empfiehlt etwas Moderneres. Dating-Apps wie Tinder, Lovoo, Now, Once oder Whisper.
Jeder Flüchtling sollte mindestens eine
davon auf dem Smartphone installieren.
Für die Optik: wenige, aber gute Fotos.
Es lohne sich, dafür auch mal über ein
professionelles Shooting nachzudenken. Als einer sich zu Wort meldet, und
meint, er habe seit den Silvesterüber-
CHRISTIN OTTO
VON CHRISTIN OTTO
Wie Wenzel das hinbekommen hat?
Das erklärt der Flirtcoach nun auch jungen Flüchtlingen. Denn Liebe und Beziehung, so findet er, seien ja auch ein
wichtiger Teil der Integration. Und die
jungen Geflüchteten, die er vor sich hat,
seien „alle charmante, junge Herren, die
das Rüstzeug haben, um eine deutsche
Frau von sich zu begeistern“.
Erste Station des Frauenverstehers:
ein Beratungszentrum der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Essen. Drei Securitymänner bewachen den Eingang. Anfeindungen und Drohungen vorab. Ein
Zeitungsbericht hatte die Aufmerksamkeit flüchtlingsfeindlicher Gruppen auf
die Flirtschulung gelenkt. Ihre Interpretation des Kurses ist freilich eine ganz
andere: Flüchtlingen werde von Steuergeldern gezeigt, wie sie deutsche Frauen vergewaltigen. Für die Pädagogen,
die hier arbeiten, sind die vielen Sicherheitskräfte ungewohnt. „Wir beraten
hier zu Themen wie ungewollte
Schwangerschaften. Da ist man auf
Kummer gefasst. Dass jetzt ausgerechnet so etwas Simples wie Flirten für solchen Wirbel sorgt, ist schon verrückt“,
sagt Awo-Mitarbeiterin Nicola Völckel.
Sexualpädagogin Meral Renz sagt, die
jungen Männer seien meist schüchtern
und verunsichert. „Das sind junge Menschen, die aus Kriegsgebieten kommen
„So verliebt man sich in Deutschland“: der Nachhilfekurs in Essen
Flirtkurs für
Flüchtlinge
Junge Migranten und deutsche Frauen? Seit
den Übergriffen von Köln ein heikles Thema.
Essener Pädagogen wollen den Charme von
Syrern, Irakern und Libanesen fördern
griffen in Köln das Gefühl, unter Generalverdacht gestellt zu werden und sich
sehr zurückhalten zu müssen, hat Horst
Wenzel eine simple Antwort parat:
„Nein, das musst du nicht.“ Ehrliche
Leute halte auch niemand für Verbrecher, nur weil es auf der Welt Verbrecher gibt. Als der Flirtcoach die jungen
Flüchtlinge schließlich in die Pause entlässt, scheinen viele von ihnen noch immer ratlos. Auch Ismael. Der 17-jährige
Iraner, seit einem Jahr in Deutschland,
wohnt in einem Heim und geht in Essen
aufs Gymnasium.
Von Wenzels Flirtkurs hatte er sich
erhofft, etwas mehr über die Mentalität
der Deutschen zu erfahren. „Nicht mal
wegen des Flirtens – ich wollte einfach
wissen, wie Menschen hier sind und wie
sie sich kennenlernen“, sagt Ismael. Einige Deutsche wirkten auf ihn sehr kalt.
Was ihm der Kurs bisher gebracht hat,
vermag Ismael nicht so richtig zu sagen.
Aber Mädchen kennenzulernen, sei für
ihn ohnehin erst mal zweitrangig – dafür sei er viel zu schüchtern. Der 15-jährige Ali ist alles andere als schüchtern.
Der junge Libanese macht gerne Witze
und geht offen auf andere zu. Ein halbes
Jahr ist es her, dass Ali mit seiner Familie in Essen ankam. Hier wolle er nun
vor allem erst einmal Deutsch lernen
und dann am liebsten eine Friseurausbildung machen. Deutsche Mädchen?
Die seien aufgeschlossener als die im Libanon, findet Ali. Auch er wolle natürlich eine Freundin finden und mal eine
Familie gründen. Irgendwann.
Sein Kumpel Farangh ist schon ein
Stückchen weiter. Der Iraker trägt einen
Knutschfleck am Hals. Seine Freundin
ist 17 – eine Deutsche mit russischem
Migrationshintergrund. Als Farangh das
Mädchen zum zweiten Mal auf einem
Essener Sportplatz sah, fragte er sie
nach ihrer Nummer. Die beiden schrieben Nachrichten, trafen sich, kamen irgendwann zusammen. Wären Liebesdinge immer und für jeden so einfach
wie im Fall von Farangh, könnten Horst
Wenzel und seine Bedürfnispyramide
wohl einpacken. Meistens jedoch haben
die jungen Männer tatsächlich Probleme, ein Mädchen kennenzulernen. Vorurteile sind die eine Sache, fehlende
Sprachkenntnisse die andere. Nach der
Pause wollen die Männer ans Eingemachte: Wie soll das denn nun funktionieren – eine Freundin finden, ohne
sich wirklich mit ihr unterhalten zu
können? „Das Schöne ist ja, dass die
meisten Beziehungen mit einem Kuss
beginnen“, meint der Flirtcoach und
geht direkt dazu über, die Gruppe über
die Körpersprache der Frauen aufzuklären. Sie schaut ihm in die Augen, lächelt, berührt ihn im Gespräch, zupft
ganz nebenbei an Haaren und Kleidung?
Das seien schon mal positive Zeichen.
Dann könnte ein kleiner Berührungstest hilfreich sein. Der Coach schlägt
Fußkontakt vor, das sei in Deutschland
üblich. Zieht sie ihren Fuß nicht weg, ist
das ein gutes Zeichen.
Frage: Woran liegt es eigentlich, dass
manche Beziehungen so schnell zu Ende sind? „Vielleicht, weil die Jungs zu
viel Körperkontakt wollen“, vermutet
der eine. „Die haben einfach jemand
Besseren gefunden“, glaubt der andere.
Wenzel schaltet sich ein: Am Körperkontakt könne es nicht liegen. Wer in
Deutschland eine Beziehung habe, der
habe auch Sex. „Der Sex kommt sogar
vor der Beziehung.“ Dass Frauen sich
hingegen nach einem besseren Modell
Mann umgeschaut haben, hält er für
plausibel. Hilfreiche Tipps? Die hat
Horst Wenzel, wenn es eigentlich gar
nicht ums Flirten geht. Als er den Jungs
zum Beispiel rät, sich einen Sportverein
zu suchen – um Leute kennenzulernen.
Oder erst mal eine beste deutsche
Freundin zu finden. Ohne Hintergedanken. Dass das mit dem Flirten so
schwierig ist, das liege letztlich ohnehin
an den Deutschen und deren Vorurteilen, sagt der Coach.
TV-PROGRAMM
ARD
ZDF
SAT.1
RTL
3SAT
ARTE
PRO SIEBEN
KABEL 1
5.30 ¥ g ZDF-Morgenmagazin 9.00 ¥
g Tagesschau 9.05 ¥ g Rote Rosen
9.55 Sturm der Liebe 10.45 ¥ g Wer
weiß denn sowas? 11.35 ¥ Nashorn,
Zebra & Co. 12.00 Tagesschau 12.15 ¥
ARD-Buffet 13.00 ZDF-Mittagsmagazin
14.00 ¥ g Tagesschau
14.10 ¥ g Rote Rosen
15.00 ¥ g Tagesschau
15.10 Sturm der Liebe
16.00 ¥ g Tagesschau
16.05 ¥ g Paralympics Rio 2016
17.25 ¥ Brisant Magazin
18.00 ¥ g Wer weiß denn sowas?
18.50 ¥ g Großstadtrevier
Pauls Versuchung
19.45 ¥ g Wissen vor acht –
Zukunft Magazin
19.50 ¥ g Wetter vor acht
19.55 ¥ g Börse vor acht
20.00 ¥ g Tagesschau
20.15 ¥ Der Gesundheits-Check
(1/3) Magazin. Endlich
schlank! – Das Geschäft mit
dem Übergewicht. Die
Deutschen werden immer
dicker: 53 % der Frauen und
67 % der Männer hierzulande
sind übergewichtig.
21.00 ¥ Hart aber fair Diskussion
22.15 ¥ Tagesthemen
22.45 ¥ g Paralympics Rio 2016
Rollstuhlbasketball: Herren,
Brasilien – Deutschland /
Leichtathletik / Schwimmen
4.30 ¥ Brisant Magazin (Wh.)
5.30 ¥ g ZDF-Morgenmagazin 9.03 ¥
g Paralympics extra: 4. Wettkampf-
5.30 g Sat.1-Frühstücksfernsehen
10.00 g Auf Streife – Die Spezialisten
11.00 Richterin Barbara Salesch 12.00
Richter Alexander Hold Show
14.00 g Auf Streife Reportagereihe
15.00 g Klinik am Südring
16.00 g Auf Streife – Berlin
Reportagereihe. Gewalt in der
Familie, Drogenhandel, Diebstahl: Der Polizei-Alltag in Berlin ist hart und oft gefährlich.
Die Doku zeigt echte Polizisten
bei ihrer Arbeit – in Villenvierteln und Problemkiezen.
17.00 g Mein dunkles Geheimnis
17.30 g Schicksale Doku-Soap
18.00 g Auf Streife –
Die Spezialisten
19.00 g Fahndung Deutschland
19.55 Sat.1 Nachrichten
20.15 g Crime Scene Riviera Krimi-Serie. Ausgepresst / Nicht
von dieser Welt. Vincent Farnese wird im Haus von Pascal
Mergaut tot aufgefunden. Die
beiden Freunde verband ein
dunkles Geheimnis.
22.15 g Promi Big Brother
Show. Moderation: Jochen
Schropp, Désirée Nick
23.15 g Navy CIS Krimi-Serie
1.00 g Criminal Minds
Krimi-Serie. Jahrestag
1.45 Crime Scene Riviera (Wh.)
3.20 g Navy CIS (Wh.)
4.45 g Promi Big Brother
5.05 g Der Blaulicht-Report 6.00 g
Guten Morgen Deutschland 8.30 ¥ g
Gute Zeiten, schlechte Zeiten 9.00 g
Unter uns 9.30 g Der Blaulicht-Report
11.00 Die Trovatos – Detektive decken
auf Doku-Soap. Die Detektivfamilie Trovato kümmert sich bei ihren meist aufwendigen Ermittlungen um die Probleme
kleiner Leute. 12.00 g Punkt 12 Magazin
14.00 g Der Blaulicht-Report
15.00 g Der Blaulicht-Report
16.00 g Verdachtsfälle Doku-Soap
17.00 g Betrugsfälle Doku-Soap
17.30 g Unter uns
18.00 g Explosiv – Das Magazin
18.30 Exclusiv – Das Star-Magazin
18.45 g RTL aktuell
19.05 g Alles was zählt Soap
19.40 ¥ g Gute Zeiten, schlechte
Zeiten Soap. Mit Janina Uhse
20.15 g Wer wird Millionär? Show
21.15 g Das Jenke-Experiment
Dokumentationsreihe
Demenz. Mit Jenke von
Wilmsdorff. In einem
neuen Selbstversuch lässt
sich Jenke von Wilmsdorff
unter Hypnose in einen Demenz-Zustand versetzen.
22.30 g Extra – Das RTL Magazin
23.30 g 30 Minuten Deutschland
0.00 g RTL Nachtjournal
0.30 g 10 vor 11 Magazin
0.55 g CSI: Den Tätern auf
der Spur Krimi-Serie
3.30 g RTL Nachtjournal (Wh.)
12.30 sonntags 13.00 ZIB 13.25 g Die
Bodensee-Polizei Dokumentationsreihe
12.35 360° Geo Reportage Rattenjagd
im Südpolarmeer 13.20 ARTE Journal
14.10 ® g Der siebte Geschworene Kriminalfilm (F 1962)
15.50 g Tiere im Fokus
16.15 ¥ g Phantome der Wüste
17.00 ¥ g X:enius Magazin
Maschine Gehirn: Was
bringt uns die Simulation
im Supercomputer?
17.30 g Mission zum Mars
Dokumentation (Wh.)
18.25 ¥ Orientalische Gartenlust
19.10 ARTE Journal
19.30 g Die Mosel (1/3)
Dokumentationsreihe
20.15 ¥ g Betrogen Psychodrama
(USA 1971) Mit Clint Eastwood,
Geraldine Page, Elizabeth
Hartman. Regie: Don Siegel
21.55 ¥ g Der große Coup Actionthriller (USA 1973) Mit Walter
Matthau, Joe Don Baker,
Felicia Farr. Regie: Don Siegel
23.45 g Allein In den Bergen
von Yunnan. Dokumentarfilm
(F/HK/CHN 2012)
1.00 g Vaterlandsverräter
Dokumentarfilm (D 2011)
2.35 Metropolis Magazin (Wh.)
5.30 My Boys 5.50 g Cougar Town 6.40
g Norbit Komödie (USA 2007) 8.30 g
Die Schadenfreundinnen Romantikkomödie (USA 2014) 10.30 The Middle
11.25 g Mike & Molly 12.15 How I Met
Your Mother 13.05 Two and a Half Men
14.50 g 2 Broke Girls Sitcom
Von Schlümpfen und Hexen /
Der verheiratete Single
15.45 g The Big Bang Theory
Comedy-Serie. Das VegasWeekend / Festgehalt
statt Taschengeld / Das
Mississippi-Missverständnis
17.00 g taff Magazin
18.00 Newstime
18.10 g Die Simpsons
Zeichentrick-Serie. Der Teufel
trägt Nada / L wie Loser
19.05 g Galileo Magazin
20.15 g The Big Bang Theory
Comedy-Serie. Tränen am Valentinstag / Es waren doch nur
Küsse / 31 Liebhaber, aufgerundet / Der sicherste Ort der
Welt. Kurz vor dem Valentinstag heult Raj sich bei Amy und
Sheldon aus – während sie mit
ihrer Live-Sendung online sind.
22.15 g Circus Halligalli Show
23.20 g The Big Bang Theory
2.50 ProSieben Spätnachrichten
2.55 Family Guy Zeichentrick-Serie
3.15 Futurama Zeichentrick-Serie
3.35 g Brickleberry
4.15 Malcolm mittendrin
5.55 g Numb3rs – Die Logik des Verbrechens 6.50 g Without a Trace –
Spurlos verschwunden 7.40 Cold
Case – Kein Opfer ist je vergessen 8.40
g Navy CIS 9.30 g The Mentalist
10.25 g Castle 11.15 g Without a
Trace – Spurlos verschwunden Nacht
der Wahrheit 12.10 g Numb3rs – Die
Logik des Verbrechens Markt und Marke 13.05 Cold Case – Kein Opfer ist je
vergessen 13.55 g Navy CIS
14.50 g The Mentalist
Krimi-Serie. Miranda
15.50 News
16.00 g Castle Krimi-Serie
16.50 g Abenteuer Leben täglich
17.55 g Mein Lokal, dein Lokal –
Wo schmeckt’s am besten?
18.55 g Achtung Kontrolle! Einsatz für die Ordnungshüter
20.15 g Air Force One
Actionthriller (USA/D 1997)
Mit Harrison Ford, Gary
Oldman, Glenn Close
Regie: Wolfgang Petersen. Der
russische Dissident Korshunov
und seine Männer entern das
Flugzeug des US-amerikanischen Präsidenten Marshall.
22.35 g Snakes on a Plane Actionthriller (USA/CDN/D 2006)
0.40 g Airforce Two
Actionfilm (USA/D 2006)
2.15 Late News
2.20 g Air Force One Actionthriller (USA/D 1997) (Wh.)
tag u. a. Leichtathletik / Schwimmen /
Tischtennis / Triathlon 10.30 Die Garmisch-Cops 11.15 SOKO Stuttgart Ans
Messer geliefert 12.00 heute 12.10 drehscheibe 13.00 ZDF-Mittagsmagazin
14.00 g heute – in Deutschland
14.15 Die Küchenschlacht Magazin
15.00 ¥ g heute Xpress
15.05 ¥ g Bares für Rares Show
16.00 ¥ g heute – in Europa
16.10 ¥ SOKO Wien
17.00 ¥ g heute
17.10 ¥ hallo deutschland Magazin
17.45 ¥ g Leute heute Magazin
18.05 ¥ g SOKO 5113
19.00 ¥ g heute
19.20 ¥ g Wetter
19.25 ¥ g WISO Magazin
20.15 ¥ g Lotte Jäger und das
tote Mädchen Kriminalfilm
(D 2016) Mit Silke Bodenbender, Isolda Dychauk, Sebastian
Hülk. Regie: Sherry Hormann
21.45 ¥ g heute-journal Magazin
22.15 ¥ g The Night Manager
TV-Krimi (GB/USA 2016)
Mit Tom Hiddleston,
Hugh Laurie, Elizabeth Debicki
Regie: Susanne Bier
0.15 g heute+ Magazin
0.30 Day Night Day Night Drama
(USA/D/F 2006) Mit Luisa Williams, Josh Phillip Weinstein
2.00 g ZDF-History
PHOENIX
N-TV
MDR
RBB
12.00 Vor Ort 12.45 Thema 14.00 Vor
Ort 14.45 Thema 16.00 Die Flüchtlingskrise: Wie schaffen wir das? 16.45 45
Min 17.30 Vor Ort 18.00 Die Neue
Rechte – National, patriotisch, gefährlich? 18.30 Frankreich – Wild und
schön Dokumentarfilm (F 2011) (Wh.)
20.00 ¥ Tagesschau 20.15 Expedition
Himalaja (1/3) Dokumentationsreihe
21.00 Expedition Himalaja 21.45 ¥ heute journal 22.15 Unter den Linden 23.00
Der Tag 0.00 Unter den Linden (Wh.)
0.45 Expedition Himalaja (Wh.)
12.30 News Spezial 13.00 Nachrichten
13.10 Telebörse 13.30 News Spezial
14.10 Telebörse 14.30 News Spezial
15.20 g Ratgeber – Test 15.40 Telebörse 16.10 g Wissen 17.10 g Showdown in Berlin – Der n-tv Wahlgipfel
18.15 Telebörse 18.30 g PS – Porsche
Carrera Cup 19.15 g „Spiegel“-TV
Magazin 20.15 g Wunder der Technik
21.05 g Wunder der Technik 22.05
Telebörse 22.10 Rennlegenden 23.10
Showdown in Berlin – Der n-tv Wahlgipfel 0.10 PS – Porsche Carrera Cup
14.00 MDR um zwei 15.00 ¥ g LexiTV – Wissen für alle 16.00 ¥ g MDR
um vier 16.30 ¥ g MDR um vier 17.00
¥ g MDR um vier 17.45 ¥ g MDR
aktuell 18.05 ¥ g Wetter für 3 18.10 ¥
g Brisant 18.54 ¥ Unser Sandmännchen 19.00 MDR Regional 19.30 ¥ g
MDR aktuell 19.50 ¥ g Mach dich ran!
20.15 ¥ Das Glück ist eine Insel Liebesfilm (D 2001) 21.45 ¥ g MDR aktuell
22.05 ¥ g Fakt ist! 23.05 g Morden
im Norden 23.55 ¥ g Der schweigende Stern Sci-Fi-Film (DDR/PL 1960)
14.15 g Planet Wissen 15.15 g Paarduell 16.00 rbb UM4 17.00 rbb aktuell
17.05 g Panda, Gorilla & Co. 17.55 g
Unser Sandmännchen 18.00 g rbb
UM6 – Das Ländermagazin 18.30 g
zibb 19.30 Abendschau 19.56 Parteien
zur Wahl 20.00 ¥ Tagesschau 20.15 g
Tatort: Schlaraffenland TV-Krimi (D
2002) 21.45 rbb aktuell 22.15 g Das
leise Sterben der Bienen und Schmetterlinge 22.45 Polizeiruf 110: Ein verhängnisvoller Verdacht TV-Krimi (D
1991) 0.15 g Hauptstadtrevier
14.10
14.50
15.20
15.45
16.30
18.00
18.30
19.00
19.20
20.00
20.15
21.40
22.00
22.25
23.55
0.25
0.50
1.45
unterwegs Reportagereihe
g Traumziel Kanadas Arktis
Island Dokumentation
¥ Lebenslinien Porträtreihe
Unsere Tracht und die Macht
ZDF-History Doku-Reihe
Pirat! Die großen Freibeuter
der Geschichte. In dieser Sendung wird gezeigt, wie Männer
und Frauen unter der Totenkopf-Flagge tatsächlich lebten.
g nano Magazin
¥ g heute
g Kulturzeit Magazin
¥ g Tagesschau
g Wildes Japan
g Schätze der Welt –
Erbe der Menschheit
¥ g ZIB 2
g Homs – Ein zerstörter
Traum Dokumentarfilm
(SYR/D 2013) Regie: Talal Derki
¥ g Du musst kämpfen,
Johnny! Dokumentation
Ein Jahr auf Leben und Tod
g 10vor10
Sendung ohne Namen
Panorama Reportagereihe
6.00 g N24 Nachrichten
7.40 g N24 Nachrichten – N24
Wirtschaft und Börse
12.45 Börse am Mittag
13.00 N24 Nachrichten auch um 14,
15, 18, 19 und 20 Uhr
13.05 g Sci Fi Science
14.05 g Chaos auf Rädern
15.25 N24 Cassini
16.05 g Aliens – Der ultimative
Ratgeber Dokumentation
18.15 Börse am Abend Magazin
Moderation: Dietmar Deffner
18.25 N24 Cassini
19.10 g Welt der Wunder
Magazin. Strömungen
in der Tiefe: Welchen Einfluss
haben Meeresbewegungen
auf das Wetter?
20.05 Schwertransport zu Wasser
21.05 g Hamburger Hafen –
Deutschlands Tor zur Welt
22.05 Deutschland im Glutrausch
23.05 g Hilfe, die Deutschen
kommen Reportage
0.00 Bier – Vom Hopfen bis zur
Schaumkrone Reportage
20.05 Wie kommt ein 50 t schweres
Piratenschiff von Litauen nach Berlin? Die erste Etappe nach Stettin
legt der riesige Zweimastsegler im
Bauch eines Frachtschiffes zurück.
EUROSPORT 1 / SPORT 1
NDR
WDR
HR
BR
SWR
Eurosport: 19.15 g Springreiten: Global Champions Tour (Wh.) 20.30 Horse
Excellence 21.00 g kicker.tv – Der
Talk 22.00 WATTS Sportzapping 22.15
g Springreiten: Rolex Grand Slam
23.15 Eurosport News 23.30 g Fußball
0.00 Fußball: Major League Soccer
Sport1: 16.30 Yukon Gold (Wh.) 17.30
Bundesliga – Der Spieltag (Wh.) 18.30
Bundesliga aktuell 19.45 Hattrick 20.15
Hattrick: 2. Bundesliga 22.15 Telekom
Spieltaganalyse 23.30 Die Premier
League Highlights 4. Spieltag
13.45 ¥ g NDR//aktuell 14.00 ¥ g Gefragt – Gejagt Show 14.45 ¥ die nordstory 15.45 ¥ g NDR//aktuell 16.10 ¥
Mein Nachmittag 17.10 ¥ Leopard,
Seebär & Co. 18.00 Ländermagazine
18.15 ¥ g Die Nordreportage 18.45 ¥
g DAS! 19.30 Ländermagazine 20.00 ¥
g Tagesschau 20.15 ¥ g Markt 21.00
¥ g Die Tricks der Möbelhäuser
21.45 ¥ g NDR//aktuell 22.00 ¥ 45 Min
22.45 ¥ g Kulturjournal 23.15 ¥ Die
Flucht Drama (D 2007) (Forts.: Mo., 12.
09., 0.45 Uhr) 2.15 Nordbilder
14.00 ¥ g Björn Freitags Foodtruck 14.30 ¥ g Georgien – Von Null
auf 5000 15.15 ¥ g Gefragt – Gejagt
16.00 ¥ g WDR aktuell 16.15 g daheim & unterwegs 18.00 ¥ WDR aktuell / Lokalzeit 18.15 ¥ g Servicezeit
18.45 ¥ g Aktuelle Stunde 19.30 Lokalzeit 20.00 ¥ g Tagesschau 20.15 ¥
g Land und lecker Doku-Soap 21.00 ¥
g Tanzfieber – mein bewegtes Leben
21.45 ¥ g WDR aktuell 22.10 g Hier
und heute 22.40 ¥ Westart live 0.00 ¥
g Tanzfieber – mein bewegtes Leben
13.05 ¥ Wie Tag und Nacht Komödie (D
2013) 14.35 Utta Danella – Die Himmelsstürmer Drama (D 2014) 16.00 g
hallo hessen 16.45 g hessenschau
kompakt 17.00 g hallo hessen 17.50
g hessenschau kompakt 18.00 Maintower 18.25 ¥ g Brisant 18.50 Service:
Zuhause 19.15 Alle Wetter! 19.30 hessenschau 20.00 Tagesschau 20.15 ¥ g
Wunderschön! 21.45 Sonnenziele für
jede Jahreszeit 22.30 hessenschau
kompakt 22.45 Heimspiel! 23.30 maintower kriminalreport 0.00 Hecht und Haie
13.30 ¥ In aller Freundschaft 14.15 ¥
Kunst und Krempel 14.45 ¥ Gefragt –
Gejagt 15.30 Familienbande 16.00 ¥
Rundschau 16.15 Wir in Bayern 17.30
Regional 18.00 ¥ Abendschau 18.30 ¥
Rundschau 19.00 ¥ Unkraut 19.30 ¥
Dahoam is Dahoam 20.00 ¥ Tagesschau 20.15 ¥ õ Bayerischer Kabarettpreis 2016 21.45 ¥ Rundschau Magazin 22.00 Blickpunkt Sport 22.45
Verleihung des Eugen-Biser-Preises
2016 23.15 BR-Klassik 0.00 Rundschau
Nacht 0.10 Rafael Kubelik spielt
14.15 g Eisenbahn-Romantik 15.15 ¥
g Länder – Menschen – Abenteuer
16.00 ¥ Aktuell 16.05 g Kaffee oder
Tee 17.00 ¥ Aktuell 17.05 g Kaffee
oder Tee 18.00 Aktuell 18.15 Mensch,
Leute! 18.45 ¥ Landesschau BW 19.30
¥ Aktuell 20.00 ¥ g Tagesschau 20.15
¥ Kurhotel Alpenglück Heimatfilm (D
2006) 21.45 ¥ Aktuell 22.00 õ g Sag
die Wahrheit 22.30 g Verstehen Sie
was? 23.15 g Meister des Alltags 23.45
g Die Quiz-Helden – Wer kennt den
Südwesten? 0.25 ¥ g Paarduell
VOX
RTL 2
5.05 g CSI: NY 6.40 g Verklag mich
doch! 7.45 g Verklag mich doch! 8.50
g Verklag mich doch! 9.50 g Verklag
mich doch! 10.50 g vox nachrichten
10.55 g 4 Hochzeiten und eine
Traumreise 12.00 g Shopping Queen
13.00 g Zwischen Tüll und Tränen
14.00 g Schrankalarm Doku-Soap
15.00 g Shopping Queen
16.00 g 4 Hochzeiten und eine
Traumreise Doku-Soap
17.00 g Zwischen Tüll und Tränen
18.00 g Hautnah: Die Tierklinik
19.00 g Das perfekte Dinner –
Wer ist der Profi? Doku-Soap
Tag 1: Matthias, Deutschland
Welcher Kandidat ist der Profi?
Werden die „Amateure“ ihn
enttarnen oder kochen alle
fünf auf höchstem Niveau?
20.00 g Prominent! Magazin
20.15 Goodbye Deutschland! Viva
Mallorca! Reportagereihe. Daniela kommt ins Krankenhaus.
Bluthochdruck. Risikoschwangerschaft. Die Ärzte entscheiden, die Babys zu holen.
23.10 g Die Superolympionikin
0.10 g vox nachrichten
0.30 Medical Detectives
5.10 g Privatdetektive im Einsatz 8.55
g Frauentausch 11.00 g Der
Zoowärter Komödie (USA 2011) Um ihrem Lieblingswärter endlich eine Frau zu
verschaffen, bringen die Zootiere ihm bei,
wie man richtig balzt. 12.55 g Köln
50667 13.55 g Berlin – Tag & Nacht
14.55 g Hilf mir! Jung, pleite,
verzweifelt ... Doku-Soap
Sugarmummy. Die Ehe von
Ronja und Jay ist nicht mehr
das, was sie einmal war.
15.55 g Privatdetektive im
Einsatz Doku-Soap
16.55 g Die Straßencops West –
Jugend im Visier Doku-Soap
Verkehrsunfall durch Schock /
Sohn sperrt Mutter auf Balkon
18.00 g Köln 50667 Doku-Soap
19.00 g Berlin – Tag & Nacht
20.00 g RTL II News
20.15 g Traumfrau gesucht
Doku-Soap. Walther aus Berlin
versucht sein Glück in Sofia.
Sein Date in Bulgarien steht
aber unter keinem guten Stern.
21.15 g Der Traummann – Liebe
ohne Grenzen Doku-Soap
23.15 g Der Trödeltrupp
0.25 Zugriff – Jede Sekunde zählt
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DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd
PANORAMA
DIE WELT
MONTAG, 12. SEPTEMBER 2016
SEITE 28 *
KOMPAKT
Busfahrer tötet
Reisegruppe
Ein schweres Busunglück, bei dem
im Juli 26 Menschen starben, hat
sich als geplanter Suizid erwiesen.
Untersuchungen haben ergeben,
dass der Fahrer betrunken war und
den Bus bewusst gegen eine Leitplanke steuerte. Der Grund war eine
Haftstrafe, die ihm wegen Vergewaltigung bevorstand.
ISERLOHN
Mann will Kind retten
und ertrinkt
Ein 30 Jahre alter Mann ist ertrunken, als er ein Kleinkind aus dem
Iserlohner Seilersee retten wollte.
Der Mann, der wohl Nichtschwimmer war, sei untergegangen und erst
nach einer Stunde entdeckt worden.
Er starb kurze Zeit später. Das Kind
konnte unverletzt gerettet werden.
ANDI WEILAND
„Meine Behinderung
ist nicht das Problem“:
Laura Gehlhaar
Halb blond, halb Rollstuhl
MÜNCHEN
Oliver Stone schimpft
über Hollywood
Die Berlinerin Laura Gehlhaar ist hübsch, intelligent, ein Männerschwarm.
Das bekommen viele Menschen nicht mit ihrer Lähmung zusammen
In Kürze erscheint Oliver Stones
Film über Edward Snowden – und
der Regisseur (69) schimpft über
D
REUTERS / MARK BLINCH
er Knoten platzt mit einem Schrei. Laura Gehlhaar ist 18 Jahre alt,
zwölfte Klasse, die Noten
sind schlecht, die Versetzung ist gefährdet, aber Laura hat sich
entschieden, Psychologie zu studieren.
Der Beamte bei der Berufsberatung zerschmettert ihre Hoffnung. Nicht wegen
ihrer schlechten Noten, sondern weil
Laura nicht richtig laufen kann. „Wie
wollen Sie anderen helfen, wenn Sie offensichtlich selber Hilfe brauchen?“,
das sagt der Mann noch, bevor er Laura
entlässt.
Hollywood: „Kein Studio wollte das
Thema anrühren, da gab es eine Art
Einschüchterung, Selbstzensur und
Angst vor den Behörden.“ Stone
drehte „Snowden“ schließlich in den
Münchner Bavaria Studios.
VON JULIA MARIA GRASS
Statt Ermutigung gibt er ihr einen Infoflyer für Behinderte mit. Laura humpelt wie betäubt über den Parkplatz,
setzt sich in ihr Auto – und schreit. Aus
vollem Hals brüllt sie: „Jetzt erst recht“.
Laura Gehlhaar ist inzwischen 33 Jahre alt. Sie humpelt nicht mehr, sie sitzt
im Rollstuhl, seit zehn Jahren schon.
Psychologie studiert hat sie trotzdem.
Außerdem Sozialpädagogik in den Niederlanden. Sie lebt mittlerweile in Berlin, bloggt auf „Frau Gehlhaar“ über ihr
Leben als Rollstuhlfahrerin, am 12. September erscheint ihr erstes Buch.
OFFENBACH
Temperaturrekorde
wackeln – weiter heiß
Deutschland genießt einen rekordverdächtigen Altweibersommer: „Im
September kann man Temperaturen
über 30 Grad nicht mehr als normal
bezeichnen“, sagte Meteorologe
Lars Kirchhübel vom Deutschen
Wetterdienst. Für den Wochenstart
rechnet er damit, dass lokale Temperaturrekorde geknackt werden.
Es soll die Botschaft transportieren,
die ihr damals im Auto bewusst geworden ist: „Meine Behinderung ist nicht
das Problem. Das Problem sind die vielen Dinge, die mich von außen behindern, vor allem die Unsicherheiten der
Menschen.“ Das sagt sie heute. Denn
heute lebt sie – jetzt erst recht.
An einem Abend im August sitzt
Gehlhaar an ihrem Fenster in BerlinFriedrichshain. Die Sonne liegt auf ihrem blonden Haar, das ihr in leichten
Wellen über die Schulter fällt. Die blauen Augen verdreht sie manchmal, wenn
sie genervt ist oder über sich selbst lachen muss. Laura Gehlhaar ist eine hübsche Frau – und das passt für viele Menschen nicht zu einer Behinderung.
„Du Arme“, heißt es dann, „so hübsch
und dann im Rollstuhl?“ Auch der Titel
ihres Buches ist einer solchen Bemerkung zu verdanken: „Kann man da noch
was machen?“
An guten Tagen erklärt Gehlhaar den
Menschen, die ihr mit solchen Sprüchen
begegnen, warum sie das unsensibel findet. An schlechten Tagen blafft sie ungeduldig zurück oder erzählt, sie sei
Flugbegleiterin bei einer russischen Airline gewesen und die einzige Überlebende eines Flugzeugabsturzes. Gehlhaar ist schlagfertig, manchmal schroff,
Kreuzfahrtschiff
rammt Brücke –
zwei Tote
bummelt durch die Straßen, tanzt in ihrem Rollstuhl durch angesagte Nachtklubs und hat ihren Freund auf der Dating-App Tinder kennengelernt. Nicht
trotz Rollstuhl, sondern dank Rollstuhl.
Was sie von der typischen Berlinerin
unterscheidet? Sie geht nicht spazieren,
sie fährt, sie steht nicht in der Schlange
am Postschalter, sie sitzt. Sie rennt
nicht abgehetzt die Treppen zur UBahn herunter, aber sie hofft genauso
abgehetzt darauf, dass der Fahrstuhl
zum Gleis doch endlich kommt.
Busfahrer gucken genervt, Türsteher
wollen sie oft nicht in die Klubs einlassen – „wenn dir hier was passiert, wollen wir nicht die Verantwortung übernehmen“, heißt es dann. Verkäufer an
der Theaterkasse fragen ihren Freund,
ob er ihr Betreuer sei – „und dann sollen
wir im Saal auch noch super weit auseinandersitzen, weil die Behindertenplätze nun mal am anderen Ende der Reihe
sind“. Laura Gehlhaar verdreht die Augen. „Ich verstehe ja, dass die meisten
Menschen es nicht böse meinen. Wenn
mir etwas Unbekanntes begegnet, bin
ich auch erst mal neugierig, vielleicht
taktlos“, sagt sie, „nur woher kommt
das denn? Wenn Menschen mit Behinderung in der Mitte der Gesellschaft
existieren dürften, dann gäbe es diese
Unsicherheiten nicht.“
Sonderschulen,
Behindertenwerkstätten, Arbeitsplätze ohne Barrierefreiheit – das alles sind für sie Einrichtungen, die eine Ausgrenzung von Behinderten fördern. Laura Gehlhaar ärgert sich über diese Dinge, aber sie
weiß, dass sie mit Ärger allein nichts daran ändern kann. Deshalb bloggt sie und
deshalb hat sie auch ihr Buch geschrieben. Es macht ihr nichts aus, darüber zu
lachen, wenn sie sich vom Rollstuhl in
einen Flugzeugsitz wälzen muss. Sie erzählt, wie es ist, wenn ein Magen-DarmVirus plötzlich zuschlägt und man sich
eben nicht schnell genug ins Badezimmer bewegen kann.
„Wenn mich früher ein Typ nicht
wollte, habe ich mir immer gesagt – das
liegt am Rollstuhl“, sagt sie, „aber der
Typ wollte mich vielleicht einfach nicht,
weil ich auch wirklich schwierig sein
kann“. Sie lacht. „Manchmal ist es auch
zu leicht, jedes Problem auf den Rollstuhl zu schieben.“
Die meisten Menschen haben in ihrem Alltag wenig Kontakt mit behinderten Mitmenschen – „Ich weiß, dass sich
das nicht von heute auf morgen ändern
wird“, sagt Laura Gehlhaar. „Aber es
wäre schon viel erreicht, wenn jeder für
sich einfach mal seine eigenen Denkmuster kritisch hinterfragen könnte.“
Ihr jetziger Freund hat sich nie direkt
nach ihrer Behinderung erkundigt. Sie
gehörte zu ihr, Normalität eben. „Irgendwann später, da hat er mal gefragt –
hey, was hast du eigentlich”, erzählt
Gehlhaar, „ich habe kurz geantwortet
und damit war es gut.“
TAIWAN
und auch das trauen viele Menschen einer Blondine im Rollstuhl nicht zu.
Schlagfertigkeit ist für sie auch eine
Überlebensstrategie. Seit der Arzt ihr
mit elf Jahren den Stempel „Muskelerkrankung“ aufgedrückt hat, sieht sie
sich mit Diskriminierung konfrontiert.
Die Blicke der Menschen teilt sie in ihrem Buch in Kategorien ein: erschrocken, geschockt, mitleidig, ignorierend,
anerkennend oder einfach nur glotzend.
Es gibt Menschen, die durch sie hindurchsehen, auch wenn sie offensichtlich Hilfe braucht und solche, die ihre
Hilfe regelrecht aufdrängen und ein
„Nein, danke“ nicht akzeptieren. „Die
sind dann richtig beleidigt“, sagt Laura
Gehlhaar.
Auch deshalb möchte sie eigentlich
nicht über ihre Krankheit sprechen.
„Ich finde, das ist etwas sehr Persönliches. Ich schreibe ganz bewusst nicht
viel darüber“, sagt sie. Sie spricht ruhig,
überlegt, sie erklärt diese Dinge offensichtlich nicht zum ersten Mal. „Mein
Körper ist, wie er ist. Ich möchte erreichen, dass meine Behinderung als gesellschaftliches Problem angesehen
wird.“
Eigentlich lebt Laura Gehlhaar das
Leben einer ganz normalen jungen Berlinerin. Sie macht „was mit Medien“,
Bei Erlangen havariert ein
Touristenboot aus Ungarn
E
in Kreuzfahrtschiff ist auf dem
Main-Donau-Kanal nachts an einer Brücke hängen geblieben –
zwei Besatzungsmitglieder starben im
zertrümmerten Führerhaus. In einer
aufwendigen Bergungsaktion holten
Rettungskräfte die Opfer im mittelfränkischen Erlangen von Bord. „Bei den
Toten handelt es sich um zwei 33 und 49
Jahre alte Männer“, sagte ein Polizeisprecher am Sonntag. Während der Ältere in Vertretung des Kapitäns der verantwortliche Schiffsführer war, handelt
es sich bei dem Jüngeren um einen Matrosen. Das Schiff hatte erst kurz vor
dem Unglück seine Reise von Erlangen
in die ungarische Hauptstadt Budapest
angetreten. Nach der Havarie mussten
etwa 180 Fahrgäste sowie die aus 49 Seeleuten bestehende Besatzung noch
mehrere Stunden auf dem Unglücksboot verbringen, bis sie am Morgen an
Land gebracht werden konnten. Rettungskräfte bauten dafür eigens einen
Notsteg. Die Passagiere kamen zunächst mit Bussen in ein nahes Gemeindezentrum und wurden von Notfallseelsorgern betreut. Außer den beiden
Todesopfern wurden keine Menschen
verletzt. Mehr als 200 Rettungskräfte
waren an dem Einsatz beteiligt. Sie fanden einen katastrophalen Anblick vor:
Das Führerhaus wurde bei dem Aufprall
völlig zerstört, die beiden aus Ungarn
stammenden Crewmitglieder waren
eingeklemmt worden und in den Trümmern gestorben.
Wie es zu dem Unglück kam, blieb offen. Von der Reederei des unter Schweizer Flagge fahrenden Schiffes hieß es:
„Es zerreißt uns das Herz, und Mitarbeiter sind in Nürnberg, um in enger
Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden die Details des Unfalls herauszufinden“, teilte ein Sprecher von Viking River Cruises aus den USA mit. Die
Gäste könnten nun wählen, ob sie nach
Hause zurückkehren oder die Tour mit
einer neuen Route fortsetzen wollten.
ZU GUTER LETZT
Ein Autofahrer hat den Sturz mit Pkw
aus der neunten Etage eines Parkhauses unversehrt überstanden. Das
Auto war in Austin/Texas über die
Absperrung gerauscht und blieb dann
senkrecht an einer Drahthalterung
hängen. „Der Fahrer kletterte über das
Schiebedach raus und zurück ins Parkhaus“, so die Feuerwehr. Die seilte den
Wagen später ab und empfahl auf Twitter: „Macht das bloß nicht nach.“
T „Kann man da noch was machen?
Geschichten aus dem Alltag einer Rollstuhlfahrerin.“ Heyne. 256 S., 9,99 €
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Reykjavik
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Gerade zu Besuch
bei mir selbst.
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Stuttgart 15
549
München
Friedrichshafen
Nach lokalem Nebel heiter bis wolkig
Heute: Nach örtlichem Nebel oder Hochnebel gibt es viel Sonnenschein. Im Tagesverlauf bilden sich hier und da ein paar Quellwolken.
Meist bleibt es aber trocken, lediglich an den Alpen können sich einzelne Regenschauer oder Gewitter entwickeln. Die Temperaturen
steigen auf Höchstwerte von 26 bis 32 Grad. Im äußersten Norden
bleibt es etwas kühler.
Biowetter: Bei der Wetterlage schlafen viele Menschen nicht so tief
wie sonst. Die Folgen sind Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Dadurch können Konzentrations- und Leistungsfähigkeit eingeschränkt
sein. In einigen Fällen verlängert sich auch die Reaktionszeit.
SONNE & MOND
VORHERSAGE
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Mittwoch Donnerstag
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16 30
15
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15 28
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14 24
29
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26
12
25
11
22
Hamburg Maximum 30,0° (1919), Berlin Maximum 28,3° (1999),
Minimum 2,4° (1986)
Minimum 6,8° (1972)
Athen
31
33
26
Tunis
27
29
26
Las Palmas
-9 bis -5
H
T
-4 bis 0
1 bis 5
Hoch / Tief
6 bis 10
Warmfront
11 bis 15
16 bis 20
21 bis 25
Kaltfront
26 bis 30
Okklusion
31 bis 35
über 35
Warmluft
Kaltluft
WELTWETTER HEUTE
Antalya
Bali
Buenos Aires
Djerba
Honolulu
30°
28°
21°
30°
31°
heiter
heiter
Gewitter
heiter
wolkig
Calgary 12°
Montreal 22°
Winnipeg 16°
Vancouver 18°
Toronto 23°
Salt Lake City 22°
New York 26°
Chicago 24°
Washington 28°
San Francisco 19° Denver 21°
Los Angeles 22°
Dallas33° Atlanta 31°
Miami33°
Innsbruck
Jerusalem
Kairo
Kapstadt
Mailand
28°
29°
36°
19°
31°
Peking 29°
Seoul 28°
Tokio 27°
Shanghai26°
Chengdu 29°
Dhaka 30°
Gewitter
sonnig
sonnig
sonnig
wolkig
Hongkong
Bangkok28°
Ho Chi Minh Stadt
Frankfurt Maximum 29,9° (1999), München Maximum 27,8° (1997),
Minimum 3,6° (1973)
Minimum 5,3° (1996)
Mexico City20°
Kuala Lumpur34°
Manila
Mombasa
Neu Delhi
Rio de Janeiro
Sydney
34°
31°
37°
29°
24°
Manila 34°
Online�Wetter�
welt�de/wetter
Umfangreiche und
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31°
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New Orleans 32°
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Madrid
Barcelona
27
Sonne
Norden
Budapest
Nizza
Lissabon
€
* Ausgewählte Flüge bei Buchung bis 11.10.16 auf LH.com,
Reisen: 30.10.16 bis 31.03.17. Begrenztes Sitzplatzangebot.
29
16
29
17
DEUTSCHLAND HEUTE
Wien
28
Bordeaux
Zagreb 31
Japan ab
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Saarbrücken
DIE WELT -2016-09-12-e-paper.eu-22 db621b4dad5bd20b1c5d31f940514cfd